Farbenlehre: Das Bauhaus zwischen rot und braun

Wie sich Geschichte wiederholt: Das Bauhaus Dessau hat die linke Band Feine Sahne Fischfilet ausgeladen. Die sollten dort am 6. November anlässlich einer Aufzeichnung des ZDF auftreten.

Die Ausladung ist konsequent.

Das Bauhaus war in der Weimarer Republik das, was man heute links oder linksextrem nennen würde. Hannes Meyer („Volksbedarf statt Luxusbedarf!“) war bekennender Kommunist und Bauhaus-Chef ab 1928. Form und Inhalt dachte er zusammen. 1930 wurde er abgesetzt, und zwar auf Druck der NSdAP, die in Dessau schon damals stärker war als anderswo. Zwei Jahre später bekamen die Nazis in der Stadt die komunale relative Mehrheit der Sitze im Stadtrat und machten das Bauhaus ganz dicht. Ein paar Jahre später mussten prominente Bauhäusler ins Exil gehen oder sie kamen ins KZ.

Nach 1945 wollte man von den Nazis nichts mehr wissen und nach 1990 wurde das Bauhaus-Design schick. Entkoppelt vom Inhalt ist die Form heutzutage eine Distinktionsmaschine für alle, die das brauchen. Ein paar tausend Euro für einen Freischwinger und schon ist man auf der Leiter ein paar Stufen nach oben geklettert. Es ist eine typische Vorgehensweise neoliberaler Gesellschaftspolitik. Der linke, progressive Ansatz des Bauhausdesigns wird geleugnet, stattdessen stellt man sich der kapitalistischen Verwertung zur Verfügung. Philipp Oswalt, linker Architekt und Bauhaus-Chef ab 2009, hat ein paar andersfarbige Tupfer gesetzt und den rechten Druck zu spüren bekommen.  Er ist 2014 von dem Posten abgetreten.

Die aktuelle Bauhaus-Chefin heißt Claudia Perren. Sie interessiert sich für

Hybriden, die sich zwischen den Disziplinen bewegen, und dabei Raum infrage stellen, um ihn neu zu definieren.

Aha. Als „Leitgedanke“ erläutert die Stiftung Bauhaus, man wolle

das Bauhaus in seinen Ideen und Themen lebendig erhalten und vermitteln. Die Stiftung arbeitet historisch reflexiv und fragt zeitgleich nach der heutigen Relevanz und den gegenwärtigen Potenzialen, die sich aus dem Bauhauserbe für das 21. Jahrhundert ableiten lassen.

Zur heutigen Relevanz gehört offenbar, sich von einer linken Band zu distanzieren. Vermutlich behagte ihr etwas Hybrides im interdisziplinären Raum nicht. Interessant auch, dass die Stiftung Bauhaus auf ihre Website das Thema totschweigt. Selbst in der Rubrik „Aktuelles“ ist nichts zu finden. Es ist auch eine dilletantische PR-Strategie, die an totalitäre Systeme vor der Etablierung des Internet erinnert.

Die aktuelle Bauhaus-Leitung ist wohl vor dem Druck von CDU, AfD und echten Nazis zusammengeklappt. Man befürchtet rechte „Demonstrationen vor der eigenen Tür“. Eine ziemlich unglaubliche Begründung: Wenn Nazis vor unserer Tür demonstrieren wollen, machen wir halt das, was die wollen. Es ist eine Einladung an den rechten Mob, Veranstalter zu bedrohen.

Das Management betont einfach, das Bauhaus sei Kultur und die habe unpolitisch zu sein. Eine Sprecherin sagte dem WDR:

„Wir als Bauhaus sind ein bewusst unpolitischer Ort.“

Das ist natürlich Unsinn und im Falle der Bauhausgeschichte ein gefährlicher, notwendig rechter Unsinn.

Das Bauhaus ist nicht unpolitisch und eine linke Band hätte eine Menge inhaltlicher Anknüpfungspunkte. Dass man die auslädt, spricht Bände. Der Kultusminister von Sachsen-Anhalt hat sich so zu Wort gemeldet:

„Ich halte die Idee, eine Punkrockband aus dem linken Spektrum mit entsprechenden Fans im eher kammermusikalischen Ambiente der Bauhaus-Bühne auftreten zu lassen, für nicht besonders überzeugend.“

Geilomat. Das Bauhaus ist also jetzt kammermusikalisch, abgehoben, Kulturelite. Der Bauhausgründer Walter Gropius hat in seinem Manifest 1919 noch die Gesamtheit von Architekt, Künstler und Handwerker betont. Es war das Gegenteil elitären Denkens. Bei der aktuellen Denke sollte man das Bauhaus in der Tat schließen, und zwar wegen Geschichtsklitterung.

Das Bauhaus, wollte es inhaltlich noch ernstgenommen werden, hätte natürlich die Aufgabe, dieses Punkkonzert auszutragen und damit ein Zeichen zu setzen, wie man sagt. Den Rest draußen erledigte die Polizei.

Hintergrund des Streits um diese skurrile Punkband ist wohl auch, dass sie als linksextrem gelten und früher in Verfassungsschutzberichten auftauchten. Auch hier ist eine rechte Strategie zu erkennen, die im bürgerlichen Lager populär ist, nämlich die Hufeisentheorie. Demnach ist der linke politische Rand genauso schlimm wie der rechte. Die AfD versuchte kürzlich, die Unteilbar-Demo zu diskreditieren, weil die MLPD und andere Linksextremisten mit von der Partie waren. Es wäre ein gefährliches Spiel, da nicht zu widersprechen. Die MLPD will diesen Staat umkrempeln, um den Kommunismus zu etablieren. Nazis wollen den Staat umkrempeln, um die Nazi-Ideologie erneut zu etablieren. Kommunismus kann etwas Nettes sein, NS eben nicht. Den Unterschied sollte man nicht verwischen.

Ausgerechnet das Bauhaus sieht das offenbar anders. Völlig klar ist: Wenn das Bauhaus sich historisch ernst nehmen will, muss es sich politisch positionieren. Und das bedeutet naturgemäß die Positionierung gegen rechts. Abgrenzung nach links ist überflüssig. Dass Rechte heute  ausgerechnet das Bauhaus wieder zum Ziel ihrer Angriffe machen, ist so logisch wie perfide. Es zeigt den Geist dieser Leute. Kulturell hat die Rechte noch nie etwas Interessants hervorgebracht. Sie kann nur abkupfern.

Übrigens: Nachfolger von Hannes Meyer wurde 1930 Ludwig Mies van der Rohe. Er richtete das Bauhaus stärker künstlerisch und vermeintlich unpolitisch aus, um es zu retten. Es half nichts.

1919 wird – ausgerechnet – Sachsen-Anhalt das 100jährige Bestehen des Bauhauses feiern. Man ahnt nichts Gutes.

P.S.: Dame von Welt hat zum Thema einen schönen Beitrag geschrieben.

(Foto: genova 2018)

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46 Antworten zu Farbenlehre: Das Bauhaus zwischen rot und braun

  1. neumondschein schreibt:

    Kammermusik ist nicht elitär! Merkt euch das! Kammermusik bedeutet einfach Aufführung im kleinen, intimen Rahmen, mit eingehenderem Austausch der Veranstalter mit dem Publikum. Der Gegensatz hierfür wäre Musik im Konzertsaal mit großer Besetzung oder Musik im Stadion mit Anna Netrebko, Luciano Pavarotti u.dergl. Diese Punkband mit Massen von grölenden Fans und großen Verstärkern gehört eher in letzere Kategorie, wenn auch die Besetzung klein ist. Im Grundsatz kann man jedoch manchmal auch eine Mucke einer Combo als Kammermusik ansehen, wenn sie in Clubs spielen, wenn sie Kabarett machen, mit dem Publikum kommunizieren, und ihre Musik nicht Hintergrund, Nebensache ist.

    Und klassische Musik war nicht überall und zu allen Zeiten elitär. Verdis Couplets waren zu seiner Zeit ausgesprochene Gassenhauer, und das Gespann Mozart/Schikaneder zielte auf das gewöhnliche Wiener Publikum.

    Also: Vergeßt Eure Vorurteile!

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  2. neumondschein schreibt:

    habe mal bei youtube nachgesehen, was zdf@bauhaus darstellt: Ich sehe ja schon seit 20 Jahren nicht mehr fern. Mit Frida Gold, MIA, Samy de luxe, Silbermond und vielen anderen hat das Bauhaus anscheinend kein Problem. Muß wohl wirklich an der politischen Ausrichtung der Combo liegen.

