Italia moderna – otto

Teil acht unserer massenkompatiblen Serie über moderne italienische Architektur.

Wir beginnen mit diesem fünstöckigen Kasten in Parma, der an gemäßigten norddeutschen Expressionismus erinnert. Die Fensteröffnungen sind mehrstufig in der Fassade nach innen versetzt, die zwei Spalten mit schmalen, schießschartenartigen Fenstern unterstreichen diesen Eindruck des konskrutiv-plastischen. Das Dachgesims ist mit seinen differierenden Stärken und den hellen Ziegeln (oder sind es Betonfertigteile?) plastisch herausgearbeitet. Dieses Motiv nimmt das Gesims über dem Erdgeschoß auf und verstärkt es. Es hat etwas Kubisches, konsequent modernes, eine Arte strenger Jugendstil. Typisch italienisch passen dazu farblich die Holzrolläden. Das Dachgeschoß ist zurückgesetzt und wirkt aufgesetzt, wobei hier die Reduktion der Formen unterstrichen wird: Die Reliefstruktur tritt zugunsten klarer Formen zurück.

Das Haus steht zum Verkauf. Interessenten mögen sich bei mir melden, ich helfe gegen eine großzügige Provision gerne bei der Vermittlung.

Hier ein schönes Beispiel dieser typischen und so oft anzutreffenden Leichtigkeit italienischer Nachkriegsarchitektur. Alles an diesem Haus ist filigran, leicht, antiprotzig: Der Dachüberstand, die Geländer, die kleinen Balkone, die Wandstärken. Die lediglich gestaltenden vertikalen Metallstreben, die an den Balkonen angebracht sind, unterstreichen diesen Eindruck. Sie helfen überdies ganz praktisch, wenn eine Wäscheleine gespannt werden soll, immer noch eine Lieblingsübung von Italienern. Die Farbgebung verrät ästhetische Sicherheit: Zwischen beige und braun changierend kommt hier niemals der deutsche Kleinbürgermuff zum Ausdruck, der nur zwischen feuchtpups- und dünnschissgelb variieren kann.

Italienischer Neorationalismus also, der so feingliedrig und bescheiden auftritt wie der Neorealismus im Film.

Zwei Detailfotos eines fünstöckigen Gebäudes in Trient. Die Pfeiler verjüngen sich nach unten, die Fassade ist sparsam, aber intensiv gestaltet, und zwar in einer Art Kubismus. Es werden also ganze Baublöcke in der Fassade verschoben, es gibt strenggenommen kein Ornament. Es erinnert ein wenig an das, was in den 1990er Jahren als Dekonstruktivismus die Städte dominierte. Die Pfeiler bestehen aus Platten oder Scheiben, in unterschiedlichen Weisen zusammengesetzt und beschnitten. Es ist überhaupt die Grundidee dieses Gebäudes: Wir nehmen den Prototyp einer Platte und zerschneiden sie. So erhalten wir alle nötigen Bauteile und es scheint keine Wände zu geben. In den Pfeilern manifestiert sich dieses Konstruktionsprinzip in seinem Höhepunkt: Die Scheiben werden hier, nur hier, auch nicht-rechtwinklig zurechtgeschnitten und bilden somit nicht nur den Pfeiler, sondern auch die Ecke. Genial. Auch hier wieder diese typisch italienische Stilsicherheit in Details.

Zum Schluss ein Haus mit Fertigfassadenteilen, deren Gleichförmigkeit durch die geschlossenen Rollläden unterstrichen wird. Der merkwürdig verstärkte Traufbereich unterstreicht diesen Eindruck.

(Fotos: genova 2018)

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