Pegida: Was ist eine blumige Sprache?

Auf einem anderen Banner, das Demonstranten am 15. Dezember in Dresden trugen, stand: „Wir vermissen unser Land, es hatte folgende Eigenschaften.“ Darunter sind dann mehrere Punkte aufgelistet, so „Redefreiheit“, „Pressefreiheit“, „christländische Abendlandkultur“, aber auch „ungenderisierte, blumige Sprache“.

Diese Bannerpassagen sind ein Schlüssel zum Verständnis dieser Leute.

Zuerst einmal frage ich mich, wann denn das vermisste Land existiert haben soll. War es die DDR? Waren es die 1950er Jahre? Die Nazizeit? Vermutlich eine Mischung aus allem. Es war die Zeit der unbestrittenen Herrschaft des weißen Mannes und seiner Logik, der Herrschaft des Familienoberhaupts, dessen Herrschaftsanspruch nicht inhaltlich begründet werden musste, sondern aus einer zementierten gesellschaftlichen Verfassung herrührte.

„Christlich-abendländische Kultur“ ist eine lustige Forderung in Sachsen, wo 80 Prozent der Bevölkerung konfessionslos sind. Noch besser ist der Zusatz „jüdisch“. Kein einziger Teilnehmer, der das inhaltlich füllen könnte. Oder doch: Ein Blogger besuchte jüngst die Pegida-Demo mit einer Israel-Fahne. Die Reaktionen waren eindeutig. Es überrascht nicht: Die Pegida-ler hassen alles, was nicht so dumpf ist wie sie selbst.

Redefreiheit und blumige, ungenderisierte Sprache: Nimmt man die Forderungen der Pegida-Deppen einmal kurz ernst, wird es skurril. Was eine blumige Sprache ist, weiß ich nicht. Der Duden sagt: „viele Floskeln enthaltend“. Die Pegida weiß es wohl selbst nicht, aber das ist egal. Wichtig ist: Es gab sie einmal und früher war ja alles besser. Wahrscheinlich war das der Honecker- oder Hitler-Duktus. Oder einfach der Stammtisch.

Auflösung bringt ein ARD-Brennpunkt von 1991, der live vom Marktplatz in Hoyerswerda ausgestrahlt wurde, kurz nachdem die Masse die 600 Ausländer aus der 70.000-Einwohnerstadt vertrieben hatte. Es macht einen fassungslos. Dort haben die DDR-Bürger noch ganz offen ihre blumige Sprache gepflegt:

Ab 5.00 wird es interessant, später aber auch. Was für ein dumpfer Pöbel da vor die Kamera tritt, ist unglaublich. Ein junger Mann betont, dass die Ausländer schlimmer als Vieh seien. Dieser Spiegel-TV-Beitrag (danke an garfield) bringt es auch gut rüber: Jugendliche und Erwachsene, denen aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung alle Leitplanken abhanden gekommen sind, werden rechtsradikal oder waren es in ihrer DDR auch schon, nur nannte man das damals sozialistisch. Das Hauptproblem der Marzahner schien Anfang der 1990 Jahre die vermuteten Türken gewesen zu sein, die dort „einquartiert“ werden sollten. Alleine diese Sprache: „Da wollen sie die Türken einquartieren und was meinste, wat dann hier is?“

So reden also Menschen, die in einem angeblich sozialistischen System sozialisiert wurden. 40 Jahre lang. Oder doch in einem verlängerten Nazi-Staat? Die bloße vermutete Anwesenheit von Türken reicht diesen Gesellen, um Gewalt und wohl auch Tote zu rechtfertigen.

Die Pediga-ler wollen den Rahmen des öffentlich Sagbaren wieder nach rechts verschieben, in Richtung Hoyerswerda und Marzahn 1991: Der Neger ist dumm und stinkt, der Jude hat unser Geld und überhaupt wollen uns alle an die Wäsche. Der Schwule verdirbt unsere Kinder und der Deutsche ist naturgemäß mehr Wert als ein Ausländer.

Es war offenbar die Sprache der DDR, jenseits der offiziellen Regelungen. Das nennen diese Leute blumig. Man kann 1991 auch nicht vom bösen westlichen Einfluss reden, der die Leute korrumpiert habe.

Mit gegenderter Sprache kommen die Pegida-Leute nicht in Kontakt. Die lesen solche Texte nicht und niemand zwingt sie, so zu reden.

