60 Prozent für Morales: Darauf eine Tasse Cocatee

Die junge welt berichtet über die nationalen Wahlen in Bolivien:

Boliviens Präsident Evo Morales bleibt im Amt. Bei der Wahl am Sonntag ist der Sozialist nach Hochrechnungen klar im Amt bestätigt worden. Den Prognosen der Umfrageinstitute Mori und Ipsos zufolge erreichte Morales mehr als 60 Prozent der Stimmen und wurde damit direkt für eine dritte Amtszeit bestätigt, eine Stichwahl ist nicht notwendig. Der Vorsprung vor seinem wichtigsten Rivalen Samuel Doria Medina von der Partei »Demokratische Einheit«, der lediglich in der nordöstlichen Region Beni eine Mehrheit gewinnen konnte, lag landesweit bei rund 40 Prozentpunkten…

Hier standen sich zwei Modelle gegenüber, die Privatisierungen und die Nationalisierungen – und die Nationalisierungen haben mit mehr als 60 Prozent gewonnen!«

Nationalisierung, Verstaatlichung, Vergesellschaftung – egal, wie man das nennt: Die Bolivianer scheinen bei einer hohen Wahlbeteiligung zu der Überzeugung gekommen zu sein, dass es genau darum geht: Dem Kapital das Kapital zu entziehen. Die Amis schäumen naturgemäß, andere Imperialisten vermutlich auch. Die Öl- und Gasproduktion ist dem Kapital schon entrissen und es zeigt sich schlicht, dass der Mehrwert auch andersweitig eingesetzt werden kann als es irgendwelchen weißen Milliardären in den Arsch zu pusten.

Es ist offenbar möglich, eine ernsthafte Politik gegen das Kapital zu machen und wiedergewählt zu werden. Dazu kommt, dass Morales die Indigenen ins Boot geholt hat. Einzigartig, soweit ich das sehe. Wäre interessant, mehr über die Machtverhältnisse dort zu erfahren.

Die Zeit schreibt:

Seit Morales‘ Amtsantritt 2006 führte ein Boom bei den Rohstoffpreisen dazu, dass die Exporteinnahmen um das Neunfache anstiegen. Das Land hat zudem 15,5 Milliarden Dollar an internationalen Reserven angehäuft. Das Wirtschaftswachstum lag mit durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr deutlich über dem südamerikanischen Durchschnitt. Morales nutzte die Gewinne, um Subventionen für Schulkinder und Pensionen für die älteren Bürger einzuführen. Einer halben Million der rund 10,5 Millionen Bolivianer gelang den Behörden zufolge der Weg aus der Armut.

Der Gegenkandidat hieß Samuel Medina und ist laut Zeit ein „Zement- und Schnellimbissmagnat.“ Er könnte von bundesdeutschen Verhältnissen lernen: Hierzulande stellt das Kapital nicht ausgerechnet einen Ackermann zur Wahl, sondern lieber eine machtgeile Belanglosigkeit wie Angela Merkel. Dann klappt es auch mit der Beibehaltung der gewohnten Kapitalflüsse.

Mate_de_coca_Stevage(Foto: wikipedia)

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22 Antworten zu 60 Prozent für Morales: Darauf eine Tasse Cocatee

  1. Jakobiner schreibt:

    Wie in dem Artikel festgestellt, hat ein Rohstoffboom zu den Mehreinnahmen geführt. Es bleibt aber die Frage, ob man diese Gelder nur in soziale Wohltaten und Wahlgeschenke, um wiedergewählt zu werden investiert, aslo einen Art Klientelismus aufbaut oder nicht auch in Bildung, Infrastruktur, der Entwicklung neuer Betriebe, Digitalisierung, Entwicklung von Industrie- und Dienstleistungen, um die Wirtschaft einmal zu diversifizieren und breiter aufzustellen.Sozialprogramme mögen zwar kurzfristig Zustimmung erhaschen, aber beim nächsten Rohstoffpreisverfall und ungünstiogeren Terms of Trade steht man wieder vor dem alten Problem der monokulturellen Wirtschaftsabhängigkeit.Selbiges gilt auch für die gesamten Öl- und Rohstoffländer, die sich mehr mit dem Vergeben kurzfristiger Wohltaten begnügen statt eine nachhaltige langfristige Wirtschaftsstruktur zu schaffen, die auch Arbeitsplätze jenseits der Rohstoffindustrien schafft.Man sieht ja schon am Beispiel Venezuelas, wohin dieser „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“führt, nämlich recht zielstrebig in den Abgrund.

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  2. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:

    „Der Gegenkandidat hieß Samuel Medina und ist laut Zeit ein “Zement- und Schnellimbissmagnat.” Er könnte von bundesdeutschen Verhältnissen lernen: Hierzulande stellt das Kapital nicht ausgerechnet einen Ackermann zur Wahl, sondern lieber eine machtgeile Belanglosigkeit wie Angela Merkel. Dann klappt es auch mit der Beibehaltung der gewohnten Kapitalflüsse.“

    Sehr gut beobachtet. Ein Magna-Magnat wie der österrichische Stronach fällt da auch aus der Reihe. Umgekehrt scheinen Oligarchen wie Poroschenko und Chodrkowsky selbst an die Macht zu streben, In den USA fällt mir dazu auch nur noch David Rockefeller ein, der sich in den 70er Jahren selbst als US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner aufstellen liess, dann aber zugunsten Nixons verzichtete, nachdem er seinen ergbenen Kissinger als Korrktiv einsetzte..Also: Das Kapital scheint sich politisch besser durchsetzen zu können, wenn es Charaktermasken und keine eigenen Leute ins Rennen schickt–das sieht dann schon allgemeinwohlorientierter und demokratischer aus.

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  3. El_Mocho schreibt:

    „Es ist offenbar möglich, eine ernsthafte Politik gegen das Kapital zu machen und wiedergewählt zu werden.“

    Ja, aber nur in Ländern in denen extreme Ungleichheit herrscht wie in Bolivien. Mt der Einführung des Mindestlohnes in Deutschland gewinnt die SPD bei Wahlen keinen Blumentopf, während Evo seine Wiederwahl durch Sozialprogramme sichern kann, solange genug Geld da ist.

    Im übrigen beruht das Modell auf dem verstärkten Verkauf von Grundstoffen (Erdgas), bewirkt also keine nachhaltige Verbesserung der Wirtschaft; wenn die Gaspreise sinken, dürfte es problematisch werden.

