Vorerst gescheitert: Journalismus unterm Kapital

Zwei Beispiele aus dieser Woche, wie Medien im Kapitalismus funktionieren.

1. Die neoliberale Bertelsmann-Stiftung erstellt eine sogenannte Studie zum Thema Bildung. Die gibt sie exklusiv dem Spiegel, der macht daraus eine Titelgeschichte (wohl noch nie gab es beim Spiegel eine Titelgeschichte, bei der für die Redaktion vermutlich keinerlei Kosten anfielen), der Rest des Medienzirkus plappert die Spiegel-Story und somit Bertelsmann nach. Selbst Lokaljournalisten befassen sich damit, weil die Studie die „Lernsituation“ bis auf die Landkreise runterbricht.

Bertelsmann hat via Gruner und Jahr eine Sperrminorität beim Spiegel-Verlag.

Eigentlich genial: Aus der Lobbyarbeit neoliberaler Bildungsprivatisierer wird via Leitmedium Spiegel ein Report, der mit dem Flair des kritischen Journalismus behaftet ist. Das Geld, das die Stiftung für die Studie ausgeben musste, sind Steuern, die der Konzern Bertelsmann nicht zahlt, weil die das Geld an die gemeinnützige Stiftung geben.

Bertelsmann verdient unterdessen weiterhin Millionen mit Jugendverblödung á la RTL. So geht das.

2. Der Chef-Redakteur der Zeit, Giovanni di Lorenzo, fliegt nach London und unterhält sich dort drei Tage mit Karl-Theodor zu Guttenberg. Das Ergebnis ist der Aufmacher in der Zeit von dieser Woche: ein riesiges Bild vom Ex-Minister und ein Interview auf vier Seiten. Eine Zeit-Seite ist bekanntlich ziemlich groß. Das komplette Dossier ist damit belegt, eine einzige PR-Show für den Baron. Dazu eine Reihe von Werbefotos: Er früher und jetzt in seinem neuen Outfit, ohne Gel und Brille, nachdenklich. Er kündigt seine Rückkehr nach Deutschland an, vielleicht mit einer neuen Partei.

Er lügt weiterhin, dass er beim Abschreiben ohne Vorsatz gehandelt habe. Und di Lorenzo gibt dem notorischen Lügner Gelegenheit, seine angeblich authentischen Gefühle während dieser Zeit ausführlichst darzustellen. Guttenberg hat auf mehr als 90 Prozent der Seiten seiner Doktorarbeit abgeschrieben, das gibt er jetzt zu. Aber dieses Abschreiben passierte nicht „absichtlich“, sondern war „das fatale Ergebnis einer chaotischen und ungeordneten Arbeitsweise“ (S. 18). Guttenberg war nicht nur seinerzeit ein Betrüger, er ist es immer noch, wenn man sich das Interview durchliest. Dabei betont er natürlich ständig seine Ehre, die ihm so wichtig sei.

Dass „authentisch“ und Guttenberg ein Widerspruch in sich sind, wird übrigens nicht thematisiert. Die pathologische Struktur dieses Erklärungsversuchs auch nicht.

Eigentlich zum Lachen, dass die Zeit sich für sowas hergibt, rein vom intellektuellen Niveau.

Ein weiteres Ergebnis der Londonreise ist ein Buch von di Lorenzo gemeinsam mit Guttenberg, der Journalist interviewt den Politiker auf 200 Seiten. Das Buch („Vorerst gescheitert“) soll schon in den Bestsellerlisten stehen.

Guttenberg steht für eine neokonservative und eventuell radikal neoliberale Politik, für gute Beziehungen zu konservativen amerikanischen Think Tanks. Wer hat ein Interesse an der Wiederkehr Guttenbergs in die deutsche Politik? Ein erfolgreicher Guttenberg wäre Milliarden wert. Eigentlich unbezahlbar.

