Einige sehr grundlegende Gedanken zur Theorie der intellektuellen Abgehängtheit in der Provinz

„Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen.“

(K. Marx, Manifest der Kommunistischen Partei)

Das nebenstehende Foto – kürzlich im Bahnhof einer ganz normalen deutschen Kleinstadt aufgenommen – zeigt das so umfassende wie erschreckende Ausmaß des realen Idiotismus, dem die Landbewohner ausgesetzt sind. Um solche Bilder zu knipsen, muss man nicht extra nach Sachsen fahren, wie man vermuten könnte. Das Landleben ist überall.

Es gibt diese seltenen Momente, wo man nach einem mehrtägigen Aufenthalt in der intellektuellen Einöde den Bahnhofszeitschriftenhandel der nächsten Großstadt betritt und die Sichtung der aktuellen Ausgabe der konkret einem Glücksgefühle beschert: Man ist nicht allein. Oder: Neben der völligen und durch und durch ausgewachsenen Idiotisierung des Lebens gibt es noch ein paar Lebenszeichen.

Man sollte  – das hat mein Besuch in der Kleinstadt ebenfalls zweifelsfrei ergeben – auch mit der Mär des Landbewohners als des Meisters der Kommunikation über den Gartenzaun aufräumen. Der Landbewohner von heute schweigt wie ein Grab, operiert mit einem Laubbläser und liest TV mich und TV schlau. Es sind die Medien der „herrschende Klassen der Gesellschaft“ (Marx).

Das Dorfleben in Deutschland ist eine einzige Katastrophe, ein Hort der Unkultur, der Barbarei, des generellen Unwillens und des Inzests. Allein der vermutlich verbreiteten Sodomie kann man Positives abgewinnen.

Und man muss an dieser Stelle tatsächlich Positives über den Kapitalismus sagen, so wie Marx es getan hat: Hätte das Kapital seinerzeit nicht die Massen in die Städte gezwungen, es müssten heute noch mehr Menschen dem Landlebenidiotismus sich ergeben.

Danke dafür.

(Foto: genova 2018)

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16 Antworten zu Einige sehr grundlegende Gedanken zur Theorie der intellektuellen Abgehängtheit in der Provinz

  1. hANNES wURST schreibt:

    Ich finde es unfair, die intelligente „TV schlau“ auf eine Stufe mit den sehr dummen anderen Zeitschriften zu stellen. Man sieht schon daran, dass keine computergenerierte Blondine sondern eine computergenerierte Brünette auf dem Titel prangt, dass die „TV schlau“ viel mehr vom Leser verlangt.

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  2. hANNES wURST schreibt:

    Außerdem spricht es ja wohl für die Landbevölkerung, dass die FAZ ausverkauft ist.

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  3. genova68 schreibt:

    Lezteres ist richtig, das habe ich nicht bedacht. Ich bitte um Entschuldigung.

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  4. Peter Krauss schreibt:

    Hast du auch Lösungsvorschläge?

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  5. genova68 schreibt:

    Natürlich, lieber Peter Krauss. Das ländliche Lumpenproletariat muss von mir politisiert werden, auf dass sie ihre Ketten abschütteln und dann täglich die FAZ lesen.

    P.S.: Kannst du mir ein Autogramm schicken? Ist für meine Mutter, die liebt dich.

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  6. neumondschein schreibt:

    Konnte mir schon denken, daß das nicht in Sachsen aufgenommen wurde: war neulich (Weihnachten) nämlich in Chemnitz zu Besuch bei Verwandten. Im Zeitungsladen im Einkaufscenter enthielten der Zeitungsständer neben regionalen Blättern („Leipziger Volkszeitung“, „Freie Presse“) nur noch „Deutsche Stimme“, „Junge Freiheit“, „Nationalzeitung“ und „Preußische Allgemeine“. „Compact“ war aber nicht dabei. Der Zeitungsständer auf Deinem Bild hingegen zeigt an, daß die Bewohner des Kaffs, in dem dieser Zeitungsständer steht, zumindestens das Fernsehen nicht als „Lügenpresse“ ansehen.

    In der Innenstadt kann man darüber hinaus noch einige ausländische Titel bekommen. Daher weiß ich, daß die Russen etwas okkult-öko-mäß-versponnen drauf sind, obwohl unter ihnen Rudolf Steiner unbekannt ist. Machen einen ziemlich gammligen Eindruck. Und die Sprachen der anderen Zeitungen verstehe ich nicht. Sind Zeitungen hauptsächlich für Migranten.

