Uni Bayreuth: es lohnt sich

Interessantes Detail der Guttenberg-Affäre. Der Blog Dishwasher schreibt:

Die Uni Bayreuth ist eine Campus-Uni mit einem extrem auffälligen Herkunftsprofil … In dieser Studie [die DSW-Sozialerhebung von 2001] war Bayreuth jedoch die westliche Hochschule mit den wenigsten Studierenden mit dem Herkunftsmerkmal „niedrig“ (8% gegenüber dem damaligen Durchschnitt von 14%). Ein Alleinstellungsmerkmal war zu dem Zeitpunkt, dass nur 24% der Studierenden Eltern hatten, die weniger als 4000 DM Nettoeinkommen hatten, alle anderen Hochschulen wiesen Quoten zwischen 32% und 55% auf. Entsprechend sieht es bei der Quote reicher Eltern der Studierenden aus: die Uni Bayreuth ist eine sozial homogene Hochschule von Akademikerkindern aus reichem Elternhaus.

In diesem Zuammenhang ist noch interessant, dass die Uni Bremen die höchste Quote von Studierenden mit niedriger sozialer Herkunft hat und zwei Professoren der Uni Bremen brachten die Guttenberg-Affäre ins Rollen.

Im Fachbereich Jura sind die Zahlen noch extremer, vermute ich. Warum die Verhältnisse in Bayreuth so sind, lässt sich momentan wohl nicht klar sagen (siehe Kommentarbereich bei Dishwasher).

Es klingt fast schon nach einem schlechten Plot, dass nun die Bremer Akademiker und die egalitären Aufklärer im Netz mit ihrer bewundernswerten Akribie einen Teil des Guttenbergschen Lügengebäudes einstürzen lassen, während manche Mitglieder des Buyreuther Hochadels ihr Geld offenbar zum Titelkauf nutzen.

Jedenfalls ist bei den Bayreuther Juristen die Welt noch in Ordnung: (Nachtrag, 25.2.11: Der Uni ist das Werbevideo wohl peinlich geworden .-)

Zu Guttenberg fällt mir ansonsten nicht mehr ein als das, was ich schon vor eineinhalb Jahren dazu geschrieben habe. Stern, Spiegel und viele andere meinungsmachenden Medien haben den freiherrlichen Baron gehypt, was das Zeug hielt, und zwar ohne jede politisch stichhaltige Begründung. Mit diversen Titelgeschichten (beispielsweise der hier im Stern) haben sich Magazine mit einer gewissen Reputation in reine PR-Heftchen verwandelt. Ehre, Anstand, Leistung, Gewissen, Herkunft: Alle Vorgaben der Guttenbergschen Spindoktoren wurden nachgeplappert.

Guttenberg hat die vergangenen Tage mehrfach knallhart gelogen, jüngst erst wieder gestern Abend. Das kann man, angesichts der Ergebnisse von Wiki GuttenPlag, so sagen.

Doch es war ja nicht sein erstes Mal. Was ist mit Guttenbergs Quasi-Lüge unmittelbar vor seinem Amtsantritt als Wirtschaftsminister, was seine Berufserfahrungen angeht? Seine „Verantwortung im eigenen Familienunternehmen“, das sich als kleines Büro entpuppte, in dem „meist niemand da ist“, wie der Bürgermeister freimütig erzählte? Ein Nachbar meinte, es könne sich bei Guttenbergs verantwortungsvoller Tätigkeit nur um eine “ in der Küche oder im Pferdestall“ gehandelt haben.  Zapp und Panorama brachten jeweils einen Beitrag, das wars. Auf seiner Website berichtet Guttenberg von „beruflichen Stationen in Frankfurt und New York“, die sich jetzt als Praktika mit geringem Ertrag herausstellen. Der „Freie Journalist bei der Tageszeitung DIE WELT (bis 2002)“ war laut Tagesspiegel ebenfalls nur ein mehrwöchiges Praktikum. Als er nach eigener Aussage maßgeblich mithalf, die Rhön-Kliniken an die Börse zu bringen, war er 18 Jahre alt. Seine anschließende Tätigkeit im Aufsichtsrat der Kliniken hat ihn schätzungsweise zweimal jährlich zu einer lockeren Runde in die Röhn geführt. Der Tagesspiegel vermutet gar, diese Tätigkeit habe „nur auf dem Papier gestanden“. Hat der überhaupt schon mal etwas gemacht? Egal. Da sammelt man Erfahrung!

