Entweder Kapitalismus oder Marktwirtschaft

Die Europäische Kommission will google mit einer Milliardenstrafe belegen. Grund: Das Unternehmen missbraucht seine Marktdominanz, um Konkurrenten zu verdrängen. Die Kommission will Wettbewerb, google will Monopol.

Das erinnert an die jahrelangen Auseinandersetzungen der EU mit Microsoft. Die zwangen Hardwarehersteller, so wie das jetzt google mit Android tut, die eigene Software auf den PCs zu implementieren, auf dass sie genutzt werde.

Ähnlich läuft es derzeit mit dem Fernreisebusgeschäft, nur nicht so kriminell. Es geht derzeit nur darum, mittels niedriger Preise die Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu werfen. Megabus bietet Fahrten für einen Euro durch ganz Deutschland an. Es geht lediglich um die Frage, wer den längeren Atem, also das meiste Kapital im Hintergrund hat. Sind die Konkurrenten ausgeknockt, werden die Preise erhöht. Ohne Kartellämter hätten wir schon längst exakt ein Unternehmen, einen Mischkonzern, der uns alle gnädig versorgt. Vermutlich weltweit.

Es ist ein weiterer Beleg für das Täuschungsmanöver, das immer dann angestellt wird, wenn man Kapitalismus mit Marktwirtschaft verwechselt. Das Kapital hat genau ein Ziel, nämlich Rendite erwirtschaften. Da kommt Konkurrenz, da kommt ein Markt ungelegen, das hat Marx schon schön beschrieben. Marktwirtschaft als Propagandabegriff des Kapitals, um selbst fortschrittlich, fleißig, souverän zu wirken. In Wahrheit geht es nur darum, mithilfe mehr oder weniger krimineller Methoden sich der Konkurrenten zu erledigen. Konkurrenz belebt das Geschäft: Seit Galilei war kein Satz falscher, da das Geschäft ein kapitalistisches ist. Das Geschäft belebt alles, was den Strich bei G dominanter werden lässt. Konkurrenz gehört nicht dazu.

Ich habe noch nie die Linken verstanden, die den Begriff der Marktwirtschaft preisgeben. Ein genialer Begriff, weil er an den unschuldigen Wochenmarkt erinnert, und ohne einen Markt kein Leben. Warum ihn den Schmarotzern überlassen?

227 - Kopie(Foto: genova 2015)

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13 Antworten zu Entweder Kapitalismus oder Marktwirtschaft

  1. ernte23 schreibt:

    Die deutsche Schule des Neoliberalismus stößt in dasselbe Horn, möchte Monopole durch staatliche Eingriffe verhindern, damit der Markt durch den Wettbewerb oder die Konkurrenz optimal funktioniert. Daraus ziehen manche Vertreter den Schluss, dass eine echte Marktwirtschaft sogar mehr staatliche Eingriffe benötige als Zentralplanwirtschaften.

    Ansonsten sind Konzentrationsprozesse wohl Effekte der Konkurrenz aller gegen alle, Effekte des Marktes also. Aber ist eine Gesellschaft von Krämerseelen, die ständig überwacht werden müssen, damit sie nicht zu viel Gewinn machen, wirklich der Weisheit letzter Schluss? Müsste man nicht vielmehr die Wunderwirkung der allseitigen Konkurrenz bzw. der unsichtbaren Hand infrage stellen?

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  2. genova68 schreibt:

    Die deutsche Schule des Neoliberalismus stößt in dasselbe Horn, möchte Monopole durch staatliche Eingriffe verhindern, damit der Markt durch den Wettbewerb oder die Konkurrenz optimal funktioniert.

    Na, das halte ich für eine Legende. Wer argumentiert so bzw. meint das Ernst? Es ist doch das Gegenteil der Fall: Neoliberale Politik ist der permanente Versuch der Errichtung von Monopolen. Die sind nicht blöd.

    Es sei denn, du meinst etwa das Monopol der gesetzlichen Rente, das durch die private aufgeweicht wurde. Aber das wäre ein Sonderfall, und mit der Zeit wird es weniger Anbieter von privaten Renten geben, vermute ich.

