Kapitalismus in Aktion oder: Die Bestie im Spätkauf

Die Oranienstraße ist eine der wichtigen Einzelhandelsstraßen in Kreuzberg. Kleine, alteingesessene Läden neben neueren, fast durch die Bank kleinteilige Strukturen, keine Ketten. Das Berliner Stadtmagazin Zitty berichtet in der aktuellen Ausgabe („Was nun, Oranienstraße?“), dass die Mieten dort massiv steigen und viele Läden über kurz oder lang schließen müssen. In drei Jahren, so befürchtet man, seien die Mieter dort komplett ausgetauscht. Die Gebäude sind fast komplett Altbauten, 100 Jahre und älter.

Der Zitty-Bericht porträtiert einige Gewerbetreibende, denen das Wasser bis zum Hals steht. Beispielsweise Zekiye Tunc, die seit 18 Jahren einen Laden betreibt, einen Spätkauf, und bislang 20 Euro kalt pro Quadratmeter zahlte. Jetzt soll sie 40 Euro zahlen, was der Laden nicht hergibt. 40 Euro seien in der Oranienstraße keine Ausnahme mehr, heißt es.

Unter anderem, weil die „Deutsche Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH“ gleich mehrere Blocks gekauft hat. Den Ladenbetreibern dort hat man gekündigt und neue Mietverträge mit teilweise verdoppelten Mieten angeboten. 80 Mieter wehren sich nun in einem Bündnis.

Es wird nichts nutzen, solange das Kapital asozialer ist als die Methoden, die seine Opfer anwenden. Mich Naivling erstaunen solche Vorgänge immer wieder, noch dazu, wenn sie quasi vor der Haustür stattfinden.

Wir haben uns in einer kommoden Erzählung eingerichtet: Wir leben in einem Sozialstaat und in einem Rechtsstaat. Das ist unsere Lebenslüge. Die beiden Staaten werden massiv relativiert, da wir in einem kapitalistischen Staat leben. Und ein kapitalistischer Staat ist definitionsgemäß kein Sozialstaat und auch kein Rechtsstaat. Es ist ein Gebilde, dessen oberstes Ziel es ist, den Profit der herrschenden Klasse zu sichern und zu mehren. Ein Gebilde, das den Mehrwert nur sichern zu können glaubt, indem man die Ausbeutung forciert. Recht und Sozialverhalten sind bestenfalls zweitrangig – wenn es die Profitmaximierung nicht stört, gibt es sich gönnerhaft, Wohngeld zum Beispiel. Der kapitalistische Staat hat kein Problem damit, die Existenz von Menschen zu ruinieren, nur damit andere noch mehr Proft machen als ohnehin schon.

Die oben erwähnte Frau Tunc zahlte mit bislang 20 Euro auch schon 15 Euro zuviel. 5 Euro pro qm in einem Altbau sind die Obergrenze des mit Anstand vertretbaren. Selbst damit verdient der Besitzer noch gutes Geld, wie man sagt. 20 Euro sind jenseits von Gut und Böse und 40 Euro bedürfen keines weiteren Kommentars. Es ist entlarvend, dass dieser Staat sich die Blöße gibt und nicht einschreitet. Unvergessen der einst als Hoffnung des linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie gehandelte Bürgermeister Wowereit, der sich offen zum Segen steigender Mieten bekannte.

Und es ist egal, wer regiert. Auch eine Linkspartei ändert daran nichts, weil sie daran nichts ändern will. Irrte ich mich, gäbe es schon längst Kampagnen und Bundesratsinitiativen. Letzteres bereitet der Berliner Senat derzeit angeblich vor, man soll hoffen dürfen. Die lokalen Bundestagsvertreter von Grünen, der SPD und der Linkspartei schauen regelmäßig im Späti von Zekiye Tunc vorbei und geben sich solidarisch. So eine Art Kaffeekränzchen gegen die Perversion. Diese Leute sind im günstigsten Fall unfähig. Wäre es nicht so, würde die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram, die jetzt – auch mit meiner Erststimme – Kreuzberg im Bundestag vertritt, sich laut in die Jamaika-Sondierungsgespräche einmischen, zumal das ein bundesweites Problem ist, kein Kreuzberg-exklusives. Wird sie nicht tun. Im Wahlkampf forderte sie noch ganz richtig Enteignung.

