Deutschland sucht den Superpolitiker

Der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll ja der beliebteste Politiker Deutschlands sein. Wieso? Wohl nicht deshalb:

Das Video ist ein schönes Beispiel für das orwellhafte Sprechen weiter Teile der politischen Klasse. Das eigentliche Versagen im Fall Guttenberg liegt aber bei den Medien. Guttenberg ist mit einer Quasilüge an die Macht gekommen, als er erzählte, er habe „Verantwortung in einem Familienunternehmen“ übernommen und „in der freien Wirtschaft gearbeitet“:

Sowas würde man bei gewöhnlichen Menschen einen Täuschungsversuch nennen, der Job wäre weg. Nicht so bei einem Bundesminister. Was machen die Medien? Die Quasilüge wird ignoriert, der Mann stattdessen wochenlang gefeiert. Den Höhepunkt bildete wohl ein Titel des Stern, in dem Guttenberg als der deutsche Obama dargestellt wurde.

Guttenbergs Reden sind sinnfrei. Es ist ein Aneinanderreihen von Floskeln, viel Nominalstil, viel Passiv. Typisch für ihn sind Sätze wie „Das Problem wird einer Lösung zuzuführen sein“ oder der Satz aus der „Anstalt“ oben im Video. Als er nach einem USA-Besuch im heute-journal von Klaus Kleber zu den Ergebnissen befragt wurde, variierte er seine Feststellung, man werde künftig im Fall Opel mit der US-Regierung „zusammenarbeiten“, über mehrere Minuten. Auf gut deutsch: Es ist bei den Gesprächen nichts herausgekommen. Kleber ist allerdings nicht willens oder in der Lage, das so zu sagen. Es wäre seine Aufgabe.

Und dieser Mann ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Selbst, nachdem versehentlich sein Strategiepapier durchgesickert ist, in dem knallharte neoliberale Positionen vertreten werden, bleibt der Mann beim „Urnenpöbel“ (Georg Schramm) beliebt.

Der Wahlkampf ist erwartungsgemäß niveaulos, wobei man auch sagen könnte, dass fehlendes Niveau nur dann bemängelt werden kann, wenn überhaupt etwas passiert. Es gibt in der schwersten Finanzkrise seit den zwanziger Jahren keinen Richtungsstreit, keine Auseinandersetzungen, nichts. Handlungsbedarf besteht, Regulierungen der Finanzmärkte finden de facto nicht statt, auch nicht in Deutschland. Es passiert nichts, keiner sagt etwas.

In dieser Gemengelage wird eine Null wie Guttenberg zum Star, weil er schön lächelt, den Boulevard visuell bedienen kann und staatstragend plappert. Die Neoliberalen finden ihn inhaltlich toll, die Kleinbürger, weil er adelig ist, die sinnfreien Ästheten, weil er gut sitzende Anzüge trägt, die Rechten, weil man sich ihn als neuen Monarchen vorstellen kann, und die Medien, weil sich genau diese Mischung zum Modellieren eines Stars eignet.

Deutschland sucht den Superpolitiker und hat ihn gefunden.

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7 Antworten zu Deutschland sucht den Superpolitiker

  1. hanneswurst schreibt:

    Nun ja. Ich fühle mich nicht berufen, Herrn zu Guttenberg zu verteidigen, von mir aus kann er bleiben wo der Pfeffer wächst. Dennoch finde ich die hier vorgebrachten Angriffe auf seine Person zu schwach für einen Blogeintrag. Er labert herum und seine praktische Wirtschaftserfahrung ist nicht so bodenständig, wie erhofft. Who cares.

    Wenn ich mir Westerwelle so anhöre, dann weiß ich, dass es weitaus Schlimmeres gibt. Einziger Trost: ich vermute, Außenminister kann Westerwelle nicht werden. Er könnte im nahen Osten nicht landen. So hat die prinzipiell natürlich nicht akzeptable Intoleranz vieler islamischer Staaten gegenüber der Homosexualität auch mal etwas Gutes.

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  2. genova68 schreibt:

    Westerwelle mag schlimmer sein, er wird aber nicht gehypt. Dass Guttenbergs Wirtschaftserfahrung nicht „so bodenständig“ ist, ist nicht das Thema. Thema ist, dass er genau das behauptet hat. Eine Lüge eben. Da wäre es schon ganz nett, wenn sich jemand drum kümmert.