Die Pegida-Leute möchten aber unterdrückt werden, damit sie einen Grund haben, sich zu beschweren. Die haben im Internet einmal einen Text mit einem Binnen-I gelesen und fühlen sich davon bedroht, weil sie sich bedroht fühlen WOLLEN, weil sie ein Feindbild brauchen, dessen Bedienung sie selbst entlastet. Sie spüren, dass sie keine Kultur haben und keine Tradition, das haben erst die Nazis und dann die Stalinisten weggehauen, und es wurde kein Ersatz angeboten. Sie spüren, dass sie die Verlierer eines Konkurrenzsystems sind, das sie aber nicht in Frage stellen können, weil sie keine Antwort haben, sondern dem sie sich selbst unter allen Umständen unterwerfen wollen, weil sie nicht anders können, weil sie nie etwas anderes gelernt haben, als zu versuchen, effizient zu sein. Das haben sie zwar nie geschafft in ihrer Schmalspur-Ökonomie namens DDR, aber sie haben es permanent versucht.

Seit 1989 sind sie offziell die Verlierer und dagegen können sie sich nicht anders wehren als mit dem Treten nach unten. Sozialisiert von Stalin, Ulbricht und Konsorten.

Es ist ein weiterer Beleg für die regressive Verfassung der DDR und ihre Ähnlichkeit mit dem NS-Staat.

Und Pegida ist eine doppelte Bestätigung: 1991 ließen die Leute ihren Hass offen raus, heute beginnen die gleichen Leute ihre Statements mit „Ich habe nichts gegen Asylanten, aber…“

Es ist die Zumutung dieses Einleitungssatzes, den sie ihrer Meinung nach heute voranstellen müssen. Schon das ist der Beleg, dass die Gutmenschen die Macht übernommen haben. Man darf nicht einmal mehr sagen, dass Ausländer wertlos sind. Das ist doch keine Redefreiheit.

Die 20.000 in Dresden werden – so ihre Logik – gezwungen, dämliche Argumente auf Transparente zu malen, weil sie die Wahrheit nicht mehr sagen dürfen. Sie werden vom westlichen Establishment und überhaupt denen da oben gezwungen, sich für eine christlich-jüdische Kultur einzusetzen, wo sie doch einfach nur sagen möchten, dass Fremde scheiße sind und verschwinden sollen.

Es ist ähnlich wie die Homophoben, die ihre Homophobie nur noch dadurch ausdrücken können, dass sie ihre Zwangsverschwulung beklagen. Jasper van Altenbockum von der FAZ hat das anlässlich des Hitzlsperger-Outings so ausgedrückt. Es sind die gleichen Mechanismen.

So gesehen kann man sich fragen, ob die Sprache von 1991 nicht besser war, weil näher an dem dran, was die Leute empfinden.

Nebenbei noch interessant ist die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen: 1990 waren es 4,7 Millionen Einwohner, jetzt 4,0 Millionen, 2030 prognostiziert 3,5 Millionen.

2013 kamen 6.000 Asylbewerber nach Sachsen, 2014 11.000. Mein Eindruck von Reisen in Ostdeutschland ist immer, dass da überhaupt niemand mehr wohnt. Alles leer. Aber, im Gegensatz zu Marzahn ´91: alles ordentlich, alles gepflegt, wie man sagt.

Gestern Abend hatten sie Ulf Ulkotte eingeladen. Er log, dass sich die Balken bogen, beispielweise in Bezug auf die aktuelle Diskussion über die Kosten, die Migranten verursachen oder auch nicht. Genau die Leute, die ständig Lügenpresse rufen, laden einen jahrelang erprobten Lügner ein. Ulfkotte ist laut der FAZ-Herausgeber seit rund 20 Jahren geisteskrank. Es würde seine Rede erkären.

P.S: All das gibt es im Westen auch. Nur nicht als Massenphänomen.

Der Marktplatz von Hoyerswerda im Sommer 2014: Naturgemäß leer.

150(Foto: genova 2014)

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17 Antworten zu Pegida: Was ist eine blumige Sprache?

