Eine vorweihnachtliche Bemerkung zur größten Katastrophe der Menschheit

Klaus Gallas schreibt in seinem Reclam-Heftchen „Athen“:

Im Jahre 380 erklärt der Kaiser des Römischen Reiches das Christentum zur alleinigen Staatsreligion. Insbesondere die griechische Philosophie mit ihren Ansätzen zu selbstständigem Denken hielten die früheren Kirchenväter für gefährlich und dem Glauben abträglich. So führte die bildungsfeindliche christliche Lehre zu einem Verfall der einst privat organisierten Schulen und damit zum Niedergang der antiken Bildung, Wissenschaft und Kunst.

Schön, dass das so deutlich gesagt wird. Das Christentum als Denkkatastrophe. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Immerhin sind die Christen konsequent.

Kurios ist das Selbstbewusstsein von Petrus, einem Fischer, das er an den Tag legte, als er 50 nach Christus am Fuße der Akropolis die Athener belehrte:

Ihr Männer Athens, ich sehe an allem, dass ihr recht viel Scheu vor den Göttern habt. Denn als ich umherging und eure Heiligtümer besichtigte, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift stand: „Dem unbekannten Gott“. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt , das verkündige ich euch. Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, noch lässt er sich von Menschenhänden Dienst erweisen, als ob er noch etwas bedürfe, während er selbst allen Leben und Atem und alles gibt. (Apostelgeschichte 17, 19)

Das hat was: Da bekennen sich Leute zu ihren Nichtwissen, und dann kommt jemand daher und behauptet einfach, es zu wissen. Er kennt Gott, er ist der Einzige (naturgemäß außer dem SOHN), der ihn kennt, und hat dadurch einen ungemeinen Wissensvorsprung vor den Athenern. Leider ohne jeden Beleg. Der Mann, der vermutlich von allen Anwesenden am wenigsten weiß, behauptet einfach das Gegenteil. Paulus erinnert an aktuelle Verschwörungstheoretiker. Wobei wir nicht behaupten wollen, dass deren Zuhörer etwas mit klassischer Bildung – oder besser: mit dem klassischen Bildungsideal – oder gar mit Denken zu tun haben könnten.

P1030432Hier und auf dem nächsten Bild hat sich Gott versteckt.

Die Frage ist nur: Warum haben die skeptischen Athener diesem Hampelmann geglaubt? Meine unzureichende Bildung (so gesehen bin ich entschiedener Christ) verhindert eine angemessene Antwort. Es spielten wohl der Jenseitsbezug der Christen eine Rolle. Man vertröstet; in auflösenden sozialen Zusammenhängen hat das einen nicht zu unterschätzenden, wie man sagt, Effekt. Dazu kommen der Missionsgedanke – ich kann anderen die Wahrheit erzählen, das ist für nonames immer attraktiv – und die Ansprache an die Armen, die Ungebildeten, im Gegensatz zu den vermutlich eingebildeten Philosophen.

P1030433Es erinnert auch an die Dialektik der Aufklärung: Das Nichtwissen, das Ahnen, die Lücke nicht grundsätzlich als Makel aufzufassen, sondern als vielleicht notwendige, humane Einschränkung, als Rekurs auf das Nicht-Identische. Die Ahnung von etwas Nichtweißbarem, das man verehrt, gerade weil es so beschaffen ist, dass der Mensch es nicht erkennt und die Lücke füllt, ohne sie instrumentalisierbar zu machen. Der Mythos als Notwendigkeit. Mag sein, dass es im Laufe der griechischen Göttergeschichte schon Verschiebungen ins Allmächtige gab. Zeus beispielsweise, der sich in imperialistischer Prägung einschlich.

529 musste die Platonische Akademie auf Druck des christlichen Roms schließen: Das Wissen wurde ihnen endgültig gefährlich

Das Christentum bedeutete nicht nur fürs Denken eine Katastrophe, sondern auch für die Kunst. Figuren wie die nebenstehende, auch noch aus der vorklassischen Zeit und damit 2.500 oder 3.000 Jahre alt oder älter (ich habe leider die Infos dazu verloren) zeigen eine bessere Beobachtungsgabe, ein größeres Einfühlungsvermögen als alles, was unter christlichen Vorzeichen geschaffen wurde. Ob archaisch, mykenisch oder dann klassisch: Alles wurde durchs Christentum vernichtet, weil dieses nicht mehr darauf aufbaute, nichts mehr daraus angenommen wurde. Bis ins späte Mittelalter war die Kunst eine große Banalität, die immergleichen Abbildungen aus der Bibel, Fische und Lämmer, lahme, unpersönliche Gesichter, Leiden. Wenn dann doch gute Dinge entstanden, dann eher aus Unfähigkeit: schlecht gemalte Faltenwürfe, die heute, als Detail betrachtet, eine Nähe zu abstrakter Kunst aufweisen.