Zeitgleich berichtet Spiegel-Online über Tage intensiv und als Aufmacher über Guttenberg und seine möglichen Ambitionen. Und zeitgleich wird bekannt, dass das Verfahren gegen den Ex-Doktor gegen Auflage der Zahlung von 20.000 Euro (geschätztes Familienvermögen: 800 Millionen Euro) eingestellt wird.

Die Rolle der Medien war im Fall Guttenberg über Jahre hinweg eine peinliche. Seine Lügen bei Amtsantritt als Wirtschaftsminister hätten ihn sofort das Amt kosten müssen, die Kontrollfunktion der vierten Gewalt versagte nahezu komplett. Und was seinerzeit die Bunte war, das offizielle Organ der Guttenbergschen Expansionspläne, ist nun die Zeit. Ist ja auch seriöser. Die Medien haben aus ihrer in weiten Teilen problematischen Berichterstattung über Guttenberg bis zur Plagiatsaffäre nichts gelernt. Im Gegenteil. Das jüngste Verhalten der Zeit und des Spiegel zeigen, dass die Kampagnenwilligkeit größer geworden ist. Ein telegener Superstar muss bedient werden. Koste es, was es wolle. Journalismus als kritische Instanz? Selten so gelacht.

Zwei kleine Beispiele für Journalismus unterm Kapital. Sage niemand, das sei Zufall.

(Flott hingeschrieben; wer Belege sucht, möge die Suchfunktion rechts nutzen.)

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23 Antworten zu Vorerst gescheitert: Journalismus unterm Kapital

  1. propagandix schreibt:

    Glaube keiner Propaganda, die Du nicht selbst autorisiert hast.
    Berlusconi-Bashing ist so leicht, wenn man selbst das trojanische Pferd unabhängiger Medienvielfalt reitet.

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  2. InitiativGruppe schreibt:

    So ein „politisches Talent“ wie diesen Guttenberg ungenutzt im Exil verkümmern zu lassen, das wär doch wirklich Verschwendung!

    DASS sein Kammbäck kommt, wundert mich nicht, aber dass es so schnell kommen soll, ist atemberaubend. Ich hätte mit einer Schamfrist von zwei oder drei Jahren gerechnet.

    Eventuell ist es wirklich zu früh – und schon wieder ein typischer Guttenberg-Fehler: Er überhastet gern. Es fehlen ihm Ruhe und Geduld fürs gründliche Wahrnehmen und Analysieren der Situation, fürs eventuell nötige Abwarten und Vorbereiten, also insgesamt fürs richtige Timing.

    Wir werden ja sehen, ob der Guttenberg-Sprung jetzt schon kommt – und wie die Landung dann sein wird.

    Unter strategischen Gesichtspunkten könnte das jetzige Manöver auch nur eine Vorbereitung für ein Kommzurück in zwei Jahren sein, und ein Versuchsballon.

    Gehen vielleicht Henkel und Freie Wähler/FDP und Guttenberg zusammen den Weg der Gründung einer neuen leicht rechtspopulistisch orientierten, EU-skeptischen, im Ansatz vorsichtig fremdenfeindlichen und vaterländischen Partei, die all diese Oberflächen-Merkmale dafür nutzt, von einer hauptsächlich neoliberalen Stoßrichtung abzulenken?

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  3. InitiativGruppe schreibt:

    Ich hab den letzten Satz vergessen:

    Alles in allem nicht die Richtung, für die die ZEIT steht. Oder?

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  4. propagandix schreibt:

    In der Tat ist es erst unglaubliche 9 Monate her, dass wir in der Causa Guttenberg zum Ablass aufgerufen hatten:
    http://meine-krise.de/cgi-bin/weblog_basic/index.php?m=201102
    Das diese Ablasszahlung nun so erbärmlich schäbig ausgefallen ist, wirft nur einen weiteren Schatten auf unser Rechtssystem und -verständnis. Man wird noch sehen, was uns dieser so aalglatt „geläuterte Sünder“ noch so alles bescheren wird.