Der lesenswerte Zitty-Artikel eines Journalisten namens Sascha Lübbe beschreibt zwei interessante Phänomene: Erstens werden die Laufzeiten der Mietverträge immer kürzer: ein bis drei Jahre sind die Norm. Die Ladenmieter überlegen sich so jede Investition. Zweitens: Frau Tunc zog vor einer Weile mit 50 Unterstützern vor die Villa des Vermieters im Grunewald, um eine Liste mit Protestunterschriften zu übergeben. Ihnen wurde nicht einmal die Tür geöffnet.

Vielleicht liegt hier das Problem. Vielleicht hätten sie mit Molotowcocktails in den Grunewald reisen sollen. Es ist offenbar die einzige Sprache, die diese Leute verstehen. Wer von einer Späti-Betreiberin 40 Euro verlangt, hat bewiesen, dass das so ist. Aber vermutlich kann man in einem kapitalistischen Rechtsstaat – den es eigentlich nicht geben kann – für einen Aufruf dieser Art von Problembewältigung schon vor einem rechtsstaatlichen Gericht landen. Die Hamburger G20-Demonstranten jedenfalls hatten keine Unterstützerlisten dabei. In der Oranienstraßen planen sie für November einen Lampionumzug gegen die Gentrifizierung. Es ist übrigens die Gegend, wo alljährlich die revolutionären 1.-Mai-Demos stattfinden. Die einen basteln Lampions, die anderen schmeißen einmal im Jahr ein paar Schaufensterläden ein, vielleicht auch die von Frau Tunc. Be Berlin.

Bemerkenswert an dem Zitty-Artikel  ist noch das hier:

Die Feindbilder … sind gar nicht so eindeutig zu bestimmen: Klar, da sind die internationalen Investoren, die Gebäude kaufen, horrende Mieten kassieren und die Bodenpreise in die Höhe treiben.

Da sind

aber auch die Immobilienfonds, die unter anderem Kleinanleger ermutigen, zu investieren. Und die wiederum wüssten oftmals gar nicht, dass sie mit ihren Investitionen andere Menschen verdrängen würden.

Ob man mit dem Begriff des Feindbildes weiterkommt, weiß ich nicht. Aber wenn rationales Denken in Feindbilder gepackt werden kann, dann ist die Sache doch klar. Egal ob national oder international, egal ob Kleinanleger oder Fonds: Mit Boden darf kein Profit gemacht werden. Mit dieser klaren Forderung lichtete sich das Dickicht und man sähe klarer. Gezahlt wird, was es kostet, nicht mehr. Mit einem Schlag wären alle Halunken aus dem Rennen. Ein Haus, dass 100 Jahre auf dem Buckel hat, braucht keinen Investor und keinen Kleinanleger, beide sind völlig überflüssige und schädliche Schmarotzer. Die Agenda 2010 wurde seinerzeit immerhin noch damit begründet, dass die anderen billiger produzieren als wir. Deshalb müssten wir leider mit den Löhnen runter. Heute braucht das Kapital offenbar keine Vermäntelung mehr. Dass man mehr nehmen will, begründet man einfach damit, dass man mehr nehmen kann.

Der Kleinanleger weiß übrigens sicher genau, was er tut. Den Immobilienkleinanleger in Schutz zu nehmen ist in etwa so wie den AfD-Wähler zu verteidigen, weil er doch nur mit den etablierten Parteien unzufrieden ist. Es gibt schlicht Grenzen des Anstands, um diesen altmodischen Begriff zum zweiten Mal in diesem Artikel zu verwenden.

Anstand ist in einem kapitalistischen System naturgemäß nicht drin, egal, was die bürgerliche Presse dazu meint.

Fünf Euro pro Quadratmeter- das wäre eine sinnvolle und vor allem vermittelbare Forderung. Der sogenannte Marktwert der Häuser sänke rapide und Frau Tunc könnte sich ihren Laden billig kaufen. Eine Win-Win-Situation für alle außer für die Schmarotzer. Eine fähige Kommunikationsagentur könnte das vermutlich gut rüberbringen. Keine Lampions und keine Reisen in den Grunewald. Das müsste auch in der Bundesratsinitiative stehen: Fünf Euro für den Quadratmeter und keinen Cent mehr.

