Sehr schön: Schwarz-Gelb liegt vorne

„Es ist der beste Wert für Schwarz-Gelb seit mehr als drei Jahren: Union und FDP verfügen nach einer neuen Forsa-Umfrage über eine klare Mehrheit. Das liegt vor allem an der schwachen SPD und ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück.“

schreibt Spiegel-Online. Sehr schön. Unangenehm wäre eine Neuauflage von rot-grün, dieses Mal hieße Schröder halt Steinbrück. Der Tabubruch der ersten rot-grünen Regierung im Bund von 1998 bis 2005 ist nicht vergessen. Es brauchte damals das sogenannte Reformprojekt rot-grün, mit dem politisch in den Achtzigern sozialisierten wie ich gewisse Erwartungen verbanden. Der Turnschuhminister machte es in Hessen schon vor. Ich weiß nicht mal mehr, ob 1998 die Erwartungen wirklich so groß waren, vermutlich nicht, denn die Grünen waren damals schon einigermaßen entzaubert. Aber es war das Ende von Kohl, es waren nun die besser geschnittenen Anzüge und Hemden, neue Kragenformen, keine Slipper mehr. Das ist ja schon mal was.

Was dann kam, ist bekannt. Das sogenannte rot-grüne Reformprojekt sorgte für ein massives neoliberales Umbauprogramm, das das Fundament unter anderem für die aktuelle Euro- und Finanz- und Wirtschafts- und Sonstwaskrise legte. Es war, um das klar zu sagen, eine rechte Politik. Wir wurden regiert von Halbseidenen wie Schröder und Clement und Fischer. Fischer heißt heute Trittin, alles Alphamännchen ohne politische Überzeugungen, aber mit viel Machtbewusstsein. Clement ist nun bei der FDP und der INSM. Bei Schröder fällt mir gerade auch Thatcher ein. Beide haben die Entmachtung der Gewerkschaften betrieben.

Die SPD ist im Arsch, politisch wie moralisch, 23 Prozent aktuell sind der adäquate Ausdruck dessen. (Wobei ich mich frage, wo überhaupt noch 23 Prozent herkommen. Wer wählt diese Leute noch? Und warum?) Das einzig Sinnvolle wäre die Beteiligung einer starken Linkspartei in der Regierung, wobei man auch dann nicht weiß, ob die munter einknicken, siehe die zehnjährige Regierungsbeteiligung der Linken im Berliner Stadtparlament. An deren Ende stand die massive Gentrifizierung.

Dann schon bitte das Original: Sollen die CDU/CSU und die FDP bitte weitermachen, effektiver Widerstand gegen diese Politik wird sich eh nur von unten entwickeln oder gar nicht. Da ist ein klarer Feind ganz praktisch. Die merkwürdige Alternative für Deutschland kann ja auch gleich mitregieren.

Aber bitte keine Pharisäer mehr.

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32 Antworten zu Sehr schön: Schwarz-Gelb liegt vorne

  1. El_Mocho schreibt:

    Je mehr Texte dieses oder ähnlichen Inhaltes ich lese, desto mehr wächst meine Überzeugung, dass Walter Benn Michaels recht hat mit seiner These vom Linken Neoliberalismus.

    http://jacobinmag.com/2011/01/let-them-eat-diversity/

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  2. genova68 schreibt:

    Ich wiederhole mich: Links auf lange Texte, auch noch auf englisch, liest hier niemand. Du musst dir die Mühe machen und uns die Essenz mitteilen. Alles andere ist eine Form des Herrschaftswissens.

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  3. landbewohner schreibt:

    wer wachsam war, hat 98 aus taktischen gründen schon cdu gewählt. die geplanten sauereien von rosa-oliv unter beihilfe der gewerkschaften waren absolut absehbar, wenn vielleicht auch nicht in dem ausmaße.

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  4. genova68 schreibt:

    kann sein, ich habe das nicht vorhergesehen, aber ich weiß noch, dass ich sehr beeindruckt war von robert kurzens „schwarzbuch kapitalismus“, in dem er eine brilliante analyse vorlegte in einer zeit, die noch so völlig anders geprägt war als heute. ich war aber auch in den neunzigern weitgehend unpolitisch, glaube ich.

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  5. Chris(o) schreibt:

    Ich glaube auch nicht, dass es in den 90ern noch viel zu entzaubern gab.“Man“ wählte das, was man noch nicht so „satt hatte“.

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  6. Jakobiner schreibt:

    Mit Umfragen ist das immer so eine Sache.Letztens erschien auch eine Umfrage, die der Alternative für Deutschland 7% vorraus sagte.Und ob die FDP so sicher wieder drinnenist, dahingestellt. Meiner Anischt nach ist es aber ohnehin egal, ob nun schwarz-gelb, rot-schwarz, schwarz-grün oder rot- grün gewählt wird. Merkel und Steinbrück haben beide jetzt verkündet, dass es jetzt eine Agenda 2020 für ein wettbewerbsfähiges Deutschland und Europa“ geben muss (Schröder spricht sogar von einer Agenda 2030), die wahrscheinlcih wieder Sozialabbau und den ganzen üblichen Summs beinhaltet.Inzwischen heißt es ja auch wieder, dass die deutschen Löhne um ein Drittel zu hoch sind und wird nach der Wahl wieder auf Standortnationalismus geschaltet. Mit der Linkspartei will ohnehin keiner koalieren und eher geht die vom Seeheimer Kreis kontrollierte SPD mit der CDU zusammen als mit den Linken.Das Programm steht also auch ohne Wahl schon relativ unabänderlich fest.