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  5. genova68 schreibt:

    Wofür die Zeit steht, weiß ich nicht. Die ist mittlerweile m.E. in erster Linie eine Marke zwecks Verwertung. Bei di Lorenzo ist es vielleicht Eitelkeit oder ökonomische Unabdingbarkeit: Wenn Guttenberg ihm das Exklusivinterview samt Buchherausgabe anbietet, kann er wohl nicht nein sagen, weil es sonst die Konkurrenz vom Spiegel macht. Die haben ja dieses Woche sogar alle möglichen Mailadressen ausgegraben, um den Leuten mitzuteilen, dass sie das Exklusivinterview haben.

    Das Interview is ein Versuchsballon, jetzt wartet man die nächste Umfrage ab: Soll Guttenberg zurückkommen. Ich halte den nach wie vor für den gefährlichsten Politiker Deutschlands. Einfach, weil er das Zeug dazu hat.

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  6. HF schreibt:

    Solange die Die Zeit zu Guttenberg promotet ist es vielleicht novh nicht so schlimm (ausser fuer die Die Zeit). Ernst wird es, wenn BILD u. aehnliche ihn wieder pushen.

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  7. hanneswurst schreibt:

    Kann mir jemand erklären, was „Neoliberalismus“ ist? Ich halte diesen Begriff – der hier im Blog gerne als Kampfbegriff verwendet wird – nicht für ausreichend etabliert, laut Wikipedia ist es ein „Essentially Contested Concept“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Essentially_Contested_Concept), also ein Begriff dessen Bedeutung stark von der jeweiligen Interpretation abhängt. Was mir an der Verwendung missfällt, ist dass der Liberalismus damit verunglimpft wird, was wiederum das Schreckgespenst des linken Besserwissers auf den Plan ruft, der den Staat als Prokrustesbett gestalten möchte, mit Fünfjahresplan, Geheimpolizei, Diktatur. Ich glaube aber nicht, dass diejenigen, die sich gegen den ominösen „Neoliberlismus“ stellen, tatsächlich einen Totalitarismus wünschen, oder überhaupt für autoritäre Strukturen besonders empfänglich sind. Auch verunglimpft die Verwendung des Begriffs „Neoliberalismus“ politische Strömungen wie den Linksliberalismus bzw. den sozialen Liberalismus, die sowieso schon zu schwach vertreten oder in Vergessenheit geraten sind (in Deutschland wahrscheinlich deswegen, weil die FDP jede positive Konnotation des Begriffs „liberal“ vernichtet hat). Deswegen schlage ich vor, vorsichtiger mit dem „Neoliberalismus“ umzugehen, und lieber einen Kampfbegriff wie „Ultraliberalismus“ einzusetzen oder besser die Missstände konkret aufzuzeigen. Wie hier ja auch geschehen, die Kritik an Bertelsmann und Zeit finde ich berechtigt. Ich tröste mich damit, dass diese Medienunternehmen sowieso kurz vor dem Konkurs stehen und halte den Einfluss der „Leitmedien“ heute für wesentlich kleiner als vor 1995, das Internet lädt zu heterogenen Meinungsbildung ein. In der Zeitung wollen die Leute nur das lesen, was sie sowieso für richtig halten, entsprechend gestaltet sich der Informationsfluss zunehmend in umgekehrter Richtung, der Journalismus ist nur noch Servicejournalismus, ein Spiegel der Lesermehrheitsmeinung als Wichsvorlage.

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  8. genova68 schreibt:

    via antiferengi:
    http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/wer-spielte-auf-der-party-erste-geige-article1272032.html

    Sommerfest bei Bertelsmann Unter den Linden und wer da alles vorbeikommt.

    Hannes,
    die Diskussion hatten wir ja schon ein paarmal hier. Neoliberalismus ist mittleweile ein klar definierter Begriff und diskreditiert nicht den Liberalismus und auch nicht den Linksliberalismus. Wenn ich sage, ich bin linksliberal, kommt wohl niemand auf die Idee, mit neoliberal zu nennen. Das eine ist ja gerade die konsequente Abgrenzung vom anderen.

