Die Linkspartei als Garantin für Mietenexplosionen

Der Tagesspiegel berichtet heute, dass die Mieten einfacher Wohnungen in Berlin derzeit auf einen Schlag um einhundert Prozent steigen, von sechs auf zwölf Euro kalt. Hintergund ist ein Gesetz des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin, der die Wohnungsbauförderung kappte. Ergebnis: Selbst für simple ehemalige Sozialwohnungen verlangt das Kapital in guten Lagen nun 15 Euro kalt. In Berlin geistert in der öffentlichen Meinung ja nach wie vor der Humbug herum, dass man für sechs Euro keine Wohnung kosendeckendbauen könne. Wien zeigt, dass das geht. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen, wie man sagt. Statt ein Gesetz zu beschließen, dass bei sechs Euro die Obergrenze setzt und die Vermieter, denen das nicht passt, zum Abhauen auffordert, und ihnen vorher ihr Vermögen abnimmt. Sie haben es eh nur geklaut. Diese Parasiten braucht kein Mensch. Wären diese Zeiten noch halbwegs vernünftig, wäre diese Position der Kern der SPD.

Und von wegen regressive Kapitalismuskritik. In den genannten Fällen von Parasiten oder Heuschrecken zu reden, ist nichts anderes als angemessen. Es sind exakte Bilder, die treffend beschreiben. Kommen, zerstören, gehen. Es sei denn, man regt sich schon auf, wenn ich jemanden, der mir auf den Teller kotzt, als Schwein bezeichne.

190Jetzt geht es in der öffentlichen Diskussion darum, ob der Berliner Senat den Mietern unter die Arme greift – was nichts anderes bedeutet, als dem Kapital Steuergelder in den Rachen zu werfen. Hauptsache, die Rendite stimmt. Es ist ein eisernes Gesetz, dass in Zeiten niedriger werdender Renditen in der Produktion und auf den Kapital-märkten der Immobilienbereich die heilige Kuh ist, die auf keinen Fall angetastet werden darf. Das Kapital würde sich vermutlich eher noch darauf einigen, dass die Schwerkraft nicht existiert.

Das Sarazin-Gesetz passierte 2003 in der rot-roten Koalition die Hürden, also mit Zustimmung der Linkspartei. Diese Kameraden-Genossen stimmten auch dem Verkauf von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu, die mittlerweile an der Börse notiert sind und für massive Mietsteigerungen auf breiter Front sorgen.

Die Linkspartei setzte in ihrer neunjährigen Regierungsbeteiligung in Berlin (2002 bis 2011) Meilensteine für eine unsozialer werdende Stadt, die dem Kapital im Immobilienbereich immer weitere Renditemöglichkeiten anbot. Die Linkspartei war in Sachen Mietsteigerung der Steigbügelhalter für den Sozialdarwinisten Sarrazin. Eine klasse Leistung.

Wozu braucht man eine solche Linkspartei? Die, kaum an den Trögen angekommen, sich benimmt wie eine wildgewordene FDP? Und wo ist der realpolitische Unterschied zu den neoliberalen Umfallern von den Grünen?

Während der sogenannte Reformerflügel lieber heute als morgen mit den neoliberalen Sozialdemokraten die Regierungsbänke besetzen möchte, versucht sich der andere Teil gerade in Querfront und nähert sich der braunen Suppe an, die überall umherschwappt. Opposition zum System scheint derzeit nur regressiv zu haben sein. Üble Zeiten.

Es scheint tatsächlich so zu sein, dass ein kapitalistisches System keine ernstzunehmende Demokratie toleriert. Wer an der Macht ist ist egal, solange er nur dem Kapital die immerweiterlaufende Rendite garantiert. Das ist keine neue Aussage, aber ich treffe eine solche, die auch problematisch ist, nur anhand konkreter Beispiele.

Es finden sich nur leider immer mehr davon. Wirtschaftsrealpolitisch exisitieren in Deutschland nur noch rechte Parteien. Unglaublich, aber wahr. Es scheint systemisch.

Wozu also wählen gehen und diesen Hampelmännern und -frauen eine Legitimation bieten? Ich weiß es nicht mehr so genau. Ein Parlament, das unter einer linken Mehrheit solche Gesetz erlässt, kann dichtmachen. Und da ist es egal, ob man von Sachzwängen redet oder nicht. Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Über ein Auto ohne Motor muss man auch nicht mehr lange diskutieren.

Sonneborn zu wählen, scheint der einzig emanzipatorische Akt. Oder eben Sand ins Getriebe schmeißen. Wie auch immer.

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6 Antworten zu Die Linkspartei als Garantin für Mietenexplosionen

  1. Motherhead schreibt:

    Klasse Artikel, dem nichts hinzuzufügen ist.

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  2. altautonomer schreibt:

    genova: Was sollte die Linke denn anders machen? Sich den Abrissbirnen verweigern? Die Koalition gefährden und dafür auf radikale linke Veränderungen wie 100 m neue Radwege verzichten? Macht macht geil. Und Eitelkeit korrumpiert.

    Was die Partei die LINKE von den Grünen unterscheidet? Bei der LINKEN geht alles viel schneller.
    Die moderene Form der Selbstverarsche: Die LINKE wählen.

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  3. Kolonieprotest schreibt:

    Die grünen setzen sich ja zumindest in der Tat für eine entsprechende Änderung des neuen Wohnraumversorgungsgesetzes ein.
    Und – das muss man ihnen zumindest lassen – die Linke ist bereit, diesen Änderungsantrag zu unterstützen.
    Bleibt noch die SPD, die seit Jahr und Tag mauert und den Änderungsantrag im Bauausschuss am 4.11. bereits abgeschmettert hat.
    Daher findet am Donnerstag, den 12.11. eine Protestaktion der von der Mietsteigerung akut betroffenen und deren Unterstützer statt, um dem Unmut darüber Laut zu machen, wenn am selben Tag im Abgeordnetenhaus das neue Gesetz ohne Änderungen beschlossen wird.
    Kommt gerne vorbei!

    Donnerstag, 12.11. 10Uhr
    Vor der SPD Landeszentrale
    Kurt-Schumacher-Haus
    Müllerstr. 163, 13353 Berlin

    https://www.facebook.com/events/404409723091730/

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  4. genova68 schreibt:

    Danke für die Hinweise. Die Grünen und die Linken sind derzeit in der Opposition, die SPD wird nicht gegen die CDU votieren. So sind die Regeln. Was Erstgenannte machten, wären sie in der Regierung, wäre die spannende Frage. Nach bisherigen Erkenntnissen nichts Gutes.

    Viel Erfolg für eure Arbeit!

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  5. Kolonieprotest schreibt:

    Das Abstimmungsverhalten der Koalition in dieser Frage ist mit Sicherheit nicht CDU-geleitet – ganz im Gegenteil! Auch dort gibt es durchaus ein offenes Ohr für Änderungen und Bestrebungen, auf die SPD einzuwirken!
    Wie bereits ausgeführt – es ist die SPD, die keinerlei Bedarf, den Filz und Sumpf rund um das Thema sozialer Wohnungsbau anzutasten, dass sie über Dekaden hinweg herangezogen hat.

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