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  7. Jakobiner schreibt:

    Die Frage ist auch, ob Nichtwählen vielleicht auch eine Option ist.Im wesentlichen gibt es bezüglich der Euro-Krise zwei Krisenoptionen: Die Vergemeinschaftung der Schulden und weitere Schritte zur ökonomischen und politischen Union der EU—diesen Weg befürworten CDU, CSU, FDP,SPD, Grüne, Linkspartei oder halt das Zurück zur geliebten DM, wofür die Alternative für Deutschland als neue Option steht. Man muss sich klar machen, dass die Finanzkrise in beiden Fällen Opfer bedeutet: Im Falle der Vergemeinschaftlichung der Schulden kann hier durchaus der Fall des deutschen Staatsbankrotts eintreten, wie dies der ehemalige Bundespräsident und Bundesverfassungsrichter Herzog klarstellte. Das Grundgesetz verbietet den Staatsbankrott nicht

    Auch wenn es nicht zu diesem Extremfall kommen sollte, so ist doch klar, dass ein Grossteil der Rettungsschirme nie wieder zurückbezahlt werden und sich der Staat und die EU sich das Geld vor allem von der deutschen Arbeiterklasse und dem deutschen Mittelstand holen wird.Angesichts dieser düsteren Option scheint die Alterntive für Deutschland die andere zukunftsträchtige Variante: Sie schliessen eine Rückkehr zur EU 1990-2002 ohne Euro und zurück zur DM nicht aus. Die EU ohne Euro funktionierte ja auch und zumal recht gut. Dennoch sollte jedem klar sein, dass eine Rückkehr zur DM ebenfalls immense Opfer fordern könnte, vor allem was die Exportwirtschaft betrifft.Eine Studie der Allianz Versicherung sieht für diesen Fall einen Rückgang des deutschen BSP um ein Viertel seiner Wirtschaftskraft vorraus.Zudem besteht die Gefahr, dass ein Zusammenbruch der Eurozone einen globalen Finanzcrash ala 1929 hervorrufen könnte. Dennoch bleibt die Frage, ob dies nicht Panikmache ist-genauso wie die Formel, dass der Euro eine Frage von Krieg oder Frieden sei. Die EU hat 1990 bis 2002 sehr gut ohne den Euro funktioniert. Auch bei dem ersten Schuldenschnitt bei Griechenland wurde erzählt, dass dies eine Kettenreaktion auslösen würde, die ein neues 1929 hervorrufen würde. Bekanntlicherweise ist nichts geschehen und haben die nicht eingelösten Credit Default Swaps auch nicht ihre behauptete zerstörerische Wirkung entfaltet. Da ist sehr viel Panikmache dabei, der man sich nicht ausliefern sollte. Optimisten hingegen glauben, dass die deutsche Arbeitslosigkeit sich dann auf einen Stand von 5 Millionen offiziell gemeldeten Arbeitslosen einpendeln und dann wider abnehmen würde.Das wäre ja wohl verkraftbar Gleichzeitig muss man sich aber klar sein, dass für diesen “best case” die geringere Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft wegen höheren DM-Kurses eine Agenda 2020 nach sich ziehen dürfte, die versucht mittels Lohnsenkungen, weiteren Ausweitungen des Billiglohnsektors, Aufweichung der Tarifverträge und der sogenannten Flexibliserung des Arbeitsmarktes (Hire- and Fire nach US-Vorbild)die relative Wettbewerbsfähgkeit wiederherzustellen.

    Doch auch schon Steinbrück und Merkel reden von solch einer Agenda 2020, Ex-Bundeskanzler Schröder sogar von einer Agenda 2030—wohlgemerkt mit Euro.Die hauptsächlichen Parteien sind daher für eine Vergemeinschaftlichung der Schulden sowie eine Agenda 2020. Die einzige Partei, die sich gegen eine solche Agenda 2020 ausspricht ist wiederum die Linkspartei.Idealtypisch ergeben sich also für das Wahlverhalten folgende Optionen: Alternative für Deutschland bedeutet keine Vergemeinschaftlichung der EU-Schulden, noch Eurobonds und Bankenunion, dafür aber Agenda 2020. Linkspartei bedeutet Vergemeinschaftlichung der EU-Schulden, Eurobonds und Bankenunion, aber keine Agenda 2020.

    Bei den anderen Parteien wird man beides bekommen.Somit bleibt abzuwägen, ob man die Agenda 2020 oder die Vergemeinschaftung der EU-Schulden als die schlimmere Variante sieht.Dementsprechend kann man Linkspartei oder die Freien Wähler wählen. Doch wenn man der Ansicht ist, dass beides Pest und Cholera ist, sollte man sich fürs Nichtwählen entscheiden.Alle Parteien akzeptieren ja stillschweigend, dass die Finanzkrise nur zuungunsten der Arbeiterklasse und/oder des Mittelstandes gelöst werden kann.

    Es ist immer wieder bezeichnend, auf welche Reaktionen man trifft, wenn man Nichtwählen als Option artikuliert.Der politisch mündige Bürger zeichne sich eben dadurch aus, dass er wählen gehe. Unsere Verfassungsväter und/oder die gesamte Arbeiter-/Frauenbewegung hätten für das Wahlrecht gekämpft, dieses nicht zu nutzen sei quasi historischer Verrat und Geschichtsvergessenheit.Für mich ist das alles Schwachsinn. Erstens haben die viel zitierten Verfassungsväter eben keine Wahlpflicht eingeführt–vielleicht haben sie sich auch etwas dabei gedacht.Zweitens: Es kommt doch immer darauf an, was ich wähle und was zur Auswahl steht. Wenn alle wählbaren Parteien nur Verschlechterungen für die eigene Lebenssituation und den Lebenstandard breiter Teile der Bevölkerung auf dem Programm haben, warum sollte ich sie dazu auch noch ermächtigen? Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber! Und all jene besorgten Staatsbürger, die einem zum Wählen bringen wollen, wollen doch sicherlich auch nicht, dass man dann das “Falsche” wählt wie etwa die NPD oder die MLPD. So prinzipiell ist das dann sicherlich auch nicht gemeint.Nun ja, vielleicht haben die Piraten ja bei ihrem Programmparteitag noch Innovatives zu bieten. Allein mir fehlt der Glaube bei dieser Chaostruppe.