    Und natürlich herrscht auch in Bolivien die übliche III.-Welt-Mentalität: Wir gegen die anderen, kein nationales Interesse, kein Gemeinsinn. Als Evos Partei an die Regierung kam, wurde der gesamte öffentliche Dienst entlassen und mit eigenen Anhängern neu besetzt. Man kann sich vorstellen, wie sich das auf die Effektivität der Verwaltung auswirkt. Außerdem müssen inzwischen alle Angestellten des Staates eine der indianischen Sprachen sprechen können (die Evo selber nur ansatzweise beherrscht), tolle Idee.

    Machtübernahme durch Linke bewirkt als solche wenig, wenn sich Mentalitäten und Denkweisen nicht ändern.

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  4. genova68 schreibt:

    Die Ergebnisse seiner Politik, oben dargestellt, sind gewaltig. Ich kenne mich in Bolivien nicht aus, aber die Indigenen einzubeziehen und die Rohstoffausbeutung zu verstaatlichen und damit den Amis wegzunehmen, ist wichtig und mutig. Alles andere kann ich nicht beurteilen. Man sollte aber sehen, dass man so ein Land nicht einfach mit westeuropäischen Maßstäben messen kann.

    Schau dir die arabischen Ölstaaten an. Was machen die mit ihren Rohstoffmilliarden? Protzen. Bolivien zeigt, wie es geht.

    Gasreserven sind eine sichere Bank für die nächsten zig Jahre, schätze ich. wikpedia schreibt deutliches:

    „Trotz seines Reichtums an Bodenschätzen (früher vor allem Silber und Zinn) war Bolivien für lange Zeit das ärmste und exportschwächste Land Südamerikas… Zwei Drittel der Bevölkerung lebten in Armut, 40 Prozent gar in extremer Armut, obwohl Bolivien über die größten freien, d. h. ohne gleichzeitige Ölförderung ausbeutbaren Erdgasvorkommen Südamerikas verfügt…
    Seit die Erdgasindustrie nach der Regierungsübernahme von Evo Morales erfolgreich verstaatlicht wurde, konnten die Staatseinnahmen erheblich gesteigert werden. Zeitgleich wurden auch die Zoll- und Steuerbehörden gestärkt, sodass auch von dieser Seite her ein Vielfaches an Einnahmen dem Staat zugehen. Die Exporte wurden im Zeitraum 2000-2013 etwa verzehnfacht, die extreme Armut konnte stark reduziert werden und damit auch die Ungleichheit. Durch das im Vergleich mit den meisten Ländern der Region höhere Wachstum und die stabile Geldpolitik erreicht die Bevölkerung Boliviens heute (2014) einen Lebensstandard, der mit vielen anderen Ländern der Region vergleichbar ist.

    Ein zwischenzeitlich bedeutender Faktor war auch der Handelsvertrag der Völker (span.: Tratado de Comercio de los Pueblos (TCP)), der am 29. April 2006 von den Präsidenten der Länder Bolivien, Venezuela und Kuba im Rahmen unterzeichnet wurde. In diesem Vertrag verpflichten sich Venezuela und Kuba, bolivianische Sojabohnen zu kaufen und Bolivien in seinen Programmen zur Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung und bei der Errichtung einer nationalen bolivianischen Fluggesellschaft zu unterstützen. Bis heute pflegen diese drei Länder enge wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen.“

    Letzteres spricht gegen deine These von der 3.Welt-Mentalität, die die übliche westliche Überheblickeit und Unwissenheit ausdrückt. Das Gegenteil von dem, was du schreibst, scheint der Fall zu sein.

    Auch das hier klingt gut:

    Die 2009 angenommene neue Verfassung (s. o.) sieht ein neues, „pluralistisches“ Wirtschaftsmodell für Bolivien vor. Laut Verfassungstext strebt das Land ein gemischtes Modell aus staatlicher, gemein- und privatwirtschaftlicher Ökonomie mit sozialer Kontrolle an. Neben starken keynesianistischen Elementen enthält das Modell Nachhaltigkeits-Elemente aus dem indigenen Denken.

    In heutigen neoliberalen Zeiten ist so eine Entwicklung ein Lichtblick.

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  5. El_Mocho schreibt:

    genova, das hängt alles an hohen Rohstoffpreisen. Venezuela pfeifft z.Z. aus dem letzten Loch wegen des niedrigen Ölpreises, und entsprechend schlecht geht es den Venezolanern. Es wird eben kein nachhaltiges Wirtschaften angestrebt, sondern man lebt davon, das, was im Boden ist an die westlichen Kapitalisten (und China) zu verkaufen. Unterschied ist, dass das Geld heute zum Teil in Sozialprogramme fließt, sicher ein Fortschritt. Aber es gibt weder Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption (mehrere Regierungsmitglieder sind wegen Verwicklung in den Drogenhandel zurückgetreten), noch Versuche, die Wirtschaft zu diversifizieren, um vom bloßen Rohstoffverkauf wegzukommen.

    Genau das meine ich mit der III. Welt-Mentalität: Man schaut immer nur auf die nächste Zukunft, auf das eigene Schicksal, nicht auf das Gemeinwesen.

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  6. Lemmy Caution schreibt:

    Herr Morales achtet anders als die heterogene Verbrecher- und Psychopathen Gruppe rund um Nicolas Maduro (TM) auf makroökonomische Stabilität als Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung. Er tritt auch gegenüber Andersdenkenden wesentlich kompromiss- und verständigungsbereitet auf als das triumphalistische Ekel Rafael Correa.

    Bolivien verfügt über einen ausgeglichenen Staatshaushalt, hat eine einstellige Inflation und die extreme Polarisierung wie in Venezuela und Ecuador ist da eben genau nicht zu beobachten. Mit den „Amis“ hat das wirklich herzlich wenig zu tun. Es werden erfolgreich neue Nischenprodukte wie Quinoa vermarktet. Die eigentlich angestrebte industrielle Entwicklung findet nicht statt, aber das gilt seit eigentlich 1975 für die gesamte Region mit der Ausnahme Mexikos und gewisse kleine Bereiche in Brasilien.

    evo Morales ist heute bereits der Präsident mit der längsten Amtszeit der gesamten bolivianischen Geschichte seit ca. 1826. Und ganz bestimmt auch der beste Präsident. Allerdings ist die Konkurrenz nicht besonders stark.