    Dass Westerwelle nicht Außenminister werden kann, weil er schwul ist, halte ich für eine falsche Einschätzung. Im Nahen Osten halten die Männer doch gerne Händchen und betatschen sich. Die sind da sicher total schwul und freuen sich schon auf den Guido.

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  3. lowestfrequency schreibt:

    Ich muss meinem ersten Vorredner insofern widersprechen, dass ich es durchaus für ein Thema halte, was Herr zu Guttenberg sagt – nämlich nichts – und was die Medien und auch einige Bevölkerungsteile dazu sagen. Ich finde, es ist ein wichtiges Thema, das sonst auch selten in einer solchen Klarheit zur Sprache kommt, da braucht es in den Medien schon Spitzenkabarettisten, die einige Sprechblasen und Kardinalspatzer der Redenschreiber aufzeigen – und damit das weitgehende Versagen der Medien verdeutlichen. War man bei Glos immer schnell bei der Hand mit Schmähungen seines Auftretens (wie Schramm es ausdrückte: „der tumbe Müllermeister in der schillernden Welt der Hochfinanz“), geilt sich diese Nation an einem blankgewienerten Aristokraten-Bubi auf, der genauso wenig sagt, aber plötzlich über all schöngeredet wird. Der Kerl sagt nichts (wie sein Vorgänger auch) aber er ist mittlerweile der beliebteste Politiker des Landes (laut ZDF-Politbarometer) und er kann es sich leisten, im Heute Journal auf 4 Minuten eine Nullbotschaft auszuwalzen, ohne dass man sich dort über ihn lustig macht. Ich meine, dass Nachrichten solche inhaltsleeren Botschaften auch entsprechend würdigen sollten und müssten, was aber nicht passiert. So findet der Kleinbürger den Aristokraten toll, der Konservative hat sein Kaiser-Surrogat, der Neoliberale seinen willfährigen Strohmann an geeigneter hoher Stelle und die Medien ein gelecktes Polit-Sternchen.

    Die Erkenntnis, was für Vakuumbomber in der obersten Etage sitzen, ist wichtig. Nicht im Sinne des Stammtisch-Satzes: „Der kann doch nix“, nur weil gerade ein unbequemer Beschluss gefasst wurde, sondern weil man hier immerhin ein wenig hinhören muss. Wenn Podolski spricht, weiß jeder, dass der intellektuell nicht die hellste Kerze im Leuchter ist, hier darf man ruhig nochmals darauf hinweisen. Und nicht zuletzt finde ich solche komprimierten Exempel des Nichtssagens recht amüsant. Und Amüsantes kann dieser Tage wohl jeder mal gebrauchen…

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  4. hanneswurst schreibt:

    Naja, ich kann Verwunderung über die Popularität des Herrn zu Guttenberg verstehen, die Aufregung in der Sache insgesamt aber nicht.

    Der Posten des Wirtschaftsministers, der schon von Polit-Skurrilität wie Jürgen Möllemann bekleidet wurde und für den mangels Kandidaten immer wieder irgendwelche komischen Outsider nominiert wurden, ist nicht das Amt, in dem viel Porzellan zertrümmert werden kann. Als zu Guttenberg das Amt übernahm, war die Krisenpanik gerade am Siedepunkt. Sonst, und wenn seine Nominierung nicht Ergebnis von internen Querelen der am wenigsten ernstzunehmenden Partei Deutschlands gewesen wäre, hätte keiner etwas von einem neuen Wirtschaftsminister bemerkt.

    Als erste und bisher einzige Mission erhielt zu Guttenberg die Order, bis zur Bundestagswahl so zu tun, als würde die Bundesregierung alles möglich machen, um „Opel in Deutschland zu retten“. Ein schwachsinniges Unterfangen, und jeder kann sich an zwei Fingern ausrechnen, dass diese angeblichen Rettungspläne nach der Wahl schnell einer nötigen Finanzkonsolidierung weichen müssen. Bis dahin gilt es, möglichst wenig Konkretes und dennoch zuversichtlich Wirkendes von sich zu geben. Und das macht der Wirtschaftsminister doch vorzüglich? Weder Union noch SPD wollen, dass noch vor der Wahl herauskommt, was eigentlich jeder weiß: Opel ist eine siechende Schrottmarke, und würde es nicht so herzlos wirken, und wäre kein Wahljahr, dann würde kein Polithahn nach diesem Pleiteverein krähen. So aber muss ein milchgesichtiges Blaublut sein Gesicht für die gute Stimmung in die Kamera halten, und ich beneide ihn nicht darum.