Vielleicht war eine realiter geistfeindliche Religion wie das Christentum vonnöten, um später den radikalen Ausweg in Form von Auflärung und Renaissance zu ermöglichen: Nach 500 Jahren Gottesbeweisen hatte selbst der Dämlichste genug und trat die Flucht ins Weltliche an, was zu massenhaften Katastrophen führte, zu Herrenmenschendenken in den Kolonien, vielleicht noch weiter. Die Abtrennung des Körpers vom Geist als Voraussetzung für die Möglichkeit von Totalität. Der Mensch ist nichts wert, die Seele wird ja gerettet, so Gott will.

Christentum als auch Islam haben einen schmalen Grat, an dem entlang sie menschenfreundlich interpretiert werden können. Beides klappt in der Praxis selten. Der Führer, der zu uns spricht. Wer einen allmächtigen Hero figuriert, steht mit einem Bein im Faschismus. Die Praxis ist Menschenverachtung, getarnte Dummheit. Oder, entschlackt, Belanglosigkeit wie das Wort zum Tag im Deutschlandfunk.

Die Kunst wie auch die Menschheit musste sich aus den Klauen des real existierenden Christentums befreien, um leben zu können. Vielleicht ist es mit dem Postchristentum wie mit dem Postnazitum: Es bleiben so viele Schäden hängen, dass es viele Generationen dauert, bis man sich einigermaßen regeneriert hat.

Sagen wir es mit der nötigen Zurückhaltung und dem gebotenen Respekt gegenüber den Gefühlen der Gläubigen, wie man sagt, gegenüber: Das Christentum ist die größte und umfassendste Denk- und also Menschen- und also Körper- und also Menschheitskatastrophe, die sich jemals ereignet hat.

(Fotos: genova 2013)

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20 Antworten zu Eine vorweihnachtliche Bemerkung zur größten Katastrophe der Menschheit

  1. runkelrübenmann schreibt:

    ich habe mich gerade durch tetens, gott denken, auch bei reclam, durchgekwält. und da erscheint ihr essay, der ein nachgerade wunderbarer kommentar dazu ist.
    wir leben in finsteren zeiten.

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  2. Beat Company schreibt:

    «Das Christentum ist die größte und umfassendste Denk- und also Menschen- und also Körper- und also Menschheitskatastrophe, die sich jemals ereignet hat. »

    Serrrrrrrrrrrrrrrr richtick !

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  3. dame.von.welt schreibt:

    Ich weiß gar nicht, wo ich mit dem Widerspruch anfangen soll! Vorausschicken sollte ich vielleicht, daß ich zwar sozusagen orthodox evangelisch erzogen wurde, aber weitesgehend unreligiös bin. Insofern argumentiere ich nicht in eigener Sache, sondern in Verteidigung des Menschenrechtes auf Religiosität.

    Wenn Sie, lieber Genova, dem Christentum eine grundsätzliche Denkfeindlichkeit zuschreiben, können Sie noch nie mit einem Jesuiten gestritten haben. Wenn Sie Islam und Christentum einen nur schmalen interpretierbaren Grad der Menschenfreundlichkeit zuschreiben, waren Sie noch nie bei Muslimen zu Gast und haben noch nie katholische Nonnen Kondome verteilen sehen.

    Zeus war nicht mal ein bißchen allmächtig. Der war mächtig, aber in der gesamten griechischen Götterwelt menschelt es doch in geradezu rührender Weise, andauernd. Ein Göttervater, der sich zum Vögeln in einen Goldregenstrauch, einen Schwan oder Stier verwandeln und mit Blitz und Donner hantieren muß, wenn es mal nicht so geht, wie er sich das vorstellt, ist doch nicht allmächtig! Von den Göttinnen, die erst einen Menschen bestechen und ihn fragen müssen, welche von ihnen die Schönste ist, gar nicht erst zu reden.

    Die Athener bekannten sich vielleicht zum Nichtwissen oder, vielleicht besser, zum Nichtgenaubescheidwissen über die Natur des ‚unbekannten Gott‘ – trotzdem brachte der es zu einem Altar, also zu Verehrung und Anbetung. Das beschreibt nicht Gott, sondern Menschen (wie überhaupt immer) und Sie sagen’s: Das Nichtwissen, das Ahnen, die Lücke nicht grundsätzlich als Makel aufzufassen, sondern als vielleicht notwendige, humane Einschränkung, als Rekurs auf das Nicht-Identische. Die Ahnung von etwas Nichtweißbarem, das man verehrt, gerade weil es so beschaffen ist, dass der Mensch es nicht erkennt und die Lücke füllt, ohne sie instrumentalisierbar zu machen. Der Mythos als Notwendigkeit.