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  8. Jakobiner schreibt:

    Nun, was würde George Soros unterstützen und wählen? Im SPIEGEL-Interview und gestern im ZDF kritisierte er Merkels Europolitik und meinte, es gebe nur zwei Optionen: Eurobonds oder Deutschland raus aus dem Euro.D.h.konkret: SPD/Grüne/Linkspartei (Eurobonds) oder Alternative für Deutschland (Zurück zur DM).Mal sehen, ob beide auch von der Open Society Group Soros finanziell unterstützt werden.

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  9. genova68 schreibt:

    Hm, bei der Wahl steht ja nicht nur das Ökonomische zur Entscheidung, insofern fällt die Alternative sowieso für mich aus, unabhängig von ihrer ökonomischen Konstitution. Die Exportausfälle Deutschlands thematisieren die vermutlich nicht oder wie ist deren Antwort darauf?

    Die deutschen Arbeiter wurden und werden durch zu niedrige Löhne und Bedingungen ausgebeutet wie aber weite Teile der europäischen Arbeiterschaft auch, insofern halte ich diese Unterteilung für falsch. Die Löhne in Südeuropa sind nicht so, wie sie die Bildzeitung beschreibt.

    Ein Grundproblem ist doch, dass der Exportweltmeister seine Waren irgendwann nicht mehr bezahlt bekommt. So wie China seine Waren in den USA nur absetzen kann, indem er gleichzeitig amerikanische Staatsanleihen kauft, so ist der dauerhafte einseitige Warenfluss von Deutschland in den Süden auch nur mit den jetzt offenliegenden Problemen zu haben.

    Es gälte, die Perspektive weg von einer National-, hin zu einer Klassengesellschaft zu verschieben. Deshalb wäre ich grundsätzlich für mehr Europa, was eine abgestimmte Steuer- und Sozialpolitik angeht, aber eben mit Druck von unten. Aber gut möglich, dass der Zug abgefahren ist, wenn man sich die nationalen Ressentiments anguckt und gerade die böse Rolle,die Deutschland mal wieder als Täterland einnimmt. Unsere Aufgabe, hier als Zivilgesellschaft wäre es, diesem Treiben einhalt zu gebieten. Und da sehe ich auf der Ebene der Wahl noch am ehesten die Linkspartei als Alternative.

    Eine Agenda 2020 bzw. 2030 hätte vielleicht den Zweck der weiteren Zuspitzung der Verhältnisse, ohne die es offenbar im Kapitalismus nicht geht. Deshalb meine Genugtuung über die Dominanz von Schwarz-Gelb.

    Wählen oder nicht, das muss jeder selbst entscheiden. Ich sehe das als die Praxis des kleineren Übels, insofern findet man schon etwas. Das Wahlrecht sollte man nicht leichtfertig in den Wind schlagen.

    Soros: klingt plausibel, aber das wäre eben nur zu haben, indem Deutschland die Löhne massiv erhöht und damit die Binnennachfrage ankurbelt, auch von staatlicher Seite, damit Exportausfälle ausgeglichen werden können. Der deutsche Exportüberschuss ist ein logisches Grundübel, das auf Dauer sowieso nicht so weitergehen kann.

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  10. garfield080 schreibt:

    Jakobiner
    Die Vergemeinschaftung der Schulden und weitere Schritte zur ökonomischen und politischen Union der EU—diesen Weg befürworten CDU, CSU, FDP,SPD, Grüne, Linkspartei

    auch wenn ich die Linkspartei als einzige Alternative sehe, haben die leider auch viel Schwachsinn im Programm, wie z.B. Euro-Bonds oder 50%iger Frauenqoute.

    Wählen oder Nicht-Wählen ist Privatentscheidung, ich würde die Leute aber eher zum Wählen (natürlich nur der richtigen Partei ;)) aufrufen.
    Was ist erreicht wenn man nicht wählt, außer das alles bleibt wie es ist – wahlweise Merkel/ Steinbrück führen ihren Kurs Richtung neoliberaler Erlösung & Ent-Demokratisierung halt endgültig weiter. Mit ner starken Opposition werden denen wenigstens Steine in den Weg gelegt.

    Ansonsten seh ich in unserer Demokratie sowieso den Nachteil, daß man mit einer Partei immer das komplette Programm wählt… in dem Punkt müsste es mehr Mitsprache geben.

    Zur nächsten BT-Wahl – da gönne ich Merkel irgendwo sogar den Sieg… wenn die Rettungsbillionen D einholen, ebenso wie die soziale Situation in GR, E … kann sie das wenigstens selbst ausbaden. Andernfalls wird’s vermutlich wie in den USA mit Obama & Bush’s Schulden laufen.
    Ergebnis könnte gut sein, daß die Ultraneoliberalen eine Periode später umso höher gewinnen, und dann noch skrupelloser als vorher weitermachen können.
    Wenn für Regierungsverantwortung eh nur Union oder SPD in Frage kommen, ist das am Ende natürlich sowieso gehoppt wie gesprungen.

