Schnelltests – Warum erst jetzt?

Wir haben in Deutschland mittlerweile 68.000 Corona-Tote. In Taiwan sind es neun. Dort gibt es die Schnelltests seit langem in jeder Apotheke. In Südkorea auch. Tote dort: 1.500. Die Leute haben die Tests zuhause und setzen sie immer dann ein, wenn es sinnvoll ist: Wenn man unter Menschen geht oder sich mit Angehörigen von Risikogruppen trifft. Ein effizientes Kontrollinstrument. Es gab in den deutschen Medien vergangenen April ein paar Artikel dazu. Man hat das Ergebnis nach 15 Minuten. Ich dachte mir seinerzeit: Super, damit ist das Problem unter Kontrolle.

Dann: großes Schweigen. Kekulé forderte im August Schnelltests für alle. Die Forderung wurde ignoriert. Ansonsten: keine Berichterstattung, keine Ideen. Jetzt wird der Gedanke wieder hervorgekramt. Viele Experten sagen, Schnelltests seien in Bezug auf die Pandemieeindämmung so wirksam wie Impfungen, wenn sich jeder zweite Bürger zweimal pro Woche testete. Die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sieht Schnelltests nun als „Gamechanger“. Lauterbach bezeichnet sie als „massiven Beitrag“, um eine dritte Welle zu unterbrechen. Selbst Kinder sollen das selbst durchführen können. Auch wenn diese Tests nicht völlig zuverlässig sind, wären sie weitaus besser als nichts.

Spahn will ab März kostenlose Schnelltests für alle. Die Kosten (angeblich 550 Millionen Euro) dafür sind lächerlich, vergleicht man sie mit den Kosten des Lockdowns.

Wieso erst jetzt? Warum kommt kein Journalist auf die Idee, nachzufragen? Warum wurden Schnelltests nicht schon im April in Millionenzahl produziert?

Zu dem Thema finde via google kaum etwas. Lediglich einen Artikel aus der Welt, der das Problem zaghaft anspricht:

Auch Björn Schittenhelm glaubt, dass der Markt die nun wohl rasant steigende Nachfrage locker bedienen kann. Mit dem nötigen Geld könne er „von heute auf morgen zehn Millionen Schnelltests einkaufen“. Der Apotheker aus dem baden-württembergischen Böblingen wundert sich, dass die Bundesregierung erst jetzt stärker auf Schnelltests setzt. Am begrenzten Angebot könne das jedenfalls nicht liegen: „Der Markt ist voll von Tests“, meint Schittenhelm.

Alleine die Schweizer Firma Roche stellte schon im September 40 Millionen Schnelltests her. Bis Dezember sei die Zahl auf 90 Millionen pro Monat gestiegen. Der Konkurrent Abbott, berichtet die Welt weiter, hat

von August 2020 bis heute … 200 Millionen Schnelltests in 120 Länder weltweit geliefert.

Der Spiegel fragt, warum die Schnelltests erst jetzt kommen, verheddert sich aber in Details. Liest man ein wenig zwischen den Zeilen, wird klar: Man kann den Verantwortlichen, allen voran der Bundesregierung, den Vorwurf machen, für 60.000 Tote verantwortlich zu sein.

Vielleicht liegt die deutsche Zurückhaltung daran, dass man die Tests nicht in Deutschland produziert, sondern dass da asiatische Länder vorne dabei sind? Macht man sich deshalb lieber monatelang Gedanken darüber, ob man sich nun mit zwei Personen aus drei Haushalten oder mit drei Personen aus zwei Hauhalten treffen darf?

120 Länder mit Schnelltests: Warum fällt es keinem Journalisten ein, hier nachzuhaken? Bei 68.000 Toten hierzulande? Man erging sich lieber monatelang darin, über die Coronapappnasen Trump und Bolsonaro zu berichten. Immer mit der Botschaft: WIR sind viel besser.