Es wäre das Geschäft offenzulegen und zu kritisieren: Vermieter, die vom Profit des Händlers profitieren wollen, sind asozial. Das einzig relevante Kriterium sind die tatsächlichen Kosten des Hausbaus und seiner Bewirtschaftung. Und dann sind wir bei runden fünf Euro. Alles darüber sollte gesellschaftlich geächtet werden.

Davon ab: Dass Gewerbemieten höher sind als Wohnmieten, ist schon unglaublich. Ein Auto, das ich beruflich nutze, kostete dann doppelt oder dreimal so viel wie eins, das ich nur privat fahre.

Es käme mit einer Offenlegung des Geschäfts auch die Lebenslüge des Kapitalismus auf den Prüfstand: die von der Leistungsabhängigkeit. Real ist es so, dass der, der tatsächlich etwas leistet, um die vielzitierte Krankenschwester zu erwähnen, kein Vermögen erwirtschaftet. Das schafft nur der, dessen einzige Leistung es ist, staatliche Organe so für sich nutzen zu können, dass Ausbeutung legal ist. Der Staat als Schutzgelderpresser des Kapitals.

Vielleicht wäre es doch ganz sinnvoll, die Feindbilder klar zu definieren. Die Bedenken im Grunewald abladen und einen Linksstaat fordern. Sonst bleiben wir bei den den Kaffeekränzchen gegen die Perversion stehen.

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16 Antworten zu Kapitalismus in Aktion oder: Die Bestie im Spätkauf

  1. hANNES wURST schreibt:

    Andererseits: wenn der Späti aus dem feinen Kreuzberg verdrängt wird, eröffnet er vielleicht in einem strukturschwächeren Stadtteil mit günstigeren Mieten neu. Dann freuen sich die Anwohner dort und der Kreuzberger kann sich Gucci Täschchen vor Ort kaufen. Das ist doch auch sozial.Oder findest Du es besser, wenn die unattraktiven Stadtteile auf immer unattraktiv bleiben und die Mieten unter 5 Euro sinken, während die ohnehin attraktiven Stadtteile durch politisch erzwungene niedrige Mieten auch noch konkurrenzlos günstig (5 Euro) für eingesessene Geschäftsinhaber sind?

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  2. genova68 schreibt:

    In strukturschwächeren Gegenden gibt es den Späti schon längst, der wartet sich nicht darauf, dass Frau Tunc notgedrungen sich da noch reinquetscht. Die Anwohner dort freuen sich auch ohne Frau Tunc. Gegenden werden nicht attraktiv durch steigende Mieten, sie werden dadurch unattraktiv, für alle. Das Restaurant, das statt 20 Euro 40 Euro zahlen muss, wird an den Zutaten sparen. Ökonomisch gibt es da kein vernünftiges Argument außer dem, dass das Kapital sich verwerten kann. Das aber sollte nicht unser Anliegen sein.

    Ansonsten ist diese Argumentation grundsätzlich problematisch. Man könnte dann auch Luftangriffe auf beliebte Viertel fordern, denn danach könnte man Kapital einsetzen, um alles wieder aufzubauen.

    Das Kapital geht immer so weit, wie es gehen kann. Der 12-Stunden-Tag für Kinder wurde nicht abgeschafft, weil der Kapitalist Philantroph wurde, sondern weil sich Gegenbewegungen formierten. Es fehlt, aus welchen Gründen auch immer, das Bewusstsein für ein besseres Leben. Es ist diese komische Haltung, dass man sagt, eine Tasse Kaffee kostet auf der Kö nun mal mehr als am Stadtrand. Warum? Nur, weil die Profitmaximierung auf Kosten anderer gesellschaftsfähig ist. Der Becher Kaffee im ICE für drei Euro führt beispielsweise dazu, dass die meisten dort einfach keinen Kaffee trinken. Oder anders gesagt: Man weiß, dass das ungerecht ist, nimmt es aber hin, weil die Ungerechtigkeit normal zu sein scheint.

