Yang Jie: „Ich habe niemals ein iPhone gesehen“

Der Schriftsteller Ulrich Peltzer in seiner Dankesrede zur Verleihung des Heinrich-Böll-Preises 2011:

Yang Jie, ein achtzehnjähriger Arbeiter, der in Zentralchina von morgens acht bis abends acht die Silberrahmen für iPhones herstellt, im Gestank einer nicht klimatisierten Fabrikhalle, gibt zu Protokoll: „Die Firma hatte versprochen, dass wir alle zwei Stunden eine zehnminütige Pause machen können. Aber das war gelogen. Wenn ich ins Wohnheim zurückkomme, zittern meine Beine vor Erschöpfung. Ich habe niemals ein iPhone gesehen, werde auch nie die Chance haben, eins zu benutzen. Ich bin nicht stolz, iPhones zu produzieren. Alles, was ich dem Vorstandschef von Apple sagen will, ist, die Arbeiter nicht länger so auszubeuten.“

Kommentierend dazu schreibt Peltzer, „dass Apple auch dann noch 50 Prozent Gewinn bei jedem iPhone erzielen würde, wenn das Unternehmen den chinesischen Arbeitern zehnfach höhere Löhne zahlen würde.“

So geht das. 143 Euro im Monat kriegen Arbeiter wie Yang Jie. Wohlgemerkt NACH der 30-prozentigen Lohnerhöhung wegen einer Selbstmordserie der Arbeiter.

Vor einigen Jahren brachte der Spiegel eine ähnliche Rechnung, bezogen auf Turnschuhe von Nike. Die geben ein Paar irgendwo in Südostasien in Auftrag, zahlen dafür sechs Dollar inklusive Schnürsenkel und verkaufen es in den USA für 100 Dollar. Die Käufer zahlen deshalb so viel, weil das Produkt emotional aufgeladen wurde, wie man sagt, durch Werbung, Sponsoring etc. Das Geld dafür hat Nike, weil es Hungerlöhne zahlt. Je schlechter also die Produzenten der Schuhe entlohnt werden, desto mehr Geld bleibt übrig, um den Produkt das Markenimage zu verpassen, damit trendige Menschen in Europa und Amerika ein Mordsgeld auf den Tisch legen und auch noch meinen, das sei es Wert. Wobei sie da nicht unrecht haben. Es funktioniert ja.

Ganz praktisch eigentlich. Mal abgesehen von dieser Masse an schuftenden Asiaten. Gott sei Dank sind die in der Regel namenlos. Bis auf Ausnahmen wie Yang Jie.

Dieser Beitrag wurde unter Kapitalismus, Neoliberalismus abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu Yang Jie: „Ich habe niemals ein iPhone gesehen“

  1. Peleo schreibt:

    Es ist eine Schande, was da geschieht, auch im Textil- und Spielwarenbereich.

    Aber liegt die Verantwortung allein bei Nike oder Apple? Werden die Geräte der anderen Firmen anders hergestellt als bei Foxconn? Was ist mit den Eigentümern – könnte der nicht auch bessere Arbeitsbedingungen schaffen – als Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den westlichen Konzernen?

    Und die chinesische Regierung? Mindest-Arbeitsbedingungen vorzuschreiben dürfte in einem autoritären Regime doch kein Problem sein.

    Bei uns würde vielleicht eine Steuer auf Werbungsausgaben helfen. Vielleicht würden die Produkte dann aber noch teurer, ohne dass die Arbeiter etwas davon haben.

    Like

  2. InitiativGruppe schreibt:

    Frühkapitalismus. Zu viele Arbeitskräfte stehen zur Verfügung – denen bleibt erst einmal nichts anderes übrig, als sich ausbeuten zu lassen.

    Es wird sich ändern – in dem Maße, in dem die Arbeitskräfte knapper werden, die Anforderungen an die Qualität und die Notwendigkeit, sich mit dem Firmenerfolg zu identifizieren, größer.

    Das wär die klassische Erwartung.

    Firmen müssen zur „Moral“ gezwungen werden, durch die Arbeiter selbst und durch den Staat als „Geschäftsführer“ der Gesellschaft.

    Die Arbeiter, die Selbstmord begangen haben, haben ihren Kollegen einen großen Dienst erwiesen. Sie sollten ihnen ihnen ein Denkmal setzen. Und mal bei Apple anfragen, ob die Firma dieses Denkmal finanzieren könnte und ob man es gleich am Werkstor, unübersehbar für alle, platzieren darf. Der Apple-Chef könnte persönlich zur feierlichen Enthüllung kommen. Es wird sich sicher auch ein chinesischer Künstler findet, der das Denkmal würdig gestaltet.

    Like

  3. genova68 schreibt:

    Wie kommst du darauf, dass die Arbeitskräfte knapper werden? In China vielleicht, Ein-Kind-Politik, aber das weiß ich nicht, denn es gibt ja immer noch ziemlich viele Chinesen. Anderswo wird es jedenfalls immer mehr Arbeitskräfte geben. Wenn Arbeiter durch Beteiligungen mehr Macht im Betrieb erhielten, gäbe es diese Ausbeutungsszenarien wohl weitaus seltener. Die Denkmalidee finde ich gut :-)

    Like

  4. InitiativGruppe schreibt:

    Meines Wissens haben die Planer in China bereits das Ende des Arbeitskräfte-Überschusses im Auge. Viele Firmen sind schon weiter ins Inland gerückt, um die dort noch billigeren Arbeitskräfte zu nutzen, die ortsgebunden sind bzw. nicht in die Industriezonen an der Küste wandern wollen oder können. In 10 Jahren könnte das Potenzial ganz ausgeschöpft sein – wenn es so weiter geht. (Einen Rückschlag, eine Krise wird’s sicher mal geben; wir wissen nicht, wie China das bewältigen wird.)

    Like

  5. Pingback: Mondschein: "Gib mir die Welt plus fünf Prozent!"

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..