Ähnliches gilt für die Masken. FFP2 ist offenbar ein sinnvoller Standard. Dennoch behauptete man viele Monate lang, man müsse sich nur irgendeinen Stofffetzen vors Gesicht binden.

Ich habe in Teilen den begründeten Eindruck, dass der deutsche Journalismus im Arsch ist. Man schreibt voneinander ab, man kommt nicht auf die einfachsten kritischen Fragen.

Es ist eine Haltung, die im Grundsatz davon ausgeht, dass Deutschland super ist, die Italiener sowieso nichts auf die Reihe kriegen und sich ein Blick auf Asien nur lohnt, wenn man T-Shirts für drei Euro abgreifen will.

Es ist eine Art neuer deutscher Nationalismus oder die typisch deutsche Überheblichkeit, die sich in der nicht-existenten Berichterstattung über Schnelltests ausdrückt: Merkel ist die Beste, und wenn die das nicht aufs Tablett bringt, muss man sich nicht darum kümmern.

Selbst wenn es gute Gründe gegen die Verwendung von Schnelltests gäbe, müsste das ein Thema in den Medien sein. Stattdessen: Schweigen, das aus Bräsigkeit, Konformismus, Zeit- und Kostendruck resultiert.

Vielleicht gibt es mittlerweile zu viele junge Journalisten, denen vor allem Bekenntnisberichterstattung am Herzen liegt. Man geht mit Ahnungslosigkeit hausieren und stellt sich selbst in den Mittelpunkt. Es ist eine Art neuer deutscher Boulevard, der da entstanden ist. Ein schönes Beispiel ist das Y-Kollektiv: Öffentlich-rechtlich, auf eine junge Zielgruppe fokussiert und mit medialen Preisen überhäuft. Dabei geht es dort vor allem darum, dass sich die Journalisten selbst darstellen und nach jedem Interview mit großen Augen in die Kamera prusten, dass sie jetzt ganz schön platt seien. Die Anstrengung der Recherche im Vorfeld wird ersetzt mit vermeintlicher Authentizität und persönlicher Betroffenheit. Wichtig ist auch da das korrekte Gendern.

Die grundsätzlich linke Ausrichtung von Y-Kollektiv ist natürlich ok, die journalistische Qualität ein Scherz.

Es gibt, so mein Eindruck, eine merkwürdige Polarisierung: Während die Rechte Merkel als Hassfigur aufbaute, ist die Linke zu Kritik ihr gegenüber nicht mehr fähig. Vermutlich, weil sie aus der Atomkraft ausstieg und die Flüchtlinge aufnahm. Das scheint heute zu reichen. Alleine die Tatsache, dass diese Frau in ihrer Eigenschaft als Bundeskanzlerin seit 2005 für die gigantische Umverteilungsmaschine Gentrifizierung verantwortlich ist und dagegen nichts tut, müsste auf linker Seite für eindeutige Rücktrittsforderungen sorgen. Kleine Gruppen mit wenig Reichweite sind die Ausnahmen der Regel.

Es scheint, als ob es eine ernstzunehmende Linke nicht mehr gebe. Zwischen Querfront und Identitätsaktivisten ist eine Lücke entstanden, die dem Kapital gelegen kommt.

Es läuft.

(Foto: genova 2019)

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13 Antworten zu Schnelltests – Warum erst jetzt?

  1. neumondschein schreibt:

    …der nächste, der sich über Monopolpresse/Systempresse/Mainstream-Medien beklagt. Über mangelnde Vielfalt, große Fresse, Tiefeninkompetenz, Indoktrination, Belanglosigkeit und Regierungsnähe. Was hat die Monopolpresse geschrien! 200000 Tote in Amerika. Und schuld ist allein Trump! Und hier in Deutschland: Wir seien das Land, das am besten durch die Krise gekommen ist. Wie in der DDR. Drüben nur Unrecht und Krise und hier bei uns alles klaro wegen kluger und umsichtiger Politik der PARTEI.