    Dass der Begriff unglücklich ist, mag sein. Aber so ist das nun mal. Das, was früher mit neoliberal bezeichnet wurde, heißt heute wohl eher ordoliberal. Vertreter der Freiburger Schule bezeichnen sich heute auf keinen Fall mehr als neoliberal. Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Insofern weiß ich nicht genau, wieso der Begriff neoliberal heute so unscharf sein soll oder noch so stark davon abhängig, wer ihn benutzt. Er ist negativ konnotiert, insofern ein Kampfbegriff, meinetwegen. Aber er bezeichnet etwas, das bezeichnet werden muss. Neoliberal bedeutet heute ja vor allem, dass es nicht nur um genuin kapitalistische ökonomische Prozesse geht, sondern dass es sich um eine umfassende Ideologie handelt, nach der es nur Indidivduen gibt und keine Gesellschaft und sich einem totalen ökonomischen Anspruch unterwerfen soll, dass es nur noch ökonomische Beziehungen gibt. So wie beispielsweise, dass man beim Anblick einer Besucherschlange vorm Museum sofort eine Preiserhöhung fordern muss.

    Und ich kann nicht einfach irgendeinen anderen Begriff einsetzen. Sprache ist lebendig und entwickelt sich, ich bediene mich lediglich.

    Die Bedeutung der Printmedien nimmt wohl ab, aber im Internet werden sich die großen Verlagshäuser ebenfalls durchsetzen, denke ich. Blogs und sowas werden eine Marginalie bleiben, weil ohne Bezahlung niemand auf Dauer so zeitintensiv arbeiten wird wie beispielsweise die nachdenkseiten. Mit einem BGS wäre das vielleicht anders. Aber da kann ich auch falsch liegen.

    Und die Kampagnenfähigkeit der großen Printprodukte Bild, Spiegel, Zeit, SZ, FAZ, Bunte, Super Illu ist heute ein ganz wichtiges Kriterium: Kann ich Aufmerksamkeit erzeugen? Wie gut das klappt, zeigt diese Woche, siehe Artikel. Dass so eine Langweilerzeitung wie das Handelsblatt das nicht schafft, ist eine andere Sache.

    Übrigens: Henkel rät Guttenberg, nicht in die Politik zurückzukehren, lese ich gerade in der Print-FAZ. Die vielleicht bemerkenswerteste Nachricht des Tages.

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  9. propagandix schreibt:

    Der wahre Grund, warum v.u.z. Guttenberg als potenziell gefährlich einzustufen ist, liegt ja für jeden aufmerksamen Beobachter weder in seiner persönlichen oder politischen Überzeugungskraft oder Brillanz (von der Brillantine im Haar einmal abgesehen), sondern ist fast ausschließlich auf einen dumpfen Untertanenreflex in nicht unerheblichen Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung zurückzuführen. Davor müssen wir wirklich Angst haben, wenn es diesem oder anderen Herren und/oder Damen einfallen sollte, ihre Existenz und kapitalistisch gestützten Machtansprüche im Rahmen einer neugegründeten „Partei der Mitte“ zu legitimieren. Denn genau dort brodelt der Sumpf in dem „dieser Schoß noch fruchtbar“ ist – siehe aktuelle Mörderspiele und Verhinderungs-/Verleugnungs-/Verschleierungsskandale.

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  10. genova68 schreibt:

    Genau so ist es, ich unterschreibe jede Zeile, abgesehen davon, dass ich seine persönliche Überzeugungskraft nicht gering ansetzen würde.

    Ich fand es in der Tat erschreckend zu sehen, wie populär Guttenberg damals war, obwohl er objektiv ein Hochstapler und Betrüger ist. Wie ausprägt dieses Untertan-sein-wollen ist und das aufschauen zu einem Adeligen. Und da kann man dann auch mit dem Begriff des Extremismus der Mitte operieren. Und man sieht, wie schnell eine Zeitung wie die Zeit, wo ich doch gewisse intellektuelle Standards erwarten würde, sich ebendieser Standards beraubt und sich auf Bild-Niveau begibt, nur mit vornehmeren Fotos und Layout. Was konkret di Lorenzo da reitet, würde mich interessieren. Ist das nur aufmerksamkeitsökonomisch bedingt?