  1. Beute Hesse schreibt:

    Nebenbei noch interessant ist die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen: 1990 waren es 4,7 Millionen Einwohner, jetzt 4,0 Millionen, 2030 prognostiziert 3,5 Millionen.
    Ja einfach mal mit offenen Ohren durchs Land gehen und denken.
    Wo sind den die ganzen Sachsen nach 1990 hingegangen? Alle zum Aufbau West denn auch in den 90gern wurde auch schon vom Arbeitskräftemangel gesprochen. Und jetzt schon wissen was 2030 ist, viel Spaß weiter mit der Glaßkugel. Auch schlafende wachen ja mal auf. ( selbständiges denken )
    Ein Schäfer schlachtet regelmäßig ein Schaf seiner Herde. Die Tiere werden zusehends unruhiger und bekommen Angst. So sind sie nicht mehr gut zu beherrschen. Er überlegt, was er tun könnte, um sie wieder gefügiger zu machen. Er hat eine geniale Idee. Er versetzt jedes Schaf einzeln in Trance und suggeriert ihm es sei der Hütehund. Als er dann wieder ein Schaf schlachtet, lachen alle anderen Schafe der Herde.

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  2. genova68 schreibt:

    Ein guter und passender Artikel von Götz Eisenberg auf den nachdenkseiten:

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    Das Gros der PEGIDA-Demonstranten entstamme dem Kleinbürgertum, das – wie wir wissen – auch die Massenbasis des Nationalsozialismus bildete. Sie gehören zu den „Stillen im Lande“, die allenfalls am Stammtisch laut werden, wenn sie unter sich sind. Dort schwadronieren sie herum, schimpfen auf Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Asylsuchende und dieses ganze Politiker-Pack, das durch und durch korrupt ist und nichts tut. Der beliebteste PEGIDA- und Stammtisch-Satz lautet: “Alle Politiker in einen Sack stecken und draufhauen, du triffst immer den Richtigen!” Es sind viel zu viele „Zigeuner“ im Land und auch „der Jude“ hat nach wie vor seine Finger überall im Spiel und „steckt letztlich dahinter“. Es müsste jeder wieder ein Arbeitsbuch haben und gegen Faulenzerei und Schmarotzertum muss endlich hart durchgegriffen werden. Dass Lehrer ihre Schüler nicht mehr züchtigen und Homosexuelle heiraten dürfen, halten sie für einen großen Unfug und eine Schande. Dass jemand wie Conchita Wurst den europäischen Schlagerwettbewerb gewinnt, ist in ihren Augen Ausdruck einer grauenhaften Dekadenz und ein Zeichen des Untergangs des Abendlandes. Sie sehnen sich nach einem „starken Mann an der Spitze“, der „das Volk eint und den ganzen Saustall mit eisernem Besen ausmistet“….

    Der durchschnittliche Erwachsene dieser Kultur ist ein Produkt von Wunschvernichtung und verinnerlichter Repression. Immer, wenn ihm außerhalb seiner etwas begegnet, das auf ein Mehr an Freiheit und Glück hindeutet oder das einfach nur anders ist, „geht ihm das Messer in der Tasche auf“. Der autoritär erzogene Mensch wird eine Neigung davontragen, das, was er selbst unter Schmerzen in sich abtöten und begraben musste, aus sich herauszusetzen und dort am Anderen zu bekämpfen und zu vernichten. Auf der Basis eines an seiner Entfaltung gehinderten, durch pädagogische Dressur partiell getöteten Lebens entwickelt sich eine konformistische Bösartigkeit, ein Zugleich von Anpassung und Aggression. Ihr wohnt eine Tendenz inne, sich am Anderen schadlos zu halten und zu verfolgen, was einem lebendiger vorkommt: „Der da, der reißt sich nicht so zusammen wie ich!“ Ressentiments und Feindseligkeit schlagen dem um sein Glück Betrogenem aus allen Poren. „Gleiches Unrecht für alle!“, avanciert zur unausgesprochenen Maxime seines ungelebten Lebens. Dieser Faschismus der Gefühle oder der Gefühllosigkeit ist zu verstehen als eine Parteinahme für das Abgestorbene und Tote in der eigenen Person. Faschismus oder Nicht-Faschismus sind also in erster Linie eine Frage der Achtung und Verachtung des Lebendigen und erst dann eine im engeren Sinn politische Entscheidung für Links oder Rechts.

    Der Extremismus der Mitte


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    Ganz hervorragend. Auf genau dieser Ebene, autoritäre Persönlichkeit, sollte man sich dem Thema nähern. Das erstnehmen, was die Pegida vorgibt, ist intellektuell nicht möglich.

