Vom Stolz auf deutsche Soldaten und der Scham des Widerstands

Gesehen im pfälzischen Deidesheim:

Gesehen im Jahr 2018, nicht 1944.

Alle tot wegen der Ehre in einem Krieg, der offenbar immer noch nicht vorüber ist. Wie ist das eigentlich mit der Ehre auf diesem merkwürdigen Feld: Hat man die Ehre noch, wenn man gefallen ist? Oder muss man vorher mannhaft umhergeballert haben? Und mindestens einen getroffen? Gibt es nach Meinung der  katholischen Pfarrei Deidesheim einen Krieg, in dem man unehrenhaft fallen kann? Oder ist selbst im perversesten Angriffskrieg die Ehre eingebaut? Hauptsache, man fällt?

Man sollte einmal die Pfarrei fragen. Oder Gauland, egal.

Man könnte sowieso einmal die deutsche Gedenkkultur untersuchen. Gefühlt seit den 1990er Jahren gibt es nur noch eine Widerstandsgruppe gegen Hitler, nämlich Stauffenberg und seine Kameraden. Die kamen bekanntlich zu großen Teilen aus einer rechtsradikalen Tradition, viele von der DNVP, so ziemlich alle antisemitisch, völkisch, monarchistisch, Kämpfer gegen die Weimarer Republik. Man kann diesen Leuten zwar dennoch Respekt für ihr Attentat zollen, aber es ist doch auffällig, dass jemand wie Anne Frank noch in den Niederlanden gedacht wird und Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten in der öffentlichen Gedenkkultur kaum eine Rolle spielen. Da kommt der Möchtegernführer im Wartestand Höcke ganz recht, gegen dessen Hundertachtziggradwendegeplapper man wettern und vom eigenen Rechtsruck ablenken kann.

Der deutsche Widerstand gegen Hitler hatte gefälligst von einer rechtsradikalen monarchistischen Elite auszugehen, für die man passenderweise derzeit in Berlin das Schloss wiederaufbaut.

Der Kieler Matrosenaufstand vom November 1918 war, um noch kurz beim Thema Gedenkkultur zu bleiben, ein Ereignis, das man tatsächlich stärker ins Bewusstsein rücken sollte. Da haben ganz konkret genkechtete Soldaten ihren Widerstand dagegen bekundet, für das dämliche Vaterland in den verlorenen Krieg zu ziehen und sich abballern zu lassen. Stattdessen: Matrosen und Arbeiter verbünden sich und fordern Sozialismus. Ausgerechnet die Leute, denen der Kadavergehorsam als höchstes deutsches Kulturgut eingeimpft worden war, machten Zicken. Die üblichen Gegner: Militärbonzen, Monarchisten, protestantische Christen und Industrielle. Sie forderten den Tod der Matrosen um der Ehre willen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch darüber nachdenken, ob das, was man damals Arbeiter- und Soldatenräte nannte, eine sinnvolle Alternative zur repräsentativen Demokratie mit freiem, nur dem Gewissen verpflichteten Mandat wäre, die bekanntlich von kapitalistischen Strukturen in wesentlichen Teilen ausgehebelt wird.

Bei ranghohen Politikern in einem kapitalistischen System von einem Gewissen zu reden, das funktioniere und das Gute garantiere, ist vielleicht doch allzu naiv.

Man könnte alleine bei einem Blick auf die Vermögensverhältnisse und auf die Gentrifzierung von der aktuellen Notwendigkeit einer Revolution sprechen. Wobei die interessante Frage nicht die nach der Notwendigkeit, sondern nach den Gründen des Ausbleibens ist. Wäre die Gesellschaft nicht derart neoliberal paralysiert, würden schon längst die Barrikaden brennen. Spannend wäre die Frage nach den heutigen Noskes. In der SPD wären das vermutlich fast alle. Vielleicht sollte man die aktuell herrschende Klasse auf ein ausgemustertes Kriegsschiff packen und sie bis ans Ende ihrer Tage auf dem hässlichsten Meer der Welt – i.e. Nordsee – umherschippern lassen. Eine zugegebenermaßen sehr harte Strafe.