    Was ein vereinigtes Europa angeht – das ist MMN ein Punkt, bei dem bei vielen Linke die Ideologie vor rationalem Denken kommt…
    Völkerfreundschaft erreicht man nicht mit einem Superstaat, im Gegenteil seh ich in der EU sogar den Hauptgrund für das EU-weite Erstarken nationalistischer Bewegungen; auch wenn das z.T. sicher auch daran liegt, daß EU gern immer einen guten Sündenbock abgibt.
    Die Vereinigung Europas war gut, wie sie vorm ESM war, alles weitere ist MMN zuviel.
    Die Linke (nicht Partei), bzw alternative Gruppen überhaupt, schaffen es ja innerhalb D’s kaum, auf einen Nenner zu kommen – Sprachbarrieren machen die Sache dann sacher nicht einfacher. Ein USEu würde den Leuten nützen, die schon vernetzt sind, v.A. internationalen Konzernen.
    Graswurzelbewegungen würde das zumindest deutlich erschweren; was die Demokratie angeht seh ich da auch eher schwarz.

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  11. lemmy Caution schreibt:

    In Chile war das noch extremer. Die Concertación hat das neoliberale Modell der 80er vertieft. Insbesondere Ricardo Lagos wurde ebenfalls vom Unternehmerverband hoch gelobt und wurde Präsident der Bosse genannt. Auch deshalb erschien der Christ-Demokrat Frei 2009 als keine Alternative und die Chilenen wählten das Original, also Piniera.
    Und das war das beste, was Chile passieren konnte. Die Wirtschaft wuchs jedes Jahr um 5,5 bis 6%… nein ich mach Spaß… das mit dem Wachstum natürlich auch, aber nach wie vor kam bei 80% kaum was von dem Wachstum an. Glück war, dass diese Alianza Typen im Gegensatz zu Concertación überhaupt nicht mit 80% der Bevölkerung kommunizieren konnten. Und jeder sehen konnte, wie viel – sagen wir menschliche – Schwächen diese dollen Unternehmer-Typen eigentlich haben. Und 2011 brach dann die Protestwelle aus, die natürlich viel mehr war als hübsche Gesicht von Camila Vallejo.
    Und diese Woche beginnt Michele Bachelet zu trommeln. Ich trau dem noch nicht ganz, aber die Frau kündigt das komplette Programm an: Steuerreform, neue Verfassung und freie öffentliche Bildung für alle.
    Das Öl. Das Feuer. Die Straße. Es kann sehr interessant werden.

    Die Deutschen suchen einfach Schutz davor, dass die von der gesamten EU verschuldete Euro-Krise vor der deutschen Grenze halt macht. Ich halte das für zunehmend unrealistisch. Aber in dieser Wahl ist nix neues zu erwarten.

    Nur auf mittlere Sicht treten wir in eine Phase ein, in der Vermögende stärker zur Finanzierung beitragen werden müssen. Ich glaube, dass der Neoliberalismus heute so tod ist wie der Keynesianismus nach dem Scheitern der Politik der französischen Volksfront Regierung ca. 1984, als Mitterand den Schwenk vollzog, weils hoffnungslos wurde.

    Hasta la victoria siempre

    Lemmy

    p.s. ich bin nicht schizo. Ich denke.

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  12. besucher schreibt:

    Ich hoffe erstmal dass Schwarz-Gelb auch gegen Real Madrid vorne liegen wird und das dies auch so bleibt.

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  13. besucher schreibt:

    Gottseidank würde sich der echte Lemmy nie zu einem abgerockten Che-Guevara-Spruch hinreißen lassen. Nicht denken, schenken!

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  14. lemmy Caution schreibt:

    Besucher, doch das bin ich.
    Die ideologischen Kämpfe der 60er sind für mich sowas von absolut Geschichte, dass ich mich da frei bei den starken Sprüchen bediene.

    Der Neoliberalismus war noch nicht mal in einem Land erfolgreich, dem er immerhin eine Verfünfachung des BIP bescherte. Vielleicht machte er eine gewisse Zeit Sinn, spätestens seit 2002 ganz bestimmt nicht mehr.

    Die Profiteure werden sich wehren, die Mehrheit wird sich in sturen Flügelkämpfen aufreiben. Aber das System ist nicht mehr zu halten. Gottseidank. Die Welt kann von den widerwärtigen Mechanismen des Experiments lernen. Darüber will ich vor dieser ersten chilenischen Wahl mit echten politischen Alternativen seit 1970 schreiben. An diesem Punkt insbesondere auch als Warnung an Europa. Ich sah das in den letzten 3 Jahren zunehmend düsterer. Es gibt kein Land, dass dieser Ideologie konsequenter gefolgt ist als Chile.
    George Orwell hat kurz vor seinem Tod auf die Frage nach der Zukunft sinngemäss geantwortet: Ein Gesicht voller Menschlichkeit und ein Stiefel der permanent da reintritt. So ists bis heute gottseidank nicht gelaufen. Der Kommunismus in Ost-Europa kam dem ziemlich nahe. Der Neoliberalismus in Chile allerdings auch.

    Aber ich bin optimistisch. Hauptthema des Treffens zwischen Merkel und Cameron ist nun der Umgang mit sogenannten „Steueroasen“. Agenden verschieben sich.

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  15. Jakobiner schreibt:

    „Aber ich bin optimistisch. Hauptthema des Treffens zwischen Merkel und Cameron ist nun der Umgang mit sogenannten “Steueroasen”. Agenden verschieben sich.“

    Hauptthema zwischen Cameron und Merkel ist das „wettbewerbsfähige Europa“—und dafür sollen neue Agendas 2020, 2030,usw. in Angriff genommen werden–also von wegen Ende des Neoliberalismus!!! Und bekanntlich ist vor der Wahl nicht nach der Wahl.

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  16. lemmy Caution schreibt:

    … und die Wettbewerbsfähigkeit wird eben dadurch hergestellt, dass die Reichen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden. Seit 2000 trug zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eine „Differenzierung“ der Löhne bei. Der Bevölkerung ist dies nur nicht mehr vermittelbar. Es gibt eine recht deutliche Mehrheit für einen Mindestlohn.

