Karl Lauterbach und die Vernunft in der Politik

Ein zwar langes, aber sehens- und hörenswertes Interview von Jung und Naiv mit Karl Lauterbach. Es bestätigt meine in den letzten sechs, sieben Monaten entwickelte Vermutung, dass es sich hier um einen guten und seriösen Politiker des Bundestags handelt: Bescheiden, konstruktiv, unprätentiös, uneitel, an Fakten orientiert und er gibt Fehler zu. Ich verstehe nun auch, warum er einen Dissens mit Streeck hat. Es geht vor allem um Prognosen, also um etwas, bei dem eh keiner etwas bestimmt behaupten kann.

Lauterbach ist einer, der seine Haltung zu Corona seit dem Ausbruch differenziert weiterentwickelt hat. Er ist zwar kein Redner vor dem Herrn, aber vielleicht hält ihn genau das zurück, es zu übertreiben. Keinerlei Demagogie und kein Narzissmus. Ich weiß nicht, welche Standpunkte Lauterbach sonst nocht vertritt, seine SPD-Mitgliedschaft macht ihn nicht gerade unverdächtig. Seine Art des Auftritts ist überzeugend, sowohl formal als auch argumentativ, das ist nicht das Schlechteste.

Lauterbach plädiert in dem Interview für die Freigabe von Cannabis, eventuell auch für die Freigabe von Kokain, für ein totales Tabakwerbeverbot, für die teilweise Rekommunalisierung von Krankenhäusern, für eine Vermögenssteuer, für höhere Einkommenssteuern für Gutverdiener und derzeit vor allem für eine an wissenschaftlichen Grundsätzen orientierte Coronapolitik. Für letzteres wird er von sogenannten Kritikern im Umfeld der Covidiotie angepöbelt und seine Familie bedroht, aber auch von vermeintlichen Freiheitskämpfern wie dem FDP-Kubicki verunglimpft. Lauterbachs Ex-Frau, auch eine Medizinerin, behauptete übrigens im August, ihr Mann sei vor allem Politiker, sie hingegen Expertin. Sie behauptete auch noch, die Pandemie sei vorbei und Maßnahmen überflüssig. Wer Recht hatte, weiß man nun, wenn man nicht völlig verstrahlt ist.

Der Hass, den man im Netz gegen Lauterbach erlebt, scheint mir gerade in seinen positiven Eigenschaften, in seiner Seriosität zu liegen. Die sogenannten Kritiker spüren, dass sie ihm nicht das Wasser reichen können. Sie können inhaltlich keinen Punkt machen. Genau deshalb hassen sie ihn. Wäre er ein Führertyp, sie hassten ihn weniger.

Lauterbach in der Politik und Drosten in der Wissenschaft: Hätten wir mehr solcher Kombinationen, es liefe besser.

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19 Antworten zu Karl Lauterbach und die Vernunft in der Politik

  1. Chris schreibt:

    Wie Recht du hast!

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  2. genova68 schreibt:

    Bist du der Chris, der hier früher öfter kommentierte? Willkommen.

    Apropos Covidioten: Einer der von der AfD in den Bundestag eingeschleusten Youtuber nennt sich Elijah Tee. Er zeigt in diesem Video, wes Geistes Kind er ist:

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  3. Jakobiner schreibt:

    Querdenken hat jetzt als neuen Starredner Samuel Eckert, Erwckungsprediger, der die Apokalypse und den Erstickungstod durch die Maske predigt.Querdenken nimmt immer mehr die Züge einer religiösen Erweckungsbewegung an:
    https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88633476/corona-leugner-mit-dem-netten-querdenker-samuel-eckert-in-die-apokalypse.html

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  4. genova68 schreibt:

    Ja, der Eckert ist ein christlicher Prediger und vor allem ein Selbstdarsteller. Er hat keine Probleme mit Nazis, auch nicht mit Hildmann und er ist ein schönes Beispiel für das Neue dieser Bewegung: Rechts und links verschwimmen offiziell, Querfront eben, und deshalb kann man sich mit jedem Nazi gemein machen und macht das auch.

    Diese Bustour scheint ein großer Erfolg zu sein. Es ist mir ein Rätsel, dass es so viel Menschen gibt, die auf diese Leute hereinfallen. Diese völlige Verwirrung in den Köpfen ist wohl wirklich etwas neues und erinnert an die Nazis vor 33.