    Ich plädiere eigentlich nur für einen funktionierenden Markt. Ist der, wie bei Immobilien, nicht möglich, weil Boden nur begrenzt zur Verfügung steht, sollte man das gesamtgesellschaftlich vernünftig regeln. Gesamtgesellschaftlich vernünftige Regelungen wären aber der Tod der Ausbeutung, und das wird offenbar als der Tropf betrachtet, an dem alle hängen.

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  3. hANNES wURST schreibt:

    Bei Wohnraum gebe ich Dir Recht, hier muss durch Regulierung erreicht werden, dass genügend Wohnraum vorhanden ist und dass Anwohner zum Beispiel durch maßlose Steigerung der Mietpreise nicht gezwungen sind, dauernd das Quartier zu wechseln. Bei Gewerbeimmobilien habe ich eine andere Einstellung und glaube, dass der Markt durch Angebot und Nachfrage die Preisfindung erledigt. Das hat damit zu tun, dass man sich zwar darüber beschweren kann, dass einem die schönen Nahkaufgelegenheiten im eigenen Kiez fehlen (was auch eine politische Initiative für die Förderung von Nahkaufgelegenheiten durchaus begründet, das hat auch etwas mit Umweltschutz zu tun), dass dies aber anders als der Wohnraum ein zweitrangiges Anliegen ist.

    Hier mit Mietpreisregulierungen für Gewerbeimmobilien zu kommen (und dann auch noch mit 5 Euro / qm, um zu zeigen, dass man schon nah an der Enteignung des Immobilienbesitzers operiert) ist ziemlich phantastisch. Forderst Du dann als nächstes, dass dieser Nahkauf dann das Ei für 5 Cent verkauft? Diese Regulierungswünsche scheinen mir aus einer romantisierenden Vorstellung von Reich, Stadt und Haus hervorzugehen.

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  4. dame.von.welt schreibt:

    Bei Gewerbeimmobilien habe ich eine andere Einstellung und glaube, dass der Markt durch Angebot und Nachfrage die Preisfindung erledigt.

    Hm, wer nicht weiß, muß glauben.
    Am Beispiel einer mir gut bekannten selbstständigen Porzellinerin – Bedarf für ihre Werkstatt: Erdgeschoß oder mit Lift, möglichst 2 Räume, 50 Quadratmeter, Starkstrom, Wasseranschluß.

    2000/2001, SO36 – 43 qm, 1 Raum in einer frisch sanierten Remise, 500 DM, vom Vermieter (im Vorstand von BMW) gekündigt, weil er die bröckelnde Decke nicht sanieren wollte, die ihr knapp 10.000 DM Verlust in Form beschädigter oder fehlerhafter Ware eingetragen hatte, selbstredend unentschädigt geblieben.

    2001 – 2009, SO36 (großes Glück, nämlich unbefristet und direkt gegenüber) – 52qm, 2 Räume Vorderhaus, Ofenheizung, in Eigenleistung inklusive Schimmelsanierung (Wände und Böden) grundsaniert, zeitgenössische Elektrik und Wasseranschluß verlegt: Miete 500DM->255,65 Euro kalt. Der Vermieter baute 2005 schwarz eine fehlgeplante Zentralheizung ein und erhöhte die Miete um knapp 200 Euro, gekündigt 2009, weil im Schatten des Car Loft noch mehr Geld zu erzielen war. Miete heute: 880 Euro kalt.

    2009/2010 keine Werkstatt (auch wegen Erkrankung), Suche auf allen Kanälen nach bezahlbaren Räumen im SO36 plus 10km Umkreis, da auch ohne Fahrtzeit 60-Stunden-Woche. Bei Bekundung von Interesse erhöhte sich jeweils entweder der Preis ins Unbezahlbare oder die Vertragsbedingungen wurden unannehmbar, sie hätte bei z.B. Taekker-Immobilien für 2 Räume, 50qm in der Lausitzer Straße (460 Euro kalt, eigentlich als Wohnung angeboten, heute für 1.200 Euro kalt als Gewerbe vermietet) eine notariell beglaubigte Erklärung abgeben müssen (neben einer Bürgschaft, 6 Monatsmieten Kaution, Schufa-Auskunft, Einkommensteuererklärung der letzten 5 Jahre usw.usw.) daß sie auch dann die Miete vom Konto abbuchen läßt, wenn das Haus eingestürzt ist. Preisniveau für 50qm-Gewerbe in Immo-Anzeigen: 12 – 20 Euro/Quadratmeter/nettokalt, also ab 1.000 Euro warm aufwärts, außerhalb ihrer Möglichkeiten.