    Das ist ja auch eine Folge neoliberaler Politik, die politische Regression, das Zurückwollen in eine heile Welt, ob Schlosswiederaufbau oder adeliger Guttenberg. Ähnlich wie bei der Teaparty. Je heftiger neoliberale Politik die Karre in den Dreck fährt, desto regressiver wird ein Teil der Betroffenen und fordert eine Erhöhung der Dosis. Das alles ist vor allem psychologisch interessant, da würden mich Interpretationen interessieren.

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  11. propagandix schreibt:

    Nun, ich denke, der Begriff der „Dosis“ zeigt, in welche Richtung man schauen muss. Unser gesamtes „zivilisatorisches“ Verhaltensmuster weist doch alle prototypischen Züge einer masiven körperlichen (in materieller Hinsicht) und psychischen Abhängigkeit (Stichworte: stetige Dosiserhöhung, Realitätsverlust und -verweigerung, Vermeidungshaltung, Abwehr, Agressionsverhalten gegenüber aufklärerischen Tendenzen, d.h. Therapieverweigerung, Panik bei Stoffentzug, etc.) von der kapitalistischen Droge auf. Meine eher fatalistische Einschätzung dazu: Wie beim Drogensüchtigen muss der Leidensdruck erst so übermächtig werden, dass ein Erkenntnis der eigenen Lage überhaupt zugelassen, und damit eine Verhaltensänderung möglich wird. D.h. es liegt noch eine lange Leidensstrecke vor uns allen, d.h. auch denjenigen, die als „CO-Abhängige“ (also selbst nicht Suchtkranke, jedoch sozial Involvierte) Geiseln dieses schmerzhaften Prozesses sind.
    Einzige Alternative wäre ein „kalter Entzug“, der jedoch nicht ohne repressive Maßnahmen möglich wäre (was wiederum antidemokratische Maßnahmen erfordern würde, und zudem auch keine nachhaltige Lösung darstellt – hohe Rückfallqoute!).
    Es wird hart, Leute!

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  12. antiferengi schreibt:

    Toll zusammengefasst. Zu Teil 2: Die Geschichte mit dem Buch …. ich weiß jetzt nicht ob das System hat, – aber auf jeden Fall
    Geschichte.

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  13. uhupardo schreibt:

    genova, ich glaube auf keinen Fall, dass die „Zeit“ damit (nur) nach Aufmerksamkeit schielt. Das sieht viel eher nach klingender Münze aus.

    US-Abhörskandal enthüllt Guttenbergs Rückkehr-Pläne

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  14. genova68 schreibt:

    uhupardo,
    auf Aufmerksamkeit schielen meint ja, damit dann Geld zu verdienen. Bei di Lorenzo scheint mir aber auch viel Eitelkeit mitzuspielen.

    Hier nochmal der Mitschnitt aus Panorama, der schon zu Beginn der Amtszeit Guttenbergs als Wirtschaftsminister zeigte, was für ein Hochstapler der Typ ist. Würde mediale Kontrolle funktionieren, wäre er ein paar Tage nach diesem Beitrag zurückgetreten:

    propagandix,
    was du da zum psychologischen Aspekt schreibst, betrifft ja nicht nur das Systemische, sondern auch das Individuelle in uns allen. Das macht das ganze wohl so kompliziert und ist auch ein Grund, weshalb Widerstand nicht möglich scheint, siehe Occupy: Wir sind alle Teil des Systems, die früher einfacher möglichen Zuschreibungen (wir und die) sind kaum noch möglich. Alleine die Tatsache, dass uns eingeredet wurde, „private“ Altersvorsorge zu betreiben, macht jeden von uns zum Mittäter der Geschehnisse an den Finanzmärkten. Und die PR ist heute auf einen Niveau angelangt, das keinen mehr kalt lässt. Es ist diese totale Verwobenheit, die näher untersucht werden müsste. Die Folge sind dann die hilflosen Gegenrezepte wie die vom „kommenden Aufstand“, so so eine Art Aussteigertum plus Anschläge angemahnt werden. Widerstand tobt sich nur konkret aus, siehe Castor.