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  3. Irrelevant schreibt:

    „P.S: All das gibt es im Westen auch. Nur nicht als Massenphänomen.“

    @Genova: Auch in Ostdeutschland sind die rechtsextremen Ausländerfeinde nicht in der Mehrheit. DVU, NPD, AfD hatten/haben dort seit Jahren ihre Hochburgen, hohe zweistellige Erfolge konnten sie zum Glück jedoch (noch?) nicht feiern. Rechtspopulismus ist IMHO aber ein europaweites Phänomen das 2015/2016 in Folge der Wirtschaftskrise an Brisanz noch zunehmen wird.
    Für FN, Jobbik und Co. dienen nicht nur die Ausländer als willkommene Sündenböcke sondern auch die EU als supranationale Organisation. Der Höhepunkt an nationalistisch-völkischen Heilsversprechen/Agitation steht uns erst bevor.

    Zum Glück gab es bisher in Deutschland noch keinen charismatischen Anführer vom Schlage eines Jörg Haider, Marine Le Pen oder Christian Strache, aber das kann sich jederzeit ändern. Am wahrscheinlichsten halte ich eine Kampfkandidatur gegen Lucke mit einem anschließenden Rechtsruck um die starken ostdeutschen Landesverbände „besser“ zu repräsentieren.

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  4. rutzel schreibt:

    Hat dies auf T*park rebloggt.

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  5. GrooveX schreibt:

    immer schön, wenn man seine vorurteile gut pflegt. ab und zu mit dem strich bürsten, damit das fell geschmeidig bleibt.

    georg elser war kleinbürger. er gehörte zu den stillen im lande.

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  6. besucher schreibt:

    „Schluss mit der Staatspropaganda. GEZ abschaffen.“
    „Stopp mit Waffenexporten, je mehr Waffen wir exportieren, desto mehr Flüchtlinge kommen hierher.“

    Da hat jemand schon ganz gut mitgedacht. Das überrascht mich jetzt.

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  7. besucher schreibt:

    1991. Da war der Stoiber noch rhetorisch richtig gut beschlagen. Lang, lang ist es her. Aber ich würde gern mal von genova wissen wieviel Flüchtlinge wir hier aufnehmen und integrieren sollten. (Alles andere als Integration würde nichts bringen, man weiß nicht wie lange die Kriege in den jeweiligen Ländern dauern und wenn die Leute hier Däumchen drehen und nichts machen dürfen und können dann werden sie rappelig.)

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  8. genova68 schreibt:

    besucher,
    ich denke, wir sollten 80 Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Für jeden Deutschen einen zur Kontrolle, wenn der wieder mal Mist baut.

    Irrelevant,
    die sind hoffentlich nicht in der Mehrheit im Osten, aber das habe ich auch nicht behauptet. Interessant ist doch der Zusammenhang zwischen Nazi-Sprache der Ossis und dem, was jetzt passiert.

    GrooveX,
    wer soll verstehen, was du schreibst? Georg Elser war Kleinbürger, also wäre er heute bei Pegida? Oder was willst du uns sagen? Und was sind meine Vorurteile?

    P.S.: Fehlende Kultur und fehlende Tradition als ein Auslöser für sowas wie Pegida: Das gibt es im Westen natürlich auch, das ist ein gesamtdeutsches Phänomen. Im Osten naturgemäß verschärfter, da dort nicht nur die Nazis, sondern auch die Stalinisten wüteten. Gerade gelesen: Die Lieblingssängerin dieses Bachmann ist Helene Fischer, eine Schlagersängerin vom übelsten Schlag. Dagegen ist Howard Carpendale Hochkultur. Es passt wie die Faust aufs Auge. Wer sowas hört, muss hin und wieder einen Ausländer verkloppen. Wie soll ein Kopf diesen Müll sonst verarbeiten?

    Je höher die Einschaltquoten für solche Musik, desto mehr Pegidafans gibt es.