    Die Katastrophe der Menschheit begann wahrscheinlich schon mit dem Übergang vom Polytheismus mit vielen menschelnden Göttern mit unordentlichen wechselhaften Geschlechtern und Charakteren zum Monotheismus mit einem zunehmend als allmächtig betrachteten und männlichen Gott, in der Tat eine Art One-Man-Führerkult. Die des Christentums zweifellos im 4. Jhdt mit der Erklärung zur Staatsreligion beim Konzil von Nicäa (wobei Paulus der internen Herrscherei vorher schon reichlich Vorschub leistete, man denke bloß mal an seinen Zirkelschluß zur religiösen Kopftuchpflicht und an seine in der Gemeinde zu schweigen habenden Frauen) und mit der weltlich-theologischen Passendmachung der Bibel zum Herrschen: ein feuchter Traum für alte machtgeile Männer.

    Das gilt für Judentum (als monotheistische Urgeschichte) und Islam (als Weiterentwicklung beider Religionen) in unterschiedlicher Weise nicht oder wenigstens nicht so.

    Jüdische Gläubigkeit – auch mit einem menschelnden und sich entwickelnden Gott, der konnte schließlich zu Anfang so böse werden, daß er nach der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis den bequemen Aufenthalt im Paradies beendet und etwas später die Erde flutet, später ist er bloß noch eifersüchtig – führte immerhin nach der zweiten Zerstörung des Tempels zu knapp 2 Jahrtausenden der stabilen, obwohl weitverstreuten jüdischen Diaspora mit gemeinsamem spirituellen Nenner in extrem unterschiedlichen Kulturen und trotz tw. übler Verfolgung. Sex und Frauen wird im Judentum nicht soviel Feindseligkeit entgegen gebracht wie im Christentum, sie gelten Gott als näher, mit der Beschneidung der Jungen am 6. Tag wird nicht nur ein Bund mit Jchw geschlossen, sondern auch das Weibliche in den Mann geschnitten (ich habe mir das nicht ausgedacht!), wahrscheinlich eine Maßnahme zu gutem Sex auch für Frauen in den sehr jung geschlossenen Ehen und zu Sex als spiritueller Handlung. Zur säkularisierten, also schaumgebremsten Staatsreligion (<-Hilfswort) kommt es erst wieder ab Gründung des Staates Israel.

    Im Islam ist Machtstreben und Staatsreligion durch die Figur des Propheten in der DNA angelegt, trotzdem gibt es ausdrücklich staatsferne Strömungen wie den Sufismus und ausdrücklich aufgeklärte Denker wie u.v.a.m. Sari Nusseibeh. Reversible Verhütung ist zulässig, ein Fötus im ersten Monat gilt „wie Wasser“ und schlechter oder gar kein Sex ist ein auch weiblicher Scheidungsgrund – man stelle sich diese Frauenfreundlichkeit mal im Christentum vor, danke Paulus! Der Prophet wurde von einer selbstständigen und wohlhabenden Geschäftsfrau geheiratet und hat Frauen allein schon durch die Morgengabe unabhängiger gemacht, bitterer und brutaler wird es nach Chadidschas Tod.

    Der radikale Ausweg namens Renaissance wurde wahrscheinlich durch die aus dem blutig re-katholisierten Spanien auch nach Norden fliehenden Juden und Muslime überhaupt erst in Schwung gebracht, womöglich wäre das Ganze ohne die Flucht vor den katholischen Königen im Sande verlaufen. Im Islam war griechische Philosophie präsent, sie wurde bewahrt und weiterentwickelt. Für muslimische Herrscher war es opportun, auch der beste Dichter oder Musiker des Landes zu sein. Nirgendwo in der christlichen Welt gab es so gebildete Frauen wie in Al-Andaluz. Wissenschaften und Künste, Medizin, Architektur, Mathematik waren im Mittelalter jüdisch und vor allem muslimisch. Zum Beispiel der Einfluß maurischer Baukunst wie in der Mezquita in Cordoba auf die Gotik liegt auf der Hand.
    Eine extrem interessante christliche Figur, eigentlich ein Renaissancemensch knapp 200 Jahre vor der Renaissance, ist Friedrich der Staufer, der regen Austausch mit Muslimen und Juden pflegte, sich ständig mit dem Vatikan in den Haaren hatte und u.a.m. ein bis heute gültiges Standardwerk zur Falknerei ablieferte, mit Hilfe phänomenologischer Betrachtung und Wiedergabe von muslimischem Wissen.