    Der Linken in Lateinamerika und in Europa fehlt ein realistisches Bewusstsein dafür, wie groß der Vorsprung der Sozialsysteme der traditionell entwickelten Länder (West-Europa inklusive Kanada, Australien, Japan, Süd-Korea, Taiwan und Teilen Ost-Europas) nach wie vor ist. Das Hochgelobte Sozialprogramme wie Bolsa Familiar in Brasilien brachte 12 Dollar pro Kind. Die Kaufkraft der Währung für Lebensmittel ist vielleicht 2 mal so hoch wie bei uns. Vergleich das mal mit dem Kindergeld in entwickelten Ländern.
    Die Senkung der Armutsraten bezieht sich auf die Uralt-Warenkörbe der CEPAL (try google), die Mittel für hinreichend Kalorien als Maßstab nennt. Solche Statistiken gibt es in Europa überhaupt nicht, weil wir dann eine Armut von 0% hätten.
    Schaut euch Einkommens-Ginis an. Oder der Anteil von progressiven (etwa Einkommenssteuer) und degressiven (etwa Mehrwertssteuer) an den Gesamt-Einnahmen der Staaten im internationalen Vergleich.
    Die steuerpolitischen Diskurse haben sich gedreht. Mehr Geld für die sogenannten „Leistungsträger“ hab ich länger nicht mehr gehört. Stattdessen wird ein höherer Beitrag der Gutverdienenden und Vermögenden eingefordert. Und zwar weltweit. Die Ausnahmen bilden die europäischen Krisenstaaten, in denen die regressiven Steuern in den letzten Jahr angehoben wurden. Aber auch dort seh ich die Diskussion um einen Beitrag der Einleger bei insolventen Banken für einen verteilungspolitischen Fortschritt.

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  17. Jakobiner schreibt:

    „… und die Wettbewerbsfähigkeit wird eben dadurch hergestellt, dass die Reichen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden.“

    Dream on, Lemmy, dream on. Warten wir die Zeit nach den Wahlen ab und schauen wir wer von uns beiden recht hat!

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  18. genova68 schreibt:

    Aus der geographischen Perspektive von Chile mag der Neoliberalismus hier an sein Ende gekommen sein, in Deutschland selbst sehe ich das nicht so. Es wird natürlich für die Masse immer wieder Soziales erzählt, aber die reale Politik sieht anders aus. Und das kapitalistische System hat die Eigenschaft, dass sich der Mehrwert quasi automatisch einstellt, auch wenn man nichts weiter unternimmt. Die reale Politik könnte sich sofort komplett raushalten und die Ungleichheit würde zunehmen. Die Hinweise auf die Agenda 2020 oder 30 sind bezeichnend. Und die Debatte in den USA zeigt, wie man strukturell vorgehen kann, um eine Schwächung neoliberaler Politik zu verhindern: ein Schwur darauf, auf keinen Fall irgendeine Steuer zu erhöhen und eine Erhöhung der nationalistischen Dosis bei gleichzeitiger Verächtlichmachung von „denen da in Washington“ inklusive der Hinzuziehung einer weiteren Macht, in den USA ist das Gott, der als regierungsfeindlich instrumentalisiert wird.

    Die Bevölkerung ist in großen Teilen programmatisch auf der Schiene der Linkspartei, die Wahlentscheidungen laufen bekanntlich anders.

    Ich habe mir gestern die Leitartikel von ein paar süddeutschen Provinzzeitungen zum SPD-Parteitag durchgelesen, unter anderem „Mannheimer Morgen“, „Fränkischer Tag“ und „Nürnberger Nachrichten“. Es stand überall das gleiche: Agenda 2010 war gut, die Umverteilung von unten nach oben wurde nicht bestritten, sondern sogar ausdrücklich gelobt (Fränk. Tag: das habe die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt), die Agenda 2010 sei in der Bevölkerung beliebt, außer „im linken Lager“, auf das Steinbrück nicht achten solle. Meines Wissens ist das die mediale Darstellung von mindestens zwei Drittel der Tageszeitungen. Insofern: Bei diesem medialen Dauerfeuer, wie sollte da eine Wende entstehen?

    Nebenbei: Bei diesen Schrottzeitungen kann man dem Zeitungssterben mit Gelassenheit entgegenblicken.

    Aber danke für diese Berichte aus Chile, lemmy. Ich glaube, dass der Blick auf Chile und die USA hilfreich ist, weil die uns gewissermaßen voraus sind in der Entwicklung.

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  19. genova68 schreibt:

    Noch das hier:

    „Der Neoliberalismus war noch nicht mal in einem Land erfolgreich, dem er immerhin eine Verfünfachung des BIP bescherte. „

    Was heißt erfolgreich? Das würde ja bedeuten, dass Friedman und Co. von einer allgemeinen Wohlstandshebung ausgehen bzw. -gingen. Das Survival of the fittest kann bedeuten, dass es eben nur zehn Prozent wirklich schaffen, die anderen sind dann eben selbst schuld bzw. haben zumindest den nicht überschätzbaren Vorteil, dass sie ihren ökonomischen Niedergang in vollständiger Freiheit erleben.