    Dem Schlußchor aus Beethovens Neunter oder Verdis Gefangenenchor, der heimlichen Nationalhymne Italiens, würde das Bauhaus jetzt sicherlich mit dem Argument abweisen können, daß ihre Räume für große Chöre ungeeignet wären. Da muß man nichts gegen den demokratischen Geist des progressiven Bürgertums sagen, der gerade in diesen Werken zum Ausdruck kommt. Viel stärker noch als in den o.g. Combos, FSFF eingeschlossen.

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  3. Jakobiner schreibt:

    „Die MLPD will diesen Staat umkrempeln, um den Kommunismus zu etablieren. Nazis wollen den Staat umkrempeln, um die Nazi-Ideologie erneut zu etablieren. Kommunismus kann etwas Nettes sein, NS eben nicht. Den Unterschied sollte man nicht verwischen.“

    Der Kommunismus der MLPD bedeutet Stalinismus und Maoismus und steht für Millionenfachen Masenmord und Massenelend. Kein Grund das zu verharmlosen. Von solchen Leuten sollte sich eine Linke klar distanzieren. Die Hufeisentheorie ist insofern falsch, als sie die Linkspartei oder die Grünen mit der AfD gleichsetzt. Erstere beide sind in der Demokratie angekommen, die AfD hingegen will eine völkische Dikatur. Aber MLPD ist etwas anderes, da stimmt ide Hufeisen/Totalitarismustheorie wieder und daher sollte man solche Gruppierungen wie die MLPD aus den Demos aussperren und sich klar davon distanzieren.

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  4. genova68 schreibt:

    Ja, das ist schon richtig, die MLPD ist eine absurde Partei, aber sie hat keinerlei Einfluss, sie ist sowieso isoliert, sie ist eine Art Sekte und egal. Sie tut niemandem weh. Man müsste bei einer Demo von 200.000 Leuten sich auf die Suche nach zwei MLPD-Transparenten machen oder man lässt es sein.

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  5. genova68 schreibt:

    Noch etwas Aktuelles zum Thema Kunst und Kommerz:
    Dem Rammstein-Sänger Till Lindemann gehören offenbar zig Häuser im Prenzlauer Berg. Nun hat ein Café, das in einem der Häuser ist, eine Mieterhöhung von 55 Prozent bekommen. Das Café schließt. Die Betreiberin sagt auf Befragung des Tagesspiegel:

    Sind Sie enttäuscht, dass Ihr Künstler-Café von einem Künstler geschlossen wird?

    Ich kann es nur so einordnen, dass es irgendwann krank macht, so viel Geld zu haben. Das ist Geldsucht, ich finde, das sollte man als Krankheit anerkennen. Man verliert dabei wohl den Kontakt zu sich und den Leuten. Lindemann hat sich völlig abgeschottet, ich selbst habe auch keinen Kontakt mehr zu ihm. Am Anfang, als er noch im Haus gewohnt hat, hat er sich noch hier im Café gezeigt. Auch Rammstein hat sich hier getroffen. Aber Lindemann hat sich hier schon lange nicht mehr sehen lassen.

    https://leute.tagesspiegel.de/pankow/talk-of-the-kiez/2018/10/18/60800/

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  6. Jakobiner schreibt:

    „Man müsste bei einer Demo von 200.000 Leuten sich auf die Suche nach zwei MLPD-Transparenten machen oder man lässt es sein.“ Selbiges gilt für den Sxhwarzen Block. Schwer die Leute rauszubringen, aber das macht es Kritikern leicht auf linksextreme Einflüsse zu verweisen, wie dies umgekehrt bei rechten Demos geschieht. Zumindestens sollte man bei Demoaufrufen und Unterstützerlisten diese Leute rausfiltern und nicht mit auf die Liste setzen.

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  7. genova68 schreibt:

    Ja, das ist ein Thema, wo es fast schon um Traditionen geht. Linksextreme Gruppen in Demos mit breiten Bündnissen sind seit 68 normal, Anti-AKW- oder Friedensbewegung waren da ganz locker, es liefen die lustigsten Leute in den Demos mit. Man machte daraus kein Aufhebens, fand die entweder skurril oder teilweise interessant, hatte aber keine Lust auf Ausschluss. Auch die Gewaltfrage wurde so gehandelt – jeder so, wie er das für richtig hält. Die AfD kann da einfach draufhinweisen.

    Ich fände es schon schade, beispielsweise die Interventionistische Linke da rauszudrängen, weil die im Verfassungschutzbericht als Autonome geführt werden. Solche Extremisten sind doch das Salz in der Suppe, das nötig ist, wenn man sich die Kapitalisierung der Gesellschaft anschaut. Aber klar, aus Sicht der AfD sind das Linksextremisten, die genauso verbannt gehören wie Rechtsextremisten. Letzteres passiert nicht und die Linke wird insgesamt auch einen Teufel tun und die IL aus diesen Bündnissen rauskicken. Als nächstes ist dann Marx21 dran.

    Man sollte halt, wie schon gesagt, auf den Unterschied zwischen dem Versuch, eine kommunistische Gesellschaftsordnung und dem, eine faschistische Gesellschaftsordnung zu errichten, unterscheiden. Der bloße Hinweis auf verfassungsfeindliche Bestrebungen greift da zu kurz.

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  8. genova68 schreibt:

    Don Alfonso über den Bauhaus-Streit:

    https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/article182590506/Don-Alphonso-Druck-auf-das-Bauhaus-Stalin-und-Ulbricht-gefaellt-das.html

    Skurrile Geschichtsklitterung. Der Held verkauft hier altbekannte historische Wahrheiten als neu und unbekannt. Und es ist die immergleiche Demagogie dieser Leute, Sachverhalte zu verkürzen und zu verdrehen. Das Bauhaus ist nicht links, weil van der Rohe nach 1933 versuchte, in Hitler-Deutschland an Bauaufträge zu kommen, bevor er 1938 in die USA migrierte. Das ist in etwa so, als würde ich behaupten, die CDU sei rechtsradikal, weil Gauland dort früher Mitglied war.

    Über die Band Feine Sahne Fischfilet schreibt er:

    Diese Band steht nicht für das Erbe des Bauhauses, sondern für den wiedererwachenden Ungeist des Totalitarismus, der nicht überzeugen, sondern buchstäblich physisch vernichten will und trotzdem von einer Parlamentarierin des Rechtsstaates BRD begrüßt und von der öffentlich-rechtlichen Anstalt ZDF gefördert wird …. Die Verachtung dieser Musikgruppe für die Bundesrepublik Deutschland, das wörtlich als „Dreck“ bezeichnet wird, die Zumutung des ZDF, so etwas zu finanzieren, und die Propaganda des DDR-Regimes, die heute wieder als Wahrheit gilt, sind der eigentliche Skandal dieser Absage.

    Die AfD hätte es nicht besser hingekriegt. Es kommt hier wie bei anderen Rechten das Unvermögen zum Vorschein – vielleicht auch nur der Unwille – Liedtexte, also Kunst, zu interpretieren, zu kontextualisieren, wenn nötig zu relativieren. Der Skandal ist also der Auftritt, nicht die Absage wegen Drucks von Nazis. So geht das heute. Bei dem Kameraden geht es auch nicht ohne den Hammer. Stalin hätte heute seine helle Freude an der Bauhausdiskussion und die Kritiker des Rauswurfs sind Opfer der DDR-Propaganda. Meine Fresse.

    Man müsste auch, wollte man sich mit dem konkreten Fall ernsthaft befassen, darauf hinweisen, dass das Bauhaus schon lange vom geplanten Auftritt der Band wusste und keine Veranlassung sah, sie auszuladen. Erst als rechte Gruppen mit Druck von der Straße drohten, kamen sie auf diese Idee. Scheint für Alfons kein Problem zu sein. Man verrät auch so seine wahre Gesinnung.

    Bekennt sich Alfons mittlerweile eigentlich offen zur AfD und Schlimmerem? Oder isser da noch verschämt? Interessant ist auch ein Blick in die Kommentare. Ohne Worte.

    Die soziale Funktion von Don Alfonso ist vermutlich wohl die, dass sich der gemeine deutsche Bildungsbürger, bislang als irgendwie links geltend, in seiner Umwandlung in einen Rechten freudig auf ihn beziehen kann: Seht her, der sagt es doch auch. Es würde mich nicht wundern, wenn der Typ früher oder später als, ähm, Mitdenker bei Kubitschek und Co. anheuerte.

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  9. dame.von.welt schreibt:

    @genova
    Man müsste auch … darauf hinweisen, dass das Bauhaus schon lange vom geplanten Auftritt der Band wusste und keine Veranlassung sah, sie auszuladen.

    Nö. Das Bauhaus wußte laut Direktorin seit 15.10. vom geplanten Konzert und hatte keine Veranlassung zur Ausladung von FSF, weil das Bauhaus FSF nie eingeladen hat, sondern mit der Konzertreihe lediglich Vermieter an das ZDF ist.