    Ich empfehle das Video dieses Eliah Tee. Der ist einerseits eloquent und man könnte ihn als irgendwie liberal bezeichnen. Oben zeigt er sein anderes Gesicht. Vielleicht ein Psychopath? Er ist vielleicht nicht untypisch für diese Bewegung: narzisstisch veranlagt und skrupellos, dabei politisch vermutlich komplett ungebildet.

    Schön zu beobachten war am Mittwoch in Berlin auch das Orwellsche umwerten: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hans-Jörg Müller, rechtsextrem, kam während der Sitzung raus und sprach zu den Demonstranten. Er bezeichnete dabei das neue Infektionsschutzgesetz als Ermächtigungsgesetz. Er suggerierte also, die Regierung seien Nazis und er sei der Retter der Demokratie. Dabei verhält es sich objektiv genau umgekehrt. Die AfD hätte gerne wieder ein Ermächtigungsgesetz, und zwar dann, wenn der Bundeskanzler Höcke oder Weidel heißt.

    Wenn Gruppen es schaffen, Begriffe in ihrer Bedeutung komplett zu drehen, könnte das schon gefährlich werden. Es gibt da Parallelen zu den Nazis, die bei Bedarf auch Kämpfer für die Arbeiter waren, also Sozialisten, und eigentlich nur den Frieden wollten.

    Dieser Müller ist auch bekennender Reichsbürger. Wie gesagt, Bundestagsmitglied.

    Unangenehm ist, dass offenbar viele relative harmlose Bürger diesen Nazis auf den Leim gehen. Lächerlich und typisch deutsch ist die Attitüde, aus der Ablehnung der Maske eine revolutionäre Tat zu machen. Das gibt es vermutlich nur in Deutschland.

    Die Unbildung, oder vielleicht einfach der Unwille zum Denken, schreitet voran. Auch ein Ausfluss neoliberaler Ideologie.

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  5. Chris schreibt:

    Danke, ja, hier habe ich früher öfter kommentiert.Lesen tue ich noch immer sehr gerne!
    Im übrigen: die Chris, aber das tut ja nichts zur Sache.

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  6. Jakobiner schreibt:

    Es ist einmal Zeit nicht immer nur eine besorgte Minderheit von sogenannten“ kritischen“ Bürgern in den Querdenkern und ihren Mitläufern zu sehen und opportunitisch und naiv immer nur beste Motive zu unterstellen. Meistens sind es eben doch Covidioten, liberalesoterische Spinner und Verschwörungsfanatiker. Entscheidend ist aber , wem dies Lemminge hinterherlaufen. Der Chef von Querdenken, Michael Ballweg hat klar gesagt, dass er eine neue Verfassung will und die Verfassung abändern. Wie sagt er bezeichnenderweise nie. Es liegt auch kein alternativer Verfassungsvorschlag von ihm vor. Wie die anderen mehr rechten Coronademos seitens Börsig-Hover, Dr. Erfurt ud Dr. Stroer oder AfD, die eine Neue Zeit, einen deutschen Friedensvertrag (als befinde sich Deutschland noch im Kriegszustand) fordern , so ist hier ein anderer als der jetzige demokratische Staat gewollt. Zudem bei den meisten Coronaleugnerndemos auch Rechtsradikale massenhaft mitgehen und Michael Ballweg im MDR diese zuerst nicht gesehen haben wollte und dann aber wieder einräumte, dass wenn es diese doch gebe, dies alles Leute vom Verfassungsschutz und agent provocateurs wären.Diese Leute, ob Querdenken oder AfD oder ihr Umfeld wollen eine andere Republik und gehen nun dazu über, auch schon den Bundestag zu attackieren gemeinsam Abgeordnete zu beleidigen, belästigen und zu bedrohen. Auch nimmt Querdenken mit dem Erweckungsprediger Samuel Eckert nun religiöse Endzeitzüge an, da er die Apokalypse predigt,weswegen sich auch seine Adventistengemeinde von ihm distzanziert hat. Die frohe Botschaft: Den Menschen müsse es erst richtig schlecht gehen, denn nur in der Dunkelheit erkenne man das Licht und den Weg zu Gott und zu seiner Lichtgestalt Samuel Eckert.Der neue Luther, als den er sich sieht verbreitet nun auch schonseine Botschaften auf einem Kinderkanal. Von daher sollte man sich nicht nur der Forderung von Thomas Wagner anschliessen , diese Coronademos seitens der Gemeinde als unwillkommen zu erklären, sondern Söders Vorschlag, diese Szene einmal vom Verfassungsschutz durchleuchten zu lassen, wenn sie denn schon eine andere Verfassung wollen ernsthaft zu überlegen