    Bolivien ist nach wie vor ein sehr armes Land. Statistisch 5000 $ BIP / Einwohner Kaufkraftparität pro Jahr. Chile hat 19.200 $, Argentinien und Uruguay liegen etwas drunter, dahinter kommen Brasilien mit 14.000$, dann Venezuela mit 13.200$, dann Kolumbien, Peru mit fast 12.000$. Ich find zwar, dass ökonomische Statistiken überbewertet werden, aber gewisse Auswirkungen hat das halt schon. 5000$ ist schon sehr wenig. Das relativiert dann auch die hohen Wachstumsraten der letzten Jahre.

    Vor 1 Jahr schickte mir ein chilenischer Freund, eine Art Freelance-/Schwarzmarkt Techniker, eine persönliche Mitteilung auf Facebook, in der er mir von einem Montage-Trip in die wilde Welt der kleinen Minen im chilenischen Norden berichtete. Laut Jaime gabs dort einen gesonderten Bereich mit vergifteter Atemlust, in der ausschliesslich Bolivianer arbeiteten. Der technisch verantwortliche der Firma meinte lapidar: „Die kommen hier zum Sterben“. Ich sympathisiere stark mit Morales, aber dieses ‚Eigentlich kenne ich mich da nicht so aus, aber hi hi hi „Bolivien“ kickt amerikanischen Arsch‘ halte ich für nicht sonderlich nachhaltig.

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  7. philgeland schreibt:

    @Jakobiner
    (Kleines Gegenmodell, da muss ich aber jetzt doch mal … )

    Neoliberale Modernisierungsprogramme mögen zwar bei Aktionären und anderen wohl betuchten gesellschaftlichen Randgruppen Wohlgefühle und Zustimmung erhaschen aber die durch den nächsten Börsencrash hervorgerufene Unsicherheit lässt sich nicht einmal bei einer solch bedauerlichen Minderheit vermeiden. Also selbst dann nicht, wenn die Flucht hinter noch dickere Mauern und hinter die noch dunkleren Fenster noch dickerer Autos unvermeidlich ist und einen unbefangenen Spaziergang in urbanen Zonen noch unmöglicher macht als er heutzutage schon zu sein scheint.

    Ohne von Bettlern und anderen seltsamen Wesen belästigt zu werden.

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  8. Chinook schreibt:

    „Die Ergebnisse seiner Politik, oben dargestellt, sind gewaltig. Ich kenne mich in Bolivien nicht aus, aber die Indigenen einzubeziehen und die Rohstoffausbeutung zu verstaatlichen und damit den Amis wegzunehmen, ist wichtig und mutig.“

    Und das ist eine unglaublich dumme Aussage!

    „Alles andere kann ich nicht beurteilen.“

    Ne, du kannst gar nichts beurteilen, im Grunde, weil du an den tatsächlichen Problematiken desinteressiert bist.
    Ein gutes Zeichen, zeigt es doch den unserer Gesellschaft inhärenten Luxus auf, sich mit persönlich so irrelevanten Dingen zu beschäftigen, daß die eigene Sichtweise nicht auf Praktikabilität ausgelegt sein muss.

    Man muss nicht in einem schlechten Viertel aufgewachsen sein, um zu verstehen, was Problematiken in prekären Großstadträumen sind. Man muss auch nicht indigener sein, um eine informierte Haltung (wie die dann auch ausfallen mag) zu Positionen von Kirchner, Rousseff, Morales und co. zu haben. Aber um solcherlei Multi-Layer Problematiken zu erfassen, ist schon etwas mehr notwendig, als von „dem Kapital“ daherzuplappern. Und wenn es zu komplex wird, einzugestehen, daß man nicht die Zeit hat sich mit den „Details“ eingehend zu beschäftigen (aber „das Kapital“ auf jeden Fall schuld ist).
    Für dich ist der Wahlsieg von Morales eine Wohltat, der du blindlinks hinterher rennst, weil du aus hiesigen Medien weißt, daß Morales links ist – und vor allem gegen die USA und Neoliberale.
    Es gibt das Internet. Selbst wenn man kein spanisch spricht, kann man auf englisch mit Menschen aus verschiedenen Ländern kommunizieren. War vor ein paar Jahren sehr erhellend mit Menschen über Barrios in Venezuela und die dortige basisdemokratische, praktische Organisation zu reden – und war vor ein paar weniger Jahren sehr erhellend, mit Bolivianern über die Situation unter Morales zu sprechen. Aber alle die negativ berichten, sind natürlich Agenten des Westens, oder Kapitalisten, oder – Neoliberale. Auf jeden Fall passen sie nicht ins glorreiche linke Konzept.
    Du redest ständig von „dem Kapital“ und hast doch keine reale Vorstellung davon, was „das Kapital“ überhaupt ist. Für dich ist „das Kapital“ einfach ein Begriff, der alles was du nicht magst subsumiert und es dir zudem „einfach“ macht, ein von der Realität abgekoppeltes Argumentationskonstrukt aufzubauen, welches du immerwieder aus sich selbst heraus begründen kannst. Im Grunde nicht anders als Chemtrail-Verschwörungstheoretiker. Für die gibt es halt Streifen am Himmel, für dich die allmächtige, den „normalen“(also den der kein Kapitalist ist) Menschen unterdrückende Logik des Kapitals.
    Du hast es selbst gesagt, du kannst vieles nicht beurteilen. Aber anderen vorwerfen, daß sie alles wüssten, das kannst du anscheinend sehr gut.
    Der Gipfel der Heuchelei ist, wenn du daherlaberst, daß du in kapitalistischen Beschäftigungsverhältnissen gezwungen wärest zu arbeiten. Da nimmt es dann schon satirische Züge an. Du machst hübsche Photos. Künstlerisch begabten Leuten hing in der Geschichte ja oft eine gewisse Naivität nach. Bei dir vermengt diese sich jedoch mit Geltungsbewußtsein in anderen als ästhetischen Bereichen.
    Ist es nicht wunderbar, daß jenes in derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen möglich ist. Und ist es nicht noch viel wunderbarer, daß niemand (auch nicht du) sich vor deinen Wünschen fürchten braucht, weil sie nie Realität sein werden? Denn machen wir uns nichts vor, 98% der Menschen die derzeit gegen „das Kapital“ hetzen, würden in einem sozialistischen System gnadenlos durch das Akzeptanzraster fallen (geradewegs ins Gulag/die Versenkung). Und 80% der schlimmen Kapitalisten, würden auch in einem sozialistischen System plötzlich oben aufschwimmen.
    Das ist eine reale Einschätzung, aber wenn man Hardcore-Linker ist, dann entwirft man kein System, sondern gleich einen(/jeden) neuen Menschen. Funktioniert halt nie.