    Aus seltsamen Gründen muß öfter daran erinnert werden: der real existierende Faschismus in seinen graduell unterschiedlich furchtbaren Ausprägungen fand NACH der Aufklärung statt, mühelos begründbar mit dem Verlust religiöser Gläubigkeit, an deren Stelle der Glauben an Führer, die Notwendigkeit der Abwertung und schließlich die Vernichtung der „Anderen“ trat. Die Aufklärung wiederum wurde von Christen initiiert, die keinesfalls alle vom Glauben abfielen, sondern Herrschern aller Art und dem Beherrschtwerden eine Absage erteilten. Die Aufklärung war nicht contra Glauben, sondern contra Kirchen- und weltlicher Herrschaft und vor allem contra sich-beherrschen-lassen.

    Stichwort ‚aus den Klauen befreit‘: ich möchte sehr in Zweifel ziehen, daß die Aufklärung eine historische und abgeschlossene Epoche ist, der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist eine täglich zu absolvierende Übung, an der jede/r immer scheitert – was aber die Übung nicht schlechter macht, im Gegenteil. Die Klauen, aus denen es sich zu befreien gilt, liegen weniger in christlicher oder anderer Gläubigkeit als in vor allem zwei der in der katholischen Kirche als Hauptlaster beschriebenen menschlichen Angewohnheiten, nämlich Superbia, die Hochmut und Acedia, die (Denk-)Faulheit.

    Gott scheint ein menschliches Grundbedürfnis zu sein, das aber unbetreutes Denken nicht notwendigerweise ausschließt. Denken hat auch Grenzen, nämlich die des Kopfes und der Wahrnehmung, dem und der sich die Lücke und das Nicht-Identische entzieht. Der Kopf kann nicht recht viel mehr tun, als den Mut zur Lücke und genügend Selbstwertgefühl zur Akzeptanz des Nicht-Identischen zu üben. Das spiegelt sich auch im Satz mit dem meistüberhörten Teil der Menschheitsgeschichte: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.

    Nachdenklich macht mich aber ebenfalls und immer schon das Fehlen von Perspektive und individuellen Gesichtern in der Kunst des europäischen Mittelalters – könnte es vielleicht sein, daß das drohende Weltende und überbordende Phantasien von Engeln und Teufeln und aller möglicher anderer christlicher Folklore SO die Vorstellungen bevölkerte, daß ihre bildliche Darstellung unmöglich war? Es ist schließlich unmöglich, etwas zu sagen, schreiben oder sonstwie auszudrücken, in dem man mittendrin steckt. Denkt man an Bilder von Hieronymus Bosch – könnte es sein, daß er eigentlich mittelalterliche Wahrnehmung mit Renaissancemitteln abbildet?

    Langer Rede, gar kein Sinn: Gott (falls existent) kann nichts dafür, daß Menschen liebend gern herrschen, sich aus Gründen der Bequemlichkeit massenhaft beherrschen lassen, daß sie dumm, denkfaul, arrogant und brutal sind und andauernd unter ihren Möglichkeiten bleiben.

    Boah, das wurde jetzt aber länglich, danke fürs Lesen.

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  4. dame.von.welt schreibt:

    Soeben einen wirklich schönen Vers zur ‚Lücke‘ gelesen:

    Forget your perfect offering
    There is a crack
    A crack in everything
    That is how the light gets in

    Von (und ich kann den eigentlich gar nicht ertragen) Leonard Cohen, gefunden bei Piksyn: Das Gedächtnis der Lücke

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  5. genova68 schreibt:

    Danke für dein statement, liebe dame von welt,

    Gott scheint ein menschliches Grundbedürfnis zu sein, das aber unbetreutes Denken nicht notwendigerweise ausschließt.

    Das menschliche Grundbedürfnis ist vielleicht zweierlei: die Frage nach einer verlässlichen Begleitung eines selbstverantwortlichen Individuums und das Sich Fügen in eine Ordnung. Beides ist bei den Individuen vorhanden, aber unterschiedlich ausgeprägt. Ist einem das zweite wichtig, so ist Gott ein autoritärer, dessen Macht betont wird, mit dessen Hilfe man seine Unterordnungsgelüste und Rachephantasien pflegt. Der Bibelgott ist da genauso einfach instrumentalisierbar wie der koranische und wohl auch der jüdische. Jesus musste sterben, weil er nicht gesetzeskonform war.

    (Höcke hat nach seiner Biologistenrede übrigens betont, dass er ein christliches Menschenbild habe. Man kann das Christentum so hinbiegen, dass Höcke zuzustimmen ist, machen wir uns da nichts vor. Keine rechte Bewegung ohne überzeugte Christen. Es gab die deutschen Christen unter Hitler. Gott ist so biegsam wie sonst nichts auf der Welt. Insofern völlig wertlos.)

