Korruption in Berlin: drei Beispiele

Nur mal nebenbei: Derzeit wird in Berlin an objektiv unsinnigen und rechtsreaktionären Projekten folgendes umgesetzt:

  1. 3,5  Kilometer Stadtautobahn für projektierte 500 Millionen Euro.
  2. Eine neue U-Bahn vom Hauptbahnhof zum Alexanderplatz für projektierte 500 Millionen Euro.
  3. Ein neues Schloss für projektierte 600 Millionen Euro.

Macht projektierte 1,6 Milliarden Euro, wobei die Summe von zwei oder drei Milliarden den realen Kosten vermutlich näher kommen wird. Geld, mit dem man Sinnvolles anstellen könnte.

Symbolisch ist interessant, dass die neue U-Bahnlinie unter dem Schloss verlaufen wird.

Diese drei Punkte zeigen, wie korrupt dieses Land ist. Eine Bauwirtschaft, die offenbar massiven Einfluss auf die Politik hat und eine extreme Steuerverschwendung durchpeitschen kann sowie eine alt-neu-preußische reaktionäre Clique, die von Wilhelm II. und alter Größe träumt. Der Bundespräsident und der Sozialdemokrat Wowereit sind selbstredend in erster Reihe dabei. Er meinte gestern auch, dass der Bund einspringen müsse, wenn die Spenden von den avisierten 80 Millionen Euro für die historische Fassade nicht zusammenkomme. Das erinnert an die Bankenrettungen.

„Berlin bekommt sein Schloss zurück“ titelt die Berliner Morgenpost heute in der üblichen Personalisierung. Berlin freut sich heute, vermutlich. Natürlich darf das strapzierte Bild von der „historischen Mitte“ nicht fehlen, das nur vom Schloss gefüllt werden könne. Es klaffe „ein Loch“ mitten in Berlin, das von denKommunisten „schmerzhaft“ aus dem organischen Stadtkörper herausgerissen worden sei.

Man leidet als Leser mit, will man nicht als herzlos gelten.

Die Christen sind natürlich auch mit von der Partie, wenn es gilt, der Obrigkeit zu huldigen. Ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher segneten das Schloss oder den Grundstein oder was die da genau machen.

Henry Kissinger ist ebenfalls Schlossfan und sagte gestern:

„Die Restauration des alten Berlins ist das Symbol des wiedervereinigten Deutschlands.“

Danke für diese deutlichen Worte.

Der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, redete von einer „gigantischen wilhelminischen Kathedrale des Wissens“. Ein schönes Beispiel für den aktuellen Zeitgeist: Wissen ist ja immer gut in der Wissensgesellschaft. Deshalb soll der Klotz auch Humboldt-Forum heißen, irgendwas mit Wissen wird da reinkommen. Zur Perfektion hätte Parzinger noch von einer transparenten Wissenskathedrale reden müssen. Transparenz ist heute schließlich mindestens genauso wertvoll wie die Wissensgesellschaft.

Die historische Mitte kann also nur von Schloss angemessen gefüllt werden. Es erinnert an den Extremismus der Mitte. Schlossbefürworter in einem demokratischen Staatswesen kann man schon als extremistisch bezeichnen. Sie selbst stehen aber alle ganz mittig. In Berlin und in „der Gesellschaft“.

Alles eine Frage der Perspektive.

Eine Hoffnung darf man allerdings haben: Das Schloss wird gebaut, die U-Bahn darunter auch, und dann bricht alles mit einem dumpfen Knall zusammen und der märkische Sand begräbt den Blödsinn gnädig.

Nur so nebenbei gedacht.

