Warum das iPhone nicht ohne Redeverbot zu haben ist

Plötzlich geht es dann doch: Der Elektronikkonzern Foxconn erhöht mit sofortiger Wirkung die Löhne für seine chinesischen Arbeiter um 30 Prozent, für einen Teil sogar um 66 Prozent. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Alleine in der Stadt Shenzen arbeiten 300.000 Menschen für Foxconn. Was nach gängiger neoliberaler Logik wegen vernichteter Konkurrenzfähigkeit den sofortigen Absturz der Wirtschaft  ins Bodenlose zur Folge haben müsste, macht sogar Schule: Der Autohersteller Honda hat die Löhne in einem chinesischen Werk ebenfalls um 30 Prozent erhöht.

Damit das Kapital ein Einsehen hatte, mussten sich seit Jahresbeginn zehn Foxconn-Arbeiter wegen unerträglicher Arbeitsbedingungen umbringen, das war dann wohl ein bisschen zuviel negative Publicity. Auch die westlichen Abnehmer des Elektronikkrams von Foxconn machten sich nun Sorgen, denn Foxconn stellt unter anderem das iPhone her, mit dem man sich hierzulande gerne als smarter, zeitgemäßer und überhaupt hipper und erfolgreicher Ich-Vermarkter präsentiert.

Damit Apple mit seinem iPhone ordentlich Gewinne einfahren kann, müssen die Foxconn-Sklaven an sechs Tagen die Woche 12 Stunden und auch mal 24 Stunden am Stück arbeiten, inklusive Redeverbot. Letzteres ist also vonnöten, um ein Gadget herzustellen, mit dem Kommunikation allüberall und jederzeit möglich gemacht werden soll.

Vor ein paar Tagen wollte das Management von Foxconn das Problem noch unorthodoxer lösen: Die Beschäftigten sollten schriftlich garantieren, nicht Selbstmord zu begehen, ansonsten setzt´s was. Außerdem mussten sie einwilligen, sich bei Bedarf vom Unternehmen in eine psychiatrische Klinik einweisen zu lassen, sollten sie in einer „annomalen geistigen oder körperlichen Verfassung sein.

Das iPhone verwendet laut Applewerbung übrigens „Technologien, die ihrer Zeit weit voraus sind“. Ob dazu die Foxconnschen Sklavenhalterphantasien nötig sind, dazu findet man bei Apple keine Angaben. Apple-Chef Steve Jobs hält die Kritik an Foxconn offenbar eh für linksradikale Propaganda:

Allerdings nahm er das Unternehmen in Schutz: Der Konzern sei „kein Ausbeuterbetrieb“, sagte er. Auf dem Fabrikgelände in Shenzhen gebe es „Restaurants und Kinos und Krankenhäuser und Schwimmbäder. Für eine Fabrik ist es da ziemlich nett.“

Vielleicht betrachtet Jobs das, was er da von sich gibt, als Teil seiner Corporate Social Responsibility: Eine Fabrik, in der sich Leute wegen miserabler Arbeitsbedingungen reihenweise umbringen, als Luxusproduktionsstätte hinzustellen, in der es geradezu spätrömisch-dekadent zugeht. (Dekadenter sind nur noch die Griechen.) PR-technisch ist das ein Supergau: Das ziemlich nette Geschwafel von Herrn Jobs gegen offiziell zehn Tote, da kommt die beste Öffentlichkeitsabteilung mit dem Aufräumen nicht mehr hinterher.

Dabei ist das nur eine Variante des immergleichen Spiels: Multis lagern die Produktion in Billigländer aus und kümmern sich nicht um die Arbeitsbedingungen dort. Die müssen geradezu miserabel sein, je schlechter desto besser, denn das garantiert die höchste Rendite. Das ist ja gerade die „Effizienz der Märkte“, von der die Neoliberalen so gerne reden. Mit den 30 Prozent Lohnerhöhung jetzt leider nicht mehr ganz so effizient.

Besonders perfide: Die billigen Produktionskosten führen teilweise nicht zu günstigeren, sondern zu höheren Endpreisen. Firmen wie Apple oder Nike investieren gigantische Summen ins Marketing und schaffen es dadurch, dass Millionen Menschen weltweit bereit sind, für einen Plastikturnschuh 100 Euro und für ein elektronisches Gerätchen 700 Euro hinzublättern. Es macht halt was her, trendy ausgestattet durch die Gegend zu rennen (und die malträtierten Chinesen sind weit weg). Je billiger die Produktion, desto besser stehen die Chancen, via Marketing die Kundschaft gründlich zu verarschen. Anders ausgedrückt: Je geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Arbeiter das von ihnen hergestellte Produkt jemals leisten können, desto mehr Rendite. Alles eine Frage der Kommunikation.

China ist nur ein extremer Ausdruck kapitalistischen Wahnsinns. Wenn in Kreuzberger Szenebiergärten ein schlecht gezapftes Pils bei Selbstbedienung 3,30 Euro kostet und die Ausschenker im Dauereinsatz mit 7,50 Euro die Stunde abgespeist werden, dann sind die Dimensionen andere. Das Prinzip ist das gleiche.

Dieser Beitrag wurde unter Kapitalismus, Neoliberalismus, Wirtschaft abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Warum das iPhone nicht ohne Redeverbot zu haben ist

  1. Pingback: Tweets that mention Warum das iPhone nicht ohne Redeverbot zu haben ist « Exportabel -- Topsy.com

  2. hanneswurst schreibt:

    10 Tote Arbeiter in China, 10 Tote Seeleute vor Gaza, eine neue Form des Protests – Kamikaze-Flashmob? Oder nur eine Sychronizität?

    Die steigenden Löhne in China sind allerdings auch der Inflation in China geschuldet, die langsam vom Trab in den Galopp übergeht.

    Like

  3. genova68 schreibt:

    Eine Synchronizität, aber nur für jedes sanft psychotische Gehirn.

    Die chinesische Inflationsrate lag im April im Jahresvergleich bei 2,9 Prozent, also halb so wild:

    http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur-nachrichten/sorge-um-weltwirtschaft-inflation-in-china-steigt-deutlich;2578560

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..