    Es wird ein Wille Gottes suggeriert, den der Mensch zu erfüllen hat. Widerspruch ist Sünde und muss bestraft werden, wie überhaupt ständig von Strafe die Rede ist. Das Vertrauen in Gott ist hier das gegenüber einem strengen Vater, dessen Schläge schon richtig sein werden, schlicht, da er es ist, der schlägt. Angst spielt in diesem Gottesbild eine wichtige Rolle. Der Knecht hat Angst und erduldet und hat bestenfalls die gelinde Hoffnung, dass es irgendwann einmal besser wird.

    Wird Gott im ersten Sinn ausgelegt (Begleitung eines selbstverantwortlichen Individuums), muss er seiner Allmacht entkleidet werden. Widerspruch ist dann möglich, Selbstdenken sowieso.

    Das Wesentliche ist wohl die Sinnlosigkeit des Lebens, die nur aus sich selbst heraus gemildert werden kann: Leben, weil es angenehme Zustände und Gefühle hervorrufen kann. Man kann dem Leben einen vermeintlichen Sinn geben und muss nur dran glauben. Da kann man dann all das Gott nennen, was man nicht erklären kann. Und sich dann bitteschön damit begnügen. Im Grunde genommen ist es doch so:

    Wer über Gott mehr sagt als dass es sein könne, dass er irgendwie existent ist, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

    Und dann gibt es natürlich das Bestreben, die apriorische Notwendigkeit von Grenzen von Raum und Zeit scheinbar überwinden, indem man einfach jemanden konstruiert, der für den Anfang verantwortlich ist. Man hat dann ein Märchen konstruiert, das die reale Welt ignoriert.

    Der moderne Mensch versucht es mit physikalischen Konstruktionen, Relativität und schwarze Löcher und so, aber das ist eigentlich alles völlig sinnlos, Spielerei.

    Wir kommen um die Anerkennung der Sinnlosigkeit von allem nicht herum. Wir sind die einzigen, die einen Sinn schaffen können. Der Umweg über Gott ist absurd, dämlich. Kinder übrigens brauchen keinen Gott, Phantasie zum Wohlfühlen reicht. Der Gott muss dem Menschen immer erst eingetrichtert werden.

    ———————-

    Bosch bildete mittelalterlich mit nachmittelalterlichen Techniken ab, klingt gut. Die bildliche Realisierung von Höllenqualen gab es schon im Mittelalter, das meiste dürfte nicht mehr exisiteren.

    Das hier ist aus dem 12. Jahrhundert, sogar von einer Frau, Herrad von Landsberg:

    Diese Quälereien halten sich in den Christenkirchen bis heute. Das Ausschalten des Individuums durch Quälerei ist den Christen so natürlich wie dem Faschismus. Siehe christliche Erziehungsanstalten noch in den 1960ern. Erst die Liberalisierung der Gesellschaft gegen die Christen dämmte das ein.

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    Langer Rede, gar kein Sinn: Gott (falls existent) kann nichts dafür, daß Menschen liebend gern herrschen

    Einigen wir uns darauf, dass Gott nicht existiert. Und wenn, dann wissen wir nichts davon. Insofern ist er unschuldig. Wir hingegen sind schuldig dafür, dass wir uns solch dämliche Gottesbilder wie die drei aktuellen ausgedacht haben. Leider ist es so: Wenn wir an diese drei Götter glauben, sind wir nicht in der Lage, unsere Dummheit zu erkennen.

    Ich glaube, wir kommen um Sartre nicht herum.

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  6. genova68 schreibt:

    runkelrübenmann,

    ich habe gerade kurz in das Buch reingelesen. Auf den ersten Seiten wird die Frage diskutiert, inwieweit die Hoffnung auf Gott vernünftig ist. Laut dem zitierten Horkheimer kann die Hoffnung auf Gott rational gerechtfertigt werden.

    https://www.book2look.de//book/2np2mRaHZH&euid=26689210&referurl=www.reclam.de&refererpath=www.reclam.de&issecure=true&biblettype=html5&bibversion=2&bibzoomify=2&clickedby=lk&bibloc=0

    Das ist doch ein ganz interessanter Ansatz. Ohne genau zu wissen, was Tetens im weiteren ausführt, ist ein treuer, freundlicher Begleiter für den Menschen sinnvoll, insofern vernünftig. Ob das ein Hund ist oder Gott, ist wohl zweitrangig. Sowohl ein Hund als auch Gott können demnach vernünftige Begleiter sind (müssen es aber nicht).

    Der Mensch hofft auf Gott, weil er so angelegt ist, weil er nicht anders kann, weil er seine Unvollkommenheit, seine Hilflosigkeit merkt. Auf Gott zu hoffen ist dann besser als Führer zu werden oder ähnliches. Hoffnung bezeichnet in dem Zusammenhang ja das Nichtwissen, den nicht vorhandenen Anspruch auf Herrschaft.

    Einigen wir uns alle auf diesen Hoffnungsgott, dann ist alles in Butter.