Jedem mittleren Angestellten würde solche Frisiererei den Job kosten. Es wäre die genuine Aufgabe eines auch nur halbwegs kritischen Journalismus gewesen, das nicht erst abzuchecken, wenn ein Bremer Jurist ermittelt, dass mit Guttenbergs Doktorarbeit etwas nicht stimmt.

Stattdessen kamen die Fotos vom Popstar auf dem Times Square, in Afghanistan, von seiner Charity-Frau etc., die mittlerweile legendär sind.

Das solle man nicht vergessen, wenn manche Meinungsführer jetzt kritisch daherkommen. Hauptsache Event, Spektakel. Und klar, dass Springer den Herren mit der „verwegenen Charakter- und Lebensmelange“ (Selbsteinschätzung im Diss.-Vorwort) weiterhin verteidigt. Wer im Boulevard so gut ankommt und gleichzeitig neoliberalste Pläne schmiedet, der ist Milliarden Wert.

Zumindest für die gängige Klientel der Uni Bayreuth.

Dieser Beitrag wurde unter Kapitalismus, Medien, Neoliberalismus, Politik abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

16 Antworten zu Uni Bayreuth: es lohnt sich

  1. Nihilist schreibt:

    Nun, Lügengebäude sind bei Lügnern ja Standard. Nun eine „kleine Lüge“, damit nicht die viel größere Lüge ans Licht kommt. Er habe seine Arbeit noch einmal gelesen und festgestellt, das er gravierende Fehler … es habe das bisher nciht bemerkt … er verzichtet auf den Doktor …

    Nun, wer das noch glaubt, zieht sich seine Unterhose sicherlich mit einer Kneifzange an. Und das Merkel, das kann den nicht feuern, denn wen würde die CSU sonst schicken.

    Bananenrepublik Deutschland – wieder einmal zu erkennen. Nur die „auf dem rechten Auge blinden“ werden das nicht können.

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  2. genova68 schreibt:

    Ja, die Begründung gestern Abend war eine Farce. Einerseits PR-technisch interessant, weil er genau die Taktik fährt, die Erfolg verspricht: Auftritt in der Provinz vor Ergebenen, Kritik an denen da in Berlin, an nörgelnden „Hauptstadtjournalisten“, Zurschaustellung angeblicher Demut, Eingestehen von Fehlern. Geschickt auch, dass er die Arbeit von Wiki ignoriert und so tut, als habe er das bei einer Durchsicht seiner Arbeit am Wochenende selbst festgestellt.

    Wenn er mit der Nummer durchkommt, haben wir wirklich sowas wie eine Berlusconisierung der deutschen Politik. Die Schleimspur sollte zu offensichtlich sein.

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  3. genova68 schreibt:

    Auch nicht schlecht: die Verbindungen zwischen den Rhönkliniken und der Uni Bayreuth:

    „Die RhönKliniken AG gehört zu den Stiftern des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. Das Institut unterstützt dafür die RKA bei strategischen Projekten im Bereich der neuen Medien.“

    Und Bertelsmann hängt natürlich auch mit drin.

    http://www.arztwiki.de/wiki/Rh%C3%B6n-Kliniken

    Mit dank an Hartmut:
    http://kritikundkunst.wordpress.com/2011/02/22/fazit/

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  4. genova68 schreibt:

    Und noch etwas lesenswertes zum Thema:

    „Sarah Palin in den USA macht es vor, welche unglaublichen Erfolge man mit diesem anti-elitären Ticket einfahren kann: Jeder Professor, der ihr Irrtümer und Fehlschlüsse nachweist, jeder Journalist, der sie als ahnungslos und bescheuert und totalen Blindgänger entlarvt, macht sie nur stärker. Je massiver und anspruchsvoller die Kritik, desto klarer liegt für ihre Anhänger auf der Hand: Die da oben wollen sie nur fertig machen. Also halten wir da unten um so mehr zu ihr.

    Dieses anti-elitäre Ticket ist jetzt für Guttenberg reserviert.