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  7. Peter Krauss schreibt:

    Wenn Du mir Deine To-Do-Liste schickst, kriegst Du auch ein Autogramm.

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  8. hANNES wURST schreibt:

    Da ich mir auch eine Peter Krauss Autogrammkarte wünsche:

    1) Der gesetzliche Schutz vor inzestuöser Zwangsverheiratung muss in ländlichen Gebieten durchgesetzt werden.

    2) Private Alkoholbrennrechte werden anuliert – der Fusel tötet jede Gehirnzelle ab.

    3) Die Beachtung der Schulpflicht muss gerade auf dem Land auch forciert werden. Im Umreis von 100 Kilometern sollte es zumindest eine Grund- und eine Hauptschule geben.

    4) Internetanschluss und Mobilfunkversorgung gehören heute zur Grundversorgung und müssen auch in entlegenden Gebieten gewährleistet sein. Der Rundfunkempfang ist dafür zu unterbinden.

    5) Sozialarbeiter sollten in staatlichem Auftrag als mystische Heilkundler getarnt das Land bereisen und eine neutrale, politische Grundbildung vermitteln, die jedoch wie alte Märchen und Prophezeiungen vorgetragen wird.

    6) Auf den Marktplätzen der Dorfgemeinschaften werden wöchentliche Quizzveranstaltungen angeboten, bei denen alle, die ihr Wissen aus der aktuellen FAZ nachweisen können, Trachten und Kuhgeschirr gewinnen können.

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  9. genova68 schreibt:

    So ein Zufall: HannesWurst hat mir meine To-do-Liste aus dem Mund genommen. Exakt das sind meine Punkte. Punkt drei allerdings – das sei an dieser Stelle eingestanden – scheint mir allzu utopisch.

    So, Herr Krauss: Her mit den Autogrammen!

    neumondschein,
    der Zeitungsstand als zuverlässige soziologische Berichterstattung über ein Viertel, das ist ein interessantes Thema. Wenn man umziehen will, sollte man zuerst einen Zeitungsstand im favorisierten Viertel unter die Lupe nehmen.

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  10. Peter Krauss schreibt:

    Nee, nee. So hatten wir nicht gewettet.

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  11. Jakobiner schreibt:

    Punkt 7) Öffentliche und gesellige Bücher- und Zeitungsverbrennung der „Lügenpresse“ auf dem Dorfplatz,mit heimeliger Lagerfeuerromantik, die die Dorf- und Volksgemeinschaft zusammenschweisst.

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  12. hANNES wURST schreibt:

    Wie soll der Staat glaubhaft Punkt 6) ausrichten, wenn Punkt 7) die Durchführung eines Quiz zur politischen Bildung gerade behindert, Herr Jakobiner? Es sind solche Vorschläge, oder wohl eher Querschläge, die jeden Ansatz zur Vertrauensbildung der Landbevölkerung in die Politik zunichte machen. Da müssen Sie sich nicht wundern, wenn auch in Deutschland demnächst die Gelbwesten unsere Landstraßen blockieren. Bzw. in Deutschland wäre sicherlich die gute alte Mistgabel das Erkennungszeichen der Wahl.

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  13. hANNES wURST schreibt:

    Oder – nein: der Fahrradhelm.

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  14. Jakobiner schreibt:

    Ich halte es da eher mit der APPD: Für die totale Idiotisierung und Verblödung des ländlichen Raums, für die Balkansierung Deutschalnds und Arbeitslager für Arbeitswütige und Workoholics.

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  15. hANNES wURST schreibt:

    Die Versuche der Balkanisierung und Rückverblödung Deutschlands (mit Refugien für Arbeitswütige) der Pogo-Anarchisten sind mit bekannt, aber gehört auch eine spezielle Idiotisierung der Landbevölkerung zum Wahlprogramm? Ich dachte, es ginge um eine herkunftsunabhängige Verblödung.

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  16. Jakobiner schreibt:

    Die habe ich nach Genovas Artikel ergänzt–damit die APPD auch fürs Landvolk wählbar ist. Ansonsten hat die APPD für alles die Patentlösung, wie hier zu sehen::

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