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  20. Jakobiner schreibt:

    Mal sehen, ob schwarz-gelb wirklich solch eine Mehrheit bekommen.Die Alternative für Deutschland kommt in Umfragen zwischen 3-7% und hatte gerade ihren Parteigründungstag, bei de sie auch ihr Wahlprogramm beschloss.MIt der AfD würde aber ein neoliberaler Kurs eher wieder bestätigt.Die konservativen Zeitungen rätseln, wie sie mit der AfD umgehen sollen.So widmen sich FAZ und WELT vor allem der Forderung nach Euroaustritt.Die Rückkehr zur DM hat im wesentlichen zwei ökonomische Nachteile: Die Aufwertung und damit ein Einbruch bei den Exporten und die Vernichtung von Guthaben im Rahmen der Auslandschulden.Mehr können FAZ und WELT in ihren Artikeln gegen die AfD auch nicht bringen.Die AfD in eine rechte Ecke zu bringen, dürfte ungemein schwieriger sein, als etwa bei den Republikanern, zumal Schönhuber bei der SS war und sich dessen auch noch offen brüstete (Buch:”Ich war dabei”). Lucke war selbst 30 Jahre in der CDU, bei seinem Team ist nicht ein einziger Altnazi dabei, noch Personen, die sich zu Äußerungen in dieser Richtung hinreissen haben lassen.Nach dem einen Mneschen mit dr Deutschlandfahne mussten die Reporter beim Gründungsparteitag ja händeringend suchen. Der einzige Schwachpunkt ist die Nähe zur Jungen Freiheit, aber da müsste man mal erklären, wie Leute wie Egon Bahr, Scholl-Latour, Henkel,etc. in diesem Blatt schreiben können und ihm Interviews geben, wenn es so nazi wäre.Zudem sollte man auch mal einen Blick ins Programm der AfD werfen. Da wird zwar kanadisches Immigrationsrecht gefordert, aber eben auch Arbeitsrecht für Asylbewerber–eine Forderung, die von SPD,Grünen und Linkspartei selber so vehement vertreten wird und so gar nicht nach rechts oder gar NPD kling (Ausländerrückführungsprogramm).Die AfD wird also eher eine neue neoliberale Partei sein, aber keineswegs rechtsradikal.
    Die zwei Haupthindernisse, warum man die AfD nicht wählen sollte ist ihr Vorschlag des Kirchhoffschen Steuermodells, wonach jeder nur noch 25% Steuern zahlen soll, egal ob arm oder Milliardär.Das läuft auf eine Steuerbefreiung für Reiche ohne Ende hinaus, reißt weitere Lücken in den Staatshaushalt, der nur Kürzungen im Bildungs- Sozialsystem,etc. bedeutetZudem bekennt sich die AfD auch zu City-of London-Camerons Vorschlag eines “wettbewerbsfähigen Europas”–Zitat:

    “Das europäische Parlament hat bei der Kontrolle Brüssels versagt. Wir unterstützen nachdrücklich die
    Positionen David Camerons, die EU durch mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung zu verschlanken.”

    Das läuft auf eine Agenda 2020 heraus mit Sozialabbau, Lohnkürzungen, Flexibiliserung des Arbeitsmarktes, Privatisierung, Deregulierung,etc–die ganze neoliberale Palette ala Thatcher/Cameron also.

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  21. genova68 schreibt:

    Die AfD ist rechts, da muss man nichts konstruieren. Henkel, Gauland, Adam, das reicht schon. Die Junge Freiheit darf vor der Halle verteilen und den Livestream übertragen, da gibt es auch keinen Protest. Ein nationalistisch marktradikaler Haufen, irgendwas zwischen Teaparty und FPÖ, vermute ich. Wer behauptet, er sei weder rechts noch links, ist rechts. Henkel hat ja selbst PI schon Interviews gegeben.

    Eine marktradikale Politik ist per se rechts, weil sie Gesellschaft zerstört.

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  22. genova68 schreibt:

    Juchu, es läuft wie am Schnürchen!

    Die SPD fällt in der Gunst der Wähler weiter zurück. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würden nur noch 22 Prozent (minus ein Punkt) der Befragten für die Sozialdemokraten stimmen, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Erhebung des Forsa-Instituts für den Stern und RTL hervorgeht.

    Das wäre weniger als bei der Bundestagswahl 2009: Damals hatte die SPD mit 23 Prozent ihr schlechtestes nationales Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik eingefahren. Spitzenkandidat Peer Steinbrück kommt in der Umfrage auf noch schlechtere Zustimmungswerte: Nur 17 Prozent würden ihn bei einer Direktwahl zum Regierungschef küren, zwei Prozentpunkte weniger als eine Woche zuvor.

    http://taz.de/SPD-in-Forsa-Umfrage-bei-22-Prozent/!114685/

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  23. Eso-Policier schreibt:

    Die AfD kann eine bessere Politik machen. Sie ist auch für eine starke Begrenzung der Einwanderung.

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  24. Jakobiner schreibt:

    „Die AfD ist rechts, da muss man nichts konstruieren.“

    Rechts schon, aber eben nicht rechtsradikal.

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  25. lemmy Caution schreibt:

    genova:

    Was heißt erfolgreich? Das würde ja bedeuten, dass Friedman und Co. von einer allgemeinen Wohlstandshebung ausgehen bzw. -gingen. Das Survival of the fittest kann bedeuten, dass es eben nur zehn Prozent wirklich schaffen, die anderen sind dann eben selbst schuld bzw. haben zumindest den nicht überschätzbaren Vorteil, dass sie ihren ökonomischen Niedergang in vollständiger Freiheit erleben.