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  9. Lemmy Caution schreibt:

    US Firmen waren in der Bolivianischen Gasförderung überhaupt nicht sonderlich aktiv. Da waren v.a. die spanische Repsol, die brasilianische Petrobras, die argentinische YPF, BP und ja auch Total.
    USA Regierungsstellen erkennen übrigens an, dass Morales – nachdem er die US DEA praktisch aus dem Land geworfen hat – sehr effektiv gegen die illegale Verarbeitung, Vermarktung und Handel von Kokain vorgeht. Im Grunde respektiert auch jeder, dass im bolivianischen Kontext mit der Höhenlage und dem kulturellen background Anbau und Konsum von Coca Blättern eben im traditionell kulturellen Rahmen völlig i.O. ist.
    Im Staatshaushalt schrieben die afaik über die gesamte Amtszeit von Morales das, was unsere Regierung für 2015 erreichen will: eine schwarze Null. Bei hohen Wachstumsraten bedeutete das einen Rückgang der Staatsverschuldung / BIP. Die Inflation schwankte zwischen 5 und 7%, bei hohen Wachstumsraten der Realwirtschaft. Angesichts der wirklich gravierenden sozialen Probleme des Landes, geben die solchen gerne mal als „neoliberal“ diffamierten makroökonomischen Stabilitätsschrauben die aus meiner Sicht verdiente hohe Priorität.
    Alles ziemlich kompliziert und divergent.
    Ist auch völlig logisch, dass der einzige Lateinamerikanische Staat mit demographisch-kultureller pueblo originario Mehrheit halt auch einen Staatspräsidenten aus dieser Gruppe hat. Bolivien spielt aus meiner Sicht auch eine Anlaufstelle für soziale Bewegungen aus den pueblos originarios, wobei die natürlich auch sehr unterschiedliche Ansätze haben und alles andere als eine ideologische Einheitsfront bilden. Gemeinsame Basis bildet selbstverständlich die Erfahrung der 500 Jahre der Unterdrückung. Aber gleichzeitig betonen die immer wieder, bitte nicht alle in einen Topf geworfen zu werden, ähnlich wie der Kletter-che das ja auch für linke soziale Bewegungen anmerkt.
    Es gibt einen deutlichen Trend verschiedener südamerikanischer Staaten, dass pueblo originario Gruppen eine wichtigere Rolle in der Politik spielen. Gestützt auch dadurch, dass das Angebot der traditionellen Bildungsangebote für diese Gruppe seit den 70ern immer umfangreicher wurden.

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  10. genova68 schreibt:

    Danke für die Infos, Lemmy.

    Ich meine gelesen zu haben, dass vor allem amerikanische Firmen im Gasgeschäft waren, aber es können auch spanische gewesen sein, es ist egal. Morales hat aber wohl tatsächlich diese Branche verstaatlicht, das halte ich für eine großartige Leistung. Ansonsten, ja, ich habe keine Ahnung von Bolivien, aber die paar Fakten, also Verstaatlichung und ein Wahlergebnis von 61 Prozent bei einer vermutlich hohen Wahlbeteiligung (ich finde keine konkrete Zahl, aber bei der vorhergehenden Wahl lag die Beteiligung bei 85 Prozent), ein Indigener, was alles andere als selbstverständlich ist und einiges anderes halte ich für sehr beachtlich.

    Die BPB schrieb 2007:

    In Bolivien wird über die Zukunft des Landes so breit und intensiv gestritten wie niemals zuvor. Zum ersten Mal sind an diesen Gesprächen alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt – auch Soziale Bewegungen.

    http://www.bpb.de/internationales/amerika/lateinamerika/44648/soziale-bewegungen?p=all

    Hört sich doch unglaublich gut an in einem Land ohne demokratische Tradition.

    Dann: Laut wikipedia versuchen die USA nach wie vor, den Cocaanbau zu unterbinden. Also nix mit „im Grunde respektiert auch jeder…“.

    Bolivien ist ein armes Land, ja.2006 lag das BIP pro Kopf bei 1150 Dollar, heute bei 4900, bei relativ geringer Inflation. Dazu kommt ein geringeres soziales Gefälle. Das halte ich alles für bemerkenswert, für geradezu sensationell und weltweit einmalig, ohne mehr zu wissen. Das Gegenbeispiel für ein Land mit viel Rohstoffen wären die arabischen Länder. Die machen mit ihrem Geld fast nur Scheiße: Mercedes kaufen, Leopard kaufen, protzige Städte bauen und Shopping Malls. Ökologische Katastrophen in der Wüste. Auch so gesehen ist Bolivien mehr als eine Erwähnung wert.

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  11. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:
    “ Ich kenne mich in Bolivien nicht aus“/“Alles andere kann ich nicht beurteilen.” „Ich meine gelesen zu haben, dass vor allem amerikanische Firmen im Gasgeschäft waren, aber es können auch spanische gewesen sein, es ist egal.“Alles ist irgendwie egal, was mit der konkretenRealität zu tun hat, das ignorierst du einfach, kennst dich nicht aus, willst dich auch nicht auskennen, denn das wäre eine weiße, männliche eurozentrische Anmaßung, wo doch deine alternatives Urteil ohnehin schon a priori feststeht.. Da hat Chinoook schon recht wenn er schreibt:
    „Du redest ständig von “dem Kapital” und hast doch keine reale Vorstellung davon, was “das Kapital” überhaupt ist. Für dich ist “das Kapital” einfach ein Begriff, der alles was du nicht magst subsumiert und es dir zudem “einfach” macht, ein von der Realität abgekoppeltes Argumentationskonstrukt aufzubauen, welches du immerwieder aus sich selbst heraus begründen kannst. Im Grunde nicht anders als Chemtrail-Verschwörungstheoretiker.“
    Dieser wie auch der Artikel zum Thatcherismus und andere fällt dadurch auf, dass er alles immer nur als „neoliberal“labelt, sich nicht informieren will–ähnlich wie die kritisierten Montagsdemonstranten. Und bisher ist auch keiner auf meine wesentliche Kritik der Morales-Regierung eingegangen: Dass keinerlei Diversifizierung der Wirtschaft stattfindet, sodaß ihre monokulturelle Ausrichtung weiter erhalten wird und die Abhängigkeit von den Rohstoffindustrien weiter erhalten bleibt. Beim nächsten Rohstoffpreisverfall sieht es dann wieder düster aus:Morales verfrühstückt die Mehreinnahmen ohne dem Land eine nachhaltige, diversifizierte Wirtschaftsstruktur zu hinterlassen.