    Die Gegenseite ist viel weiter, das muss man anerkennen. Beispielsweise sieht derzeit der Einfluss von Goldman Sachs in hohen europäischen Regierungsstellen so aus:

    http://www.independent.co.uk/news/business/analysis-and-features/what-price-the-new-democracy-goldman-sachs-conquers-europe-6264091.html#

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  15. propagandix schreibt:

    Shared illusions – who will dare proving it?
    Der Schlusssatz dieses Independent-Artikels bringt es auf den Punkt:
    Allerdings wird dieser Beweis erbracht werden, ob wir es nun wollen oder nicht.
    Zwar ist Gegenseite der machtlosen Masse insofern massiv voraus, als sie (wie übrigens stets in der Menschheitsgechichte) längst alle Schlüsselpositionen besetzt hält, das ist korrekt. Man muss jedoch kein ausgeprägter Kulturpessimist sein, um zu erkennen, dass dieser „Vorsprung“ rein virtueller Natur ist, weil einfach der „Point of no return“ längst überschritten ist. Sicher werden sich wieder etliche dieser „Eliten“ irgendwohin retten können, die luxuriösen Archen stehen schon bereit – indes: Den Folgen und Auswirkungen des weltwirtschaftlichen Kollapses, der unumkehrbaren Umweltzerstörung, der galoppierenden Energie- und Rohstoffknappheit, wie auch natürlich der apokalyptischen Ausmaße der Klimaveränderung werden auch diese „Privilegierten“ sich nicht mehr entziehen können.
    Kein wirklicher Trost für den Rest der Welt.
    Zumindest sollten wir jedoch sehen, oder uns klar machen können, was wirklich hinter den Kulissen passiert, damit wir wenigstens gewappnet sind. Womit wir wieder am Ausgangspunkt dieses Beitrages angelangt wären, nämlich, der Möglichkeit, den Zugang zu objektiver Information und unmanipuliertem Faktenwissen sicherzustellen. Bei einer zunehmend monopolisierten und gelenkten Medien- und Presselandschaft, auch und gerade, was die Schlüsselmedien betrifft, kommt dem weltweiten Austausch übers web eine immer wichtigere Rolle zu.
    U.a. ein wesentlicher Grund, sich hier mit eigenen Gedanken und Beiträgen einzubringen – auch wenn sie rein subjektiver Natur sein mögen.

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  16. genova68 schreibt:

    Ob der Point of Return überschritten ist und was das überhaupt genau sein soll, weiß ich nicht. Der Mensch neigt dazu, sich und den aktuellen Stand seines Daseins zu überschätzen. Der Kapitalismus wurde bekanntlich das erste Mal totgesagt zeitgleich mit dem erstmaligen Feststellen seiner Existenz.

    Den Folgen und Auswirkungen des weltwirtschaftlichen Kollapses, der unumkehrbaren Umweltzerstörung, der galoppierenden Energie- und Rohstoffknappheit, wie auch natürlich der apokalyptischen Ausmaße der Klimaveränderung

    Das halte ich ebenfalls für Selbstüberschätzung. Du wirst hier das Opfer der medialen Berichterstattung, die du ja vorgibst, zu durchschauen. Das sind sicher globale Probleme, aber doch nicht apokalyptisch. Blade Runner läuft nur im Kino. Der Eindruck der Apokalypse wird in den Medien vielleicht erweckt, aber aus einem ähnlichen Grund, weswegen jede andere Sau auch durchs Dorf getrieben wird: Aufmerksamkeitsökonomie. Ich halte darüber hinaus den Hang zum Apokalyptischen für etwas typisch deutsches, woher das auch kommen mag. Vielleicht hängt das österreichisch-morbide auch damit zusammen.