    Würde Bachmann sowas hören, wäre er relaxter:

    http://jungenundtechnik.blogsport.de/2014/12/30/nimm-dies-buergerliches-gluecksversprechen/

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  9. GrooveX schreibt:

    vielleicht geht es ja auch anders rum. dann versteht man mein geschreibsel nämlich. nicht die kleinbürger sind bei den rechten spacken, sondern es gibt welche bei denen. es gibt einfach sehr viele, überall, okay?

    so was wie: „Das Gros der PEGIDA-Demonstranten entstamme dem Kleinbürgertum, das – wie wir wissen – auch die Massenbasis des Nationalsozialismus bildete. Sie gehören zu den „Stillen im Lande“, die allenfalls am Stammtisch laut werden, wenn sie unter sich sind.“ ist einfach ziemlich stereotyp, ein vorurteil. und elser war einer von denen, für die man das stereotype ‚die ausnahme bestätigt die regel‘ erfunden hat, um irgendwie aus der argumentativen klemme zu kommen.

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  10. genova68 schreibt:

    Es gibt bislang keine wissenschaftlichen Untersuchungen über die Zusammensetzung der Pegida-Demonstranten. Aber die Vermutung, dass das zum größten Teil Kleinbürger sind, wird durch sämtliche Aussagen dieser Leute, die ich bislang vernommen habe, bestätigt. Da würde ich nicht von einem Vorurteil reden.

    Wo soll die Relativierung denn hinführen?

    Es sind Leute ohne Klassenstandpunkt, aber mit einem diffusen Gefühl für die Fragilität ihrer sozialen Lage, die sie sich nicht rational erklären können, sondern die sie zu verbessern suchen durch den Tritt nach unten. Das ist bei Pegida so wie bei allen anderen Phänomenen.

    Keine Klasse, keine Tradition, keine Heimat: das ist der deutsche Kleinbürger anno 2015.

    Die Pegida-Leute haben mit Hardcore-Religiösen gemeinsam, dass sie keinen Bock auf Denken haben, sondern permanent Feindbilder brauchen, um ihre Blödheit zu übertünchen.

    Elser war Kleinbürger? Wie kommst du darauf?

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  11. GrooveX schreibt:

    ich glaube, du verwechselst da kleinbürger und spießer. die sind nicht automatisch synonym.

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  12. genova68 schreibt:

    Ich orientiere mich am Kleinbürger-Begriff, den ich mal im Studium gelernt habe und der sich auf das Verkennen der eigenen sozialen Stellung bezieht: Leute, die sich gern in einer sicheren großbürgerlichen Situation wähnen, mit Kapitaleinkünften und Erbmasse, die ihnen die Stellung garantiert, auch wenn es beim Arbeitseinkommen schlecht aussieht. Die Kleinbürger sind aber real mit den Proletariern viel enger verflochten, wollen das aber nicht, weil sie sich nach unten abgrenzen wollen.

    Man könnte jetzt eine lange Abhandlung schreiben: Bezieht ein Kleinbürger überhaupt Lohn oder ist er zwingend ein kleiner Selbstständiger? Es geht heutzutage aber wohl eher um die Denke, die ich im ersten Absatz beschrieben habe. Meines Erachtens ist das Verleugnen des eigenen Standpunktes wesentlich: Man sieht sich als Teil einer höheren Klasse, die man aber nie erreichen wird. Daraus folgt das repressive Moment, das spießbürgerliche. Man muss sich ständig selbst zum Gehorsam zwingen, der einem zwar nichts bringt, aber es fällt einem auch nichts besseres ein bzw. es darf einem nichts besseres einfallen, als die Selbstunterdrückung via Fremdbashing.

    Und da haben wir den Anschluss an Pegida, was im übrigen eine ziemlich konkrete Umsetzung des PI-Mobs ist, der seit zehn Jahren im Netz tobt.

    Ist aber natürlich eine Frage der Definition. Ich gucke jetzt nicht bei wikipedia nach :-)

    Ich halte zu Pegida die beiden Absätze oben von Götz Eisenberg für wesentlich. Würde man daran orientiert die Diskussion vorantreiben, käme man auch erkenntnispraktisch weiter. Mit dem Blödsinn, den diese Leute im O-Ton von sich geben, ist auch diskussionstechnisch kein Staat zu machen. Da muss man übersetzen.

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  13. besucher schreibt:

    @genova

    Die Frage war ernstgemeint.

