Leipzig oder: Wenn der Führer zum Volk spricht

Schöner Anschauungsunterricht für Soziologie-Studenten im Grundstudium: Der erste Redner, offenbar ein Rechter aus Frankreich, stellt bei der Legida-Demo vom 12. Januar in Leipzig die richtigen Fragen:

„Das Volk zu sein bedeutet, eine Geschichte zu haben. Habt ihr eine Geschichte? Habt ihr ein Erbe? Habt ihr Werte, die ihr weitertragen wollt? Habt ihr eine Kultur?“

Die Fragen werden vom Volk naturgemäß johlend bejaht. Und daraus schließt der Führer:

„Wir sind das Abendland! Wir sind wir selbst! Wir unterwerfen uns nicht!

Das Volk schreit: „Niemals!“, x-fach wiederholt.

Ganz hervorragend. Der Führer weiß, worauf es ankommt. Und das Volk weiß, was es gerne hätte und bejaht.

Mich würde interessieren, ob diesen Kameraden nicht doch im Hinterstübchen dämmert, dass sie weder Geschichte noch Erbe noch Kultur haben – zumindest nicht die, die sie gerne hätten, sondern nur eine entäußerlichte – und dass sie genau deshalb Nazis hinterherrennen und Fremdes anfeinden. Diese Leute haben keinerlei kulturelles Fundament, entsorgt von NSdAP und SED und später von der Bundesrepublik. Der Führer spricht exakt die Probleme an, die diese Leute haben: Sie sind nicht sie selbst, sondern Gebeutelte. Oder sollte man das Thema via Psychoanalyse erklären? Narzissten und Borderliner?

Man könnte argumentieren, dass die Gidaler sich der Logik des neoliberalen Leistungssubjekts verweigern, das darauf aus ist, die Gründe seines Unwohlseins, seiner Angst bei sich selbst zu suchen statt in gesellschaftlichen und ökonomischen Zusammenhängen und dann sich selbst zu bestrafen. Die Gidaler sind die, die mit ihrer Angst am wenigstens produktiv umgehen können und deshalb am ehesten geneigt sind, Sündenböcke zu konstruieren, weil Selbstbestrafung ab einem gewissen Umfang in den Tod führt. Wer will das schon? Neoliberalismus verlangt deshalb geradezu nach einem externen Feind. Und da ökonomische Zusammenhänge kompliziert sind und so schlecht zum Feindbild taugen, wird etwas anderes zusammengebraut.

Die Gidas sind nur vor ihrem Führer nicht einsam, nur dort existieren sie überhaupt. Deshalb müssen die da hin.

Nach dem Franzosen redet der Chef der Legida, ein Militaria-Händler, dessen Stil von Hitler nicht weit entfernt ist. „Bringt euren Kindern Werte bei!“ Die Masse jubelt. Die Kinder schweigen.

Die Werte, die sie weitertragen könnten, wären Helene Fischer, Freiwild und löslicher Espresso. In dieser Praxis spürt man die Schalheit, die Lüge, deshalb das Bedürfnis nach dem Feind. Der Fischer- und Freiwild-Praxis ist die Lüge inhärent, die ist spürbar, aber von diesen Leuten nicht exakt zu analysieren. Vielleicht gibt es deshalb das Ausweichen auf die „Lügenpresse“. Den Fischer-Fans ist der Rechtsradikalismus vermutlich genauso eingewoben wie den Anhängern der Dresdner Disney-Altstadt. Wer letzteres gut findet, muss sich ja irgendwie entlasten oder in die Elbe springen.

Auf den Espresso, der ihnen von den Wessis empfohlen wurde als nötiges Distinktionsobjekt, könnten sie verzichten, wenn sie selbstbewusst wären. Sind sie aber nicht, deshalb bieten sie ihn an, aber leider als löslichen und schon geht der Distinktionsmechanismus in die Hose, verkehrt sich ins Gegenteil. Schon wieder ein Eigentor. Es ist alles so kompliziert im Kapitalismus.

Apropos Werte: Lutz Bachmann schrieb auf twitter:

„Tanzt Ihr Nutten, der König hat Laune!“

Der König ist er. Wenn gerade keine Ausländer da sind, werden halt Frauen zu Nutten. Irgendwen findet man immer, wenn man will. So viel zu den Werten.

Der Führer in Leipzig hätte nur fragen müssen, um welche Geschichte und welche Werte es sich handelt, dann wäre der Ofen schon aus gewesen. Es ist der für die Medien aufbereitete Duktus von Bachmann, wenn der von Dreckszeug und ähnlichem redet.