Die CDU verhielt sich übrigens noch 1982 zum Matrosenaufstand eindeutig:

Im konservativen Lager galt die kollektive Befehlsverweigerung der Seeleute als Schande. Als im Kieler Ratsdienergarten 1982 ein Denkmal an den Matrosenaufstand aufgestellt wurde, blieben die Mitglieder der CDU-Ratsfraktion bis auf eine Ausnahme der Veranstaltung geschlossen fern.

Ein paar Jahre später wollten die gleichen Kameraden die Verbrechen der Wehrmacht vertuschen. Für solche Form der Geschichtsmodellierung brauchte es keine NPD. Es reichte eine Christenpartei. Was sagt eigentlich die Pfarrei Deidesheim zum Matrosenaufstand? Man befürchtet es zu wissen.

Die herrschende Klasse abschalten, forderte man in den 1980ern etwas technokratisch. Natürlich sollte man denen da oben aufs Maul geben. Was denn sonst? Es fehlen heute die Matrosen. Nicht nur in Deidesheim.

(Foto: genova 2018 und 2010)

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6 Antworten zu Vom Stolz auf deutsche Soldaten und der Scham des Widerstands

  1. neumondschein schreibt:

    Man könnte sowieso einmal die deutsche Gedenkkultur untersuchen. Gefühlt seit den 1990er Jahren gibt es nur noch eine Widerstandsgruppe gegen Hitler, nämlich Stauffenberg und seine Kameraden. Die kamen bekanntlich zu großen Teilen aus einer rechtsradikalen Tradition, viele von der DNVP, so ziemlich alle antisemitisch, völkisch, monarchistisch, Kämpfer gegen die Weimarer Republik. Man kann diesen Leuten zwar dennoch Respekt für ihr Attentat zollen, aber es ist doch auffällig, dass jemand wie Anne Frank noch in den Niederlanden gedacht wird und Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten in der öffentlichen Gedenkkultur kaum eine Rolle spielen. Da kommt der Möchtegernführer im Wartestand Höcke ganz recht, gegen dessen Hundertachtziggradwendegeplapper man wettern und vom eigenen Rechtsruck ablenken kann.

    Der deutsche Widerstand gegen Hitler hatte gefälligst von einer rechtsradikalen monarchistischen Elite auszugehen, für die man passenderweise derzeit in Berlin das Schloss wiederaufbaut.

