Italia moderna – dieci

Wir sehen ein Appartmenthaus für Urlauber in einem kleinen italienischen Seebad an der Adria. Das Seebad trägt den skurrilen Namen Lido delle Nazioni. Das Haus ist ein Typus, der in Serie und massenhaft aufgestellt wurde, vermutlich nicht nur in diesem Ort.

Der Grundtyp besteht aus 16 kleinen Wohnungen auf zwei Etagen, jeweils acht nach vorne und acht nach hinten orientiert. Die Balkone bestehen aus der verlängerten Wohneinheit. Das Ganze ist aufgeständert, im Erdgeschoß haben Läden und Restaurants Platz.

Es ist eine wunderbar strukturalistische, praktische, nach vorne gerichtete und auf die Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtete Architektur. Alle Wohnungen haben möglichst große Balkone, nämlich über die komplette Wohnungsbreite reichend, und die Verjüngung nach oben bewirkt, dass man den Balkon des Nachbarn obendrüber nicht komplett auf dem Kopf hat. Somit entsteht ein großzügiges, luftiges Raumgefühl. In die Endseite ist eine Glasscharte eingefügt, wofür auch immer, aber das konstruktivistische Design überzeugt.

Dieser Wohnungstypus ist bis heute unübetroffen. Die Form folgt der Funktion im besten Sinne. Kein lächerlicher Schnickschnack wie bei den meisten heute neu gebauten Wohnhäusern, der Trend war damals in der Tat noch ein Freund. In Deutschland gab es solche Häuser in den 1960er Jahren in bescheidener Zahl. Man könnte in wohnungsnotgeplagten Städten heute ohne Weiteres genau diesen Typ in Massen aufbauen, die Wände und Fenster besser dämmen und ein paar Solarzellen aufs Dach bauen. Mehr bräuchte es nicht, günstiges Wohnen könnte so einfach sein.

Genau deshalb wird der Typ heute nicht gebaut. Denken wir zurück seligen Angedenkens.

(Fotos: genova 2019)

Dieser Beitrag wurde unter Architektur, Italien veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..