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  2. Jakobiner schreibt:

    Heute morgen Zwischenbilanz der 2Jahre Wohnungsinitiative der Groko auf ntv.Ziel 1,5Millionen Wohnungen zu bauen nicht erreicht,wie viele gebaut wurden und zu welchen Mieten interessiert nicht.Keine Nachfrage,zudem taucht der Kurzbericht,der eher eine Randnotiz ist nur im Börsenfernsehen auf,mit der unvermeidlichen Frage,was das für Anleger und Investoren bedeutet.Man erfährt nur,dass Mietpreisdeckel hinderlich seien,aber dass es genug Wohnungen in höheren Preislagen genug gebe.

    Aber warum sollten die Medien auch berichten?Es gibt keine Massenbewegung gegen zu hohe Mieten,Wagenknachts Aufstehen ist gerade fulminant gescheitert,scheint keinen zu kümmern und die moralischen und hilflosen Appelle des VdK, nicht einmal des DGB scheinen den Mietern zu genügen.Oder man zieht hält um.

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  3. Jakobiner schreibt:

    Korrektur:Das Ding hatte den grosssprechersichen Namen Wohnungsoffensive,blieb aber eher in der Etappe und Defensive hängen.

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  4. neumondschein schreibt:

    Bekannte Verschwörungstheoretiker argumentieren ähnlich wie exportabel!:

    https://www.anti-spiegel.ru/2021/and-the-winner-is-die-duemmste-kolumne-zum-thema-impfen-im-spiegel/

    Was machen wir denn jetzt?

    Wagenknechts Aufstehen gibt es noch. Nur ohne Wagenknecht.

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  5. genova68 schreibt:

    neumondschein,
    in dem Artikel dieses Verschwörungsverrückten geht es mit keinem Wort um Schnelltests. Bitte hör auf mit den fake news. Vielleicht sollte ich sowas löschen.

    Es gibt schon eine Massenbewegung in Sachen Wohnen. In Berlin läuft die Enteignungsinitiative zu Deutsche Wohnen und anderen. Der Mietendeckel wäre ohne Bewegung von unten nicht verwirklicht worden. In München gibt es auch eine neue Initiative diesbezüglich. Die Mieten in Berlin sind im Vergleich zu vor zwei Jahren leicht gesunken, bundesweit ist das einzigartig.

    Aber es geht in dem Bereich um wahnsinnige Summen aufgeblasener Werte. Nicht um ein bisschen Wordingarbeit.

    Seehofer macht das, was dem Kapital gefällt, das sollte man so klar sagen. Merkel lässt ihn gewähren. Aber was will man von der Union anderes erwarten. Das Problem ist eher, dass Merkel bis weit ins linke und grüne Lager Unterstützung erfährt.

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  6. neumondschein schreibt:

    Der Markt regelt alles. Wer etwas anderes meint, ist verschwörungsbekloppt oder exportabel. Denn das kommt in der Presse nicht vor. Der hier ist deshalb auch verschwörungsblöd:

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  7. Jakobiner schreibt:

    Von diesen Bewegungen kriegt man medial nichts mit und eine gemeinsame bundesweite Demo scheint bisher auch nicht zustandegekommen zu sein.Die letzte bundesweite Demo,die es auch Mal für einen Tag in die Presse schaffte war die TTIP-Demo mit 250 000.Aber das ist Jahre her und letztlich hat Trump und nicht diese Demo TTIP gestoppt.

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  8. genova68 schreibt:

    https://www.ausspekuliert.de/

    Die Seehofersche Präsentation der miserablen Zahlen bei neuen Wohnungen heute nutzen eine Reihe von Medien zum Desavouieren des Berliner Mietendeckels.

    Beispielhaft das hier:

    https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/angebot-an-wohnungen-hat-sich-halbiert-mietendeckel-hat-dramatische-folgen-fuer-neu-berliner/26942216.html

    Nur noch halb so viele Mietwohnungen im Angebot, massive Preissteigerungen in Potsdam und im Berlinnahen Umland, illegale Zusatzmietverträge etc.