Was würde hier eigentlich abgehen, wenn wir ökonomische Verhältnisse wie in Spanien oder Portugal hätten?

Mit der AfD haben die Gidas eine Partei,  die sich immer offener zu denen bekennt, die einen neuen Hitler wollen. Proto-Nazis wie Alexander Gauland – der keine Nazis sieht, selbst wenn sie vor ihm stehen – versuchen, eine Koalition aus sogenannten Bürgerlichen und Nazis zu installieren. Gauland zeigt, ähnlich wie sein Freund Elsässer, dass es nur ein kleiner Schritt ist vom schicken Tweed-Sakko zur Kollaboration mit Faschisten. Elsässer wollte kürzlich ja ganz offen die Hogesa-Leute als seine SA installieren, die dem Begriff der sozialen Geographie eine erweiterte Bedeutung gäbe. Sie ziehen noch nicht so richtig mit.

Wobei man nicht unbedingt die AfD braucht. Die sächsische CDU, die sich in den vergangenen 25 Jahren schon häufig schwer tat mit der Abgrenzung zu Nazis, bemüht sich derzeit, die Pegidas bei der Stange zu halten. Der Ministerpräsident Tillich meinte vorgestern, Muslime seien willkommen, doch:

„Das bedeutet aber nicht, dass der Islam zu Sachsen gehört.“

Muslime sind also willkommen, wenn sie keine sind. Auch solche Verrenkungen dienen dazu, Nazis ins bürgerliche Lager zu holen. Mit diesen Leuten reden und sie entlarven ist etwas anderes. Da würde der Hinweis auf die 0,2 Prozent Muslimenanteil reichen.

Perfide auch, wenn Tillich behauptet, Muslime würden sich nicht vom Terror distanzieren:

„Die muslimischen Verbände könnten den Menschen diese Ängste nehmen, wenn sie klar formulieren, dass es sich um einen Missbrauch ihrer Religion handelt“, sagte Tillich. Dies wäre „ein überzeugender Beitrag, die Ängste in diesem Land zu reduzieren“.

Man kann davon ausgehen, dass Tillich die zahllosen Distanzierungen mitbekommen hat. Dennoch sagt er im Umkehrschluss, dass die Verbände den Terror unterstützen. So einen nennt man Brandstifter. Fehlt nur noch das Tweed-Sakko.

Udo Ulfkotte übersetzte den Tillich-Satz bei einer Pegida-Demo kürzlich, indem er als Beleg für die Islamisierung islamische Friedhöfe anführte. Frenetische Zustimmung im Publikum. Wer sich ohne Sarg beerdigen lässt, ist eine Bedrohung.

Ein wenig verwunderlich ist die Waschlappenhaftigkeit der Gidas: Sie fühlen sich alle naselang von irgendwem bedroht und müssen ständig betonen, dass sie alle sind, das Volk, bis auf die Volksverräter natürlich. Sie vertrauen nicht sich selbst, sondern brauchen eine Konstruktion dahinter, die allerdings nicht aus mehr oder weniger humanitären Werten gebastelt ist, sondern aus Abgründen ihres Innern.

Keine richtigen Männer, die Nazis, die sie doch so gerne wären.

Man kann es wohl so klar sagen: Diese Leute, 6.000 oder 12.000 an der Zahl plus die 20.000 in Dresden plusplusplus sind eine Gemengelage, die das ungefähre Ziel hat, einen neuen Hitler zu installieren, einen ohne Russlandfeldzug. Einen, der aufräumt. Es ist die Saat, die seit vielen Jahren im Internet gedeiht. Die gewollte Dummheit, das demonstrative Befreien von jedem intellektuellen Anspruch, um seinen Hass ohne Hemmung ausleben zu können, die komplette Verrohung, die man schon an den Stimmen erkennt, muss damals ähnlich gewesen sein.

P.S.: Die Pediga-Chefin Oertel bot kürzlich bei einer Kundgebung einen aufschlussreichen Einblick in ihre verkorkste Gefühlswelt: Sie zeigte sich bitter enttäuscht darüber, dass der Schlagerstar Roland Kaiser sich gegen Pegida ausgesprochen hat. Der stern zitiert sie: „Wir hätten mehr Rückgrat von Ihnen erwartet. Viele Pegida-Anhänger haben Karten für Ihre Konzerte gekauft. Da hätten Sie etwas mehr Neutralität uns gegenüber zeigen können. Nie sind Sie auf uns zugekommen, um mit uns zu reden. Wir sind zu Ihnen gekommen.“

So funktioniert die Gefühlswelt eines entfremdeten und zweckrationalen Menschen, der sich unbestimmt selber scheiße findet. Sie argumentiert vordergründig monetär und schließt absurderweise, dass die Fans mit dem Kauf einer Eintrittskarte für ein Konzert über die politische Meinung des Bezahlten bestimmen dürfen, meint aber, dass Kaiser auf ihrer Seite stehen muss, weil er ihr mit seiner Musik schöne Gefühle macht. Entpuppen die sich als Geschäft, ist sie frustriert, die Oertel. Und sie beschwert sich wie ein Kind, dass sie zuwenig Aufmerksamkeit bekommt.

