Der Architekturtheoretiker Nikolaus Kuhnert in der arch+ (Nr. 229, 2017, S. 7 ff.) über die Diskussionskultur der deutschen Architekten nach 1945:
Den deutschen Architekten fehlte eine avancierte Terminologie, sie waren ausgebildet nach dem Motto der Rudolf-Schwarz-Debatte der 1950er Jahre: „Bilde Künstler, rede nicht.“
Es habe sich eine Tendenz entwickelt, die
später in der Berlinischen Architektur kulminierte, nämlich dass die Architektur autonom sei, unabhängig von den gesellschaftlichen Entwicklungen.
Das intellektuelle Vakuum, das der Nationalsozialismus hinterlassen hatte, wirkte sich in den 1950er Jahren noch überall massiv aus. Es fehlten die Worte. Und selbst ein Rudolf Schwarz, dem man zumindest architektonisch keine NS-Nähe vorwerfen kann, empfahl dem Künstler, die Klappe zu halten. Es ist wohl ein direkter Ausfluss einer Intellektfeindlichkeit, die sich aus eigenen Erfahrungen speiste. Schwarz war überzeugter Katholik, ließ sich mit den Nazis ein und übernahm 1941 die Stelle des Landesplaners für Lothringen. Reden kann da im Nachhinein auch belastend wirken.
Dieses Nichtreden, sich Nichtauseinandersetzen als typisch rechtes Phänomen, wo eine Autorität die Richtung vorgibt, zeigte seinen Ausfluss also in der Berlinischen Architektur der Nachwendezeit, dem steinernen Berlin. Daniel Libeskind hat dieser Architektur damals folgerichtig einen Faschismusbezug unterstellt, Neuteutonia.
Dieses dümmliche steinerne Berlin, das bewusst oder unbewusst an Preußens Gloria anknüpfte als Folge des Nationalsozialismus. Geschichte wirkt.
Interessant wäre es, einen Bezug zum Begriff der autonomen Architektur insgesamt herzustellen. Aldo Rossio war bekanntlich ein Verteter dieser Haltung: Architektur als Typologie, die man nur minimal verändert, die gesellschaftliche Bedürfnisse ignoriert oder vorgibt, sie schon zu kennen, ohne viel Gerede.
Autonome Architektur als absurder Begriff. Architektur ist niemal autonom, wie überhaupt der Begriff der Autonomie zwangsläufig ins Rechte hineinragt. Gesellschaften sind interdiszplinär und selbst Nordkorea ist nicht autonom. Den Begriff der autonomen Architektur könnte heute ohne weiteres die neue Rechte übernehmen, beispielsweise argumentierend, dass es eine autonome deutsche Architektur gebe, mit einem genius loci und einem genius germaniae. Für die Nutzer interessiert sich die neue Rechte nicht, vermutlich so wenig, wie sich Rossi dafür interessiert hat.