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  12. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:

    „Bolivien ist ein armes Land, ja.2006 lag das BIP pro Kopf bei 1150 Dollar, heute bei 4900, bei relativ geringer Inflation. Dazu kommt ein geringeres soziales Gefälle. Das halte ich alles für bemerkenswert, für geradezu sensationell und weltweit einmalig, ohne mehr zu wissen. “

    Wieder einmal mehr: „Ohne mehr zu wissen“ oder aber wissen zu wollen.Diese paar selktiven Zahlen reichen scheinbar aus, um nichts mehr anderes wahrnehmen zu wollen.Das BIP/Kopf sagt immer noch nichts aus über seine Verteilung, zumal Morales eben seine eigene Klientel in gutdotierte Posten aufrücken lässt, um sich einen loyalen Nepotismus zuzulegen–ähnlich wie in Venezuela.Aber Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, Diversifizierung der Wirtschaft–davon ist eben nichts in Sicht und davon wollen Genova und andere auf diesem Blog auch gar nichts „wissen“.

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  13. genova68 schreibt:

    Sagt mal, Chinook und Jakobiner, ihr beiden Hübschen: Von mir aus schreibe ich auf dem Niveau eines Chemtrail-Verschwörers, nur frage ich mich dann, warum ihr hier so viel kommentiert. Ich meine, ich würde einen Blog, dessen Betreiber ich für einen Vollidioten halte, meiden. Das wäre doch Zeitverschwendung.

    Also sucht euch am besten einen schlaueren Blogger, der passt auch besser zu euch.

    P.S.: Wie wäre es mit dem Spiegelfechter? Dort findet ihr Gleichgesinnte: Leute, die den ganzen Tag lang Megapolitdiskussionen über jedes Thema führen, das gerade en vogue ist. Die heißen euch sicher herzlich willkommen.

    Adios, amigos.

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  14. Lemmy Caution schreibt:

    Genova,

    zu der Herkunft der verstaatlichten Unternehmen der Gasförderung in Bolivien ->
    diese Information der Bundeszentrale der Politischen Bildung der Bundesrepublik sagt „Vor allem Unternehmen aus der Europäischen Union – wie Repsol YPF (Spanien), BG (Großbritannien) und Total (Frankreich) sind es, die in Bolivien neben dem brasilianischen Mineralölkonzern Petrobras an der Exploration, Förderung, Verarbeitung und dem Transport des Rohstoffs beteiligt sind.“
    http://www.bpb.de/internationales/amerika/lateinamerika/44650/verstaatlichungspolitik?p=all
    Total ist natürlich französisch und nicht US-amerikanisch, wie von mir heute morgen vermutet.

    Aus meiner Sicht waren diese Verstaatlichungen erfolgreich für Bolivien. Verstaatlichungen können aus meiner Sicht sinnvoll oder schädlich sein. Gerade im Rohstoffsektor kann es oft Sinn machen, die Unternehmen in Staatshand zu halten.

    Bolivien besitzt natürlich unter anderem auch demokratische Traditionen. In den 50ern gab es einen Präsident Paz Estensoro, der die amerikanischen Zinn-Minen verstaatlichte. Es gab damals eine sehr lebendige Gewerkschaftsbewegung.

    Übrigens gabs auch in Arabischen Staaten viele, viele Beispiele von Machthabern, die sich umfassend der Sozialen Frage widmeten. In Abbu Dhabi, dem dominierenden Emirat der Vereinigten Arabischen Emiraten, gab es etwa in den 60ern einen sehr stark sozial motivierten Familien-Putsch, das die Emirate bis heute prägt, trotz aller Widersprüche in der Behandlung südasiatischer und philippinischer Gastarbeiter. Allerdings gibt es auch da gewaltige Unterschiede zwischen Abbu Dhabi und anderen Arabischen Staaten.

    Genova: 2006 lag das BIP pro Kopf bei 1150 Dollar, heute bei 4900, bei relativ geringer Inflation.

    Das kann überhaupt nicht sein. Das wäre über 500% Wachstum des BIP in 8 Jahren, wenn man noch das demographische Wachstum von ca 1,5% im Jahr mitberücksichtig. Du vermischst da BIP pro Kopf ohne Kaufkraftparität und mit Kaufkraftparität. Es fand aber wohl eine Verdoppelung statt und das ist schon bemerkenswert.

    Die bolivianischen Wirtschaftsdaten werden übrigens auch von venezolanischen Oppo-Blogs – die in der politischen Ausrichtung sehr vielfältig sind – und sogar von den letzten Fußkranken der Neoliberalen Weltrevolution in Polit-Blogs von El Mercurio online positiv besprochen.

    Was Jakobiner hier mit seinen Einlassungen zur Korruption will, kapier ich wirklich auch nicht. Das Fass kann man in der Politik immer aufmachen und in der Lateinamerikanischen leider noch einfacher. Diversifizierung der Wirtschaft findet sehr wohl statt. Der Erfolg im Quinoa Geschäft etwa. Eine Industrialisierung findet nicht statt, aber das gilt seit 1975 für JEDES Lateinamerikanische Land ausser Mexiko. Allerdings gibt es in Bolivien – wie in anderen Staaten der Region auch – wirkliche Verbesserungen im Bildungswesen bei allen Problemen.

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  15. genova68 schreibt:

    Lemmy,
    wie gesagt, Bolivien ist weit weg, ich war noch nie da, ich habe keinen Einblick und wollte mich zu dem Land detailliert überhaupt nicht äußern. Das von mir genannte BIP-Wachstum ist vermutlich das nominale BIP, also eine eher sinnlose Zahl. Aber, wie du schreibst, das Wachstum ist ordentlich.