    Ich weiß auch nicht so richtig, was „objektive Informationen“ und „unmanipuliertes Faktenwissen“ sind, das klingt mir zu sehr nach einer Position, die gottgleich ist. Diese Form der Moderne ist vorbei, und das ist gut so. Mit anderen Worten, propagandix, man muss m.E. heutzutage ziemlich aufpassen, nicht verschwörungstheoretisch eingewickelt zu werden. Seiten wie Infokrieger und „Alles Schall und Rauch“ verlinken mich zwar regelmäßig (wie auch diesen Artikel), ich habe mit denen aber nichts zu tun, einfach weil dort überall Verschwörungen gesehen werden, mögen im Einzelnen viele Artikel auch gar nicht schlecht sein. Aber das nur nebenbei.

    Ich halte die Bloggosphäre auch für wichtig, als Teil der Öffentlichkeit, und die großen Verlage und Konzerne haben eigene Interessen, aber überschätzen wir die Blogger nicht. Aber ich würde da nicht von Gegenseite sprechen. Wo verläuft die Grenze?

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  17. propagandix schreibt:

    Nun, ich denke nicht, dass es etwas mit „perverser“ und spezifisch deutscher Lust am Untergang zu tun hat, wenn man sich illusionslos der Realität stellt. Sicher handelt es sich immer um eine vermittelte und subjektive Realität, jedoch ist es doch ungleich perverser, sich an eine längst durch offensichtliche Fakten (jawohl: nachprüfbare Fakten) widerlegte „Realität“ zu klammern, und diese durch weitere Illusionen aufrecht erhalten zu wollen.
    Es geht mir nicht darum, den Kapitalismus totzusagen, sondern ich stelle lediglich fest, dass er als System ebensowenig tauglich ist, wie der zwangsverordnete Sozialismus à la Ostblock.
    Fakt ist, dass er höchst zerstörerische und antidemokratische Auswüchse trägt und befördert, die uns heute an den Abgrund finsterster Auswirkungen und Aussichten geführt haben.
    Den Vorwurf der „Selbstüberschätzung“ kann ich insofern nicht nachvollziehen, eher das Gegenteil sehe ich für mich persönlich gegegeben. Dass Mensch an sich dazu tendiert, sich als „Krone der Schöpfung“ zu stilisieren, obwohl er wohl eher „pain in the ass“ derselben ist, ist nicht mein Thema, aber sicherlich Teil meines/unseres Problems.
    Anmerkung zu Verschwörungstherien und -theoretikern allgemein:
    „Die Tatsache, dass Du unter Verfolgungswahn leidest, beweist nocht nicht, dass Sie nicht hinter Dir her sind!“
    So viel zum Modell der „Gegenseite“.
    Die Grenze verläuft übrigens immer dort, wo jeder für sich sie zieht und einhält – so weit die individuellen Kräfte und Überzeugungen stand halten.
    Spätestens dann merkt man, wie lange Illusionen der Realität gewachsen sind.

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  18. genova68 schreibt:

    Den Vorwurf der „Selbstüberschätzung“ kann ich insofern nicht nachvollziehen, eher das Gegenteil sehe ich für mich persönlich gegegeben.

    Ein cooler Satz, irgendwie :-)

    Illusionslos der Realität stellen: Was ist die Realität? Prognosen, wie die Welt in 20 oder 100 Jahren aussehen wird, die auf kompliziertesten computergestützten Berechnungen beruhen? Ist das illussionslose Realität? Den Begriff kannst du für Künftiges generell nicht anwenden, ich würde den nur anwenden für den Fußgänger, den ich gerade vorbeilaufen sehe.

