Studien zum autoritären Broder

Manchmal zeigt der Kulturkämpfer Henryk Broder unfreiwillig, wes Geistes Kind er ist. In einem Beitrag auf der Internetseite Achse des Guten beschwert er sich über die Reaktion der Bundesrepublik auf den Mord an der Ägypterin in Dresden. Das iranische Außenministerium hatte, laut Broder, die Mitgliedsländer der islamischen Konferenz aufgefordert, einen Ausschuss zu bilden, der solche Vorfälle untersuchen solle und den „täglich wachsenden Hass gegenüber Immigranten und religiösen Minderheiten in Deutschland“ kritisiert. Dazu Broder:

„Das Berliner Aussenamt unternahm nicht einmal den Versuch, die Anschuldigung zurückzuweisen und sich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik zu verbieten, wie es die Iraner routinemässig tun, wenn deren Behandlung religiöser Minderheiten, wie zum Beispiel der Bahai, kritisiert wird.“

Deutschland soll also so reagieren, wie es der Iran getan hätte. Dass der Iran ein Unrechtsstaat ist, würde Broder sicher sofort unterschreiben. Deutschland soll sich offenbar genauso verhalten. Dass die deutsche Politik anders reagiert als Ahmadinedschad macht Broder ihr allen Ernstes zum Vorwurf. Umgekehrt würde Broder sicher die iranische Aufforderung, sich nicht in innere Angelegenheiten einzumischen, nicht akzeptieren, zu Recht.

Ist das intellektuelle Unterbelichtung? Nur bedingt. Es ist Broders Hang zu vereinfachender Sichtweise. Doch die rührt daher, dass er gerne Feindbilder bedient, deren Inhalte letztlich egal sind. Hauptsache, ein Feindbild existiert, und das möchte gefüttert werden. Damit unterscheidet er sich psychologisch nicht allzusehr von den Islamisten und überhaupt Hasspredigern jeglicher Couleur. Broder und die Hassprediger kennzeichnet das, was der Volksmund „dumm geboren und nichts dazugelernt“ nennt. Nicht, weil ihnen das intellektuelle Potenzial fehlen würde, sondern weil sie nichts dazulernen wollen.

Deshalb entgeht ihm, dass auch seiner nächster Vergleich, drei Absätze weiter, daneben ist. Ein Deutscher türkischer Abstammung hat einen 23-jährigen deutschstämmigen Hamburger mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Broder beschwert sich, dass die Kanzlerin dazu keine Stellung bezogen habe. Doch beide Fälle sind nicht vergleichbar. Die Tat war nicht geplant und es gibt bislang keinen Anhaltspunkt, dass der Täter sich sein Opfer nach dessen Nationalität ausgesucht habe. Genau das unterstellt Broder. Es ist der Gaul „Feindbild Muslim“, der mit ihm durchgeht, sonst nichts.

Anhänger hat Broders Billigweltsicht viele. Hass verkauft sich gut, gerade wenn er vermeintlich humorvoll daherkommt. Insgeheim findet Broder das iranische Regime wahrscheinich garnicht so schlecht. Die tun wenigstens was und markige Sprüche können beide gut.

Letztlich hat Adorno schon in den 1940er Jahren in seinen „Studien zum autoritären Charakter“ das Wesentliche zum Thema gesagt. Das liest nur keiner mehr.

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6 Antworten zu Studien zum autoritären Broder

  1. Max Krapp schreibt:

    Arne Hoffmann hatte recht, die Einschätzung ist gelungen, auch wenn ich nicht ganz Deiner Meinung bin.
    Ich denke, dass zumindest Broder und einige seiner Kumpels genau wissen, was sie tun.
    Sie sehen die doppelten Maßstäbe, die Du sehr schön beschreibst, und nutzen sie gezielt aus, um Hass zu schüren.
    Natürlich merken viele ihrer Anhänger das nicht.
    Aber im Grunde ist das ja egal, das Ergebnis ist erschreckend. Broder, die Antideutschen und PI teilen sich hier die Arbeit.
    Broder trifft das meist uninformierte Spiegelpublikum, die Antideutschen versuchen, die „intellektuelle“ Linke zu unterwandern, und PI macht die Jauchegrube des Internets, denn diese Kerle sind sich wirklich für nichts zu schade.
    Das schlimmste dabei ist, das es auch noch funktioniert.