    Auch journalistisch schön: Rabea Weihser und Johannes Schneider, Zeit Online im Interview mit Claudia Perren, Direktorin des Bauhaus Dessau, mit Fragen wie:
    Kann es wieder zu Situationen kommen, in denen Sie das Bauhaus-Erbe ideell gefährden müssen, um es physisch zu erhalten?

    Don Alphonso ist zweifellos a class of its own, wobei ich den auch in Zukunft nicht in der AfD/Schnellroda vermute, sondern weiterhin eher bei bräunlichen Piraten- und Seeheimer-Kreis-Resten. Nicht, daß das irgendwie besser wäre.

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  10. Jakobiner schreibt:

    „Letzteres passiert nicht und die Linke wird insgesamt auch einen Teufel tun und die IL aus diesen Bündnissen rauskicken. Als nächstes ist dann Marx21 dran.“

    Naja, Marx 21, ehemaliger Linksruck und noch ehemaligere Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) sind Trotzkisten und auch nicht besser als Maoisten und Stalinisten. Auch wenn der Trotzki vom Stalkin einen Eispickel drüber bekam–hätte er umgekehrt genauso gemacht, aber so wuchs ihm die Opferrolle des harmlosen Märtyrers zu.Wozu braucht man diese Leute denn? Wäre mal eine Begründung wert. Warum kann eine demokratische Linke nichtz ohne Extremisten auskommen? Solidarität? Mit was eigentlich? „Rauskicken“ist wohl das falsche Wort. Wie gesagt: Man kann wohl nicht verhindern, dass sie auf einer Demo mitmarschieren (auch schon wegen des Ordneraufwands und dann absehbarer innerer Kämpfe, die dann vielleicht auch handgreiflich würde), aber bei einem Demorufruf muss man sich ja nicht als Unterstützer draufsetzen. Die können ihr eigenes Mobilisierungsflugblatt mit eigenen Forderungen und Texten ja selbst herausgeben.

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  11. Jakobiner schreibt:

    Ja, welches Argument führst du auf? Tradition. Die sollte man mal hinterfragen oder andernfalls vielleicht einem Trachtenverein betreten. Oder dass diese Gruppen Reformistendemos einen gewissen revolutionären Touch und Flair geben, denn diese ohne sie nicht hätten–so als Alibivorzeigerevolutionäre, die „das Salz in der Suppe“sind? Zahlenmäßig sind diese Gruppen nicht rlevant, ideologisch abzulehnen und bestenfalls mobile Revoutionsmuseen, die einem einen Hauch revolutionärer Geschichte erlebbar machen. Also: Wofür entscheidest du dich? Oder kommt da noch mehr?

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  12. genova68 schreibt:

    Was ich hier von Marx21 mitkriege, ist kein Stalinismus. Da finde ich ganz vernünftige Analysen umd marxsche Interpretation. Mit Cuba si habe ich aktuell schon eher Probleme.

    Dame von Welt,
    ich meine gelesen zu haben, dass die Bauhaus-Leitung schon länger Bescheid wusste, aber egal. Entscheidend ist, dass sie die Band nicht wegen inhaltlicher Differenzen ausgeladen haben, sondern wegen des Drucks von Rechtsradikalen. Die wollten keine Bilder von demonstrierenden Nazis vor dem Bauhaus, die dann um die Welt gehen. Dummerweise haben sie sich pr-mäßig so dilettanische verhalten, dass die ganze Diskussion erst aufkam und sie sich jetzt gegen ganz andere Vorwürfe zur Wehr setzen müssen. Dieser PR-Dilettanismus ist immer wieder faszinierend.

    Don Alphonso hat sich Mühe gegeben und vermutlich das von ihm erwähnte Buch von Nerdinger gelesen. Allerdings wusste er sicher vorher schon, dass er Stalin und Honecker auf die Seite der Konzertverteidiger stellen wird. Seine Argumentation läuft darauf hinaus, dass das Bauhaus nicht links sein kann, weil nach 1933 dies und jenes passiert ist. So kann man nicht argumentieren. Auch die Behauptung, dass sich das faschistische Italien „mit Begeisterung dem Neuen Bauen verschrieben“ habe, hält eine Prüfung nicht stand. Es passt Alphonso einfach ideologisch in den Kram.

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  13. dame.von.welt schreibt:

    @genova
    An der Absage der Stiftung Bauhaus Dessau ist weniger entscheidend, ob die inhaltliche Differenzen mit FSF haben oder nicht. Sondern, daß sie sich aus Angst um die Intaktheit ihrer Fenster vor Nazis beugen. Das ist klein bißchen mehr als ein PR-Desaster (das oben verlinkte Interview ist wirklich lesenswert).
    Fleischhauer tut, was er und andere Rechte immer tun: er setzt Nazis und Antifaschisten gleich. Einen größeren Unterschied zwischen ihm und Don Alphonso kann ich Hufeisen-wise nicht sehen und zum Thema Meinungsfreiheit schon gar nicht.

    Könnte es möglich sein, daß es auch Ihnen um die Intaktheit der Fenster aka dem Beibehalt einer Überzeugung geht? Das Bauhaus war als moralische Anstalt so gut oder schlecht wie alle Kunst/Gestaltung, das Studium dort machte nicht notwendigerweise links. Ist Ihnen Fritz Ertl ein Begriff? Der studierte in Dessau und baute danach Auschwitz, die Baracken sind sein Entwurf. Er und Dejaco wurden in den 70ern freigesprochen, weil sie nicht die geistigen Urheber der Gaskammern gewesen seien.
    Aber vielleicht habe ich Sie mißverstanden.

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  14. genova68 schreibt:

    Dame von Welt,
    ohne jetzt nochmal die Fleischhauer-Kolumne zu lesen: Er setzt sich dafür ein, dass wohl FSF als auch dieser Journalist namens Wendt auftreten dürfen, schlichtweg singen und reden dürfen. Wendt schrieb ein Buch über Microdosing, also den Konsum kleiner Mengen harter Drogen. Ein ziemlich interessantes Thema und ich wäre zu der Buchpremiere gegangen. Er durfte in einer Buchhandlung in Berlin-Mitte aber nicht vorstellen, weil er den Aufruf 2018 von Lengsfeld unterschrieben hatte. Das halte ich für unsäglich. Es ist die peinliche Haltung von Leuten, die vorgeblich drüberstehen, dümmliche Protestanten mit Übermoral. Ich vermute, Fleischhauer plädiert für Meinungsfreiheit innerhalb des Verfassungsbogens, wie die Österreicher das nennen. Das sollte drin sein und dafür würde ich auch plädieren. Das hat nichts mit Hufeisen zu tun. Der Buchladenchef hätte sich ganz einfach zu Beginn vom Aufruf distanzieren können, wenn es ihm so wichtig ist, dann wäre es um Drogen gegangen.

    Das ist die eine Geschichte: Meinungsfreiheit.

    Die andere ist das:

    Ertl: Er baute nach Dessau Auschwitz. Na und? Alphonso bringt in seinem Artiktel auch dauernd diese Beispiele, mit denen dem Bauhaus an den Karren gepinkelt werden soll. Ein Bauhäusler hat später etwas mit Hitler gemacht und Corbusier ist sowieso ein Böser, weil er mal und so weiter. Ein Argument wäre das nur, wenn Sie inhaltlich irgendeinen Bezug vom Bauhaus zu Auschwitz bringen könnten.

    Sie können das in der Tat.

    Sie können durchaus das Bauhaus und die dahinterstehende Logik problematisieren. Das Stichwort wäre Taylorismus und damit zusammenhängend der Funktionalismus. Das machen manche Linke, nicht uninteressant, aber meines Erachtens meist zu simpel. Kurzversion: Die Funktionalisierung, die Vereinheitlichung von Arbeitsabläufen. Die Frankfurter Küche von Schütte ist so ein Beispiel. Die Kritik daran: Der Hausfrau wurde eine funktionalistische Küche hingestellt, auf dass sie noch besser ausbeutbar ist und dem kapitalistischen Leben besser entspricht. Letzteres ist vielleicht richtig, dennoch ist die funktionalistische Küche nicht falsch, wie jeder weiß, der schon einmal gekocht hat. Mit der Wohnung insgesamt ist es das gleiche.

    Der Traum wäre eine funktionalistische Küche im Kommunismus. Ich würde sofort umziehen.

    Das Bauhaus – nicht nur, aber im Sinne funktionalistischen Designs auch – stand in dieser Gefahr, sich, vielleicht unfreiwillig, des bloßen kapitalistischen Prinzips der Renditemaximierung verdient zu machen. In dieser Logik der totalen Effizienz führt in der Tat ein theoretischer Weg nach Auschwitz. Insofern war Ertl vielleicht diesbezüglich ein konsequenter Architekt dort, so wie die Aufklärung in einer speziellen Variante für den reibungslosen und effizienten Judenmord sorgte.