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  7. dame.von.welt schreibt:

    Jetzt und auf die Schnelle nur mal so viel: boah, haben Sie ein tiefschwarz-pädagogisches Gottesbild! Unter diesen Umständen würde ich mich auch mit mir und Ihnen und überhaupt allen darauf einigen, daß Gott besser auf gar keinen Fall existiert. Falls doch, sollte man den töten, schnellstens.

    Ich hatte die Bibel übrigens als Kind am gernsten (okay, die Anne-de-Fries-Kinderbibel), besonders das Alte Testament war ein phantasiebeflügelndes Märchenbuch für mich. Kürzlich hörte ich mal wieder ‚Joseph und seine Brüder‘ von Thomas Mann, gelesen von Gert Westphal und war ruckzuck wieder Kind.

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  8. genova68 schreibt:

    :-)
    Ich glaube (!), ich habe überhaupt kein Gottesbild. Ich wundere mich darüber, eins haben zu können. Ich bin in einer tiefkatholischen Umgebung komplett atheistisch aufgewachsen. Ich habe das immer nur von außen betrachtet. Aber da eben Religion fast immer als autoritäre Veranstaltung wahrgenommen. Der Pfarrgemeinderat war gleichzeitig Sparkassenchef, streng und konservativ, unsympathisch. Ich bin zur Erstkommunion gegangen, weil das alle machten und der Pfarrer in die Klasse kam. Ich freute mich über das Geld und war erstaunt darüber, dass der Pfarrgemeinderat mir eine schallern wollte (wäre er mein Vater, wie er sagte), weil ich während der Messe mich mit einem Freund unterhalten habe. Und ich habe mich damals schon über den allsonntäglichen Satz gewundert, wonach ich nicht würdig sei, dass der Herr in mein Haus eingehe, er aber nur ein Wort sprechen müsse, und meine Seele gesundete.

    Die Tochter der Komminionsunterrichtsfrau war sehr attraktiv, sie arbeitete später an der Supermarktkasse, fällt mir zum Thema Religion noch ein.

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  9. dame.von.welt schreibt:

    Wer über Gott mehr sagt als dass es sein könne, dass er irgendwie existent ist, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

    Wer über Gott mehr sagt, baut auf Massenhypnose bis -psychose – wenn man mit Gläubigen ungnädig sein und ihre Manipulierbarkeit und Machtgeilheit betonen will. Oder der baut auf intersubjektive Wahrnehmung und die Wichtigkeit der ähnlich denkenden, fühlenden und sich verhaltenden Gemeinschaft für Gläubige, die die drei abrahamitischen Religionen kennzeichnet, während diese geborgenheitstiftende Gemeinschaft im Hinduismus (als letzter großer polytheistischer Religion) und Buddhismus (als Religion ohne Gott) nach meinem Eindruck weniger wichtig ist.

    Was aber, wenn Gott sowieso viel größer ist? Was ist, wenn Gott tatsächlich in Ihrer Durchrostung genauso existiert wie weit jenseits der größer gewordenen Erklärbarkeit der Welt durch die Naturwissenschaften und der gleichnamigen Gläubigkeit? Nicht alle Tassen im Schrank hat auch jeder, der das generell ausschließen können will.

    Ich habe ja ein Faible für kleine religiöse Handlungen wie das Anzünden einer Kerze in Verbindung mit einem Wunsch oder wie das tägliche Räucherstäbchenbündel, das Animisten in einen Baum stecken oder den Schnaps, den sie an einen Wasserfall stellen. Mir ist mühelos nachvollziehbar, warum Menschen Feuer, Blitz und Donner anbeteten und warum sie Jahreszeiten, Wetterphänomene, Geburt und Tod (und was vorher und danach passiert) religiös ummanteln. Das alles entspringt der Erkenntnis, klein und wenig wichtig zu sein, nur bedingten Einfluß auf das eigene Leben und Sterben ausüben zu können und sich aber die Welt erklären zu müssen, um darin agieren zu können.

    Könnte es vielleicht sein, daß die Aufklärung (Sartre, Atheismus) überhaupt erst stattfinden konnte, als die Welt untertan gemacht war? Keine Ahnung, ob Sie mal in einem Urwald waren oder irgendwo, wo es in mondlosen Nächten wirklich dunkel ist und ob Sie die Urangst kennen, die vermutlich auch jeder überzivilisierte Mensch angesichts einer wilden und latent bedrohlichen Natur spürt. Es ist nicht schwer, Gott mit Hilfe von Straßenbeleuchtung und wohlgefüllten Supermärkten wegzurationalisieren.