Schrei nach Liebe nannten die Ärzte dieses Phänomen.

Wie gesagt, diese Leute haben keinerlei Kultur. Jetzt nicht mal mehr Roland Kaiser. Eigentlich tragisch. Genau deshalb sollte man mit ihnen reden.

030(Foto: genova 2014)

Dieser Beitrag wurde unter Alltagskultur, Deutschland, Fremdenfeindlichkeit, Geschichte, Gesellschaft, Neoliberalismus, Politik, Rechtsaußen abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

14 Antworten zu Leipzig oder: Wenn der Führer zum Volk spricht

  1. einer von jenen schreibt:

    Guter Text, und ein gruseliges Video. Der Herr Hoyer hat offenbar auch eine sehr kurze Gedächtnisspanne, wenn er (Minute 2:36) den „Kriegsschuldkult“, wie es im ursprünglichen Positionspapier vor zwei Wochen noch hieß, zum „Schuldkult“ verkürzt und behauptet, man habe nie den 2. Weltkrieg revisionieren wollen. Das ist aber auch eine bösartige Unterstellung…!

    Der ursprüngliche Text ist u.a. hier wiedergegeben: http://www.vielfliegertreff.de/gott-und-die-welt/77318-patriotische-europaeer-gegen-die-islamisierung-des-abendlandes-91.html

    Gefällt 1 Person

  2. Klaus Jarchow schreibt:

    Die seit Jahren betriebene Austrocknung der Geisteswissenschaften tritt jetzt lautstark zutage.

    Gefällt 1 Person

  3. altautonomer schreibt:

    “Die muslimischen Verbände könnten den Menschen diese Ängste nehmen, wenn sie klar formulieren, dass es sich um einen Missbrauch ihrer Religion handelt”, sagte Tillich.

    Diese penetranten Forderungen nach Distanzierung gehen mir allmählich auf den Zünder.

    Ich erlaube mir, passend dazu an das Attentat von Andreas Breyvik zu erinnern. Das Problem mit militanten Islamisten sei aber, dass sie zu sehr auf Sprengstoff und nicht auf Amokläufe mit Schusswaffen setzten. Dennoch habe er die Organisation mehrere hundert Stunden lang in Internet und Filmen studiert und eine Art „Al-Kaida für Christen“ schaffen wollen. Kann mich dagegen nicht erinnern, dass die ev. bzw. kath. Kirchen in den westeurop. Länder von Politikern aufgefordert wurden, sich von dem Christen B. zu distanzieren.

    Gefällt 1 Person

  4. genova68 schreibt:

    einer,
    ein Vielfliegertreff?? Wann haben die denn Zeit zum posten? Vermutlich posten die beim Fliegen.

    Schuldkult ist gerade im Osten ein skurriler Begriff. Dort kann es schon wegen der nichtoffenen Gesellschaft keinen vernünftigen Umgang mit dem NS gegeben haben. Genau die, die sich nicht mit dem NS auseinandergesetzt haben, beklagen einen Schuldkult. Die Nazis waren alle im Westen. Im Osten gab es nur antifaschistische Widerstandskämpfer. Dieser Militariatyp hat vermutlich einen ganz eigenen Umgang mit Geschichte.

    Like

  5. einer von jenen schreibt:

    @ genova: Na, das Interesse an PEGIDA zieht sich eben quer durch alle Bevölkerungsschichten ;)

    Like

  6. Dirk schreibt:

    „…Schuldkult ist gerade im Osten ein skurriler Begriff. Dort kann es schon wegen der nichtoffenen Gesellschaft keinen vernünftigen Umgang mit dem NS gegeben haben. Genau die, die sich nicht mit dem NS auseinandergesetzt haben, beklagen einen Schuldkult….“

    Tja, nicht alles war eben Zwang im Unrechtsststaat DDR… Angebote zur Auseinandersetzung gab es auf jeden Fall zuhauf, vielleicht sogar mehr als im Westen. Auch „Deine“ offene Gesellschaft hat sich im Umgang mit dem Thema NS nun wahrlich nicht mit allzu viel Ruhm bekleckert. Deshalb käme ich aber trotzdem nicht zu dem Schluss, dass es in der alten BRD keine Auseinandersetzung gegeben hätte.
    Leider entwertest Du mit Deiner wieder einmal pauschal verurteilenden Sicht auf den Osten diesen wirklich gut geschriebenen Artikel.