    2011/2012 SO36: Zwischenlösung im Hinterzimmer der Bar eines Freundes, 22 Quadratmeter, 250 Euro, in Eigenleistung grundrenoviert, Wasseranschluß und Starkstrom verlegt, geräumt 2012. Die Bar ist heute drei Bürogemeinschaften, Quadratmeter 18 Euro nettokalt.

    2012 – 2014 am Arsch der Heide in Weissensee, mit den Öffentlichen eineinhalb Stunden Fahrzeit pro Strecke: 1en Raum im 4. Stock unter nicht isoliertem Dach, 45 Quadratmeter in Eigenleistung grundrenoviert, Starkstrom und Wasser verlegt, Miete 480 Euro. Im Sommer wochenlang nicht nutzbar, da Temperaturen jenseits der 40°C. Ohne den Ofen gebrannt zu haben.

    Kosten pro unfreiwilligem Umzug: im Schnitt 5.000 Euro. Plus die zahllosen Arbeitsstunden, die nicht in ihre schlecht bezahlte Arbeit, sondern in die Renovierungen flossen und dem Umstand, daß zwei Mal Werkstatt umziehen wie ein Mal abgebrannt ist.

    2014: pleite und krank, berufs-, inzwischen auch arbeitsunfähig, mit 54 EU-berentet. Obwohl sie knapp 40 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, muß die EU-Rente mit Sozialhilfe aufgestockt werden, krank und arm: no fun.

    Der Markt erledigt nicht nur die Preisfindung, sondern vor allem die Mieter. Darunter auch solche, deren Arbeiten x-fach preisgekrönt wurden, weltweit im Museum stehen und trotzdem nie den ihrem Wert entsprechenden Preis erzielten. Da beteiligt sich nämlich der Ikea- und Billigimport-Markt an der Preisfindung. Wußten Sie, daß z.B. die KPM noch nie ohne Subventionen auskam?

    Gewerberäume in der Berliner Innenstadt sind weitgehend rechtsfreie Räume für Mieter und es ist allerhöchste Eisenbahn, daß sich die Bezirke um Bestandsschutz kümmern. Möglichst, bevor alle Künstler, Handwerker, inhabergeführte Läden aus der Innenstadt verschwunden und einer Brache austauschbarer Ladenketten und Gastronomie gewichen sind.

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  5. hANNES wURST schreibt:

    @Dame von Welt: Du beschreibst die speziellen Raumprobleme von Künstlern oder Kunsterhandwerkern, die meist ohne öffentliche Förderung (Ateilierhäuser etc.) schwer lösbar sind. Ich glaube aber, das geht am Kern der Diskussion (Genovas Wunsch nach Regulation des Marktes für gewerbliche Immobilien) vorbei.

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  6. dame.von.welt schreibt:

    @hAnnes wUrst
    Nö, das betrifft so oder ähnlich auch Handwerker und inhabergeführte Läden. Benötigen Sie mehr Beispiele aus meinem Freundeskreis?
    Davon abgesehen: there is no such thing as a öffentliche Förderung (Ateilierhäuser etc.) für angewandte Kunst. Auch das Ateliersofortprogramm des BBK sieht sich für angewandte Künstler nicht zuständig.

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  7. hANNES wURST schreibt:

    Dann ist das (also die fehlende Förderung) aber das Problem. Eine Regulierung von Gewerbeimmobilien würde den Supermarkt, den dritte Welt Laden und den Kunsthandwerker gleichermaßen betreffen. Ich möchte aber nicht, dass der Supermarkt gefördert wird, also verlange ich von der Kommune, dass es Vergünstigungen oder eben Mietkostenzuschüsse für bestimmte förderungswürdige Projekte gibt. Das sollte ja im Sinne der Kommune sein, weil zum Beispiel eine Verödung der Einkaufsstraßen vermieden wird.