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  2. hanneswurst schreibt:

    „Die Achse des Guten“ – ist das nicht eine satirische Webseite? Und wenn nicht, besagt dann der Titel nicht, dass dort Vorpolarisiertes angeboten wird? Deswegen kann ich mich über Broders Artikel nicht richtig aufregen, er meint halt der Kotau der Deutschen Regierung sei überbordend. Sicherlich, weil das gegenüber Israel gute 60 Jahre lang eingeübt wurde. Natürlich völlig zu recht. Aber jetzt ist langsam mal Schluss mit Verständnis für jeden religiösen Eiferer, egal ob Islamist oder Zionist (die ja mehr gemeinsam haben, als zunächst angenommen werden könnte; ähnlich wie ultralinke und ultrarechte Positionen ja auch viele Gemeinsamkeiten aufweisen). Insofern kann man Broders Zeilen als einen rührenden Aufruf zur Abwendung vom Betroffenheitsgetue und hin zu sinnstiftenden Diskussionen verstehen.

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  3. Leila irvanipour schreibt:

    @hanneswurst

    Was haben Zionismus und Islamismus gemeinsam?

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  4. hanneswurst schreibt:

    @Leile irvanipour:

    Zum Beispiel das -ismus, ein Hinweis auf einen Denkansatz, der mehr auf Überlieferung und Überzeugungen beruht, als auf individueller Sinnfindung.

    Beides sind Interessensgemeinschaften, die eine Multi-Level-Marketing-Strategie verwenden und deren Ursprung im Monotheismus der Wüste liegt.

    Selbstverständlich gehört auch der Katholizismus in die Aufzählung. Der Kommunismus und Nationalsozialismus erst recht. Wer Ideologien fördert und diese missbraucht um Nationen zu konstruieren, zu vergrößern oder Menschen, die nicht dieser Ideologie anhängen zu bekehren, zu verdrängen, oder auszurotten sollte mit Freiheitsentzug nicht unter 1000 Jahren bestraft werden.

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  5. her schreibt:

    Ich bin zwar etwas spät dran, aber…

    @hanneswurst:

    Wie kommst Du zu Deinen (politischen, ethischen, etc.) Urteilen, wenn nicht durch (Deine) Ideologie?

    Würfelst Du Deine Urteile, folgst Du Deinen Trieben oder einfach nur Befehlen?

    Was soll ein Mensch ohne ideologische Konzepte sein? …und was unterscheidet einen solchen Menschen – der, da er ja keine Ideologie (also auch keinen Argumentationsrahmen) hat und somit keiner seiner Handlungen begründen oder auch nur bezeichnen kann (wie soll eigentlich Sprache ohne Ideologie (d.h. ohne jegliche intelektuelle/philosophische/begriffliche Konzepte) funktionieren?) – was unterscheidet also solch einen Menschen wahlweise von einem Roboter oder einem Einzeller.

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  6. hanneswurst schreibt:

    @her:

    …Antwort wegen Urlaub stark verspätet:

    Unter einer „Ideologie“ verstehe ich etwas anderes als ein Sprachspiel oder ein Selbstbild, ich beziehe mich eher auf das, was als „negative Konnotation“ unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ideologie erwähnt ist.

    „Ideologiefrei“ bedeutet für mich nicht das gleiche wie „ethisch indifferent“ oder „gleichgültig“, vielmehr halte ich ethisches Handeln unter der Ägide einer Ideologie für schlichtweg unmöglich, da die Handlung durch eine Maxime vorgegeben ist und persönliche ethische Reflektion durch ein Messen am vorgegebenen Wertekanon ersetzt wird.

    Unter Ideologien subsummiere ich entsprechend ausgeübte Religionen und politische Fanatismen, Ideologien dieser Form sind die maßgeblichen Ursachen von Intoleranz bis hin zu Paranoia und Völkermord.

    Was einen Menschen von Robotern und Einzellern unterscheidet ist in der Tat eine schwierige Frage, scheint ein Haufenparadox zu sein.

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