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  7. neumondschein schreibt:

    Der Kanal „Sceptique“ sollte sich einen Lektor zulegen. Es heißt «mutmaßlich&rqauo;, nicht «mutmaslich». – neumondschein, der Rechtschreibnazi

    Aber immerhin erkennt man daran, daß er nicht von George Soros bezahlt wurde. Denn der hätte Lektoren bezahlt und außerdem verhindert, daß „Sceptique“ die Freilassung Julian Assange fordert.

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  8. neumondschein schreibt:

    Hat Elia T. einen bürgerlichen Namen? Welche Straftaten soll er begangen haben?

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  9. genova68 schreibt:

    Wer redet von Straftaten?

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  10. neumondschein schreibt:

    «mutmaslicher Straftäter» steht da geschrieben im Video.

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  11. genova68 schreibt:

    Es geht um die Rechtsradikalen, die im Bundestag herumspaziert sind. Was denen juristisch vorgeworfen wird, weiß ich nicht.

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  12. genova68 schreibt:

    Ein informativer Artikel heute in der FAZ über Querdenken (leider hinter einer Bezahlschranke). Der Chef Ballweg hat sich mit Reichsbürgern getroffen, um ein gemeinsames Vorgehen auszuloten.

    Der Artikel gibt einen guten Überblick über den Rechtsextremismus und das Verschwörertum in der Szene der Coronakritiker. Es ist zwar schon lange klar, aber hier schön zusammengefasst: Diese Bewegung drohte nie, von rechts unterwandert zu werden, sie war von Anfang an rechtsesoterisch, verschwörungsideologisch, naziaffin, rechtsextremistisch, und zwar ganz oben in Organisationsebene. So langsam scheint sie zu zerbröseln.

    Interessant ist dieser Michael Ballweg. Er sieht aus wie ein knuffiges Stofftier und als ob er niemandem etwas zu leide tun könne. Dabei scheint er ein überzeugter Reichsbürger und Verschwörer zu sein.

    Es wäre typisch deutsch, dass sich eine rechtsradikale Bewegung immer weiter radikalisiert und dadurch irgendwann auseinanderfällt. Das war mit der NPD Ende der 60er so, mit den Republikanern in den 80ern, jetzt mit der AfD und im Zeitraffer mit Querdenken.

    Es gibt auch kein europäisches Land, in dem rechtsradikale Esoteriker und Verschwörer so stark sind wie in Deutschland. Woran liegt das? Es ist ein Trauerspiel, dass diese Typen es locker schaffen, 40.000 auf die Straße zu bringen, und zwar alle paar Wochen wieder. Diese Verbindung aus Nazis und besorgten Müttern dürfte in Deutschland wirklich einzigartig sein. Es hat wohl etwas mit dieser typisch deutschen Mischung aus Angst, Überlegenheitsgefühl und Naziaffinität zu tun.

    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/querdenker-um-michael-ballweg-treffen-reichsbuerger-peter-fitzek-17070780.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3

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  13. genova68 schreibt:

    P.S.: Ein schönes Beispiel für einen dummen Menschen: Prof. Dr. Christian Kreiß, VWL-ler. Er unterstützte monatelang querdenken und sagte sich jetzt öffentlich los:

    https://www.heise.de/tp/features/Meine-Erfahrungen-mit-Querdenken-4964911.html

    Der Typ behauptet allen Erntes, es sei ihm erst jetzt im November aufgefallen, worum es sich bei Querdenken handele. Man fasst es nicht.

    Seine Biographie lässt einen erstaunen: Experte für die Bundestagsfraktionen von Grünen, Linken und SPD, verdi-Mitglied, Verfasser zahlreicher linker Bücher.

    Wie kommt so jemand zu einem Professorentitel? Jemand, der sich monatelang von Rechtsradikalen vor den Karren spannen lässt und sich vermutlich als Linken begreift. Jemand, der offenbar zu ein bisschen Recherche nicht in der Lage ist? Geht es da um einen psychischen Defekt?