    Den Ruf nach einer solchen Förderung finde ich allemal besser als die Forderung, die Vertragsgestaltung zwischen Kaufleuten, also Vermieter und Mieter einer Gewerbeimmobilie, gesetzlich zu regulieren. Wenn dem Immobilienbesitzer vorgeschrieben wird, nur noch 5 Euro / qm zu verlangen, dann wird das sowieso einige Probleme nach sich ziehen (z.B. dass die Gewerbeimmobilien ganz verschwinden). Aber meinen Sie, dass selbst nach der Erzwingung solch günstiger Mieten jeder Selbstständige finanziell gut hinkommt? Mancher wird auch niedrigere Strom- und Gaspreisen fordern und verlangen, dass Werbung im Internet ebenfalls reguliert und zum Dumpingpreis an ihn abgegeben wird. Außerdem will er gratis Porzellanfiguren, frei Haus von der Porzellinerin geliefert.

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  8. dame.von.welt schreibt:

    @hANNES wURST
    Mir erscheint Ihr kommunales Förderverlangen als bei weitem surrealer und aufwändiger als genovas Mietpreisbindung. Gewerbeimmobilien in Wohnraum umzuwandeln und vor allem umgekehrt, ist bereits jetzt nicht ohne weiteres zulässig, womit Ihr Verschwinden-Argument entfiele.
    Aber was bringt Sie eigentlich so gegen eine Mietpreisbindung auch für Gewerberäume (bzw. wenigstens ein praxistaugliches Gewerbemietrecht) auf? Sind Sie Immobilienhai? Wie genova auf 5 Euro pro Wohnungsquadratmeter Altbau kommt, hat er xfach erläutert. Was genau macht Gewerberaum Ihrer Meinung nach so viel kostbarer? Blattvergoldung unter verschimmelnden Bodendielen?

    Mir war vorher schon bekannt, daß Deutschland nicht allzu unternehmer-freundlich ist (es sei denn, sie sind too big to fail). Die Porzellinerin hat übrigens nie Figuren entworfen und produziert, sondern Gefäße – für sie unschön war z.B. der ersatzlose Wegfall des gewerblichen Nachtstroms mit dem Verkauf der BEWAG an Vattenfall. Den verbilligten Nachtstrom gab’s ab da nur noch ab Fantastilliarden KW/Jahr, nicht mehr für kleine Krauter.

    Woher kommt eigentlich Ihr Grundmißtrauen gegen Selbstständige? Sind Sie (neben Immobilienhai) überzeugter Lohnsklave? Hat Sie kürzlich ein Schlüsseldienst o.ä. über den Tisch gezogen?

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  9. hANNES wURST schreibt:

    Ich halte nichts von der Selbstständigkeit und traue nur dem Geldadel. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, so ist es doch bei den Gewerbetreibenden und den Gewerbemietobjektbesitzern. Was soll der Gesetzgeber sich da einmischen. Gegen Wucher gibt es ja sowieso schon Paragraphen, ebenso gegen Monopolisierung und Kartellbildung (wenn ich an die Macht komme, schaffe ich das alles ab).

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  10. genova68 schreibt:

    Hannes,

    “ romantisierenden Vorstellung von Reich, Stadt und Haus“: Ich argumentiere bei Bedarf ganz ökonomisch. Dazu weiter unten mehr.

    „Bei Gewerbeimmobilien habe ich eine andere Einstellung und glaube, dass der Markt durch Angebot und Nachfrage die Preisfindung erledigt“: Ja, in der Tat, der Markt erledigt die Preisfindung, indem er den Preis verdoppelt. Fragt sich nur, welchen Marktbegriff man da hat. Exakt den des Kapitals, der keinen Markt will und sich die Tatsache zuhilfe nimmt, dass Boden begrenzt ist. Gäbe es einen Markt, gäbe es diese Mieten nicht.

    Ökonomisch argumentiert: Die Miete muss erwirtschaftet werden, jeden Monat neu. Wenn ich also 1000 Euro statt, sagen wir, dreihundert zahle, dann muss ich das Geld über höheren Gewinn für mich reinholen. Das bedeutet, die Artikel im Spätkauf zu verteuern oder die Aushilfe rausschmeißen und selbst jeden Tag 15 Stunden hinterm Tresen stehen. Oder ich habe ein Restaurant: Dann spare ich bei den Zutaten, erhöhe die Preise, zahle dem Koch statt 8,86 Euro nur noch schwarz vier Euro und so weiter.