    Das aber ist eine komplizierte Geschichte, die man dem Bauhaus als solchem eben nicht anlasten kann.

    Aber Sie, liebe Dame von Welt, sind in dem Thema besser drin als ich, glaube ich. Das Studium im Bauhaus machte nicht notwendigerweise links, klar. Aber mich wundert ein wenig ihre völlige Indifferenz in Bezug auf Bauhaus und Moral. Ästhetik ohne Bezug zur Ethik also.

    Ist das so?

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  15. dame.von.welt schreibt:

    Was ist denn Ihrer Meinung nach die Moral von der Bauhausgeschichte?
    Daß selbst Sie mit „Übermoral“ zu argumentieren versuchen? Wer Vera Lengsfelds Erklärung 2018 unterschrieben hat, ist mindestens dumm, was bekanntlich nicht verboten ist.

    Ich halte das Bauhaus für überschätzt und für fast schon sakral überhöht. Was den Bauhausprotagonisten zuallerletzt anzulasten ist, denn es war eine Gestaltungsbewegung, die von den Nazis gestört und verboten wurde (während arts and crafts in GB im Grunde bis heute fortbesteht). Ebensowenig ist den Protagonisten der Aufklärung anzulasten, daß besagte spezielle Variante für den reibungslosen und effizienten Judenmord sorgte.

    Nichtsdestotrotz sind die Zeitläufte so und man sollte nie glauben, irgendeinen davon zu besitzen (etwa so, wie „Islamkritiker“ die Aufklärung für sich vereinnahmen).

    Ästhetik ohne Bezug zur Ethik ist ein weites Feld und ein interessantes Thema. Was soll mich anziehen? Was soll mir warum gefallen? Um darüber Entscheidungen überhaupt treffen zu können, muß ich eine Menge über Gestaltung, Protagonisten und ihre jeweiligen Arbeitsweisen wissen. Sonst gefällt mir am Ende noch Leni Riefenstahls Post-3.Reich-Fotografie.

    Weil: ein mögliches Merkmal guter Gestaltung ist, mit intersubjektiv als ästhetisch Empfundenem zu hantieren. Das kann man auch Manipulation oder Zeitgeist nennen. Oder als Beispiel heranziehen, warum der Kunstgeschmack der meisten ungefähr bei van Goghs Sonnenblumen oder eben der fehlkonstruierten Wagenfeldleuchte angekommen ist: es ist genug Zeit für intersubjektive Wahrnehmung als schön vergangen. Und: zu historisierendem Geschmack bei gleichzeitiger Ignoranz zeitgenössischer Kunst/Gestaltung passt auch das Berliner Stadtschloß, die „konservative Revolution“ und der Vorwurf einer Hypermoral.

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  16. genova68 schreibt:

    Bauhaus und Moral: Ich rede da nicht von Moral, Übermoral unterstelle ich den Deppen, die Wendt ausladen. Das bedeutet im Klartext: Diese Leute haben keine, schmücken sich aber damit, wenn es allzu simpel ist.

    Das Bauhaus würde ich schon politisch verorten, jenseits von Moral, und da eben links, wenn man sich an das übliche Schema hält. Architektonisch entspringt das dem innewohnenden Internationalismus, einer nicht im Boden verankerten Architektur, ohne Sockel, leicht, transparent, das Gegenteil der Blut-und-Boden-Romantik, kein Heimatstil, nichts orginär deutsches. Es war Neues Bauen, das eben kein genuin deutsches war, es war auch die Emanzipation von einer wie auch immer instrumentalisierten Geschichte. Von Hannes Meyer habe ich schon geredet. Mies bezeichnete das Bauhaus nach Meyer übrigens als unpolitisch, was vermutlich der Versuch war, die Schließung zu verhindern. Das nur, weil im Moment so viel diese Aussagen von Mies erwähnen, ohne den Hintergrund zu sehen.

    Das Bauhaus ist überschätzt? Hm. Es ist überhöht, es wurde vielfach instrumentalisiert, von Honecker ebenso wie von der westdeutschen Schickeria. Das wurde hier im Blog auch schon thematisiert. Aber warum sollte man das Kind mit dem Bade ausschütten und Marx wegen Stalin zu den Akten legen?

    Was Sie weiter unten schreiben, ist interessant. Mir fällt dazu spontan ein, dass ich es spannend finde, bei der Rezeption nichts über Gestaltung, Protagonisten und ihre jeweiligen Arbeitsweisen zu wissen, sondern mir ein Geschmacksurteil zu bilden und dann zu gucken, was das über meine Sozialisation aussagt. Ich finde beispielsweise das Reichsfinanzministerium immer interessanter, je öfter ich dran vorbeifahre – und zwar, wenn ich bewusst versuche, alles Wissen über Gestaltung, Protagonisten und ihre jeweiligen Arbeitsweisen zu ignorieren.

    Sollte mir das zu denken geben?

    Bei Architektur jedenfalls muss dieses ahnungslose Rezipieren möglich sein, denn sie steht überall rum und wird von allen rezipiert.

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  17. dame.von.welt schreibt:

    Sie meinen das Reichsluftfahrtministerium, oder? Vom Reichsfinanzministerium ist m.W. nix übrig.

    Die Bauhausästhetik in der Architektur nahm Schaden (in Sachen intersubjektive Wahrnehmung als schön) durch die Kofferarchitekturen im Billig-Wohnungsbau á la Platte und Neue Heimat. Es wäre so interessant, wie die Gestaltungsentwicklung weiter verlaufen wäre, wäre das Bauhaus nicht aus Weimar, Dessau, Berlin vertrieben und damit fragmentiert und zerstört worden.

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  18. genova68 schreibt:

    :-) Ja, ich habe das jetzige Finanz und frühere Luftfahrtministerium gesampled.

    Zweiter Absatz: Ja, wäre interessant.

    Interessant wäre es auch, das Bauhaus würde heute einmal ernsthaft zur Wohnungsfrage Stellung nehmen. Expertise hatten sie damals, beispielsweise Törten. Ich weiß nicht, ob die heutigen Bauhausinsassen da noch irgend etwas vorzuweisen haben. Es kann schon sein, dass es hier nur noch um vermarktbare Musealisierung geht. Perren und diese Leute beziehen sich ja auch ständig auf die Einzigartikeit der Institution als Weltkulturerbe.

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  19. dame.von.welt schreibt:

    In der Tat wäre eine Stellungnahme der heutigen Bauhaus-Stiftungen und -Archive zur Wohnungsfrage interessant. Aber ich fürchte, dort tummeln sich Kunsthistoriker, die ihren Arbeitsplatz erhalten möchten (und dafür notfalls auch die Pressesprecherin „freistellen“<- falls Sie noch einen Beleg brauchen, daß die aktuelle Leitung in Dessau nicht nur bei der PR Schwächen hat)

    Und nur der guten Ordnung halber: wer Lengsfelds Erklärung 2018 unterschrieben hat, ist mindestens erschütternd dumm und mir käme Über– oder Hypermoral nicht über die Zunge, das ist AfD-Sprech.

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  20. genova68 schreibt:

    Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen. So wie Rechte „Gutmensch“ als Abwertung gebrauchen, oder? Aber Moral und Gutmensch sind verschiedene Kategorien. Während letzteres ausschließlich der Abwertung dient, ist Moral eine neutrale Kategorie, völlig unterschiedlich aufladbar. Moral ist eine wertvolle Kategorie, die ich als „Übermoral“ negativ wende, weil ich diese Form von Moral für billig halte. Der Begriff wird mit diesem Verhalten (Ausladung wegen der Erklärung 2018) zur eigenen billigen Erhöhung gebraucht. Diese Erklärung ist dämlich, aber als Meinungsäußerung komplett tolerierbar. Und wenn das so ist, dann kann ich mit diesen Leuten reden. Das Drogenbuch deswegen auszusperren ist eben billig, ein Missbrauch des Moralbegriffs.

    Davon abgesehen und ganz praktisch: Im Internetzeitalter kann man das alles ignorieren, aber es nutzt nichts. Da bauen sich Parallelstrukturen auf. Damit sollte man sich beschäftigen, wenn man nicht in die komplette Sprachlosigkeit sich hineinmanövrieren will, wie gerade in den USA.

    Ich könnte mir vorstellen, dass da üble Moralisten am Werk sind, die dem Buchladen drohen und der in seiner Existenz bedroht ist. Wenn die Rechten sich dann mit dem Typen solidarisieren und auf Meinungsfreiheit pochen, steht es eins zu null für die. Wegen pseudolinkem Moralisierens.