    Vielleicht will er es gar nicht? Vielleicht missfällt ihm der Palin-Stil? Egal. Guttenberg ist ein Geschöpf der CSU. Die steht mit dem Rücken zur Wand, ihr Vorsitzender Seehofer ist schwach und unbeliebt, die Partei voller Selbstzweifel. Guttenberg war und ist der Einzige, der ihr Hoffnung gibt.

    Wenn die akademische Elite ihm künftig tendenziell mit zugehaltener Nase begegnet, dann hat das nur zur Folge, dass die akademische Elite für die CSU an Bedeutung verliert. Dann muss sie das an anderer Stelle kompensieren.

    Und was liegt für eine Partei, die dem Rechtspopulismus auch so schon nicht allzu fern steht, näher, sich dafür des anti-elitären Tickets zu bedienen?“

    http://verfassungsblog.de/wenn-guttenberg-zurcktritt/#comments

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  5. Pingback: Popstar und Schaumschläger? - Roberts Kolumne

  6. ziggev schreibt:

    bei charta auch diese sehr feine Analyse:
    http://carta.info/38443/guttenbergs-wettertannenrede-eine-analyse/

    und hier bleibt KT trotz allem (trotz Sarah Palin Ticket) konservativ:
    http://rotstehtunsgut.de/2011/02/22/palin-sarkozy-berlusconi-obran-%E2%80%A6-guttenberg/

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  7. Moslemistan schreibt:

    Der Ruf der Uni Bayreuth hat sicherlich Schaden genommen, schon allein dadurch, dass sie nun immer im Zusammenhang mit dem Plagiat gebracht wird. Dabei übersieht man allerdings sehr leicht, dass es „politische“ Professoren gibt. Konkret: Professoren mit Parteibüchern. Es wäre sicherlich kein überraschender Zufall, wenn jemals herauskäme, dass der Doktorvater des Freiherrn Mitglied der CSU ist. Und/oder der Freiherr mit einem Stipendium der Hans Seidel-Stiftung seine Promotion finanzierte (obwohl die Guttenbergs sicherlich ein beachtliches Vermögen besitzen). Die parteinahen Stiftungen sind immer sehr hilfreich bei der Vermittlung von passenden Professoren. Da geht dann auch die Dissertation glatt und mit Schummel Cum Laude durch.

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  8. Robert schreibt:

    Zum Thema Universitäten haben wir alle wohl etwas übersehen, worauf uns die FR heute in Berufung auf Bundeswehrangehörige hinweist:

    Es kann doch nicht sein, dass jemand, der für zwei Bundeswehr-Universitäten verantwortlich ist, bei denen jedem Prüfling der Kopf abgerissen würde bei einem ähnlichen Vorfall, einfach mal nebenbei seinen Doktor zurückgibt und glaubt, damit wäre die Sache ausgestanden.

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  9. genova68 schreibt:

    So ist es, Moslemistan. Ich hoffe, dass die Rolle von Häberle und Co. in der Diskussion noch stärker in den Blickpunkt rücken wird. Ebenso das vermutete Beziehungsgeflecht zwischen der Provinzuni, ihren Förderern, mächtigen Familien wie den Guttenbergs und der Privatwirtschaft. Ich gehe davon aus, dass die kritischen Teile der Journalistenschaft sich nun darum kümmern. Das stinkt zu deutlich, als dass man sich nicht auf die Suche nach der Quelle begeben müsste.

    Interessant ist vieles andere an der Geschichte, vor allem aufmerksamkeitsökonomisch. So existierte beispielsweise bis heute nur eine Umfrage zum Thema, die sich repräsentativ nannte, nämlich die von Emnid, die von der Bild am Sonntag in Auftrag gegeben worden war. Die haben allerdings nur 500 Personen befragt, was in der Branche ein No go ist, weil eine auf Deutschland bezogene Umfrage nur repräsentativ sein kann, wenn mindestens 1000 Personen, eher 1100, glaube ich, befragt werden, und das nach extrem seriösen Kriterien. Erst dann lässt sich repräsentativ hochrechnen. Ich vermute, dass die „Bild am Sonntag“ die Umfrage sehr schnell brauchte und Emnid ihre Befragung dann einfach abgebrochen hat.
    Es wird hier also eine Öffentlichkeit hergestellt, deren Realität im Dunkeln liegt.
    http://www.abendblatt.de/politik/article1792208/Umfrage-Guttenberg-hat-Kredit-verspielt.html

    Für den „Stern“ befragte Forsa 1004 Personen, und zwar am 17. und 18.2. Das Ergebnis ist immer noch sehr wohlwollend für Guttenberg, allerdings haben sich seitdem die Fakten ein wenig geändert.