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  19. propagandix schreibt:

    Es lebe das dezente understatement , darin bin ich weltbest …
    Realität, ich erwähnte es, ist natürlich immer subjektiv geprägt.
    Auch erhebe ich nicht den Anspruch, die Realität der nächsten 100 -200 Jahre extrapolieren zu können, sei es auf noch so abgefeimte Computerzauberei-Methode –
    nein, es geht schlicht um den status quo, und wie er sich, den zugegeben nicht immer nachprüfbaren Informationsquellen und -wegen nach aktuell darstellt.

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  20. genova68 schreibt:

    Ein Psychoanalytiker über Guttenberg und sein Buch:

    „Uns liegt das Dokument einer an Dreistigkeit kaum zu überbietenden Selbstinszenierung vor. Was bei besonders durchsetzungsfähigen Persönlichkeiten als Chuzpe imponiert, kommt hier als schier unglaubliche Unverschämtheit und Unverfrorenheit daher. Guttenberg erweist sich als eine narzisstische Persönlichkeit, die von ihrer eigenen Großartigkeit und Einzigartigkeit so sehr überzeugt ist, dass sie sich von so „lästigen“ Hemmungen wie Scham- und Schuldgefühlen befreit hat….

    Seine demonstrativ zur Schau gestellte Selbstgewissheit und seine Siegermentalität ließen ihn zur Projektionsfläche für all diejenigen werden, die von Versagensängsten geplagt werden.

    Guttenberg ist keinesfalls dumm – aber dummdreist könnte man es schon nennen. Sein Schummeln ist dreist und dumm zugleich. Es ist seine Dreistigkeit, d. h. seine Unverschämtheit, sprich seine Schamlosigkeit, die es ihm erlaubt, so intensiv zu glauben, dass er nicht erwischt werden kann. Er wähnt sich so über den Dingen stehend, dass man ihm nichts anhaben kann. So gelingt es ihm, die Möglichkeit, beim Abschreiben erwischt zu werden, vollständig auszublenden.“

    http://www.stern.de/politik/deutschland/psychoanalytiker-ueber-guttenberg-inszenierung-eines-chaoten-1756615-print.html

    Und Eckart Lohse beschreibt ihn recht unverblümt als geistig krank:

    „Guttenberg ist neun Monate nach seinem Rücktritt völlig unverändert und nach wie vor bereit, unter Missachtung aller Logik Dinge in einen Zusammenhang zu pressen, der für den Normalmenschen beim besten Willen nicht zu erkennen ist. Oder kann irgendjemand erklären, warum man eine „reizende indische Ärztin“ braucht, um zu merken, dass man tadellos sieht?“

    Karl-Theodor zu Guttenberg hat von seiner Fähigkeit, Unsinn zu erzählen, nichts eingebüßt.

    So minutiös beschreibt er sein chaotisches Vorgehen – er will mit „mindestens 80“ Datenträgern gearbeitet haben -, so wortreich seine Überforderung mit einer Aufgabe (Bundestagsmandat, Doktorarbeit, Familie), die doch so oder ähnlich zahllose Menschen bewältigen, dass einem angst und bange wird bei dem Gedanken, dieser Mann könnte noch einmal die Geschicke Deutschlands lenken, und sei es nur durch die Mitarbeit an Gesetzen.“

    http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/guttenberg-vorerst-gescheitert-vollkommen-unveraendert-11545387.html

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  21. Sugel schreibt:

    Verstärkung für die „Zeit“: Der frühere SPIEGEL-Chefredakteur Stefan Aust wird Autor bei der Hamburger Wochenzeitung. Er soll für die Ressorts Wirtschaft und Politik sowie für das Dossier schreiben. Außerdem wird er als Berater der Chefredaktion um Giovanni di Lorenzo agieren.

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  22. Mister_Y schreibt:

    Oh Gott, über die Zeit habe ich mich ja auch aufgeregt. Ja, ich gebe zu, die finde ich unter all den großen Medien noch am interessantesten, aber sich für so einen offensichtlichen Blödsinn herzugeben… Dafür wär ich mir dann doch zu Schade.
    Den Spiegel habe ich schon vor ca. 10 Jahren abgeschrieben als die Bild für Alphabeten (heißen die so :) ?).

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