    Neoliberale Politik hat vor allem damit zu tun, immer weitere Renditemöglichkeiten zu erfinden. Vormals staatliche Strukturen werden vorübergehend entmonopolisiert. Aber, wie gesagt, das ist ein Sonderfall.

    Der Markt: ich vertrete da eine merkwürdige Position, ich weiß. Ich frage mch nur, wie dieses konkurrenzlose funktionieren soll. Infragestellen gerne, aber dann bitte die solidarische Variante vorstellen. Vielleicht mit BGE? Man muss dann aufpassen, dass es nicht in Richtung DDR geht und Eigeninitiative behindert wird.

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  3. besucher schreibt:

    @genova

    „Neoliberale Politik ist der permanente Versuch der Errichtung von Monopolen. Die sind nicht blöd.“

    Demzufolge müsstest Du doch der EU-Kommission in dieser sache zustimmen. Ich halte sie für eine der wichtigsten der letzten Jahre.

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  4. ernte23 schreibt:

    Mit dem deutschen Neoliberalismus meine ich Autoren wie Röpke, Müller-Armack und von Rüstow, die tatsächlich so argumentierten. Soziale Marktwirtschaft heißt bei denen übrigens (insbesondere bei Müller-Armack iirc), dass der Markt die Gesellschaft regeln solle und nicht umgekehrt. Die angelsächsische Variante des Neoliberalismus hat die Dauerüberwachung des Unternehmertums, die im Widerspruch zur Steuerung der Gesellschaft durch den Markt steht, als freiheitsfeindlich abgetan und die Theorie der atomistischen Konkurrenz (aka allgemeine Gleichgewichtstheorie) als ideologisches Werkzeug zur Verteidigung des freien Unternehmertums gesehen nicht als etwas, dass es einzuführen bzw. zu verteidigen gälte.

    Meines Erachtens tendiert der freie Markt genau in die Richtung, die wir gerade sehen, nämlich zu Verdrängungswettbewerb und Ausschluss immer größerer Teile der Bevölkerung vom gesellschaftlich-kulturellen Leben. Deswegen kann ich die angelsächsischen Neoliberalen, die genau diese Entwicklung im Sinne der kulturellen Evolution bzw. ihres eingebauten Sozialdarwinismus begrüßen, verstehen, wenn sie meinen, dass eine stark überwachende staatliche Wettbewerbspolitik an den Real-existiert-habenden erinnern würde.

    Zum anderen Wirtschaften: Man könnte doch mal ganz klassisch bei Gebrauchs- und Tauschwert ansetzen und sich fragen, wie man eine anständige Gebrauchswertproduktion auf die Beine stellen könnte…

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  5. genova68 schreibt:

    besucher, was hat die Kommission denn gemacht?

    ernte,
    ok, das ist die Begriffsverwirrung beim Neoliberalismus. Ich würde die genannten unter Ordoliberalismus subsumieren, was, glaube ich, heute Standard ist. Ansonsten hast du keinen Unterschied zu Leuten wie Friedman. Die nennst du angelsächsische Neoliberale, ok.

    Das ist alles ein weites Feld. Ich würde dir zustimmen, ich wollte nur sagen, dass der Kapitalismus kein Interesse an einem Markt hat, sondern am Ergebnis, an Rendite. Der Staat soll da nicht überwachen, sondern dem Kapital behilflich sein, also Fusionen genehmigen und im Notfall mit Steuergeldern einspringen, so wie wir das kennen.

    Dein letzter Absatz ist der entscheidende. Man müsste überhaupt die Frage nach dem Sinn stellen. Eine anständige Gebrauchswertproduktion wäre das Ende des Kapitalismus, vermute ich.

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  6. Lemmy Caution schreibt:

    Anti-Monopol-Gesetzgebung ist eigentlich in allen traditionellen westlichen Industrieländern Standard. Insbesondere auch in den USA. In den 70ern und 80ern war übrigens IBM oft Gegenstand dieser Politik.
    Einmischungen des Staates direkt in die Preise für angebotene Waren führte oft zu gewaltigen Problemen. Preise besitzen halt Signalfunktion, die
    – Knappheit anzeigen
    – Anreize für Produzenten schaffen, die Produktion des betreffenden Guts zu erhöhen
    – Anreize für Konsumenten schaffen, den Verbrauch des teuren Guts einzuschränken und gegebenenfalls durch den Verbrauch anderer zu substituieren.
    Mag sich für einige hier neoliberal anhöhren, ist es aber nicht.
    Knappheit besitzt keinen „Sinn“, ist aber Realität. Politische Macht kann diese Realitäten nur bis zu einem bestimmten Punkt negieren. Politisch bestimmte preisliche Anreizstrukturen, die wo die Realität zu stark ausknipsen, führen irgendwann unweigerlich ins Desaster.

