Beipackzettel zur Wahl 2013

Eine kleine Wahlnachlese in vier Punkten.

1. Die Linkspartei gibt 340.000 Stimmen an die AfD ab:

Unbenannt-1 Kopie

Die Grafik zeigt, woher die Wähler der AFD kommen. Von der Linkspartei wechselten deutlich mehr nach rechts als von den beiden großen Parteien, relativ noch mehr. Wie sind Leute konstituiert, die wechselwählen zwischen Linkspartei und AfD? Vermutlich viele Ostdeutsche, dort war die AfD überdurchschnittlich stark. Und es sind solche Ostdeutsche, die die Linke wählen, weil sie gegen den eigenen Hartz-IV-Bezug sind, ansonsten aber stramm reaktionär. Abgehängte, Enttäuschte, Erniedrigte. Ostdeutsche Traditionalisten, die keinen Traditionen haben, abgesägt von der SED und später von den Wessis.

Eine linke Haltung, die sich sozusagen natürlich aus der eigenen sozialen Lage ergibt. Eine Haltung, in der der fremdenfeindliche Aspekt maßgeblich ist: Von irgendwoher kommt die Bedrohung. Die kommt zwar in Form des Kapitals, das feststellt, dass diese Leute überflüssig sind. Sie taugen nur etwas, indem sie ihre 350 Euro monatlich in den Binnenkonsum stecken. Aber sowas gesteht man sich nicht gerne ein, also sind die Anderen überflüssig, die Fremden, die man dort mit der Lupe suchen muss.

In diesem Wechselwahlverhalten spiegelt sich aber auch der Typus Jürgen Elsässer: Hauptsache Aufstand, gerne als Volksfront, wir da unten räumen dann auch gleich mit Weicheiern, Ausländern und Schwulen auf.

Dass die FDP der AfD noch mehr Stimmen gibt, verwundert nicht, die Schnittmenge beider Parteien ist groß, sowohl was den Wirtschaftsliberalismus also auch was den Dumpfbackennationalismus angeht.

Das zweite Bildchen zeigt, wohin die Wähler der Linken von 2009 nun verschwunden sind:

Unbenannt-2Kopie

340.000 zur AfD, 360.000 zur SPD, gut 300.000 sind zuhause geblieben, wie man sagt, obwohl die Wahlbeteiligung ingesamt zunahm. Konkret: Die Linkspartei hatte 2009 noch 5,2 Millionen Zweitstimmenwähler, jetzt waren es 3,8 Millionen.

Merkwürdig, dass das von dem Protagonisten wie auch von den Medien als gutes Ergebnis gefeiert wird. Die Grünen haben deutlich weniger verloren, stehen jetzt aber als die großen Loser da.

2. Die Situation nach der Wahl gleicht der von 2005: Es gibt eine rechnerische Mehrheit von rot-rot-grün, aber dank der neoliberalen Ausrichtung der SPD wird nichts draus. Die SPD hat einen grandiosen Verdummungswahlkampf geführt. Steinbrück war plötzlich links, schrieb Wesentliches aus dem Parteiprogramm der Linken ab, um gleichzeitig jede reale Option auf eine Umsetzung dessen zu verhindern. Die Situation ist absurd, aber normal, man hat sich daran gewöhnt, dass weite Teile des Parlaments sich mit ihrer Rolle als Erfüllungsgehilfe von Kapitalinteressen zufrieden geben. Alles andere wäre zu anstrengend. Vermutlich stimmt das auch.

3. Aus der Fünfprozenthürde muss eine Zweiprozenthürde werden. Sowohl bei der Bayernwahl als auch eine Woche später im Bund fielen rund 15 Prozent der Wähler raus. Stefan Niggemeier bringt es auf den Punkt:

6,86 Millionen Menschen haben gestern bei der Bundestagswahl gültige Stimmen abgegeben, die nicht zählen.

Eine Diskussion darüber wäre notwendig, wobei das Ergebnis schon feststeht. Vor allem die beiden großen Parteien werden an der Situation nichts ändern, weil sie auf ein bisschen Macht verzichten müssen. Stattdessen werden sie von Demokratie reden und von Weimar.

4. Bayern ist scheiße. Ein unangenehmer Mix aus wirtschaftlichem Erfolg und Primitivität. Bayern sieht aus wie Dorothee Bär: prall und bis obenhin angefüllt mit dem, was man gesunden Menschenverstand nennt. Kein Zweifel, kein Zaudern, keine Falte. Ein Klonprodukt.

