Altenburg: Die SPD und die Querfront

Die passende Floskel ist „besorgniserregend“: Im thüringischen Altenburg spricht unter anderem der rechte Demagoge Jürgen Elsässer vor rund 500 Zuschauern in einer Art Stadthalle, organisiert wurde die Veranstaltung von compact, dem Verschwörerblättchen Elsässers, und einem „Bürgerforum Altenburg“, so eine Art Pegida light. Einer der Gäste, der von der Bühne begrüßt wird, ist der Altenburger Oberbürgermeister Michael Wolf. Wolf ist Mitglied der SPD. Er sitzt, wenn ich nicht irre, prominent in der ersten Reihe. Er ist offenbar ein Ehrengast.

Thema der Veranstaltung ist eine angestrebte Verfassungsklage gegen die angeblich illegale Einwanderung. Wolf selbst hat nicht gesprochen, aber sich offenbar widerspruchslos unter anderem eine dreiviertelstündige Rede von Elsässer angehört (ab 1:02:00). Ob er applaudiert hat, weiß ich nicht.

In seiner Rede sagte Elsässer unter anderem (O-Töne in Anführungszeichen):

  • „Die Volksbewegung wird immer stärker“.
  • „Die Regierung agiert volksfeindlich“, sie wird von Elsässer auch als „Regime“ bezeichnet.
  • Heiko Maas ist „der neue Reichsjustizminister aus dem Saarland. Der sieht ja auch schon aus wie einer aus dem Volksgerichtshof“. Später ist Maas noch ein „Volksfeind“.
  • Elsässer redet konsequent nicht von Facebook, sondern von „Facebook und Zuckerberg“. Ein antisemitischer Code, der in Altenburg gut ankommt. Man versteht sich.
  • Zu den Schießbefehläußerungen Frauke Petrys im Mannheimer Morgen sagt er, das sei eine gekaufte „Schmutzkampagne“, das aufgeheizte Publikum skandiert dabei „Lügenpresse“.
  • Die Presse ist laut Elsässer „gleichgeschaltet“, „das ist wie Gleichschaltung ohne Goebbels“.
  • Merkel handelt wie Hitler, „als wäre sie auf dem Obersalzberg oder in der Wolfschanze“.
  • Elsässer will die Grünen verbieten, weil sie verfassungswidrig seien, und ruft zur Wahl der AfD auf.
  • Er geht bei den kommenden Landtagswahlen im März von Wahlfälschung aus, um die AfD zu schwächen.
  • Elsässer will einen Umsturz, er setzt auf Ex-DDR-Bürger, „weil sie wissen, wie man ein Regime stürzt, und diese Qualitäten brauchen wir jetzt wieder“. Frenetischer Beifall.
  • Schließlich: „Der Worte sind genug gewechselt, jetzt müssen Taten folgen und dieses Frühjahr ist eine entscheidende Zeit. Wir sind das Volk.“

Das hat schon eine gewisse Qualität. Dass sich Rechte derzeit als Querfrontler unter diversen Labels zusammentun und den Aufstand proben, ist nicht neu. Gerade in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es fast täglich irgendwo Aufmärsche besorgter Bürger zur „Flüchtlingsproblematik“. Dass ein Sozialdemokrat solche Kameraden alleine durch seine Anwesenheit unterstützt, ist vermutlich Ausdruck der herrschenden Verwirrung. Elsässer lobt den Bürgermeister ausdrücklich: „Haltet euch den warm!“

Übrigens war Elsässer vergangenes Jahr direkt nach der gewalttätigen Hogesa-Demo in Köln von diesen Kameraden begeistert und lud sie nach Berlin ein. Es entstehen bemerkenswerte Koalitionen.

Interessant ist, was man nach kurzer google-Suche in diesem Milieu so alles findet. Beispielsweise den Altenburger Künstler Michael Külbel. Der malt abstrakte Bilder, manchmal auch solche, die an George Grosz erinnern. Und schreibt auf Altenburg-online zum Thema , dass eine „herausragende Veranstaltung gelungen ist“, und:

Das Ohnmachtsgefühl unter den Menschen ist groß, die Wissbegierde scheinbar grenzenlos und so lechzt das Volk nach Vergeltungsmaßnahmen gegen eine Politik, die ihren Interessen zuwider läuft. Mit Recht.

Das Volk wird wissend durch Elsässer und lechzt nach Vergeltungsmaßnahmen, unterstützt von einem Künstler, der abstrakt malt. Es ist heute vieles möglich.

Marktplatz_und_Rathaus_AltenburgInteressant auch die Innenstadt von Altenburg: Mit Geldern herausgeputzt, die dort nie erwirtschaftet wurden. Ich habe die Atmosphäre in diesen ostdeutschen Kleinstädten ein paarmal erlebt: Kein Krümel auf dem Boden, aber frustierte Menschen, hinter den restaurierten Fassaden nur billige Kettenläden, Ein-Euro-Shops, eine fragile Bürgerlichkeit, die keine ist. Reale Heimatlosigkeit, reale Entwurzelung, die sich deshalb ums so mehr an die Fassade klammert, ans vermeintlich Traditionelle, an die Scholle, deren Restaurierung vom Feind bezahlt wurde und die entfremdet ist. Verunsicherung, die die Geistfeindlichkeit notwendig braucht.

In diesem Umfeld gedeiht Rechtsradikalismus. Real hat dort der Mob wohl schon die Macht übernommen. Eine No-Go-Area für die Zivilgesellschaft, könnte man vermuten.

Eine Must-Go-Area für manche Sozialdemokraten.

(Foto: Erwin Meier, wikipedia)

 

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10 Antworten zu Altenburg: Die SPD und die Querfront

  1. hANNES wURST schreibt:

    Hihi, der Elsässer. Ich finde die zahlreichen kleinen, im Verborgenen agierenden, offensichtlich schwer psychisch deformierten Kräfte in diesem Milieu teilweise noch illustrativer, z.B. https://www.youtube.com/watch?v=elsCjMpu9bA

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  2. besucher schreibt:

    Aber dem Heiko Maas tut er da Unrecht, da gibt es doch frappierende Ähnlichkeiten zu jemand anderem.

    https://eulenfurz.files.wordpress.com/2015/11/heiko-maas-adolf-eichmann.jpg?w=450&h=255

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  3. Fabian Hoemcke schreibt:

    Toll! Wieder mal eine Sternstunde meines Heimatdrecksnestes.

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  4. Michael Külbel schreibt:

    Wenn Sie schon über mich schreiben, sollten Sie wenigstens meinen kompletten Kommentar zu dieser Veranstaltung zitieren:

    http://altenburg-online.de/2016/02/05/kommentar-zu-compact-live-veranstaltung-des-altenburger-buergerforums/

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  5. genova68 schreibt:

    Exakt dieser Link steht oben im Artikel.

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  6. Fabian Hoemcke schreibt:

    Danke Herr Michael Külbel für den Hinweis, so entging mir der Genuss ihren Artikel zu lesen nicht.

    Aber bedarf es wirklich so vieler Worte um „Geschwurbel“ zu schreiben?
    Das bekommt man doch viel dichter hin.
    Also beim nächsten mal sich nur auf das Wichtigste, also den Inhalt konzentrieren und nur eine leere Seite veröffentlichen.

    Gruß aus ABG
    Fabian

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  7. stadtauge schreibt:

    danke für diesen beitrag. leider erschreckend und besorgniserregend. aber wichtig.
    leider erlebe ich ähnliches derzeit in weiten teilen brandenburgs.
    wir müssen dagegenhalten.
    lg daniel

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