    Ich denke, der Journalismus hätte jetzt eigentlich die Aufgabe, die KETTE von Guttenbergs Lügen klarer herauszustellen. Der Mann ist ein Wiederholungstäter. Erst am Montag behauptete er noch, er habe sich am Wochenende seine Dissertation noch einmal angesehen und plötzlich erschreckende „handwerkliche Mängel“ festgestellt. Das ist faktisch gelogen, das wäre nicht durchführbar gewesen. Diese Arbeit haben hunderte Menschen bei Wiki übernommen. Und dann fragte er: Wie konnte das passieren? Er weiß natürlich genau und am besten, wie das passieren konnte: Entweder bewusstes Abschreiben oder Ghostwriter.

    Dreiste Lügen also selbst beim vorgeblichen Aufklären. Die Union steht geschlossen hinter Guttenberg, womit bewiesen sein dürfte, dass von Wertkonservatismus bei diesen Gestalten keine Rede mehr sein kann.

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  10. genova68 schreibt:

    Ja, Robert. Wobei mir die derzeitigen Anspielungen auf „soldatische Ehre“ Bauchschmerzen bereiten.

    Nochmal kurz zum Wertkonservatismus: FAZ und andere konservative Zeitungen schäumen und forden mehr oder weniger deutlich Guttenbergs Rücktritt. Es läuft derzeit einzig über Guttenbergs vermeintliche Popularität. Solange die klassische Bunte-Leserin und der monarchiegläubige Provinztrottel hinter ihm stehen, hat der Baron nichts zu befürchten. Die strukturellen Ähnlichkeiten mit Berlusconi sind unübersehbar.

    Oder der ultrakonservative Norbert Geis, CSU, bei Bedarf jederzeit über Werteverfall und die bösen Schwulen wetternd, faselte gestern Abend bei Maischberger davon, dass Guttenberg durch „Stahlgewitter“ gehe und er jetzt standhaft bleiben müsse, das würde ihn letztlich aufwerten. Die Lügen sind egal, Kleinigkeiten.

    Diese Asis müssten mit ihren eigenen Mitteln enttarnt werden.

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  11. Robert schreibt:

    Soldatische was? Ich habe den FR-Artikel so verstanden, dass an den „Oberbefehlshaber“ der Bundeswehr-Unis andere Maßstäbe angelegt werden als an die Studierenden.

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  12. genova68 schreibt:

    Ja, dennoch kamen in Zusammenhang mit Guttenberg jetzt ein paarmal Bemerkungen in die Richtung, angesichts der großen soldatischen Ehre müsse Guttenberg zurücktreten. Das stand nicht in der FR.

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  13. Robert schreibt:

    Weshalb Guttenberg zurücktritt ist mir egal ;-)

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  14. genova68 schreibt:

    Ist es eigentlich mittlerweile normal, dass Redakteure der BILD-Zeitung in Talkshows sitzen? Blome war bei „Hart aber fair“ und „Illner“, lese ich gerade im Spiegel.

    Die Sitten scheinen überall zu verlottern.

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  15. genova68 schreibt:

    Wer ist eigentlich Karl Ludwig von Guttenberg?

    http://kress.de/kresskoepfe/kopf/profil/15266-karl-ludwig-von-guttenberg.html

    Jedenfalls leitender Redakteur bei der Bild.

    Und Anna von Bayern? (Die heißt wirklich so):

    http://www.faz.net/s/RubBE163169B4324E24BA92AAEB5BDEF0DA/Doc~E273F48DD91F24B978BD3A9649E5A87E9~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Anna von Bayern ist BamS-Journalistin, hat eine Biographie über KT geschrieben und die dann auch SELBST – unter ihrem Namen – in der BamS besprochen. Es gibt so manches

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  16. Pingback: Dissertation: Plagiatsvorwurf gegen Guttenberg - Seite 18 - Erwerbslosen Forum Deutschland (Forum)

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