    Ich meine, daß man zwischen individueller Religiosität (Menschenrecht!) und Religion als Herrschaftssystem fein unterscheiden sollte. Woher der unter Christen ausgeprägte Sadomasochismus kommt, keine Ahnung – vielleicht ist das auch ein Umgang mit den eigenen Ängsten und Schuldgefühlen. Daß eine ausgeprägte Sadistin wie Mutter Teresa für heilig gehalten wird, ist mir ebenso fremd wie die katholische Vorliebe für Kreuzweg, Folter und Flagellantentum. Die Evangelen sind da ja viel feinsinniger^^ die sind und bleiben immer erbsündig und schuldig und lieben es deswegen karg, rational, fleißig (inklusive Wohlstand als Gottesgnadenbeweis und umgekehrt), leibfeindlich und nicht weniger grausam.

    Vielen Dank für die Äbtissin, kannte ich noch gar nicht. Hinreißend finde ich das Bild von Jonas, mit Gesichtsausdruck, Körpersprache und sogar einem Hauch von Perspektive, für christliche Kunst im 12. Jahrhundert allerhand.

    Im Zusammenhang mit ihrem Höllenbild: keine Hölle ohne Paradies. Die christlichen Vorstellungen davon finde ich wenig verlockend, im Judentum werden Jenseitsvorstellungen nicht allgemeingültig formuliert und sind zugunsten der Welt, die (mit dem Messias) kommt ziemlich unwichtig. Anders im Islam: so gut wie jede islamische Architektur- und Kunstäußerung bildet das (meist unbevölkerte) Paradies ab und transportiert es damit mitten ins Leben: Paradise found.

    Was mich (in Ermangelung spritueller Erlebnisse) davon abhält, Gott für nichtexistent oder tot zu erklären, sind Begegnungen mit Gläubigen aller möglicher Religionen, die irgendwie von innen leuchten. Ihnen gemeinsam ist die geäußerte Auffassung, daß es völlig wurscht ist, ob man Gott Gott, Allah, Jchw, Buddha, Kali, Maria, Wasserfall oder sonstwie nennt, es ist immer derdiedas Gleiche gemeint. Gemeinsam ist diesen Gläubigen vor allem aber Freundlichkeit.

    Wer als religiöser Mensch vorsätzlich unsympathisch ist, Kommunionskinder schlagen oder Angriffskriege führen will, hat den Zug verpasst. Wer irgendeine Form von Deus lo vult! anführt, mag sich dabei zwar vielleicht auf Gott berufen, macht aber Gott damit sehr klein, nämlich sich selbst und den eigenen Interessen untertan – Gott als Knüppel aus dem Sack, als Rechtfertigung der eigenen schlagenden Hand oder des Fingers am Bombenknopf.

    Könnte es vielleicht sein, daß das Verbot der Gottesabbildung in den abrahamitischen Religionen auch deswegen besteht, um den zu Kriegen und anderen Gewaltexzessen nötigen Massenpsychosen nicht noch zusätzlichen Vorschub zu leisten? Wir glauben alle an Bilder und es ist so leicht, uns alle mit Bildern zu täuschen. Deswegen ist neben dem unbetreuten Denken ja auch der Zweifel DIE Errungenschaft der Aufklärung, immer und zuerst an den eigenen vermeintlichen Gewißheiten.

    Das wurde jetzt schon wieder ein Roman, tut mir leid!

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  10. genova68 schreibt:

    Hört sich alles gut an, vielen dank, und zu lang ist etwas nur, wenn nichts drinsteht. Vielleicht komme ich die Tage zu einer Bemerkung. Jetzt ist erstmal Weihnachten :-)

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  11. genova68 schreibt:

    Das sind alles gute Gedanken. Ich will im Wesentlichen sagen, dass wir zum Thema Gott nichts sagen können. Schon gar nicht, ob es ihn gibt. Gott in unserer Vorstellung ist natürlich eine Erfindung, die uns im Urwald etc. helfen soll. Diese HIlfe ist ok, wenn sie funktioniert. Gott als Ursprung von Welt und Sinn ist für Menschen nicht erkennbar, insofern sollte man dazu die Klappe halten. Hält man sie nicht, kommt früher oder später Faschismus heraus, siehe aktuelle Tendenzen im Islam, und weiß Gott nicht nur der IS.

    Freundlichkeit von Religiösen: Ja, wohl wahr, wenn es dabei bleibt, ist es ok. Gelassenheit vielleicht, aber weniger bei Christen, oder? Eher bei Moslems.

    Was mich (in Ermangelung spritueller Erlebnisse) davon abhält, Gott für nichtexistent oder tot zu erklären, sind Begegnungen mit Gläubigen aller möglicher Religionen, die irgendwie von innen leuchten. Ihnen gemeinsam ist die geäußerte Auffassung, daß es völlig wurscht ist, ob man Gott Gott, Allah, Jchw, Buddha, Kali, Maria, Wasserfall oder sonstwie nennt, es ist immer derdiedas Gleiche gemeint. Gemeinsam ist diesen Gläubigen vor allem aber Freundlichkeit.