    Laut wikipedia ist die Bevölkerung von 7 Millionen 1992 auf 10 Millionen 2010 angestiegen. Eine Menge für ein wenig entwickeltes Land. Das nur nebenbei, weil es erklären kann, wie fragwürdig das nominale BIP ist, zumal bei einer Inflation von sieben Prozent oder mehr.

    Ich sehe übrigens gerade, wie ich auf die amerikanischen Konzerne kam:

    Wikipedia:
    Im Oktober 2003 kam es zu breiten Unruhen mit dem Charakter eines Volksaufstands, als Gewerkschaften gegen den Ausverkauf des wichtigen Bodenschatzes Erdgas an US-amerikanische Konzerne protestierten und Streiks organisierten. Dies stellte zugleich den Höhepunkt der teilweise gewaltsamen Proteste gegen die Reformen und Einsparungen im Staatshaushalt (im Rahmen der vom IWF geforderten Maßnahmen zur Verringerung der Auslandsverschuldung) dar

    Damals hat wohl der IWF die Schraube überdreht.

    Ansonsten nochmal danke für die Infos. So könnten Blogs funktionieren.

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  16. Lemmy Caution schreibt:

    Echt vorsichtig mit dieser Bezeichnung US Konzerne.
    Ein chilenischer Soziologie-Professor der zweitbesten Uni des Landes meinte mal in einem Vortrag in Deutschland, dass nach der Demokratisierung immer mehr Kupfer-Erschliessungsprojekte an US-amerikanische gingen. Ich fragte ihn daraufhin, ob die Konzerne nicht eher australisch bzw. britisch-schweizerisch wären und nannte die Namen der Konzerne. Er antwortete darauf mit einem Lächeln, dass ich ihm als chilenischen Linken die Freude eingestehen sollte, diese als US-amerikanische Konzerne zu bezeichnen.
    Bei solchen Details nehmen es die Aktivisten nicht immer genau und die Poonal oder verwand Schreiber übernehmen das ungeprüft.
    Zum Beispiel unterscheiden die radikalen Mapuche, die ich mir letztens angehört hab, auch nicht zwischen chilenischen und ausländischen Forstbetrieben, die zugegeben beide für den Exportmarkt viel zu viel Wasser verbrauchen, aber halt letztlich im eigentlichen Sinne überwiegend nicht transnational sind sondern den Familien Matte und Angelini gehören, die halt nun einmal chilenische Staatsbürger sind.
    So entscheidend ist das auch nicht, wem das gehört, wie Du oben sagtest. Die Aktien von Deutschen Dax Unternehmen werden übrigens heute auch nur noch zu 30% von Deutschen gehalten.
    Ich will damit nicht sagen, dass alle Aktivisten oder linke Latinos lügen. Ich kann mich an eine Veranstaltung der bolivianischen Botschafterin erinnern, die ehrlich aufrichtig war. Die Mapuche letztens sprachen auch einige problematische Punkte ihres Widerstandes an. Am schlimmsten sind interessanterweise oft Leute aus dem akademischen Betrieb.

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  17. Chinook schreibt:

    „als Gewerkschaften gegen den Ausverkauf des wichtigen Bodenschatzes Erdgas an US-amerikanische Konzerne protestierten“

    Und du gehst natürlich davon aus, dass eine Gewerkschaft in Lateinamerika einer in der BRD entspricht. Und auch die „gesamtgewerkschaftlichen“ Entscheidungsmechanismen. Eigentlich beleidigend, wie wenig du bereit bist dich zu informieren. Denn 10min helfen da schon weiter.

    P:S: Ich finde du machst es dir „sehr einfach“ – also denkst gar nicht nach. Womit ich normalerweise kein Problem habe. Du schreibst absolut links konnotiert und das ist auch die klare Ausrichtung des Blogs. OK.
    Jedoch hast du deine Wahrheit schon lange gefunden.
    Du brauchst nichtmal minimal Energie in Wahrheitssuche und Erklärungen stecken. Du nimmst halt was ins eigene Bild passt und vertrittst es scharf. Du weißt alles besser, ob militärisch, politisch, oder wirtschaftlich – du weißt es besser, obwohl du zugibst keine Ahnung – und Detailwissen nicht nötig zu haben, weil du das „Große Ganze“ durchschaut hast.
    Du fragst warum ich (Schatzi) auf diesem Blog kommentiere, naja die Frage hab ich mir auch gestellt – und dann den letzten Kommentar geschrieben.
    Letztendlich habe ich unter der Gürtellinie argumentiert, mit meinem letzten Post. War mir bevor ich den Comment absendete bewußt das Ehrlichkeit und Höflichkeit sich in dem Fall ausschließen, die Konsequenzen auch.
    Aber Jakobiner solltest du nun wirklich nicht mit derselben Brille beurteilen wie mich. Der hat nur kommentiert, keineswegs unter der Gürtellinie dir gegenüber- anders als mein Post.

    Ne Mädel, du vertrittst nicht nur dumme, naive Ansichten, du kokettierst sogar offen damit. Das schlimme ist, du bist intelligent genug, daß du dies wissen müsstest.
    P.S. Du redest immer viel über Berlin und tust so, als würdest du dich da auskennen und vor allem -engagieren- . Wenn du so sozialistisch eingestellt bist und unter den kapitalistischen Verwertungsmechsanismen derart leidest, dann biete deine Dienste doch ehrenamtlich dem Quartiersmanagement an. Könnte man doch mal 3 Wochen Urlaub für nehmen, oder zweimal die Woche 2 Stunden abends für opfern.
    Du kannst schreiben und photographieren, die haben manchmal Verwendung für solcherlei Fähigkeiten. Aber Achtung – da sieht man Sachen, die lassen sich mit deinen Ansichten nicht unter einen Hut bringen. Du kannst natürlich weiterhin für „arme Menschen streiten“, ohne diese jemals erlebt zu haben, sie zu kennen, sie zu respektieren.
    Würdest du sie respektieren und deine eigene Ideologie wertschätzen, du würdest dir nicht im eigenen LinkenBlog Zucker in den Arsch blasen lassen, sondern dich mit Problemen anderer Menschen praktisch lösungsorientiert beschäftigen.
    Wahrscheinlich hast du dafür jedoch keine Zeit, weil du vom kapitalistischen System so sehr ausgebeutet wirst, daß du nach dem schweren Geldverdienen keine Zeit mehr für Arbeit hast, die man gratis für die Gesellschaft – praktisch umsonst – macht. Wer den moralischen Maßstab ansetzt, der bestimmt die Fallhöhe praktisch selbst, oder?