    Den Zionisten zuliebe hat man hier in Deutschland eine Hierarchie unter den OdF (in der DDR gebrächliche Abkürzung für „Opfer des Faschismus“, z. B. gab es in vielen Gemeinden eine „Str. der OdF“) eingerichtet. Die Königsklasse unter den OdF stellen die Juden. In der zweiten Reihe unter den Juden findet man dann Homosexuelle, Zigeuner, Behinderte, Asoziale. Die dritte Ebene wird durch Linke, Kommunisten, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Anarchisten wie Erich Mühsam, der auch Jude war, gebildet. Und dann gibt es noch Parias unter den Opfern: sowjetische Kriegsgefangene, Deserteuere, Partisanen. Das erlaubt es Zionisten wie Moshe Postone, Faschisten von Nazis strikt zu unterscheiden. Kennzeichnendes Merkmal der Nazis ist, daß Juden unter ihren Opfern an erster Stelle stehen, während die Herrschaft gewöhnlicher Faschisten höchstens die Rechte anderer Volksteile beeinträchtigt. Genau genommen dürfe man Nazis nicht Faschisten nennen. OdF müßten also OdNS heißen. Auch wenn Hitler selbst von sich behauptet, bei Mussolini in die Schule gegangen zu sein, und seine Herrschaft das Original für den Faschismus darstellt. Auf diese Art können Zionisten auch das Apartheid-Regime in Südafrika, die Phalangisten in Spanien und südamerikanische Militärdiktaturen legitimieren und gleichzeitig die Nazi-Herrschaft verdammen. Linke finden freilich Apartheid und Militärdiktatur schlimm, aber Kritik an Zionismus verbietet sich natürlich von selbst. Wegen den Verbrechen der Nazis. Da muß sich alles andere unterordnen. Auch linke Positionen wie Pazifismus und Antiimperialismus. Da passen die Antideutschen auf. Genau dieselben Positionen vertritt aber auch die Partei ProChemnitz. Dort nennt man dieselben Positionen rechts. Genau wie unter Antideutschen sind Imperialismus und Kolonialismus für diese Partei kein Problem. Und der Haß auf Araber, Moslems auch nicht. Da demonstrieren welche von denen in Chemnitz, schwenken Israelfahnen, und skandieren Dinge, daß der Islam mindestens den Untergang des Abendlandes herbeiführen würde, was man auch von Dieter Nuhr im ZDF hätte erfahren können, und die ganze Welt schreit: „SKANDAL! Die Nazis sind wieder da!!!“ Da müßten doch wenigstens Zionisten diese Partei in Schutz nehmen! Chemnitzer Moslemhasser, noch dazu welche, die Israelfahnen schwenken, können doch keine Nazis sein!

    Anderswo blöken Poggenburg und Höcke irgendwelchen Bullshit ins Mikro. Aber, wenn der Holocaust drohen würde, dann wären sie diejenigen, die ihn in letzter Sekunde verhindern würden. Genau wie Bolsonaro, LePen und Trump. Davon sind Zionisten überzeugt. Denn das große Problem der Gegenwart ist der Islam, denn dessen Struktur gleicht der des Nationalsozialismus. Nicht die Rechten sondern möglicherweise muslimische Flüchtlinge stellen die große Bedrohung der Menschheit dar! Die armen Schweine in Osteuropa, die Europa gegen die Nazis verteidigt haben, die bis heute keinen Pfennig Entschädigung von deutscher Seite erhalten haben, die müssen derweil warten, bis sie tot sind. Dann gedenkt man ihrer, in dem man sie unter den Parias in der OdF-Hierarchie abheftet.

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  2. Peter Krauss schreibt:

    Diese Gedenktafel ist ja ein Hammer. Darf ich das Foto weiter verbreiten?

    Gruß

    Peter Krauss

    >

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  3. genova68 schreibt:

    Du kannst das Foto gerne weiterverbreiten, am liebsten mit Quellenangabe.

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  4. Hugo schreibt:

    Evtl. sollte mensch die Kirche vorwarnen bevor so ein Bild aus Versehen „viral“ wird. ;)

    Hier im Dorf gibts ein „Kriegerdenkmal“ in einem kleinen Wäldchen. Bin der Ansicht, egal wo den toten Soldaten gedacht wird, an/in Kirchen, auf Friedhöfen etcpp. , die Stätten sollen verwildern und dem Verfall preisgegeben werden. Die Leute, wo da noch irgendeinen direkten persönlichen Bezug zu haben, sind 80+ .

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  5. genova68 schreibt:

    Ja, es ist merkwürdig. Deidesheim ist ein Touristenort, der prominenteste an der Weinstraße. Dort ging Kohl mit seinen internationalen Besuchern gerne in guten Restaurants essen. Keine 300 Meter vom Hauptplatz entfernt steht diese Scheiße. Das Eis ist dünn.

    neumondschein,
    was ich zu schreiben vergaß. Wenn ein Kommentar mit „Den Zionisten zuliebe“ beginnt, höre ich auf zu lesen. Es ist zu offensichtlich.

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  6. neumondschein schreibt:

    also demnaechst „den Antideutschen zuliebe“. Das ist ja ungefaehr dasselbe…

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