041(Foto: genova 2012)

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12 Antworten zu Korruption in Berlin: drei Beispiele

  1. Chris(o) schreibt:

    Die Schlossidee resultiert sicherlich aus der noch sentimental verklärten Erstzeit der Wiedervereinigung.Das einzige, was dem vereinten Bürgertum zum Glück noch fehlte, war das schnöde plattgemachte Schloss wieder erstehen zu lassen.Steht erst das Schloss, ist Berlin wieder „geheilt“.
    Inzwischen gibt es in der Bevölkerung wohl kaum jemanden, der diese Idee noch aus vollem Herzen unterstützt.Aber die Planer und die Pläne sind halt noch da.Ich denke nicht, dass es ursprünglich ein Projekt der „Obrigkeit“ war, sondern dass es genau dieses inzwischen geworden ist, derweil die Bürger ganz andere Themen umtreiben.

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  2. besucher schreibt:

    Einen Imam aus Neukölln zur Segnung haben sie nicht auftreiben können? Schade!

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  3. Chris(o) schreibt:

    Imam? Vielleicht hat sch keiner finden können, der sich für das Gemäuer zuständig fühlen würde.

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  4. niklgramm schreibt:

    Dieses Zitat von Herrn Parzinger finde ich übrigens sagenhaft gut: „eine wilhelminische Kathedrale des Wissens“ soll das Schloß werden! Da wird ja alles verquirlt, wo nur geht: Wilhelminisch, also protestantisch, eine Kathedrale, also katholisch, aber nein, eine Kathedrale des Wissens und nicht etwan des Glaubens, und das ganze in einem gefakten Schloß… Für den Chef einer großen Kulturstiftung ist das schon ziemlich flott! In dem jw-Artikel ist übrigens noch eine andere allerliebste Trouvaille enthalten: Wowi spricht da von der „widernatürlichen“ deutschen Teilung. Das ist ja wirklich super, man fragt sich, wer da mit wem widernatürliche Unzucht getrieben hat, um Deutschland zu teilen. Etwa Hitler mit Stalin? Diese Grundsteinlegung scheint ja alle Welt zu höchster Nonsensform auflaufen zu lassen. Aber das ganze Neuschloß ist ja Nonsens pur, da nimmt’s nicht wunder, wenn auch die Festredner nonsensen.
    Aber Ihr Foto ist ja mal wieder wirklich klasse! (Und das meine ich jetzt ganz ironiefrei wörtlich.)

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  5. genova68 schreibt:

    niklgramm,
    danke für das Lob des Fotos. Es handelt sich tatsächlich um Berlin, wenn auch leider ohne entsprechendes Symbol.

    Hier finden sich noch aufschlussreichere Zitate:

    Berliner Stadtschloss: Deutschland unbefleckt

    Ja, der Parzinger ist nicht irgendwer, sondern Chef einer großen, einflussreichen Behörde. Gerade von denen könnte man eigentlich qualifizierten Widerspruch erwarten. Stattdessen mischen sie in der rechten Soße kräftig mit. Parzinger weiß auch bis heute nicht, was eigentlich in das Schloss rein soll, es ist alles mögliche im Gespräch. Vor allem wird deutlich, dass man eigentlich das Schloss wiederhaben will und sich deshalb überlegen muss, was man da reintun könnte. Aktuell sollen die Exponate der Dahlemer Museen rein. Auch ein Witz, weil diese Museen alle schon längst existieren, die Exponate werden dann nur von A nach B gebracht, das alte Gebäude wird umgenutzt, kostet vermutlich alles noch zusätzlich Geld, das in die Berechnungen nicht einfließt.

    Ich vermute, dass in den nächsten Jahren Kritik von rechts an der Ausstellung außereuropäischer Exponate kommen wird, nach dem Motto: In das deutsche Schloss kommt deutsche Kunst.