    Jetzt noch einmal zum Vorwurf der Täuschung, der in diesem ärmlichen, reißerischen „ZAPP“ (gut dass ich kein Fernsehen gucke) Beitrag angedeutet wurde. Kein Wort, das zu Guttenberg selber in dieser Sache über die Lippen ging, war falsch. Er erwähnt das Familienunternehmen. DPA recherchiert falsch, die Verwechslung drängt sich auf, ein Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums checkt das nicht, gibt ebenfalls den falschen Link heraus (niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass dies ein absichtlicher Täuschungsversuch war, denn dafür liegt die Auflösung zu nahe) und so macht das Gerücht vom Manager im Mittelstand die Runde. Also ein non-event, das nur ein Medien-Event und ein Medien-Versagen ist, und das sich hier im Blog fortsetzt.

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  5. genova68 schreibt:

    Sorry, Hansi, aber die Zakk-Sendung ist gut recherchiert und gut gemacht. Das wesentliche wird klar herausgestellt, nichts wird aufgebauscht. Guttenberg spricht von einer „Tätigkeit in der freien Wirtschaft“, im „Familienunternehmen“, das sich als Drei-Mann-Klitsche herausstellt, das nur der eigenen Vermögensverwaltung dient. Sein Wahlkampfbüro und sein Ministerium wissen von nichts, letzteres schickt zapp zur falschen Firma. Alleine das ist schon unglaublich. Guttenberg hat sein Ministerium nicht unterrichtet, weil es ihm zu peinlich war. Es war im klar, dass er komplett übertreibt, er hatte nun mal keine Erfahrung und das wollte er nicht zugeben. Guttenberg blendet und die meisten Medien fallen darauf herein. Beides ist eine Zumutung. Du wischst Verhaltensweisen beiseite, die schon bei einem Praktikanten zum Rauswurf führen könnten.
    Wenn Lafontaine jetzt sowas passieren würde, die Zeitungen wären voll davon, vor allem die Springer-Presse.

    Dass ein Bundesminister keinen Einfluss hat, ist ein gerne erzähltes Märchen. Er hat massiven Einfluss auf die Gesetzgebung, deshalb ist es wichtig, solche Leute zu beobachten. Sein Strategiepapier zeigt ja, was er vorhat. Da ist der Fall Opel schnell Nebensache. Außerdem wurde er massiv gehpypt und er ist beliebt, schon deshalb ist es Unsinn, ihn in seiner Bedeutung herabzusetzen. Schramm bringt es mit dem Urnenpöbel auf den Punkt.
    Lowestfrequency macht das gleiche.
    Die FR schreibt auch etwas dazu (http://www.fr-online.de/_em_cms/_globals/print.php?em_ssc=MSwwLDEsMCwxLDAsMSww&em_cnt=1905546&em_loc=2091&em_ref=/top_news/&em_ivw=fr_topnews) und erwähnt noch, dass Guttenberg ein ganzes Gesetz von einer „interessierten Kanzlei“ schreiben ließ. Solche Leute sind gefährlich und eben nicht harmlos.

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  6. hanneswurst schreibt:

    Also gut, ich wechsle die Seite und trage zu dieser Diskussion noch einige sachliche Argumente bei. Die „Bunte“ liefert mir einige Steilvorlagen: einige Steilvorlagen:

    http://www.bunte.de/society/stephanie-freiherrin-zu-guttenberg-karl-theodor_did_4006.html

    Bild 1 + Bild 6: so sehen die Frauen aus, die Du auf der Loveparade kennen lernen kannst

    Bild 2: Aua, würg, Aua

    Bild 3: Implantate sind reif

    Bild 4: Führerbunker, April 45

    Bild 5: Offensichtlich ist zu Guttenberg nicht nur ihr Mann – sondern auch ihr Bruder. Naja, solcherlei ist in Adelskreisen ja üblich.

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