Labilität und Stärke

„Schwerpunkt meiner Arbeit ist das Aufzeigen und das Vereinen von Polaritäten wie Labilität und Stärke, Fragilität und Masse, Bewegung und Statik sowie Balance und Volumen.“

Sagt die Bildhauerin Susanne Kraißer. Ziemlich nachvollziehbar.

Sie hat beim Modellieren keinen Plan, „den ich verfolge und zum Schluss bringe“, sagt sie. „Ich spiele beim arbeiten.“ Sie arbeitet mit weichem Wachs, der sich lange formen lässt.

Die Figuren haben etwas ungemein Intensives. Würden sie unvermittelt anfangen, sich zu bewegen, zu laufen, sich die Haar zu kämmen, man wunderte sich nicht. Die Platzierung auf der Betonstele unterstreicht diese Polarität: Der starre Beton, der fragile, lebendige Mensch.

Ohne den Begriff der Erotik ist eine Beschreibung dieser Figuren ein wesentliches Element nicht erwähnt. Man dringt als Betrachter in ihre Intimsphäre ein, was einem bei einem Stück Wachs gleichzeitig unwahrscheinlich und sehr real vorkommt. Ich habe überhaupt den Eindruck, als habe Kraissler ihre Objekte zu sehr konkreten Subjekten gearbeitet, mit Hüften, Beinen, Nacken und Kopfhaltungen, die etwas von dem Effekt realistischer Malerei haben, ohne krampfhaft eine Illusion schaffen zu wollen. Die Verbindung von starrer Materie zu Köperhaftigkeit, zu menschlicher Bewegung mit Makeln, scheint hier selbstverständlich und ohne Alternative. Es ist dieser Moment der angedeuteten und gleichzeitig ausgeführten körperlichen Dynamik, die hier so reizvoll ist.

Gefunden in einer Galerie in Ravensburg. Bemerkenswert, was die Provinz zu bieten hat.

(Fotos: genova 2017)

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