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  14. KL schreibt:

    „So reden also Menschen, die in einem angeblich sozialistischen System sozialisiert wurden. 40 Jahre lang. Oder doch in einem verlängerten Nazi-Staat?“
    Ist nicht ganz so. Es ist eher die Folge einer wirkungslosen Verabreichung von bürokratischer Aufklärung mit dem Holzhammer. Das Unterbewußtsein „der Massen“ wurde nie erreicht. Das wuchs so naturhaft dschungelartig wie alle Jahrhunderte zuvor. (Noch in den 80er Jahren war z. B. die Armeeführung schwer verstört, als sie endlich akzeptieren mußte, daß die „sozialistischen Wehrdienstleistenden“ unter psychischem Druck untereinander zu Folterspielen mit Unterlegenen neigten. Daß „Opfer“ heute unter Jugendlichen ein Schimpfwort ist, wäre damals auch möglich gewesen.) Man muß das Piefkehafte an der DDR nicht immer mit der brutalen Bösartigkeit der Nazis verwechseln.

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  15. genova68 schreibt:

    KL,
    danke für den Bericht. Ich würde das nur nicht einfach Piefkehaftigkeit nennen, das ist verharmlosend, wenn ich mir Hoyerswerda angucke. Und was ist „bürokratische Aufklärung“?

    Die DDR startete unter Stalin und war somit von Beginn an mehr oder weniger verloren. Es war von Anfang an ein rechter Scheißstaat, aber immerhin waren die Mieten günstig. Und vielleicht wurde das Unterbewusstsein ja stalinistisch geprägt, dann wurde das Ziel erreicht.

    Alleine, wenn man bedenkt, dass die DDR sich nicht mit dem NS auseinandergesetzt hat, weil die Nazis ja alle im Westen waren und im Osten nur aufrechte Sozialisten. Die Affinitäten zwischen NS und DDR sind offensichtlich, nix piefkehaft.

    Schau dir die Hoyerswerdaberichte von 1991 an, viel schlimmer kann die Befindlichkeit im Dritten Reich nicht gewesen sein.

    Gysi hat gestern bemerkt, dass der DDR-Bürger ab 1990 zum Gesamtdeutschen und dann zu Weltbürger gemacht werden sollte. Da ist er überfordert. Verständlich.

    besucher,
    ich kann die Frage nicht beantworten. Die Zahl halte ich auch nicht für wichtig. Ich habe 1991 in Göttingen studiert, da kamen auch viele Flüchtlinge, damals aus Jugoslawien, und es wurde gegenüber unserer Wohnung eine Turnhalle der Evangelischen Studentengemeinde zur Flüchtlingswohnung umfunktioniert, mit aufgestellten Trennwänden. Traumatisierte Leute, die mit leerem Blick herumsaßen. Wir hätten jetzt also demonstrieren können, weil wir keinen Sport mehr treiben konnten. Stattdessen sind wir rübergegangen und haben gefragt, ob wir helfen können und haben dann mit den Kindern Fußball gespielt. (Nach ein paar Monaten waren die wieder weg, woanders untergebracht.)

    Das war von uns keine dolle Leistung, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich mir überlege, dass gerade im Osten in so einer Situation die Leute durchdrehen und „Nein zum Heim“-Demos veranstalten, dann habe ich kein Verständnis. Das ist eine Frage des Anstands, der fehlt diesen Leuten. Es geht um die Haltung. Für die Pegida-Nazis ist jeder Fremde einer zuviel, da brauchen wir keine Zahlen. Und jeder Jude und jeder Schwule ebenso. Es geht um das Fremde als Kategorie, völlig egal, was man da reinpackt. Es könnte auch jeder Brandenburger sein oder jeder Wessi.

    Mir ginge es eher um das Konkrete: Wenn fanatische Tschetschenen in Flüchtlingsheimen sich massiv danebenbenehmen, dann fände ich es in Ordnung, die möglichst schnell abzuschieben, wenn die nicht schnellstens kapieren, dass das nicht geht. Vielleicht wird das auch gemacht, ich weiß es nicht. Solche Leute machen sonst nur Probleme. Abschieben geht nicht, wenn die wirklich mit dem Tode bedroht werden in ihrer Heimat. Das ist dann ein Problem, ja. Aber das sind Einzelfälle.

    Man müsste das Flüchtlingsproblem auch mit den Bedürfnissen des Kapitals zusammenbringen. Weniger Einwohner bedeutet mehr Probleme, Wirtschaftswachstum zu erreichen. Wohnungen stehen leer, rentieren sich nicht mehr und so fort. Es gibt also die ökonomische Seite der Zuwanderung. Davon profitieren natürlich nur die Kapitalisten. Es ist ein weiteres Erfolgsgeheimnis des Neoliberalismus. Ähnlich der offenen Grenze zu Polen und der dadurch bedingten Kriminalität im Grenzbereich.