    Wenn du nicht willst, daß ich jemals wieder auf deinem Blog kommentiere – dann sag dies einfach deutlich. Verständlich, ich war ehrlich unverschämt.
    Ansonsten und ohne jede Polemik – Ich wünsche dir viele gute praktische Erfahrungen mit den Menschen, deren Schicksal dir zumindest theoretisch am Herzen liegt.

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  18. genova68 schreibt:

    „Wenn du nicht willst, daß ich jemals wieder auf deinem Blog kommentiere – dann sag dies einfach deutlich.“

    Ja, ich sage dies hiermit klar. Ich dachte, Adios Amigos reicht. Für Jakobiner gilt das auch.
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  19. genova68 schreibt:

    In der aktuellen Printausgabe schreibt die Zeit (S. 27) über Bolivien, dass die Staatseinnahmen seit dem Beginn der Präsidentschaft von Morales um 460 Prozent wuchs, „vor allem infolge der Verstaatlichung des Erdgassektors und durch Steuererhöhungen. Auch der Export ist stark gestiegen. Die Inflation blieb dagegen ebenso stabil wie das Wirtschaftswachstum -während die großen Nachbarn … ökonomisch kranken. Mit den steigenden Einnahmen finanzierte die Regierung Morales ihre Sozialpolitik: Sie legte Großprojekte zur Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung auf, erhöhte schrittweise den Mindeslohn und führte die Staatrente und Kindergeld ein. Durch die Umverteilungsmaßnahmen wurde wiederum der Konsum angekurbelt.“

    Die Krux sieht die Zeit darin, dass Morales zwar einerseits Diversifizierung der Wirtschaft braucht und das auch will und dafür Rohstoffausbeutung will, was aber zu einer „Zwangslage“ führt, weil er sich gleichzeitig das „Vivier bien“ als indigenes Leitmotiv auf die Fahnen geschrieben hat. Das „passt kaum zur extensiven Ausbeutung der Rohstoffe.“ Neben dem Gas ist das vor allem Litihum in einem der weltweit größten Lithiumvorkommen.

    Ein ganz interessanter Konflikt, der an die Diskussionen hierzulande erinnert: BIP oder Buthan. Allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau als hierzulande. Alphabetisierung, Gesundheitsversorgung, Staatsrente und Kindergeld sind bemerkenswerte Neuerungen in der heutigen Zeit. Er schafft das mit einer Art Keynesianismus und dem offenbar erfolgreichen Bemühen, die Gewinne, die im Land geschöpft werden, an ihrer Ausreise zu hindern.

    Aber sicher besteht auch die Gefahr, dass Morales´ Machtausübung zu autoritär ist. Wobei ich Urteile hierzu von hier aus schwierig finde. Die Zeit bemängelt markige Sprüche gegen Imperialisten und seine Nichtkommunikation mit der Opposition. Man wird sehen.

    ai führt diverse Menschenrechtsverletzungen an, auch problematische Aussagen von Regierungsmitgliedern.

    http://www.amnesty.de/jahresbericht/2011/bolivien

    Wenn man sich allerdings einen Bericht von 2003 anschaut, hat sich offenbar entscheidendes verbessert, vor allem durch die sozialen Reformen.

    http://lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/259.html

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  20. Lemmy Caution schreibt:

    Noch ein paar letzte interessante Fakten und Anekdoten gestützt auf einem Artikel eines panamesischen Journalisten, der in der linken chilenischen Wochen-Zeitung „El Ciudadano“ veröffentlicht wurde.
    – Bis 1952 war nur den Weissen erlaubt zu wählen, offenbar damals 15% der Gesamtbevölkerung.
    – die darauf folgende Demokratie dauerte nur bis 1964, danach folgten Militärdiktaturen und ab 1994 dann die 10 jährige neoliberale Phase. Der damalige gewählte Präsident Paz Estensoro holte sich Jeffrey Sachs als Berater ins Land. Es folgten Aufschwünge und neue Stabilitätskrisen. Die soziale Ungleichheit konnte nie gelindert werden. Schliesslich gewann der aus den in dieser Phase gestärkten Sozialen Bewegungen bekannt gewordene Kokabauern-Gewerkschafter Evo Morales die Wahl.
    Anm. Lemmy: Es gab da nicht mehr die politische Repression der Zeit der Militärdiktatur. Neoliberalismus war vielleicht hier eine Art Übergangsphase hin zu demokratischeren Verhältnissen.
    – 3 der 7 Geschwister Evos (geb. 1959) starben in den prekären Bedingungen: Mangel an sauberen Wasser, keine Elektrizität, keine medizinische Versorgung.
    – als Kind begleitete Evo einmal seinen Vater beim Treiben einer Lama Herde von Oruro nach Cochabamba. Laut google maps 215 km. Das dauerte 1 Monat. Während der Reise sah Evo einen Bus, mit Menschen, die Bananen und Orangen-Schalen aus dem Fenster warfen. Evo aß die Schalen und hoffte, einmal in so einem Bus fahren zu können.
    (wer darüber lacht, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank)
    – Evo war kein Mann der extremen Polarisierung, wie sie in Venezuela zu beobachten ist. Bei seiner ersten Wahl holte er im östlichen Bundesstaat Santa Cruz gerade 3% der Stimmen. Diesmal erstmals die Mehrheit.
    – BIP pro Kopf (offenbar nicht Kaufkraftperiode) stieg in Periode von 1.010 Dollar auf 2.757 Dollar. Anmerkung Lemmy: Autor merkt nicht an, ob es sich um jeweils aktuelle Dollar oder auf irgendein Jahr de-inflationierte Dollar handelt. Vermutlich ersteres.
    – Staatsschulden sanken von 80% BIP auf 33% BIP.
    Anmerkung Lemmy: Evo schaute immer auf die Finanzen. Kann mich daran erinnern, dass er Mitte 2012 bestimmte von Venezuela finanzierte Sozialprogramme einfach aussetzte und nicht aus Eigenmitteln finanzierte, weil Venezuela dafür kein Geld mehr hatte. Er versprach, diese Programme für das nächste Jahr von Anfang an auf eine solidere finanzielle Basis stellen wollte.
    – Devisenreserven bei Übernahme des Amtes: 0.74 Mrd US$. Heute: 14,7 Mrd $. Chile zur Zeit: 40 Mrd US $. Venezuela: 19,5 Mrd US$ und ständig sinkend.
    Btw. Einwohner Bolivien: 10 Mio, Chile 17 Mio, Venezuela 29 Mio.
    – Weltbank und IWF lobten die Amtführung von Evo.
    – Staatsanteil an Wirtschaft stieg von 17% auf 35%
    – Nationalisierung der Gasförderung erhöhte den Staatsanteil an den Gewinnen von 18% auf 82%. Gleichzeitig verdoppelte sich die Fördermenge. Anmerkung Lemmy: In Venezuela sank die Fördermenge des staatlichen Ölkonzerns PVDSA, obwohl die Planungszahlen stets große Produktionssteigerungen voraussagten. Das wurd immer mehr zum running gag.
    – Evo verständigte sich mit den Unternehmern und rührte das Bankensystem nicht an. Der Staat erkannte Grenzen an. (Originalzitat: El Estado, sin embargo, ha entendido sus límites.)
    – +45% Staatsausgaben
    – 2005 verdienten die reichsten 10% 128 mal mehr als die Ärmsten 10%. Heute nur noch 64 mal so viel.
    Anmerkung Lemmy: Das in der „Republiqueta de Chicle“ (auch bekannt unter dem Namen Chile) und ich kauf mir eine Fahne und hisse sie jeden morgen unter Abspielen der Nationalhymne.
    – Der Aufschwung war natürlich stark vom Gas abhängig. Und mit dem Niedergang im Exportmarkt Argentinien wird es erstmal nicht so weitergehen. Ideen wie eine bolivianische Batterieproduktion blieben Lippenbekenntnisse. Der Autor nennt eine Verständigung mit Chile.
    Anmerkung Lemmy: Sehr schwer.
    – Ökologisch ist das extraktive Modell problematisch.
    Es gibt auch einen im Grunde nicht wirklich auflösbaren Konflikt um eine Straße durch indigenes Gelände und Naturschutzgebiete nach Brasilien, der exemplarische zeigt, dass Morales Bolivien kein Neues Jerusalem sondern ein Land schmerzhafter Kompromisse ist. Aber gerade das macht mir diesen Mann so sympathisch.