    Like

  7. genova68 schreibt:

    Dann berichte doch mal über die Angebote.

    Im Westen war wohl 1968 ein Einschub, gegen den Willen des Establishments. Aber danach wurde schon öffentlich diskutiert, würde ich meinen, und auch die Nazidurchsetzung von CDU und SPD war Thema, auch in Schulen. Das ist eben der Unterschied: Diese Themen wurden im Westen behandelt, auch kontrovers, und alte Nazis wetterten dagegen. Im Osten wurde die massive Zusammenarbeit der SED mit NSdAP-Kadern erst nach 1990 Thema.

    Wie soll das auch anders sein in einer Diktatur? Wurde in der DDR die Weimarer Querfront thematisiert?

    Und sowas:

    http://www.spiegel.de/einestages/ns-taeter-in-der-ddr-wie-die-stasi-ss-leute-aus-auschwitz-erpresste-a-987462.html

    Übel finde ich den Rechtstrend seit den Neunzigern. Während nach meiner Erinnerung in den Achtzigern der Widerstand gegen NS breiter thematisiert wurde, also auch Elser, auch Scholl, auch Kommunisten, dreht sich heute fast alles um Stauffenberg, einen Antidemokraten, der bis kurz vor Schluss mitmachte.

    Like

  8. einer von jenen schreibt:

    Auf der anderen Seite hatten die Leute nun seit dem Mauerfall 25 Jahre lang Zeit, etwas dazuzulernen – wenn sie das nicht tun, ist wahrscheinlich nicht die DDR dran schuld.

    Beim „Schuldkult“ finde ich vor allem das Wort „Kult“ skurril, dass den Leuten schon das schlichte Benennen einer Tatsache zu viel ist. Das ist eben die Kehrseite dabei, „das Volk“ zu sein und „eine Geschichte zu haben“, dass dann eben auch Hitler, der Überfall auf Polen und die Judenvernichtung zu dieser Geschichte dazugehören.

    Aber das ist ja auch schon 70 Jahre her – irgendwann muss auch mal Schluss sein mit den historischen Tatsachen!

    Like

  9. Dirk schreibt:

    „Dann berichte doch mal über die Angebote….“ Dein Eingeständnis, dass Dein Wissen über die DDR nur sehr rudimentär ausgebildet ist, ehrt Dich. Aber es gibt dank Internet ja Suchmaschinen, dort kannst Du selbst z. Bsp. nach „Konrad Wolf“, „Professor Mamlock“, „Die Verlobte“, „Levins Mühle“, „Das siebte Kreuz“, „Nackt unter Wölfen“, „Heiner Carow“, „Frank Beyer“, „Sterne“, „Matthias Krauß“, „Herr Moses in Berlin“, „Anatoli L. Kaplan“, „Geh (Komm) und sieh“, „Die Abenteuer des Werner Holt“ suchen.

    Was Deinen Link betrifft, ja, es gab natürlich Fälle wie z. Bsp. einen Ernst Melsheimer. Für mich ein Bilderbuchkarrierist, der es in jedem System zu etwas gebracht hätte, nach unten treten und nach oben buckeln. Der Mann war übrigens in der Weimarer Republik von 1928 bis 1933 SPD-Genosse und Mitglied beim Reichsbanner. Wikipedia sagt über ihn: „Es war ihm gelungen, unter den Nationalsozialisten Karriere zu machen, ohne in politischen Strafprozessen „die Treue zum nationalsozialistischen Staat“ ernsthaft unter Beweis zu stellen zu müssen.“ und weiter: „Er gehörte zu den wenigen NS-vorbelasteten Juristen, die in der DDR weiterarbeiten durften.“
    Aus solchen und ähnlichen Fällen von noch dazu größtenteils bei Kriegsende gerade mal 18- oder 19jährigen NSDAP-Mitgliedern wird dann vom Spiegel (fußend auf Kappelts „Braunbuch“) flugs eine „massive Zusammenarbeit“ der SED mit NS-Kadern gemacht. Mir erscheint das arg konstruiert und deshalb bin ich auch nicht besonders böse darüber, dass sowas in meinem Geschichtsunterricht nicht thematisiert wurde. Warum ich das so sehe, kannst Du z. Bsp. hier nachlesen:
    http://das-blaettchen.de/2012/03/manches-war-doch-anders-ein-braunbuch-mit-spaetfolgen-10483.html

    „Querfront“ war m. E. nur insofern Thema, als dass durchaus darüber diskustiert wurde, was die Nazis von sozialdemokratischen und kommunistischen Traditionen übernommen haben, um in den 20er Jahren in der Arbeiterklasse Einfluss zu gewinnen.