    Das zeigt nur, dass den Vermietern das Heft komplett aus der Hand genommen werden muss. Wohnen muss komplett in staatliche Regie. Vorher müsste man dem Staat allerdings sein asoziales Verhalten abgewöhnen.

    Für kapitalhörige Medien ist die Schlussfolgerung das Gegenteil: Investoren müssen mehr bauen.

    Es ist eine intellektuelle Katastrophe, aber so läuft es.

    Gerade kam ich am Alex vorbei. Dort werden momentan drei Investorenhochhäuser hochgezogen: Monarch, Voltair und noch so ein Kasten. Voltair, Büros, wird beworben mit „spannenden Arbeitswelten mit einem besonderen Spirit“, über Preise findet man nichts. Monarch bietet Wohnungen. Die Idee, 35. Stockwerke zu bauen, ist ok. Angeboten werden die Wohnungen derzeit für 28 Euro pro qm. Kalt, vermute ich.

    Die Architekten sind bekannte Namen: Ortner und Ortner beim Monarch, Jürgen Meyer bei Voltair. Prostituierte des Kapitals.

    Das sind die Realitäten. Es gibt in Berlin faktisch keinen günstigen Wohnungsbau, es wird nur darüber geredet. Man könnte auch doppelt so viel bauen, die Preise würden nicht runtergehen. Und zwar solange es noch weltweit Leute gibt, die Betongold suchen. Etwas anderes wird der Monarch auch nicht werden. Kein Mensch wird dort wohnen, direkt am Alex, direkt an der Leipziger Straße, ohne jedes Grün, eine Betonwüste. Es ist reine Investorenarchitektur. Dass sowas entstehen darf, zeigt, in welchen Land wir leben.

    Für kapitalhörige Medien ist das Problem aber der Bestand, bei dem durch den Mietendeckel die Mieten gedeckelt werden.

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  9. neumondschein schreibt:

    ganz einfach: der Staat muß massenhaft Wohnungen bauen, und in den Gegenden, in denen er das tut, soziale Infrastruktur schaffen. So wie es die DDR mit Marzahn vorgemacht hat. Dann kann der Staat die Preise diktieren, in dem er die neugeschaffenen Wohnungen zu den Bedingungen anbietet, die er sich wünscht. Wenn der Staat ausreichend Bier brauen würde, und den Liter für 1.30 EUR das Liter anböte, so daß es für jeden reicht, dann müßten Private entweder billiger oder besser anbieten.

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  10. jakobiner schreibt:

    Seehofer leitet ein Ministerium für Inneres,Wohnungsbau und Heimat.Schon eine interessante Kombination.Jedenfalls scheint Wohnung nicht Heimat zu sein oder aber ein Fall für den inneren Frieden.

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  11. Jakobiner schreibt:

    Oder ein Fall für die innere Sicherheit oder wie FJStrauss immer zu pflegen sagte:Kein Haus in Bayern bleibt länger als 24 Stunden besetzt.

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  12. neumondschein schreibt:

    neumondschein, der alte commie, hat Mitstreiter gewonnen:

    pic.twitter.com/tHfDtRgMvU— Julia 🤝 (@remarksist) February 22, 2021

    https://platform.twitter.com/widgets.js

    Baut mehr Marzahns und Hohenschönhausen!

    Eigentlich ging es ja um die Verfügbarkeit von Schnelltests. Is aber egal jetzt! Jetzt machen wir Wohnungen beschaffen für arme Leute.

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  13. Jakobiner schreibt:

    Interessanter Vorgang: Ein BR-Moderator lästert über eine kitschige südkoreanische K-Pop-Boy-Band, die hemmungslos covert und zieht eine internatinale Welle von Rassismusvorwürfen nach sich:

    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/bts-fanproteste-der-tag-als-bayern-3-k-pop-twitter-kennenlernte-a-82ed8de7-eee6-4bc8-b718-e3b91422b097

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