    Für die Ideologie der Pin8 Diktatur war Friedmann nur eine Komponente.
    Die UDI als Partei war auch von Anfang an auch als Partei gedacht, die sich an die Armen wendet. Ähnlich wie die Evangelikalen gehen die bis heute in die poblaciones, um dort Herzen zu gewinnen. Neben Subsidaritäts-Prinzip, deregulierter Wirtschaft gabs da auch die Betonung einer individualismus-kritischen Perspektive, die von einer harmonischen Volks-Gemeinschaft träumte, in der jeder seinen Platz hatte. Das hat sich tief in die Mentalität eingegraben und diese Aspekte der Diktatur wurden nie aufgearbeitet.
    Auch karitative Überlegungen besassen eine wichtige Rolle. Kennzeichnend für Chile ist ja, dass die Zahlen für extreme Armut und Armut nach den niedrigen CEPAL Werten für die Region positiv herausstechen. Nur markieren diese niedrigen Schwellwerte kein menschenwürdiges Dasein sondern ein funktionales Überleben des Körpers bei sehr disziplinierter Lebensführung. Vor 1960 geborene nehmen es auch so wahr, dass die von ihnen im bewussten Leben wahrgenommene Armut 1950 bis 1986 härter war als die Armut heute. Kinder, die tagsüber an den Häusern klingelten, um für Brot zu betteln war damals ziemlich alltäglich. Heute existiert das nicht mehr. Auch gab es einen gewaltigen Anstieg der Personen mit Hochschulbildung (15% auf 65%) und eine wesentlich artikuliertere Gegen-Öffentlichkeit.
    Diese Ideologie der chilenischen Rechten formte sich in den Jahren 1958 bis 1976 aus. 1976 bis 2011 wurde das Programm umgesetzt und neue Gehilfen in der Politik gesucht. Der Höhepunkt war unter der Präsidentschaft Ricardo Lagos, ein Sozialist. Seitdem gibt es immer mehr Risse im Fundament. Alles fließt.

    Reiner Neoliberalismus als Ordnungsrahmen für eine Gesellschaft ist ähnlich theoretisch wie aus meiner Sicht Marxismus. Es muss immer mit etwas verbunden werden. Eben die Idee einer Volksgemeinschaft auf einem dritten Weg zwischen Kommunismus und Individualismus im Sinne des Westens.
    AfD und FPÖ binden ihre Anhänger letztlich ebenfalls mit einer starken Komponente der harmonischen Volksgemeinschaft.

    Für mich steht diese Neugründung keineswegs für eine Stärkung des Neoliberalismus, sondern zeigt im Gegenteil auf, dass sich diese Leute von der aktuellen Regierung nicht mehr repräsentiert fühlen. Merkel würd eher eine Große Koalition eingehen, als mit diesen Leuten zu koalieren.

    Unsere germanischen Vorfahren warfen Hühnerknochen in die Luft und jemand behauptete, daraus wertvolle Informationen für in die Zukunft gerichtete Entscheidungen lesen zu können. Die Rolle der Hühnerknochen hat in unserer Zeit die Ökonomie. Der Ökonom ist der Hühnerknochen Leser. Keine westliche Erscheinung übrigens. In Kuba und Venezuela verwenden die nur andere Handbücher.
    In der dominierenden Lehrmeinung des Hühnerknochen-Lesens im Westen findet ein Wandel statt. Seit der Finanzkrise, schreiben Theoretiker wie Nassim Taleb, Nouriel Roubini, Dani Rodrik, Ha-Joon Chang die Handbücher fürs Auslesen der Hühner-knochen um. Nichts neues. Die Handbücher werden nach jeder großen Krise umgeschrieben.

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  26. lemmy Caution schreibt:

    Die Bevölkerung ist in großen Teilen programmatisch auf der Schiene der Linkspartei, die Wahlentscheidungen laufen bekanntlich anders.

    … gehört seit 120 Jahren zum Rucksack der Linken ;-)
    In der Republik der Mäuse wählen die Mäuse die Katzen.
    Auf die Dauer echt nicht plausibel.

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  27. genova68 schreibt:

    lemmy,
    die absolute Armut war in den 50er und 60er Jahren größer, ja, das hat aber auch mit technischem Fortschritt zu tun. Heute hat ein Mobiltelefon einen anderen Stellenwert als zu Zeiten, wo so ein Teil noch mehr als zehntausend Mark kostete. Man darf nicht für jede Entwicklung konkret einem ökonomischen System haftbar machen, der Mensch ist auch ohne System intelligent und entwickelt Dinge.

    Danke für die Infos zu Chile und dass der Höhepunkt neoliberaler Politik unter einem „Sozialisten“ ablief.“ Kennen wir ja irgendwie.

    Merkel würde eher eine große Koalition eingehen als mit der AfD, ja, denke ich auch, aber vor allem, weil die derzeit überhaupt nicht einschätzbar sind und die Frage des Euro eine zentrale ist.

    Was ist Neoliberalismus? Ich würde den als eine Art Überbau der kapitalistischen Basis betrachten: Die Gesellschaft wird in jeder Ader kapitalistisch positioniert, auch und gerade im Denken. So gesehen sehe ich keine Anzeichen für eine Schwächung des Neoliberalismus. Er ist zwar seit Jahren dauerhaft in der Kritik und auch seriöse Medien bedienen sich des Begriffs. Aber die Gesamttendenz in der Politik der westlichen Welt läuft weiter in diese Richtung, vielleicht, weil ein Schwenk gar nicht schmerzlos zu machen ist. Man müsste beispielsweise die technische Entwicklung in Zusammenhang mit dem Finanzmarktkapitalismus sehen, ein Maucklick, um Milliarden zu verschieben. Das ist zwar alles regelbar, aber die Widerstände sind heute größer als früher.

    Es gibt ja auch keine Gegenbewegung, vielleicht ein bisschen in Chile, aber ansonsten nicht. Occupy ist gnadenlos gescheitert und zeigte die völlig mangelhaften Voraussetzungen derzeit. Gleichzeitig macht die EU munter weiter neoliberale Politik, beispielsweise Wasserprivatisierung.

    Die AfD würde ich schon als eine Stärkung des neoliberalen Modells sehen, weil die ja nun keine Korrektur dessen fordern, sondern schlicht ein (vorübergehendes) Zurück zu nationalen Kategorien, und zwar in Zeiten der Unübersichtlichkeit.