    Bliebe der Preis bei 300 Euro, müsste ich all das nicht veranstalten. Sänke der Preis auf 5 Euro den qm, könnte ich bessere Zutaten anbieten, Preise verbilligen etc. Jenseits aller Romantik eines guten und preiswerten Essens würde damit das befördert, was man euphemistisch Leistungsgesellschaft nennt. Derjenige, der arbeitet, bekommt das Geld, nicht der, der ein Haus besitzt. Auf der Grundlage niedrigerer Mieten bliebe für die Mieter mehr übrig, das sie, ökonomisch sinnvoll, in die Wirtschaft stecken würden, durch mehr Essen gehen, vielleicht auch mehr beim Spätkauf kaufen, bessere Dienstleistungen etc. Die Immobilienbesitzer müssten dann eben auch mal arbeiten gehen, was für die meisten vermutlich ein Fremdwort ist.

    Das Geld würde sinnvoller verteilt, denn die Immobilienhaie haben genug davon und stecken es nicht in die Ökonomie, sondern in Anlagen, am besten in den Kauf neuer Immobilien, mit denen man dann abzockt. Oder in die Finanzmärkte. Der absurde neoliberale Kreislauf wird nur beschleunigt.

    Würdest du eigentlich genau so argumentieren, wenn sich die Kita-Gebühren verdoppeln würden? Oder Uni-Gebühren? Gute Unis kosten dann ein paar zigtausend pro Jahr, der Markt würde das vermutlich so regeln. Oder Lebensmittel, wenn es nur noch einen Anbieter dafür gibt. Die nächsten billigen gibt es dann in Polen, dann fährt man halt dahin, wenn man Hunger hat. Ich frage mich immer, warum man keine sinnvollen Lösungen akzeptiert, wenn man sie präsentieren kann. Nur, um einem Dogma nicht in die Quere zu kommen, dem angeblichen Markt, der beim Immobiliensektor nur das Recht das Stärkeren ist. Weitergehend könnten wir uns auch darauf einigen, dass man an der Schlange im Supermarkt sich nicht mehr hinten anstellt, sondern der nach vorne kommt, der die schlagkräftigsten Fäuste hat. Ist ja auch so eine Art Markt.

    Also: Markt ist nur dann vorhanden, wenn er die Preise niedrig hält. Das funktioniert in allen möglichen Bereichen, aber nicht bei Immobilien in Hot spots. Und Hot spots gibt es mittlerweile überall, jenseits von ostdeutschen Problemgebieten.

    Fünf Euro bedeutet keine Enteignung, sondern schlicht, dass diese Leute nur noch wenig mit Nichtstun verdienen und alle anderen davon profitieren, der Mieter genau wie der Kunde. Das scheint mir kein böses Unterfangen. Wenn das die Immobilienhaie als Enteignung empfinden und hektisch verkaufen, dann bitte, ich wüsste nicht, was man dagegen haben könnte.

    Vor ein paar Tagen berichtete der Bürgermeister des oberpfälzischen Weiden, dass man dort Mieten über 4,50 Euro pro qm nicht durchsetzen könne. Wunderbar, und selbst dort machen die Vermieter keine Verluste.

    Deiner Ansicht nach sollte der Immobilienmarkt so funktionieren, wie der Markt für gebrauchte Porsche 911. Letztere sind gebraucht sauteuer, weil selten. Das ist ok, denn der Besitz eines Porsche 911 ist kein Grundrecht. Wohnen und Raum fürs Arbeiten schon.

    Ich verwiese im übrigen immer wieder auf das rote Wien, wo das alles – zumindest da, wo die Kommjune als Eigentümer auftritt, wunderbar funktioniert.

    Und zuletzt: Von öffentlicher Förderung würde ich nicht reden, denn die braucht es bei 5 Euro nicht. Die Gewerbetreibenden und Kunsthandwerker und Künstler sind in der Lage ihren Gewerberaum selbst zu bezahlen.