    Es ist mir unerklärlich.

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  14. Hugo schreibt:

    Zu Kreiß: „Ich halte Great Barrington für einen richtigen Weg.“ https://gbdeclaration.org/die-great-barrington-declaration/
    Da sind soviele ganz wackelige Konjunktive drinne, das als „Strategie“ zu verkaufen ist fahrlässig.
    Ebenso sind „wir“ ned die USA, wo das: „Zu den Ergebnissen, um nur einige zu nennen, gehören niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der psychischen Verfassung – was in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Übersterblichkeit führen wird.“ ob des dortigen Gesundheitssystems incl. der Überforderung durch den völlig außer Kontrolle geratenen Infektionsverlauf vermutlich sogar richtig ist. Haben aber auch genug deutsche Professor*innen unterschrieben *kopfpatsch*.

    @ Karl Lauterbach; hab die Tage nen Artikel gelesen, wo stand, daß der auch parteiintern angegiftet wird, weil er wohl Wählerstimmen kostet. In einer funktionierenden Demokratie müsste die SPD froh sein, daß sich einer der Ihren als Fachmann unabhängig als großen Mahner ins Spiel gebracht hat. Evtl. ist „die Gesellschaft“ dann doch nen Zacken zuuu neurotisch, um den Unterschied zwischen Bedenken und Panikmache zu erkennen. Macht Lauterbach halt eher ned@Panik und sich in irgendwas verrannt hat der sich auch ned.

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  15. genova68 schreibt:

    Danke für den Hinweis auf die Great-Barrington-Erklärung. Die kannte ich nicht. Ob die sinnvoll ist oder nicht: Es wäre zumindest eine Möglichkeit für alle Kritiker der aktuellen Coronamaßnahmen, sich zu artikulieren, ohne mit Rechtsradikalen zu paktieren. Wenn in einer Gesellschaft plötzlich alle einer Meinung sind, ist das nicht nur gespenstisch, sondern für alle nachteilig, da Kritik positiv wirkt.

    Evtl. ist „die Gesellschaft“ dann doch nen Zacken zuuu neurotisch, um den Unterschied zwischen Bedenken und Panikmache zu erkennen.

    Wohl wahr.

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  16. Anna Lind schreibt:

    Lauterbach ist der CHEF-NEUROTIKER / und Hysteriker im ganzen BUNDESTAG…

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  17. genova68 schreibt:

    Danke für diesen niveauvollen und fundierten Beitrag. Gut auch, dass du das Wichtige großgeschrieben hast, ich hätte es sonst übersehen.

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  18. Hugo schreibt:

    Da der Schrägstrich einen Ausschnitt aus nem Gedicht suggeriert, würde es für die Gesamtleistung im Deutschunterricht nur ne 4 geben (Anna konnte den Text halbwegs auswendig); die Betonung müsste nämlich auf DER liegen und „Bundestag“ groß impliziert, daß allen „Insassen“, auch den selbsternannten Dauernormalen und -entspannten Volkszertreter der AfD, ihre mehr oder weniger großen Schaufeln Matsch am Paddel bewußt wäre.
    Wenn mensch dem alten Trapper Karl in die Flinte pissen will, möge sie/er ihm so küchentischpsychologisch ne Psychose (Paddel bleibt im Matsch stecken, es wird mit den Händen weitergerudert) attestieren. Die Adelung hat sich eher der Sachsen-MP (dessen Name ich versuche, erfolgreich ned in mein Archiv aufzunehmen) redlich verdient. Der war sich letzte Woche ned zu schade, (endlich sagts mal einer) „autoritäre Maßnahmen“ einzufordern.

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  19. genova68 schreibt:

    Ja, die kommunikativen Bemühungen von Frau Lind haben Optimierungspotenzial. Aber mir fällt bei der Gelegenheit ein, dass die Zeit der Blogs vorbei ist, zumindest als Kommunikationsmittel. Früher gab es viel mehr Leserbeteilgungen, mehr Kommentare. Heute sieht man auch hier die gespaltene Gesellschaft, glaube ich. Oder es sind alle bei Facebook. Vielleicht auch nicht das schlechteste. In einem Blog gibt immer der Betreiber das Thema vor. Wobei: Wenn ich mir die Diskussionsverläufe hier bei Exportabel anschaue, kann man das nicht unbedingt sagen. :D

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