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  7. genova68 schreibt:

    Na, Lemmy, das ist jetzt aber schön aus dem orthodoxen Lehrbuch abgeschrieben. Die Immobilien in Berlin sind knapp, deshalb werden sie teurer. Sicher richtig, aber intellektuell ist diese Aussage auf dem Niveau eines Raubtiers. Insofern auf kapitalistischem Niveau, aber der Mensch sollte sich selbst mehr wert sein, als so zu argumentieren. Es geht doch gerade darum, dieses angebliche Naturgesetz kulturell zu überwinden. Mit solchen Aussagen, die alle belegbar sind, keine Frage, bleibt der Mensch auf dem Niveau des Tieres, fressen und gefressen werden.

    Andererseits gebe ich dir Recht, Preisdynamik ist auch sinnvoll. Es ist eine Frage des Abfederns und der Grundversorgung, damit hängt auch mein Insistieren auf dem Marktbegriff zusammen. Wer den in die Tonne kloppen will, braucht überzeugende Alternativen.

    IBM: Der Staat muss eingreifen, damit das angeblich so marktfreudige Kapital selbigen nicht abschafft. Gibt es einen besseren Beleg für die Richtigkeit meiner Aussage?

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  8. ernte23 schreibt:

    Preise werden im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Rationalität von den Unternehmen so hoch wie möglich gesetzt. Andererseits ist man nach derselben betriebswirtschaftlichen Rationalität bestrebt, die Kosten möglichst gering zu halten. Beides orientiert sich selbstverständlich am möglichst hohen Gewinn.

    Die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien z.B. ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht bestimmt rational. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es auch für die Bauern in Niedersachsen und NRW rational, die Gülle aus den Niederlanden illegal auf ihren Feldern für eine entsprechende Gegenleistung auszubringen. Dadurch steigen in beiden Bundesländern die Kosten für die Grundwasseraufbereitung, obwohl es marktwirtschaftlich betrachtet völlig rational ist, dass dies aktuell so geschieht…Was ich damit sagen will, ist, dass man ohne Zusatzannahmen nicht pauschal davon sprechen kann, dass die Preisdynamik per se sinnvoll sei.

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  9. Lemmy Caution schreibt:

    Abgeschrieben eigentlich nicht. Diplom in stark Ökonomie-lastigen Studium in den 90ern an einer stark liberal-konservativ ausgerichteten Uni, d.h. ich bin sozusagen neoliberal gedrillt, sehe aber heute sehr vieles sehr kritisch.

    Es gibt andere Mittel den Markt zu zivilisieren als Preise politisch zu diktieren. Progressive Steuersysteme mit wirksamen Steuerbehörden, starke Gewerkschaften, progressive staatliche Systeme der Rentenversicherung, der Gesundheitsfürsorge und der Bildung, wirksamer Verbraucherschutz…
    weil ein politisches Preisdiktat auf kurz oder lang immer ins Desaster führt.

    Ohne politisches Preisdikat ist keine hinreichende Bedingung für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, aber es ist eine notwendige Bedingung. Heute stärker als vor 20 Jahren, vor 20 Jahren stärker als vor 40 Jahren, usw.
    Eine Wirtschaftspolitik, die nicht auf progressive Steuersysteme, etc. (s.o.) hinzielt ergibt keinen Sinn, politisches rumschrauben an Preisen macht vordergründig Sinn, hintergründig scheitert es an den Realitäten. Und nach dem Scheitern wird eine Wirtschaftspolitik, die auf progressive Steuersysteme, etc. (s.o.) schwieriger. Und zwar aus politischen und ökonomischen Gründen.

    Evo Morales und seine Berater, namentlich die graue Emminenz Álvaro García Linera, haben das verinnerlicht.