    Erkärung: Broder und Lengsfeld saßen kürzlich tatsächlich im Petitionsausschuss des Bundestages, es gibt das Video auf youtube, hochinteressant:

    Man sieht sehr schön, dass die beiden nur heiße Luft verbreiten. Lengsfeld ist eh nicht die hellste und Broder führt sich selbst vor, denn der kann nichts außer Häme und Zynismus. Und da das in diesem Ausschuss nicht toleriert wird, hat er plötzlich gar nichts mehr zu sagen. Exakt so kann man diese Leute stellen, nicht durch Pseudoignorieren, was denen nur zupass kommt, denn sie wollen sich ja in der Rolle des Opfers sehen, das vom bösen Establishment drangsalisiert wird.

    Ich sehe ein Problem vielmehr darin, dass viele Journalisten auf Gespräche mit den Rechten schlecht vorbereitet sind. Die ARD-Doku „Der rechte Rand“, die kürzlich lief, zeigt ja detailliert die Verbindungen von rechts nach nazi. Hunderte von Namen. Sich damit zu beschäftigen ist sinnvoller, als Leute mittels einer Übermoral aus dem Diskurs auszuschließen. Beispielsweise spielt lächerliche Empörung über Gaulands Jagen-Satz diesen Leuten in die Hände, denn andere haben das vor ihm auch schon gesagt und dass die Opposition die Regierung jagen will, ist im Sinne der Demokratie interpretierbar. Damit lockt man keinen Hund hinterm Ofen hervor. Und wenn von einer entarteten Demokratie geredet wird, dann ist das zwar ein problematischer Begriff, aber genau den las ich kürzlich bei Lukacs in einem Text von 1944. Entartetes Preußen oder so.

    Empörung solte man nur dosiert einsetzen, sonst wird sie zum Bumerang.

    P.S.: Vermutlich geht es bei dem aktuellen Verhalten des bauhauses darum:

    http://www.spiegel.de/reise/aktuell/lonely-planet-best-in-travel-2019-deutschland-gehoert-zu-den-top-ten-laendern-a-1234589.html

    Lonely Planet zählt Deutschland fürs nächste Jahr zum zweitbeliebtesten Reiseland der Welt. Wegen: Bauhausjubiläum. Die PR-Maschine läuft.

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  21. dame.von.welt schreibt:

    Das Video stammt vom YouTubekanal von Oliver Flesch – Nazi, Frauenhasser, Rassist.

    Was den Schluß zuläßt, daß das, was Sie unter – „Exakt so kann man diese Leute stellen, nicht durch Pseudoignorieren, was denen nur zupass kommt, denn sie wollen sich ja in der Rolle des Opfers sehen, das vom bösen Establishment drangsalisiert wird“ – fassen, von Oliver Flesch and friends völlig anders bewertet wird – nämlich als Erfolg, als Trophäe.

    Sie machen vermutlich einen gedanklichen Fehler: Sie gehen davon aus, daß Fakten immer und für alle wirkmächtig sind. Das ist aber bei Inhabern geschlossener Weltbilder nicht der Fall. Ich fürchte, man muß sich die neuen Nazis und viele der besorgniserregenden Bürger wie Sektenmitglieder vorstellen. Die vielleicht eher mit Stilmitteln wie paradoxen Interventionen erreichbar sein könnten als mit Argumenten und mit Fakten. Ich fand dazu sehr lesenswert einen Artikel von Anselm Neft (und einen weiteren von ihm zum Thema Selbstviktimisierung).

    Die Kategorie Moral wird von sehr vielen als ungefragt und von außen (Eltern, Kirche, Autoritäten, Eliten usw.) oktroyierte Werte verstanden und ist damit alles mögliche und unmögliche, nicht aber neutral. Weswegen der Unterschied zur Kategorie Gutmensch wesentlich kleiner ist als Sie vermutlich meinen. Mindestens müßten wir uns einigen, was mit Moral gemeint ist – ich verstehe unter Moral einen höchstselbst zu erarbeitenden Wertekanon, unter Benutzung des wichtigsten Aufklärungsinstrumentes, des Zweifels – immer und zuerst an den eigenen Überzeugungen und Gewißheiten.

    Nicht nur Journalisten sind auf die Nazis schlecht vorbereitet, das sind wir alle.

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  22. neumondschein schreibt:

    Die Bauhausästhetik in der Architektur nahm Schaden (in Sachen intersubjektive Wahrnehmung als schön) durch die Kofferarchitekturen im Billig-Wohnungsbau á la Platte und Neue Heimat.

    Platte ist nicht Bauhaus sondern sozialistische Planwirtschaft. Es ging Honecker darum, eine Million Wohneinheiten in einem vorgegebenen Zeitrahmen von 15 Jahren zu fertigen. Eine Wohneinheit durfte höchstens 20000 Ostmark kosten. Darüber hinaus waren weitere Randbedingungen zu beachten, etwa aus der Weimarer Zeit stammende Bauvorschriften, etwa die, daß ab einer Traufhöhe von 10.50 m Häuser mit einem Lift auszustatten waren, weshalb ostdeutsche Plattenbauten eine geringfügig niedrigere Traufhöhe hatten, um den Lift einsparen zu können. Kosten wurden darüberhinaus eingespart, indem man konsequent auf Großplattenbauweise und Typenbauweise setzte, also daß Baueinheiten nur ein einziges mal entworfen und hunderttausendfach reproduziert wurden, weshalb alle nach 1975 gebauten Schulen exakt gleichaussahen. Festgelegt wurden Mindestausstattung: elektrischer Strom, fließendes Wasser mußten vorhanden, Naßzellen (vulgo Bäder) in Wohnungen integriert sein, und trocken mußten die Wohneinheiten sein. Desweiteren mußten für die berufstätigen Frauen Krippen bereitgestellt werden und Schulen und Einkaufsmöglichkeiten und kulturelle Einrichtungen wie Jugendklubs und Anbindung an Innenstädte per öffentlicher Personennahverkehr und und und… Und das alles für höchstens 20000 Ostmark pro Wohneinheit. Dann wurde geplant. Und dann gebaut. Das Ergebnis sind Berlin-Marzahn, Jena-Lobeda, Dresden-Prohlis und -Gorbitz, die Fritz-Heckert-Siedlung in Karl-Marx-Stadt, Halle-Neustadt, der Große Dreesch in Schwerin etc. Proletenregal, Arbeiterschließfach, wie man das nannte, allerdings mit recht guter sozialer Infrastruktur und darüber hinaus auch noch billig…

    So etwas ähnliches vollzieht sich in Ländern, in denen große Transformationsproesse stattfinden, etwa in China, Türkei, wo zig Millionen in historisch kurzer Zeit aus Bauern Industriekräfte werden. Das Bauhaus ist daran vollkommen unschuldig.

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  23. neumondschein schreibt:

    Wegen Auschwitz muß ich auf folgendes Werk aufmerksam machen: Die Empfehlung hierfür habe ich aus der Jungen Welt:

    Das entzieht diversen von der „Lügenpresse“, den diversen Knoppschen Hitler-Doku verbreiteten Gerüchten den Boden und darüber hinaus auch der „Übermoral“ und den Vergleich Bauhaus, dem sozialistischem Wohnungsbauprogramm mit dem Holocaust etc. den Boden. Der Autor behauptet darin, daß entgegen den in Umlauf gebrachten Gerüchten erstens, daß der Holocaust nicht generalstabsmäß, fabrikmäßig organisiert ausgeführt wurde, also daß nicht eine Person, Himmler oder Eichmann, den Judenmord anordnete und planmäßig umsetzte, sondern daß viele unterschiedliche Akteure unabhängig voneinander und in unterschiedlicher Art und Weise und in verschiedenem Umfange Judenmord begingen und daß der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 eine weit geringere Bedeutung zusteht als angenommen, da Einzelheiten überhaupt nicht auf der Tagesordnung standen. Zweitens, daß der Holocaust keine Priorität genoß, insbesondere nicht gegenüber militärischen Erfordernissen. Drittens, daß, die Überlebenschancen von Juden sehr stark von der Einstellung der umgebenden Bevölkerung abhing. Diese war in Polen und in der Westukraine sehr feindselig. Juden hielt man in der Westukraine, in Transnistrien, der Bukowina generell für Parteigänger der Kommunisten. In Jugoslawien hingegen kamen viele von ihnen unter. Und im besetzten Dänemark entkamen die allermeisten Juden dem Holocaust, einzig allein auf Grund bürgerlichen Protestes, gegen den die Nazis nichts ausrichten konnten. Während in den rumänischen besetzten Gebieten, also Odessa, Transnistrien etc. sogenannte Volksdeutsche sich an Vertreibungen und der massenhaften Ermordung der Juden beteiligten. Die Nazis waren ja überall auf die Mithilfe der örtlichen Strukturen angewiesen, weil sie in den besetzten Gebieten überall in der Minderheit waren. Hinzu kommt, daß nach 1944 sich verbündete Staaten auf die Niederlage vorbereiteten, und der Druck aus Deutschland nachließ, dafür, der von den Alliierten sich verstärkte. Viertens, die pseudo-wissenschaftlichen Rassentheorien des Karl Ritters erwies sich als weit weniger einflußrich als der populäre Antisemitismus, der ja keiner wissenschaftlichen Rechtfertigung bedurfte. Fünftens, brachte man Juden aus wirtschaftlichen und militärischen Erwägungen gezielt um. Juden waren in vielen Teilen Europas sozial isoliert eben wegen dem populären Antisemitismus. Deshalb konnte man gerade sie zur Zwangsarbeit heranziehen, ohne Proteste befürchten zu müssen. Diese Zwangsarbeit war notwendig, weil die deutsche Währung nichts mehr taugten. Freiwillig arbeitete niemand mehr für die Deutschen. Darüber hinaus war die Ernährungslage sehr prekär. Und da entschied die deutsche Führung, daß die Bedürfnisse des deutschen Volkes und das der Front absoluten Vorrang hatten, und minderwertige Volksteile demnach verhungern müßten…

    Was hat das alles mit Bauhaus zu tun?