    Es ist ein exponiertes Beispiel: Der angeblich wichtigste Platz in Deutschland und somit der politischste Platz, der symbolträchtigste Platz, bekommt wieder ein Schloss. Alles kein Zufall.

    chris,
    die Bevölkerung bundesweit ist sicher mehrheitlich gegen das Schloss, schon wegen der Kosten im Pleiteberlin. Aber der Bundestag hat entschieden. Ich würde als in Berlin Wohnender sagen, dass es eine kleine Clique um Herrn von Boddien war und ist, der das ganze vorantreibt. Der macht seit 20 Jahren nichts anderes, als sein Projekt zu hypen. Generell ist sowas den meisten Leuten wurscht, weil sie nichts damit zu tun haben.

    Aber man sollte den Einfluss solcher Projekte nicht unterschätzen. Da wird Politik gemacht.

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  6. HGT schreibt:

    Her mit dem Schloss! Weg mit allem Linken!

    Schade, dass die Konservativen in diesem Lande so weich und gut sind und so gar nicht sind wie ihre Feinde, die Linken, die in der BeErDe die uneingeschränkte Hoheit im Medien-, Bildungs- und (Un)kultursektor innehaben.

    Ein Blick in die USA (in der die Lage in dieser Hinsicht an die hiesige erinnert) ist in dieser Hinsicht lohnend: Der amerikanische Stratege Ralph Peters meint dazu, dass in Zukunft militärische Aktionen gegen Journalisten und andere sog. Linksintellektuelle denkbar seien. Je früher, desto besser!

    Das wäre gerecht, da diese Kreaturen Macht (grundsätzlich zum Schaden der Nation und aller guten Menschen) ohne jede Art von Verantwortung ausüben – und auch ohne Sachkenntnis (es ist die Definition des Linken, dass er geistig und ethisch-moralisch unter der Stufe des Tieres steht, das auf allen vieren geht, nicht wahr?).
    Das ahnt wohl jeder, der die Netzforen der Zeit, der SZ oder des Speichel Online kennt; von Blogs wie diesem zu schweigen).

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  7. genova68 schreibt:

    Endlich mal ein guter Kommentar hier!

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  8. Nemo schreibt:

    Darf ich eine kleine Anmerkung zu Ralph Peters und seinem Artikel „Wishful Thinking and Indecisive Wars“ machen?

    In diesem sagte er so etwas wie: Tötet alle Journalisten! (siehe den Abschnitt „The Killers without guns“ in seinem Essay, der vorne genannt ist).

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  9. besucher schreibt:

    Kann der Erdogan nicht einfach seine osmanische Kaserne die er im Gezi-Park wiederauffrichten will (natürlich als Einkaufszentrum) auf dem Berliner Schloßplatz errichten? Damit wäre doch allen geholfen: die Istanbuler freuen sich dass sie ihren Park behalten dürfen, die Linken in Berlin freuen sich dass es keine wilhelminische Kathedrale des Wissens geben wird (eine Kaserne passt eh viel besser nach Berlin) , die Türken freuen sich dass Erdogan mal wieder zu Besuch kommt und ein Imam wird sich auch freuen der den Bau dann auch noch segnen darf.

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  10. Chris(o) schreibt:

    Die türkische Variante sieht aber einen Bau im Stile einer Kaserne vor, der tatsächlich aber eine Moschee und ein Einkaufszentrum beherbergen soll.
    Zur Moschee gehört ja sicher auch ein Bildungszentrum.Somit wären ja ein paar Fliegen mit einer Klappe geschlagen oder so ähnlich….

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  11. besucher schreibt:

    Hmm…ob das Einkaufszentrum direkt neben der Moschee liegt? Oder direkt drinnen? Erdowahn wäre es zuzutrauen: Man kann neoliberal einkaufen und gleichzeitig konservativ beten. Bis dann Jesus kommt und die Händler aus dem Tempel treibt. Das wäre dann die ultimative terroristische Tat. Da würde Erdowahn platzen vor Wut.

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  12. genova68 schreibt:

    Neoliberal einkaufen und konservativ beten, ja, das ist ja in Mode, in Ägypten auch. Religion als politische Waffe. Widerwärtig, aber eben das zentrale Motiv einer jeden imperialistischen Lehre.

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