    Like

  10. genova68 schreibt:

    “ in meinem Geschichtsunterricht “

    Ich würde bei einer Diktatur nicht von Geschichtsunterricht, sondern von Propagandaunterweisung reden. Du versuchst hier permanent, einen Scheißstaat in einen guten zu verwandeln. Das hat in Deutschland Tradition, wie wir wissen.

    „ja, es gab natürlich Fälle,“ auch so eine Verharmlosung. Ja, beim BND gab es auch so ein paar Einzelfälle, und bei der FDP etc.etc. Würde man über den Westen so reden, gäbe es Kritik, zurecht.

    Sind denn bis 1989 kritische Bücher zum Thema SED und NS erschienen? Wurde unabhängig geforscht? Wurde darüber in den Schulen berichtet? Nichts davon.

    Im Westen gab es haufenweise 68-Lehrer, die vor der Nato und den USA warnten, ich habe mich in der neunten Klasse ausführlich mit Marx beschäftigt. Und zwar nicht tendenziös, sondern vermutlich seriöser als die Ossis.

    „Die Architekten“ von Stefan Heym: Durfte in der DDR nicht veröffentlicht werden, das sagt schon sehr viel. Ein Staat, der auf dem Stalinismus fußte, war von Anfang an scheiße.

    Die DDR war ein quasifaschistischer Kleinbürgerstaat, der massenhaft Nazis produziert hat. Es war die Fortsetzung der völkischen Nazilogik, nur anders lackiert. Hoyerswerda war das Erebnis.

    Nimm das zur Kenntnis und hör auf zu verharmlosen.

    Und dann kommst du mit dem blättchen, in dem es wieder um die Bundesrepublik geht. Die war zwar gerade nicht das Thema, aber in deiner, ähm, antifaschistischen Tradition kannst du vermutlich nicht anders.

    In der BRD haben haufenweise Nazis weitergemacht, es gab massive Kontinuitäten. Es war aber eine offene Gesellschaft und es hat sich Kritik entwickelt.

    Diese Entwicklung war abhängig vom gesellschaftspolitischen Klima, das ist das entscheidende, und nicht von staatlichen Repressionen und Folter, wie in der DDR. Ich bin 68 geboren und in den 80ern war eine diskursive Offenheit vorhanden.

    Ein Freund von mir hat zu den Verbindungen von SED und NS geforscht. Kaum zu glauben, was da zutage trat. Natürlich erst nach 89.

    P.S: Ein prima Artikel von Georg Diez im Spiegel:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-ueber-pegida-bachmann-und-jauch-a-1014663.html

    Er kritisiert dort die vielen Versteher aus dem sogenannten bürgerlichen Lager: Gustav Seibt von der Süddeutschen, der schon immer durch reaktionäres Bildungsgeplapper aufgefallen ist. Er verteidigt den Nadelstreifennazi Gauland. Und in der FAZ kommt ein Rechtsaußenprofessor namens Patzelt zu Wort und verteidigt den ganz normalen Bürger, unter anderem mit Bemerkungen wie:

    „In Dresden rufen, meistens voll aufrichtiger Empörung, im Sprechchor vereinte Demonstranten eine Fußballhalbzeit lang „Faschistenpack“ – und sehen unterdessen ganz normale Leute an sich vorüberziehen.“

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-verortung-von-pegida-edel-sei-der-volkswille-13381221-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3

    Mit solchen Aussagen kriegt man in Sachsen einen Lehrstuhl für Politik.

    Gefällt 1 Person

  11. motherhead schreibt:

    Sehr, sehr gut.
    Allerdings auch sehr undeutsch.

    Like

  12. genova68 schreibt:

    Vielen Dank für das Lob. Allerdings muss ich deine Zurückhaltung kritisieren. Mein Artikel ist nicht sehr, sehr gut, sondern sehr, sehr, sehr gut. Um nicht zu sagen sehr, sehr, sehr, sehr gut.

    Like

  13. summacumlaudeblog schreibt:

    Dein Artikel ist sehr, sehr, sehr, sehr, sehr gut… aber motherheads Lob ist noch viel besser. nämlich sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr gut! Eben: Immer einen mehr!!!!!

    Like

  14. genova68 schreibt:

    Sehr, sehr, sehr gut erkannt :-)

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..