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  24. genova68 schreibt:

    Dame,
    von wessen Channel das Video stammt, ist mir egal. Es ist das offizielle Bundestagsvideo, vermutlich das einzige, das von der Ausschusssitzung existiert. Ich habe nur flott gegoogelt. jaja

    Flesch beurteilt das Video sicher anders als ich, aber es geht doch um eine weitergreifende Auseinandersetzung als mit einem kaputten Typen aus dem Internet. Es geht um Öffentlichkeit, und da ist der Diskurs eben unumgänglich. Die Leute mit geschlossenem Weltbild sind das eine, 16 Prozent AfD das andere. Die 16 Prozent konsumieren zum Teil die Medien der Sektenmitglieder. Mit denen muss man sich genau deshalb beschäftigen. Und es ist faktisch das allermeiste zu widerlegen. Um das zu können, muss man allerdings versiert sein.

    Es gab unlängst eine Debatte der AfD über Medien, Frey vom ZDF und Gniffke von der Tagesschau waren dabei. Die brechen sich keinen ab, wenn sie da hin gehen. Sie hätten ein wenig informierter sein sollen, da haben wir wieder das vorhin angesprochene Problem. Die Diskussion über GEZ wird immer massiver werden, weil immer mehr junge Leute das nicht mehr bezahlen wollen. Diskussion darüber ist langfristig die einzige Chance.

    Der Mimimi-Artikel: Mir fällt spontan auf, dass mir der erste Absatz nicht passt: Wir leben in einem reichen und sicheren Land und haben deshalb keinen Grund, uns über irgendetwas zu beschweren. Und dann kommt gleich das Wandbild der Salomonschule. Alleine „wir“ und „Haushaltsüberschuss“. Das ist ein so dummes Zeug, da höre ich eigentlich auf zu lesen. Entschuldigung.

    Wenn ich weiterlese, wird es ganz interessant, wobei ich mich wundere, dass Sie das positiv verlinkt haben. Die „aggressive Hypersensibilität“ würde ich bei den Buchladenheini sehen, der Wendt ausgeladen hat. Zum Beispiel.

    Interessant auch das hier:

    Je zivilisierter eine Gesellschaft ist, desto mehr Über-Ich-Kräfte benötigt sie, um das Barbarische im Zaum zu halten. Und desto depressiver, nervöser und verletzlicher wird sie. Die Basis der Opferinszenierung ist also immer ein Gefühl von Schuld. Erzeugt und verstärkt wird dieses Schuldgefühl von einem historisch einmalig hohen Anspruch an das eigene Leben und die eigene Moral.

    Genau, deshalb sollten die empfindlichen Linken öfter mal zum Ballermann fahren und sich volllaufen lassen. Vermutlich befreit das. Aber ich gebe zu: Ich war auch noch nicht da.

    Die Moraldefinition ist mir jetzt gerade zu anstrengend. Für mich gilt: Ich bin der Gute. Mit wem sollte ich darüber diskutieren?

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  25. genova68 schreibt:

    neumondschein,
    Platte ist EINE Bauhausinterpretation. In Törten wurde in den 20ern mit industrieller Vorfertigung experminentiert. Es ging um bezahlbaren Wohnungsbau für die Masse. Da ging es auch um Standardisierung. Genau das machte die DDR mit der Platte.

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  26. Jakobiner schreibt:

    Neumondschein, also solche Vernichtungslager wie Auschwitz , Treblinka,etc. zu bauen, zu organisieren, zu planen,usw. soll „nicht generalsstabsmäßig“geplant gewesen sein, sondern Wer gganz unterschiedlicher Akteure. Solch ein Blödsinn. Der Holocaust und die Judenvernichtung genossen zumindestens hohe Priorität, dass arbeitsteilig vorgegangen wuirde und dazu auch Hunderttausende Leute dies exekutierten, zumal in vorauseilendem Gehorsam, bedeutet doch nicht, dass dies nicht generalstabsmäßig geplant war. Schon klar, dass bei der WEahnseekonferenz nicht jedes Detail geplant wurde, aber eben der Marschbefehl gesprochen wurde.

    Bei der Auseinandersetzung mit den Rechten wird oft nur plakativ und pauschal Hetze, Hassrede, Fake News und Verschwörungstheorien kritisert, ohne einmal auf die Argumente einzugehen.Gegen den Euro gibt es z.B. jede Menge richtiger Argumente eben nicht falscher.Wenn ich mir den Presseclub im ARD sonntags angesehen habe, plappert da die Journalistin der ZEIT, dass inziwschen alle seriösen und namhaften Ökonomen den Euro als „Fehlkonstruktion“einschätzen–das sei Konsens. Intzeressant, dass das jetzt plötzlich angeblich so sein soll, aber Konsens war zuvor, dass der Euro Europa ist und wer den Euro kritisiert, nur ein Atieuropäer und Rechter sein kann. Lediglich Lucke, die AfD, Gauweiler und einige Ökonomen kritiserten damals schon zur Einführung den Euro. Das wollte aber keiner hören. Das fliegt den etablierten Parteien jetzt eben spätestens bei der nächsten Eurokrise, die sich mit der Italienkrise andeutet um die Ohren.

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  27. dame.von.welt schreibt:

    … wobei ich mich wundere, dass Sie das positiv verlinkt haben
    Nur kurz zur Erklärung, da weit weg vom Thema: positiv verlinkt, weil Neft Mechanismen gefühlter Wahrheiten beleuchtet. Wobei mir zum Thema gefühltes Opfer bei ihm fehlt, daß Selbstviktimisierung jede noch so abscheuliche Tat zu einer Art Notwehr adelt (s.a. Albert Memmis Definition von Rassismus, der dem Angreifer nützlich ist, weil er ihm zur Selbstaufwertung und zur Legitimierung seiner Aggressionen dient).

    Sie unterschätzen, vermute ich, die Gefühle besorgniserregender Bürger. Gegen gefühlte Wahrheiten und Selbstviktimisierung ist auch mit bester Vorbereitung, brillanter Argumentation und Fakten wie am Schnürchen wenig bis gar nichts auszurichten.

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  28. genova68 schreibt:

    Gegen gefühlte Wahrheiten und Selbstviktimisierung ist auch mit bester Vorbereitung, brillanter Argumentation und Fakten wie am Schnürchen wenig bis gar nichts auszurichten.

    Wohl wahr. Die Hardcore-Fraktion erreicht man nicht. Bei allen anderen besteht Hoffnung auf Diskursfähigkeit. Und vielleicht ändert man sich auch selbst. Es geht um Dialektik, die sich im Prozess der Kommunikation ergeben könnte.

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  29. genova68 schreibt:

    Der immer lesenswerte Niklas Maak schrieb in der FASZ vom vergangenen Sonntag einen langen Artikel zum aktuellen Bauhaus (28.10., S. 41), leider nur print verfügbar, aber sehr zu empfehlen. Er hebt die zwei Seiten der Bauhausvergangenheit hervor – Naturmystiker, Esoteriker, teilweise Rassisten, eher skurril bis 1923, danach dann das, was wir heute eher mit Bauhaus verbinden bis hin zu politischen Diskussionen über Abtreibung, Männer in Frauenkleidern, Kommunefeeling und rationaler Gestaltung. Das sollte seiner Meinung nach im Jubiläumsjahr diskutiert werden.

    Was sollte das Bauhaus heute leisten?