Wäre der wirtschaftliche Erfolg ein Misserfolg, die Bayern wären die Ossis des Westens. Der Höhepunkt der Landtagswahl: Die Dirndltanten der CSU mit Sektglas und Handtäschchen bei der Prognose um 18 Uhr. Die Kö ist harmlos dagegen. Dann Dobrindt. Das sichere Gefühl, einer Widerwärtigkeit zuzuschauen. Dazu Sigmund Gottlieb, der das zweitschlechteste Ergebnis der CSU seit 1949 zum grandiosen Erfolg umdeutete und die drittschlechteste Wahlbeteiligung seit 1949 zum Beweis dafür, dass mit den Bürgerinnen und Bürgern, wie man sagt, alles im grünen Bereich ist.

Mein Beileid an alle, die in dieser Region leben müssen.

(Grafiken: Spiegel-Online)

Dieser Beitrag wurde unter Deutschland, Finanzkrise, Fremdenfeindlichkeit, Kapitalismus, Linke, Medien, Politik, Rechtsaußen abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

13 Antworten zu Beipackzettel zur Wahl 2013

  1. besucher schreibt:

    „Mein Beileid an alle, die in dieser Region leben müssen.“

    Sagen das mal vor Ort, dann rufen die Leute die Wärter mit der weißen Jacke.
    Und die Doro Bär ist doch pumperlg’sund. Aber lass man, mir als Preußen geht diese bayrische, leider erfolgreiche Krachledernheit auch auf den Sack. Oktoberfest, FC Bayern München, ein Graus.

    „Mein Beileid an alle, die in dieser Region leben müssen.“

    Ich leite das mal an Duisburg, Gelsenkirchen und Wilhelmshaven weiter.

    Like

  2. genova68 schreibt:

    Die Bär ist pumperlgesund und sieht nett aus, ja. Aber die Ebene, die da mitschwingt, finde ich so unangenehm.

    Mein letzter Satz ist naturgemäß eine Provokation. Sie funktioniert ;-)

    Like

  3. besucher schreibt:

    Hmmm, oder auch nicht. In einem total miefigen Umfeld wo man materiell alles hat, da wägt man ab. Will man das? Brauch man das? Ich weiß schon worauf Du anspielst.

    Like

  4. hANNES wURST schreibt:

    Mit ein wenig gestalterischem Willen könnten Nahles oder Kraft in ein paar Wochen das Kanzleramt übernehmen. Diejenigen, die ohne ersichtlichen Grund und Nutzen Rot-Rot-Grün ausgeschlossen haben, werden aufs Altenteil geschickt und sind damit nicht wortbrüchig. Damit wäre dem mehrheitlich (die 5% Hürde lege ich jetzt im Sinne meiner Argumentation positiv aus) linken Wählerwillen Genüge getan.

    Like

  5. genova68 schreibt:

    Naja, der Wortbruch gilt für die Partei, wenn Gabriel und Steinbrück eine Koalition ausschließen.

    P.S.: Aber alles interessant für einen Beobachter. Es sieht gerade danach aus, als würden die Lager sich neu ordnen: Die Grünen werden konservativer und versuchen sich nun überall wie in Baden-Württemberg zu positionieren, gleich weit von SPD und CDU entfernt. Die SPD wird sich eine domestizierte Linkspartei als Dauerkoalitionspartner zulegen.

    Like

  6. hANNES wURST schreibt:

    Eine Partei muss ich immer wieder neu erfinden. Auf diese Weise wird auch die FDP – offen für alle Koalitionen – 2017 wieder auferstehen, mit Jude Law Lindner als angetäuschtes soziales Gewissen. Oder früher, denn wieso halten alle Neuwahlen für so unwahrscheinlich.

    Like

  7. Heini schreibt:

    „Ein unangenehmer Mix aus wirtschaftlichem Erfolg und Primitivität.“ ja gib ihm :D Naja aber irgendwoher muss es ja kommen, oder?

    Like

  8. Motherhead schreibt:

    Ich finde auch, dass Doros Bär sehr gesund aussschaut.

    Like

  9. Motherhead schreibt:

    Uiuiui, ich habe auss in „aussschaut“ mit ss geschrieben.
    Zufall?

    Like

  10. besucher schreibt:

    @Motherhead
    Wie sagte Lt. Frank Drebin in „Naked Gun“ zu Jane auf der Leiter?
    „Nice beaver“

    Like

  11. Motherhead schreibt:

    Ja, die gute alte, nackte Kanone. Ein schöner Beweis dafür, dass amerikanisches Kino nicht nur nur flach, sondern manchmal auch flach und zugleich sehr lustig sein kann.
    Aber wir schweifen ab, lieber Besucher, und müssen uns nun wieder der harten Realität bundesrepublikanischer Politik stellen.

    Like

  12. besucher schreibt:

    Laufen hier schon Wetten mit wem Merkel koalieren wird? Nachdem die Grünen Roth und Trittin „entsorgt“ haben sind sie definitiv ganz heiße Kandidaten.

    Like

  13. Dora schreibt:

    Oh seht, es ist Bayern-Hass :) Kann man ja auch nicht unbedingt verübeln, wobei es schon krass Proletariat Gepöbel ist :P

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..