    Die von dir genannten Theoretiker kenne ich übrigens allesamt nicht. Was natürlich einfach gegen meine Bildung sprechen könnte.

    Jakobiner,
    ja, rechts, nicht rechtsradikal.

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  28. lemmy Caution schreibt:

    Die Wucht unseres Neoliberalismus ist in jeder Hinsicht abgemilderter im Vergleich zu gewissen Schwellenländern. Für viele Ecuadorianerinnen ist es ein Fortschritt, wenn sie für 4,50 Euro die Stunde als Zimmermädchen in einem spanischen Hotel arbeiten können. Ich kenn chilenische Lehrer, die froh sind nun 500 Euro im Monat zu verdienen. Chile ist ein Riss im System. Ein makroökonomisch stabiles hocheffizientes neoliberales Entwicklungssystem, das ausgereizt ist und nun fragil wird.
    Bei jedem Jahr 5% Wachstum gewinnt immer der gleiche überschaubare Kreis. Gegen ein solches System bildet sich natürlich irgendwann Widerstand. Ich werd das in den nächsten Monaten mal aufschreiben, auch als Warnung für mögliche Entwicklungen für Süd-Europa in den nächsten Jahren. Und zwar ehrlich, nicht so wie jene Chávez-Jubel-Perser. Ich kanns nicht ändern, aber ich könnte wenigstens drüber berichten.
    Ein System regeneriert sich selber. In aller Regel richtet sich die Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft ein. Die wo das System ändern wollen, bilden eine Minderheit. Altes Linkes Problem zu glauben, die Gesellschaft nur aufwecken zu müssen aus ihrer Selbst-Entfremdung oder es läge an den ach so manipulativen traditionellen Medien. Linke Medien sind übrigens mindestens genauso manipulativ. Ist ja auch nicht weiter schlimm. Schlimm ist der Zeigefinger auf die traditionellen Medien.
    Änderungen werden von relativ kleinen Gruppen durchgesetzt, die genau wissen, was sie wollen und auch tief genug nachgedacht haben, um das auch durchsetzen zu können. Der Mittel/Nord-Europäische Sozialstaat entstand so. Das finnische Schulsystem. Der New Deal.
    Eine nicht-koalitionsfähige Protest-Partei mit 7% ist eine sehr schwache Konstruktion. Sehen wir ja bei der LINKE.
    Das Scheitern von Occupy Wall Street sagt mehr über den Zustand der sogenannten Globalisierungskritiker und nichts über die Notwendigkeit einer kritischen Bestandsaufnahme der Welt im Jahre 2013 aus Sicht der Werte der Sozialen Marktwirtschaft.

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  29. El_Mocho schreibt:

    Wie siehst du in diesem Zusammenhang das Brasilianische Modell? Brasilien ist ja auch durch eine Phase der Diktatur gegangen wie Chile, und erlebt jetzt einen wirtschaftlichen und Sozialen Aufschwung, allerdings weitgehend ohne die gesellschaftliche Spaltung, wie sie in Chile immer noch sichtbar ist. Z.B. expandieren die Brasilianer ihr Bildungssystem systematisch, u.a. indem sie Studenten mit Stipendien versehen und an ausländische Unis schicken, ganz anders als in Chile wo man am privatiserten Bildungssystem für die Elite nach neoliberalem Muster festhält.

    In Brasilien treten in gleichem Maße, wie Soziale Probleme an Bedeutung verlieren, andere Probleme in den Vordergrund: nämlich die Ignoranz in ökologischen Fragen und die Korruption. Was aus meiner Sicht die aktuell wichtigsten Proleme Südamerikas sind.

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  30. genova68 schreibt:

    In Brasilien treten soziale Probleme nicht in den Hintergrund, auch wenn seinerzeits das Werbefilmchen, das du hier präsentiert hast, das glauben machen wollte. Interessant wäre derzeit die Beschäftigung mit der Stadtpolitik in Rio in Blick auf die Fußball-WM. Wenn du, mocho, in einer Favela leben würdest, aus der du nun vertrieben wirst, weil da teure Wohnungen entstehen sollen, würdest du vermutlich anders reden.

    Unbestritten, dass es dort ökonomisch gut läuft und eine relative linke Politik die übelsten Auswirkungen des Kapitalismus lindert, sozialdemokratisch in seiner besten Auslegung. Die Gegensätze werden damit aber nicht grundsätzlich angegangen, sondern kaschiert.

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  31. El_Mocho schreibt:

    „Die Gegensätze werden damit aber nicht grundsätzlich angegangen, sondern kaschiert.“

    OK, schlag was besseres vor. Chavez? Geht nur mit viel Öl, und das haben die meisten Länder nicht.

    Ansonsten klingt deine Kritik ziemlich hohl.

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  32. genova68 schreibt:

    Ich bin kein Brasilienkenner, deswegen bringe ich solche Themen nicht. Was mir noch in Erinnerung ist von einem dreimonatigen Aufenthalt in Santos/SP aus den frühen Neunzigern: Die unglaubliche Verblödung durchs TV. Dagegen ist unser RTL ein Bildungsprogramm. Es jagte eine telenovela die nächste, debile Spielshows und eine Göttin namens Xuxa, natürlich blond. Es gibt dort extrem reiche Clans, die das Land unter Kontrolle halten. Es bräuchte eine soziale Emanzipation und das, was dort teilweise in den Favelas abläuft, halte ich für bedenkenswert: Spontane Stadtplanung, direkte Bürgerbeteiligung ohne Bürokraten, vollendete Tatsachen. Das weckt ja auch hierzulande Interesse bei den Planern. Die Favela als Ort sozialer Emazipation, weil dort noch die Möglichkeit existiert, sich der verwalteten Welt zu entziehen.

    Kapitalismus zerschlagen, so könnte man das weltweit auf einen Nenner bringen.

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