    Laut Maak das:

    Im Bauhaus 2018 wird nur das gesagt, worauf sich alle einigen können. Offen, transparent, interdisziplinär, experimentell … alles sehr begrüßenswert. Aber was heißt das konkret? Sich zum Feiern in seine weißen Kartons zurückzuziehen und immersiv über Technik und Mensch nachzudenken ist vielleich ein bisschen zu wenig in einer Zeit, in der Zigtausende gegen steigende Mieten und für andere Städte demonstrieren und für oder auch gegen neue Lebensentwürfe auf die Straße gehen. Bauhaus hieß um 1928 auch: Plakate, Aktionen, Lautstärke, sichtbar werden, provozieren, die Welt mit Kampagnen und Ideen überziehen, die Politik beeinflussen, die Leute aufwecken: So könntet ihr auch leben. Wo ist die politische Debatte um die Bodenfrage? Wo ist die große Bauhaus-Aktion zum Wohnen der Zukunft? Wo sind ähnlich umwerfende Objekte, die zeigen, wie aktuelle Technik das Leben heute verändern kann? …

    Die Absage des Konzertes verschärft einen seltsamen Widerspruch zwischen dem Anspruch an Kunst und der Angst vor ihren Folgen. Auch die Stiftung Bauhaus will „kritisch infrage stellen“ und „für Debatten sorgen“. Aber wenn es dann echten Krach zu geben droht, wird mit Verweis auf die Sicherheitslage alles hektisch abgesagt. Kunst soll provokant aussehen, muss aber verschwinden, wenn sie wirklich jemanden provoziert … Im aktuellen Streit stehen sich Musealisierer und Politisierer so unversöhnlich wie selten gegenüber.

    So kann man das wohl sagen. Eine Musealisierung des Bauhauses bringt selbiges zum Verschwinden, es wird eine Fata Morgana. Das ist eigentlich schon längst geschehen. Um eine Vordenkerrolle des Bauhauses zu erreichen, müssten man den Laden komplett umkrempeln. Nicht zuletzt der Einfluss der Politik ist da ein Hindernis. Es geht um Tourismus, um Aufwertung dieses armseligen Bundeslandes der Frühaufsteher. Vielleicht gibt es ja Gruppen, die die Aufmerksamkeit des nächsten Jahres nutzen, um die Verlogenheit der heutigen Verwalter aufzuzeigen.

    Nebenbei beklagt Maak noch, dass das Berliner Schloss in eine massive Schieflage geraten sei („Das Berliner Schloss ist das Tschernobyl Deutschlands.“, haha.), weil die dort geplante ethnologische Sammlung in weiten Teilen aus Beutekunst bestehen wird.

    Das allerdings ist konsequent. Wer ein Schloss baut, sollte sich auch für Kolonialismus aussprechen und am besten wieder irgendwo einmarschieren. Deutschland auf vertrautem Weg.

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  30. Jakobiner schreibt:

    Musealisierun ist wohl der passende Begriff für diese Bauhausstiftung. Die Zeit, in der Architekten provozierten und über Lebensentwürfe sprachen. sowie damit auf Resonanz innerhalb der Bevölkerung stießen scheinen vorbei. Vielleicht ändet sich das ja noch. Eigentlich werden heute Debatten vor allem um historische Bauten wie den Reichstag, die wiederaufgebaute Kirche in Dresden oder das Berliner Schloß geführt oder um Prestigebauten wie die Elbphilhamonie oder den Berliner Flughafen. Oder dann, wenn Christo den Reichstag verpackt.Das eigentliche Wohnen kommt da gar nicht mehr vor. Und die Gentrifizierungskritik bleibt auch an der Oberfäche, kritisiert Luxussanierung, aber thematisiert Lebens- und Wohnentwürde gar nicht mehr. Vielleicht wäre es mal Zeit, wenn linke Architekten dies auf Mieterdemos thematisieren.

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  31. Jakobiner schreibt:

    Gibt es sie überhaupt noch: „Linke“ Archtitekten? Oder zumindestens linke Architekturstudenten?

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  32. genova68 schreibt:

    Ja, das ist ein interessantes Thema mit den linken Architekten. Was wäre das? Der Architekt hat mit der Bodenfrage ja nichts zu tun, er kriegt den Auftrag, auf einem Boden zu bauen, den jemand anderes bezahlt. Architekten engagieren sich allerdings derzeit dennoch stark bei dem Thema, denn je teurer der Boden, desto weniger Geld bleibt für den Bau übrig, und nur für dafür werden sie anteilig bezahlt. Selbst der BDA fordert mittlerweile politische Initiativen für günstigen Boden.

    Man könnte jemanden wie Werner Sobek für einen linken Architekten halten, obwohl er das vielleihct nicht so sieht. Er forscht für bezahlbare, ökologische, wahrhaft ökologische Häuser und kümmert sich derzeit darum, dass Häuser vormontiert werden, auf dass sie recyclebar sind. Dazu Passivhaus, Aktivhaus, Flüchtlingsunterkünfte, über die ich hier schon berichtet habe:

    Wie man gut und günstig bauen kann – jenseits der Polit- und Baumafia

    Es geht, soweit ich das sehe, momentan einerseits um das Thema Ökologie, andererseits um das Thema Blow-Architektur, fließende Formen, neue Formen wegen neuer technischer Möglichkeiten. Es bräuchte ernsthafte staatliche Anreize: flexibles, kostengünstiges, ökologisches Wohnen. Es ist theoretisch alles da, es müsste nur gebündelt, organisiert werden. Früher gab es noch seriöse Bauaustellungen, Bauforschung. Die interessantesten Wohnformen werden noch bei neuen Studentenwohnheimen erzielt, sowas, zum Beispiel:

    https://www.google.com/search?client=firefox-b&biw=1312&bih=940&tbm=isch&sa=1&ei=1GfbW7SoH4LSwALU8qewDw&q=kopenhagen+studentenwohnheim+tietgen&oq=kopenhagen+studentenwohnheim+tietgen&gs_l=img.3…7094.12776.0.12964.15.13.2.0.0.0.104.839.12j1.13.0….0…1c.1.64.img..0.3.121…0j0i30k1.0.3JvZn-jjw94

    Wohneinheiten für etwa sechs Leute, jeder Bewohner hat dennoch sein eigenes Refugium, es erinnert an Strukturalismus. Es ist auch eine Möglichkeit, die bekloppte Kleinfamilie, eigentlich eine Nazi-Idee, zu überwinden. Für solche progressiven Ideen fehlt der Gesellschaft allerdings momentan die Kraft.

    Architektur ist meistens, und war es auch früher, auf die Form fokussiert, der Inhalt lässt sich weniger gut vermarkten. Neues Bauen in den 1920ern und der Strukturalismus in den 1960ern waren rühmliche Ausnahmen, dazu partizipative Architektur zur gleichen Zeit. Heute sind es Einzelbeispiele, Jesko Fezer fällt mir ein, aber letztlich viele, die sinnvolle Einzelarbeiten leisten. Lacaton Vasall haben ein älteres Wohnhochhaus in Paris hochakzeptabel renoviert, Antonini und Darmon haben sozialen Wohnungsbau in Nantes hingestellt, ganz toll, und davon gibt es viele Beispiele. Es sind aber keine Bewegungen, nur einzelne gute Leute, die wiederum von Behörden abhängig sind. In Berlin gibt es nur Architekten, die sich mit progressiven Privaten zusammentun. Von der Politik kommt nichts.

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  33. Siewurdengelesen schreibt:

    Don Alphonso liegt im Grunde bereits darin falsch, dass bestimmte Musikrichtungen im Sozialismus eher verpönt waren. Man denke nur an Ulbrichts Yeh-yeh-yeh-Zitat oder die Zeiten, in denen Jeans verboten waren und lange Haare abgeschnitten wurden.

    Gerade die Punks, wie es FSF nun einmal sind, passten mit ihrer anarchischen Denkweise nun überhaupt nicht in´s damalige sozialistische Klischee, sondern wurden immer scheel angesehen (da bin ich mir als Metaller aus dieser Zeit aber sowas von sicher;-). Alleine aus dieser Sicht ist die Aussage absurd, dass solche Jungs wie FSF dem Totalitären anhingen. Die angeblich so Gefallen Findenden hätten vermutlich eher mit in die Kerbe gehauen gegen solche Bands, sich aber definitiv nicht zu diesen bekannt. Aber wenn´s der Botschaft dient, da darf es schon mal Wurst mit Grütze sein…

    Was wiegt schwerer: Die überspitzte Aussage eines Liedes über Polizeigewalt, die Gegengewalt provoziert oder der übergreifende Gedanke, dass FSF sich gegen rechts positioniert und zwar eindeutig, wie es vom den Leitern des Bauhaus nur zu wünschen wäre?

    Aus meiner Sicht und bei aller Satire des Artikels ein epic fail von Don Alphonso.