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  10. genova68 schreibt:

    Lemmy,
    angesichts deiner Ausbildung muss ich dich einmal loben: Du hast dich gut entwickelt :-) Da gehört schon was dazu.

    Ich sehe das alles ähnlich wie du. Das Problem ist nur das alte: Es wird nicht gemacht. Die Frage, warum, ist entscheidend. Es geht halt immer um die Rendite.

    Beispiel Umweltschutz: Solange das wachstumsfördernd läuft, ist es in Ordnung. Der Katalysator wurde vor 30 Jahren fast geräuschlos eingeführt, weil die Autoindustrie die Autos teurer machen konnte, der Verbraucher sein Gewissen beruhigte und den Wiederverkaufswert steigerte und der Staat die Mehrkosten übernahm.

    Heute soll es das E-Auto richten, was vermutlich nicht funktioniert. Die sinnvollste Lösung ist aber nicht einmal denkbar: Die Reduzierung des Autobestands in Deutschland von derzeit 44 Millionen auf vielleicht die Hälfte in einem bestimmten Zeitraum, 20 Jahre etwa. Es wäre extrem sinnvoll in Bezug auf Ökologie, Parkraum, Lebensraum, Ausnutzung des einzelnen Autos etc.

    Das ist aber im Kapitalismus nicht denkbar. Es müsste stattdessen ein anderes Verkehrsmittel her, vielleicht kleine Flugzeuge. Verkehrstechnisch steuern wir lieber in den Untergang als dem Kapital Rendite streitig zu machen. Die Gesellschaft ist diesbezüglich völlig öhnmächtig, die Zahl regiert.

    Und das ist eben nur ein Beispiel. Die Grünen in Kreuzberg zeigen übrigens, wie mächtig diese kapitalistische Denke ist. Die sind hier seit 20 Jahren an der Macht, haben aber in der Zeit ein paar hundert Meter Radweg neu gebaut, den Rest lassen sie verfallen. Diese Leute zeigen hier ihr wahres Gesicht.

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  11. Lemmy Caution schreibt:

    Nach Berlin fahr ich mit dem Zug oder ich fahr mein Auto direkt an die 2 bis 3 Euro pro 24 Stunden Parkplätze am Ost Bahnhof. Innerhalb der Ringbahn fahr ich wegen militanten Radfahrern nie über Tempo 30. Letzten Sommer war ich für ein Projekt in Berlin und da hab ich extra mein Fahrrad nachgeholt: Einmal ohne LKW Führerschein King of the Road sein.
    Berlin ist vermutlich die einzige Stadt der Welt, in der Radler Autofahrer lautstark beschimpfen, wenn die sie höflich auf schwere Verstösse gegen die StVkO aufmerksam machen. Und das sind keine Einzelfälle sondern die Regel. Ich fand das sehr faszinierend.

    Das mit der Konkurrenz und dem Markt ist natürlich wie vieles in in dieser Welt wie der Piratenkodex in „Piraten der Karibik“. Wie Captain Jack immer wieder sagte: Das ist mehr eine Richtlinie.

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  12. genova68 schreibt:

    Das tut mir sehr leid, dass du so schlechte Erfahrungen mit Radfahrern in Berlin gemacht hast. Aber was sind schon schwere Verstöße gegen die STVO. Eigentlich kann man mit dem Rad nicht gegen die STVO verstoßen, weil sie für Autofahrer gilt. Alles ist relativ.

    Ich glaube aber, die Beschimpfungen liegen nicht an den Radfahrern, sondern an den Urberlinern. Die sind meist ohne Anstand, ohne Erziehung, ohne Manieren und nennen das „Berliner Schnauze“. Ich empfehle Busfahren mit Ticketlösen beim Fahrer. In neun von zehn Fällen sagt der Fahrer keinen Ton, wenn es gut läuft, zeigt er stumm auf den Schlitz, aus dem das Ticket kommt. In jedem Fall ist man nicht willkommen, weil das für den Fahrer Arbeit bedeutet. Und wenn man mit einem Zehneuroschein ein Ticket von 2,70 Euro kaufen will, wird man schlimmer behandelt als wenn man den Busfahrer ausrauben wollte.

    Das färbt ab.

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