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  21. genova68 schreibt:

    Letzter Punkt schließt an das BIP-oder-Bhuthan-Problem an. Wäre auch für uns interessant zu sehen, wie das weitergeht.

    Hast du eine Vorstellung vom politischen Diskurs in Bolivien? Die Zeit schreibt, dass Morales im Wahlkampf kein einziges Wort mit einem Oppositionspolitiker geredet habe, das seien eh nur alles „Imperialisten“. So bleibt einem zwar Politikergeschwurbel erspart, aber ohne die absolute Mehrheit müsste er sich mit den Imperialisten auseinandersetzen, was nur noch eingeschränkt ginge. Vermutlich sind dort die Fronten deutlicher.

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  22. Lemmy Caution schreibt:

    Bachelet hält sich in Chile auch aus Debatten weitestgehend heraus. Auch im Wahlkampf. Das ist eine in beiden Fällen erfolgreiche Taktik, sich ein präsidiales Charisma zu sichern.
    Wie in Bolivien Oppositionelle behandelt werden, kann ich nicht wirklich beurteilen. Es scheint jedenfalls nicht so ad hominem demagogisch abzulaufen wie in Ecuador oder final unerträglich in Venezuela. Wirklich sachlich bestimmt auch nicht. Die Leute leben halt wirklich unter z.T. bedrückenden ökonomischen Sorgen und dann geht es in so einer Kandidaten Diskussionsrunde nicht wirklich um Argumente.

    Morales gibt sich des öfteren gerade gegenüber dem Ausland als Träger indigen-ökologischer Werte, was ich ihm nur sehr begrenzt abkaufe, weil Minen-Wirtschaft, Straßen durch Indianergebiet/Naturschutzgebiete halt einfach die Umwelt belasten.
    In jeden Fall sind die makroökonomischen Daten und einige Sozialindikatoren sehr beeindruckend. Ausserdem hab ich in der chilenischen Presse einfach zu viele wohlwollende Artikel von ansonsten des öfteren als neoliberale Triebtätern auftretenden selbsterklärten Meinungsführern gelesen.
    Morales hat einfach das geschafft, was sich meine special friends von gewissen online-Portalen und ein gewisser Assistenz-Professoren für Soziologie in Österreich mit italienischer Abstimmung 2007 sich für die venezolanische Zukunft vorgestellt haben. Diese Nummer ging völlig den Bach runter. Der Traum des sozialen Ausgleichs in Südamerika bleibt schön. Morales gelingt es, diesen für Bolivien leben zu lassen.

    Er regierte schon unter wohl sehr förderlichen Bedingungen der Ausweitung der Gasförderung mit einem lange Zeit sehr stark absorbierenden Markt in Argentinien. Wird sich zeigen, was passiert, wenn das Wachstum mal auf 2% sinkt. Irgendwann wird das geschehen.

    Um Veränderung zu bewirken, muss so ein Politiker eine gewisse Distanz aufrechterhalten. Es ist ja die Tragik Chiles, dass viele Politiker der chilenischen Concertación zwischen 1990 und 2011 das übernommene Wirtschaftsmodell aus der Diktatur wohl zu stark in sich aufnahmen. Das hat verschiedene Gründe. Sehr komplex. Es gibt dazu eine brillante Doktorarbeit an einer Pariser Uni von einem chilenischen Historiker, die als Buch rauskam. Da gibt es aus meiner Sicht interessante Berührungspunkte zu „Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“ und zwar wissenschaftlich abwägend und ich bin als Sozialdemokrat halt noch abwägender. Ich will exakt zu diesem Thema irgendwann mal was auf Spiegelfechter veröffentlichen. Hab schon mal angefragt, aber da brauch ich Zeit zu. Und die hab ich nicht. Das ist so schon so komplex. Und dann muss ich auf die fehlenden Grundlagen in chilenischer Geschichte/Politik/Wirtschaft/Kultur der Leserschaft Rücksicht nehmen. Und dann will ich auch noch redlich schreiben.

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