    Was das Bauhaus selbst betrifft, so sehe ich das auch als Einknicken an, neben den bereits genannten Parteien und dem Vorhang rechten Drucks dürften die Stifter des Bauhauses ebenfalls einen nicht unerheblichen Einfluss genommen haben. Das kann natürlich nur erahnt werden und kommt nur durch Zufall heraus, wenn überhaupt.

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  34. neumondschein schreibt:

    FSF soll Punk sein? ZDF duldet anarchistische Denkweise? Anarchismus im Staatsfernsehen?

    Bauhaus ist auch nicht links. Auf keine Art antikapitalistisch. Demokratisch könnte man das vielleicht nennen. Fordismus, Massenfertigung und Fließbandarbeit waren ja der Grund, weshalb jeder Arbeiter ein Radio, ein Auto, eine Waschmaschine haben konnte. Insofern kann man das alles demokratisch nennen.

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  35. Siewurdengelesen schreibt:

    @neumondschein

    FSF soll Punk sein? Jepp – soll es

    Anarchismus ist ein Wesenszug des Punks, wie das ZDF damit umgeht, musst Du schon die selber fragen. Bei den Hosen oder Ärzten hinterfragt es doch auch niemand.

    Bauhaus links?

    Steht bei mir nicht. Das ein Bauhaus trotzdem einer antifaschistischen Tradition verpflichtet ist und diese hier durch den Vorstand klar gebrochen wurde, ist der Skandal. Antifaschismus ist nicht zwingend mit linkem Denken gleichzusetzen.

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  36. genova68 schreibt:

    Man kann das Bauhaus der 1920er Jahre aus vielen Gründen als links bezeichnen, wenn man es denn politisch einordnen will. Und genau so wurde es damals wahrgenommen. Keine falsche Bescheidenheit, bitte.

    Man ließ die Vergangenheit liegen, keine Erinnerung an Monarchie und Kaiser, es ging nach vorne und damit Richtung Demokratie und Massenbeteiligung, es war ein einfaches Design für alle, ohne den Versuch der Einschüchterung durch Geschichte von oben, der vorher in der Gestaltung die Norm war. Dazu kamen die erwähnten Versuche eines günstigen und guten Massenwohnungsbaus. Die politischen Selbstausrichtungen der Mitglieder sind ebeneso eindeutig. Und jetzt bitte nicht wieder einen Einzelfall als Gegenbeispiel rauskramen.

    Sie wurden gelesen,
    Don Alphonso bringt alles durcheinander, aber das macht er öfter, soweit ich das sehe. Es geht um Ideologie. Der hat Feindbilder im Kopf und die müssen bedient werden, ob das Berlin ist oder Linke oder der Nichtbayer. Dazu ein ordentlicher Schuss Egozentrik und viel Häme und fertig ist das schwarzbraune Gemisch. Aber ich gebe zu, dass ich nur cirka zwei Artikel jährlich von ihm lese. Insofern schreibt er vielleicht manchmal auch Interessantes.

    Verstehe ich Sie richtig: Sie glauben, dass bestimmte Musikrichtungen im Sozialismus verpönt waren? Nur als Verständnisfrage.

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  37. Siewurdengelesen schreibt:

    @genova68

    „Sie glauben, dass bestimmte Musikrichtungen im Sozialismus verpönt waren? Nur als Verständnisfrage.“

    Das glaube ich nicht, das war so;-)

    Gerade mit Punk, Heavy Metal, Rock´n´Roll, den „Grufties“ usw. kamen unsere ehemaligen Oberen selten klar, oft genug schon wegen des Aussehens.
    Das wurde zwar als eine Art Subkultur im Laufe der Zeit immer mehr geduldet, aber wirklich grün sind sie nie damit geworden. Das war einfach „Westen“ und das durfte es nach offizieller Lesart nicht geben beim sozialistisch geprägten Menschen, dass man sich für solche Musik begeistert. (Aus-)Genutzt hat man das eher noch, wenn sich die Inhalte ideologisch verwursten liessen wie „No Bomb“ von Berluc oder so.

    Die Zeit hat natürlich dafür gesorgt, dass sich das trotzdem einschlich und etablierte, auch weil sich die Masse der Fans nicht wegwischen liess, wobei gerade bei den späten Formen wie Sandow oder Feeling B die DDR einfach schneller weg war.

    Bist Du mit Nietenklamotten oder so unterwegs gewesen, konntest Du faktisch davon ausgehen, dass Dich der MC Grünweiss ziemlich als erstes kontrolliert hat. Vor meiner Zeit wurden wie gesagt schonmal die Haare abgeschnitten, wenn das jemandem nicht in den Kram gepasst hat. Das war dann ab den Siebzigern allerdings schon durch, weil dann die DDR-Führung noch ein paar andere Sorgen hatte und indirekt froh war über jeden, der da blieb und nicht allzu sehr herum gemeckert hat.

    Die Mittelater-Szene hat sich z.B. teils aus dieser Zeit entwickelt.

    Noch zwei schnelle Links, von denen der zur Welt mit etwas Distanz zu geniessen ist, wenn der Rahmen auch ziemlich passt. So nach meinen Erfahrungen war rechtes Gedankengut und der ganze elitäre Quatsch bei den Skins wesentlich verbreiteter als im Metal. Punk hat sich dem so oder so mehrheitlich entzogen.

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  38. neumondschein schreibt:

    Bei den Hosen oder Ärzten hinterfragt es doch auch niemand.

    Das sind keine Punker sondern Verräter! Merk dir das!

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  39. neumondschein schreibt:

    In der DDR mußte jede Art Freizeitbeschäftigung im Kulturbund organisiert sein. Kleingärtner ebenso wie Briefmarkensammler und natürlich auch Musikkapellen. Die beteiligtigten sich dort am Aufbau des Sozialismus. Alles, was nicht auf die Initiative der Partei- und Staatsführung zurückging, war suspekt. Du hättest Blümchen malen können und die Bilder vervielfätigen und herumzeigen können, ohne dabei an Politik zu denken, solange, das nicht im offiziellen Rahmen passierte, war das suspekt.

    Doch! Etwa wohl zur Zeit der Perestrojka wurde in der DDR der „Sozialismus in den Farben der DDR“ in Anlehnung an der Losung der Französischen Kommunistischen Partei „Sozialismus in den Farben Frankreichs“ ausgerufen. Da ging es etwas freier zu. Wir in Dresden hatten Westfernsehen, und im Jugendradio DT64 wurden die o.g. Untergrundbands rauf und runter gespielt.

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  40. neumondschein schreibt:

    Da, seht einmal, was bei DT64 lief:

    Klarer Fall für den Verfassungsschutz! Das darf dann wohl erst recht nicht im Bauhaus auftreten!

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  41. Siewurdengelesen schreibt:

    @neumondschein

    „Das sind keine Punker sondern Verräter! Merk dir das!“

    Tststs – ich würde eher sagen, die sind auch nur dem Gesetz anheim gefallen, dass in diesem System früher oder später alles Ware wird, selbst Subkulturen, deren Kleidung und Musik.

    Sind wir aber inzwischen auch ordentlich OT vom Thema weg.

    Tatsache ist allemal, dass sich die Leiter des Bauhaus mit fadenscheinigen Argumenten aus dem Auftritt von FSF ausgeklinkt haben und jetzt ziemliche Probleme haben, das zu rechtfertigen.

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  42. Hugo schreibt:

    „…dass in diesem System früher oder später alles Ware wird…“
    Bei 25 Tacken für die Ausweichruine mußte ich alter Punker (knapp 42) mal kurz schlucken; das ist vielzuviel, auch wenn die noch nen Baustromanschluß legen müssen uswusf. ! 15 + Soli hätten da gereicht, was jetzt ausnahmsweise kein Sinnlos-Gemecker ist, da ich weiß, wie sich da die Kosten zusammenläppern…

    Zu DDR-Zeiten (was dann etwas, s.o., vor meiner verschwendeten Jugend liegt) gabs für Bands mit Einstufung=Spielgenehmigung die Bezeichnung „FDJ-Punks“; „Die Skeptiker“ (gibts wieder/immernoch) hatten da länger mit zu hadern.
    Wenn mensch die Intention dahinter, also im „Osten“ am !öffentlichen! kulturellen Leben aktiv teilhaben zu wollen, akzeptiert, finde ich des ned verwerflich.
    Was hat das jetzt mit FSF zu tun? *lol*
    Ganz einfach, die wollen des auch, sind alles Mögliche, aber keine Dogmatiker und haben auch erkannt, daß einer ihrer ersten „Hits“ nur im subkulturellen Rahmen funktioniert und spielen den demzufolge (angeblich) nimmer.
    Mit Punk als Subkultur haben so Veranstaltungen wie die ZDF-Bauhaus-Reihe und jetzt fortfolgend das andere Etablissement eher nix mehr zu tun, die gabs und gibts halt eher woanders.

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