    Die Linke hat sich durch political correctness selbst ein Bein gestellt. Aber jetzt bin ich woanders. So geht das, wenn man schnell tippen kann.

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  16. Andy schreibt:

    Der größte Schwachsinn den ich seit langem gelesen habe! Wenn man Ihnen blühende Landschaften und einen sicheren und guten Arbeitsplatz versprochen hätte und dann aber Nix nachkommt, hätten sie dann nicht auch so reagiert?

    Seien wir doch ehrlich, die BRD hat einfach diese marode DDR unterschätzt und war damit überfordert. Die „beste Idee“ der BRD war die Treuhand und der Ausverkauf des Ostens. Die vielen Leute die plötzlich ihre Arbeit verloren, weil ihre Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig waren, weil sie vom sozialistischen System künstlich am Leben erhalten wurden. Natürlich war es für viele Menschen im Osten eine Tragödie. Sie werden es nicht glauben, aber vielen Menschen bedeutete ihre Arbeit alles und nun hatten sie Nichts mehr! Viele mussten in der DDR nicht nur mehrere Jahre auf ein eigenes Auto warten, sondern mindestens genauso lange auf eine eigene Wohnung!

    Man kann es nicht Gutheißen was mit den Ausländern damals passierte, aber muss auch den Frust verstehen, den die Leute schoben. Die Videos haben EINES sehr deutlich gezeigt. Sie haben gezeigt wie aussichtslos die Zukunft derer waren, wie verbittert und enttäuscht sie von der Politik waren. Sie merkten das sie von der Politik auf die gleiche Stufe gestellt wurden, wie die Flüchtlinge die gleich nebenan einquartiert wurden. Sie wurden quasi von der Politik im Stich gelassen. Der Boden war Ideal für rechtsextremes Gedankengut, ähnlich der Situation vor der Machtergreifung der NSDAP 1930. Ja genau, man kann es genau so vergleichen und man kann von Glück reden, das es nicht alle Ostdeutschen betraf!

    Nebenbei bemerkt ist die Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland nur bis 1995 gesunken und steigt seitdem wieder! Wie gesagt lag das vor allem am mangelnden Vertrauen in die Zukunft, politische und wirtschaftliche Unsicherheiten und der Wegfall von Betreuungsmaßnahmen und Fördergeldern. Alles Dinge eben die in den Händen der damaligen Politik lagen.

    Also hören sie auf uns über unsere Geschichte aufzuklären. Sie haben selbst kein Durchblick, werfen aber so einen Dünnschiss durch die Gegend, dass ich Kotzen könnte!

    Nun zu PEGIDA: Schön das sie in die gleiche Kerbe schlagen, wie alle anderen ach so pflichtbewussten Medientrolle. Ist ja auch zu einfach mit der Nazikeule alles aufzuklären. Zukünftig schaffen wir alle Probleme mit der Nazikeule aus der Welt.
    Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Seit dem Ende des 2. WK gab es nicht mehr so viele Flüchtlinge wie 2014. 2015 soll der Zustrom weiter steigen. Wenn nun einige Menschen merken, dass die Deutsche Politik mit der Aufnahme und Integration dieser Flüchtlinge überfordert ist, kann man berechtige Zweifel und Sorgen äußern. Ich meine es muss doch in einer Demokratie möglich sein über Missstände aufmerksam zu machen ohne gleich als Nazi beschimpft zu werden?!
    Doch sobald das etablierte Establishment von zu vielen Menschen kritisiert wird, stehen sie in Form von Politik und Medien geeint quer bei Fuß und zücken die Nazikeule, in der Hoffnung damit alles „klären“ zu können. Schöne Demokratie ist das!

    Peace!

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  17. genova68 schreibt:

    „Nebenbei bemerkt ist die Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland nur bis 1995 gesunken und steigt seitdem wieder!“

    Nein, im Gegenteil, aber vielleicht meinst du die Geburtenentwicklung.

    Ansonsten danke für den Beitrag, sie zeigt die Verwirrung der Ostdeutschen deutlich auf. Es geht begrifflich und kausal drunter und drüber. Weil die Ossis mehrere Jahre auf ein Auto warten mussten, sind sie jetzt im Westen frustriert und schlagen Ausländer. Klar, muss man verstehen.

    Die Waschlappenossis sind die schlimmsten.

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