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  11. hANNES wURST schreibt:

    @genova: Bevor ich mich hier weiter in grundsätzliche Aspekte von Markt und Regulierung verliere, erlaube mir ein paar Fragen zu stellen. Wie und wer soll den qm Preis von derzeit über 300€ / qm in Top Lagen auf 5€ / qm herunterregeln? Soll das zum Beispiel der Bund oder die Kommune regeln? Soll ein Gewerbeimmobilienvertrag ähnlich geschützt und reguliert werden wie bisher ein Wohnmietvertrag? Siehst Du irgendwelche Ausnahmen vor, z.B. in Fällen, in denen Verwaltungs-, Wartungs- und Rennovierungskosten überhaupt nicht mehr durch 5 € / qm zu decken sind?

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  12. genova68 schreibt:

    Es sollten die Kosten gedeckt werden, das reicht. Wenn das zehn oder 15 Euro sind, dann kostet das eben so viel. Es können ja durchaus Gewerbeflächen mit goldenen Türklinken für 100 Euro entstehen, wenn der Markt dafür da ist. Und man könnte ja Kö und Kudamm und Maximilianstraße ausnehmen, als Biotope für die Leute, die es geil finden, das doppelte für ein Produkt zu zahlen wenn man dafür sagen kann, man hat es auf der Kö gekauft.

    Vielleicht wäre es auch sinnvoll, in zentralen Lagen mehr zu verlangen und dafür in Randlagen weniger, auf Grundlage des erwarteten Umsatzes. Das müsste aber dann ein Ausgleich innerhalb der Gewerbetreibenden sein, ohne Profitmöglichkeit des Kapitals. Dieses Scheißkapital braucht niemand, siehe Wien.

    Die Gewerbeimmobilienpreise müssten stärker geregelt werden als die heutigen Wohnmietverhältnisse. Letztere sind ja offensichtlich nicht besonders effektiv geregelt, sonst gäbe es die Mietpreise in München oder neuerdings in Berlin nicht. Der Mietspiegel in Berlin beispielsweise fördert nur Mieterhöhungen.

    Regeln soll das der, der es kann, also vor allem der Bund. Es würde übrigens eine ernstzunehmende Ankündigung solcher Maßnahmen reichen und die Preise würden purzeln.

    Im Prinzip fordere ich nur, dass die Segnungen menschlicher Produktivität, dass man beispielsweise ein Haus heute viel günstiger bewirtschaften kann also vor 100 Jahren, den Nutzern zugute kommen.

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  13. hANNES wURST schreibt:

    Im Prinzip gebe ich Dir Recht, es wäre sinnvoll, den Preis aller Waren und Dienstleistungen staatlich nach Aufwand festzulegen. Einmal Müllabfuhr – 100 Euro, einmal Blinddarm OP – 100 Euro, ein Liter Wasser – 10 Cent, ein Liter Wein – 10 Cent. Ganz genau ausrechnen kann man es sowieso nicht, also gibt es auch nur noch die Preise 10 Cent, 1 Euro, 10 Euro, 100 Euro, 1000 Euro. Höhere Preise sind nicht erlaubt, d.h. alle Autos kosten 1000 Euro. Also mich hast Du jetzt doch noch überzeugt.

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  14. genova68 schreibt:

    Alle Autos kosten 1000 Euro – eine sinnvolle Forderung. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass 1000 Euro für viele eine ordentliche Stange Geld sind. Also bitte für Bedürftige zinslose Kleinkredite ausgeben. Und für 1000 Euro will ich auch einen 911er Porsche aus den 80ern.

    Du siehst, lieber Hannes, Wirtschaft kann so einfach sein.

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  15. hANNES wURST schreibt:

    Wie man am heutigen 31.10. sieht, ist außerdem bald auch jeder Tag ein Feiertag. Es läuft.

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  16. genova68 schreibt:

    In der Tat. Ich fordere schon seit langem eine Vielzahl von Feiertagen für linksextremistische Atheisten: 17. Februar (Todestag von Giordano Bruno), 5. Mai (Geburtstag von Karl Marx), 27. Mai (Todestag von Thomas Müntzer), 7. Oktober (Geburtstag von Ulrike Meinhof) und schließlich der 9. November als ein Tag, der Jubel (Novemberrevolution) und Trauer (Judenpogrome, Mauerfall) vereint.

    Mögen Schäuble und Steinmeyer mich erhören.

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