    An Gott glauben hat nichts mit der Existenz von Gott zu tun. Wir können uns darauf einigen, dass er nicht existiert. Das ist der Stand der Forschung. Und wird es vermutlich auf ewig bleiben.

    Ich meine, daß man zwischen individueller Religiosität (Menschenrecht!) und Religion als Herrschaftssystem fein unterscheiden sollte.

    Ja, aber das machen die Religiösen nicht mit. Die größte Lüge ist die von Religion als Privatsache. Das geht bei den imperialistischen Religionen namens Christentum und Islam nicht. Die müssen ja permanent ihre frohe Botschaft hinausposaunen. Sie haben den Führer und dessen Buch. Damit kann man nicht im Privaten verharren. So wie der Kapitalismus sich auch prinzipiell nicht begrenzen lässt. Ich glaube sogar, dass sich Religiöse aufgrund ihrer intellektuellen Defizite permanent wichtigtuerisch in die Belange anderer einmischen müssen. Das verleiht ihnen Mehrwert. Und schauen wir uns ruhig Evangelikale in den USA und Afrika an wie auch den Islam in Saudi-Arabien und überhaupt im arabischen Raum: Die faschistischen Strukturen sind kaum übersehbar. Diese Religionen sind nur dann nicht gefährlich, wenn sich faktisch nicht mehr existieren, wenn sie komplett beschnitten sind.

    Apropos: Dass man in Deutschland kleine Jungs verstümmeln darf, nur weil das in jahrtausendalten absurden Texten steht, zeigt den großen Einfluss dummer Menschen. Das gilt auch für dumme Juden.

    Und dass ich sowas schreiben darf, ohne auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden, musste gegen den brutalen Widerstand der Religiösen erkämpft werden.

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  12. dame.von.welt schreibt:

    Gott in unserer Vorstellung ist natürlich eine Erfindung, die uns im Urwald etc. helfen soll. Diese HIlfe ist ok, wenn sie funktioniert. Gott als Ursprung von Welt und Sinn ist für Menschen nicht erkennbar, insofern sollte man dazu die Klappe halten.

    Und was, wenn die Urwaldangst durch Angst vor fehlendem Sinn und unklarem Ursprung (und ob/was nach dem Tod passiert) abgelöst wurde?

    An Gott glauben hat nichts mit der Existenz von Gott zu tun. Wir können uns darauf einigen, dass er nicht existiert. Das ist der Stand der Forschung. Und wird es vermutlich auf ewig bleiben.

    Ich staune ja, daß Sie so wissenschaftsgläubig sind…;-)…

    Nachdem ein Großteil der Weltbevölkerung an irgendeine Form von Gott glaubt, bewirkt allein dieser Glaube schon, daß Gott existiert, nämlich für einen Großteil der Weltbevölkerung. Andere Menschen wieder glauben an Geld und an Geldmehrung durch dessen Arbeit – auch eine Form von Gruppenhypnose bis -psychose – und siehe da: es existieren Geld, Börsen, Steueroasen, Korruption, Ausbeutung. Noch andere glauben an nötige Notwehr gegen die Bösartigkeit von Flüchtlingen und es brennen Asylunterkünfte.
    Alles höchst existent und real.

    Ich einige mich mit Ihnen gern und jederzeit darauf, daß Menschen sich ihre Götter nach ihren Bedürfnissen bauen und daß Glaube Berge aller Art versetzt. Aber wer will wie grundsätzlich ausschließen, daß die kein Eigenleben entwickeln und/oder daß es Gott darüberhinaus gibt?

    Die größte Lüge ist die von Religion als Privatsache. Das geht bei den imperialistischen Religionen namens Christentum und Islam nicht. Die müssen ja permanent ihre frohe Botschaft hinausposaunen. Sie haben den Führer und dessen Buch. Damit kann man nicht im Privaten verharren. ff.

    Warum sollten sie auch? Sie zum Beispiel, lieber Genova, glauben an gute Architektur, Fotografie und ans Denken und pflegen einen öffentlichen Diskurs darüber. Warum sollten Religiöse das anders halten? Wer ist der Bestimmer, was der öffentliche Raum ist und wer sich wie darin zu äußern/nicht zu äußern hat? Mir ist auch so, daß das Private immer politisch ist.

    Das Nichtverbranntwerden gilt für Atheisten wie für Religiöse und keiner der hier Anwesenden hat das erkämpft, sondern wir alle profitieren nur davon. Das sollte aber nicht zum schon erwähnten Hauptlaster Superbia verleiten, das auch im Absprechen von Intellekt und in der Ferndiagnose Dummheit an alle Gläubigen liegt.

    Ich werde mich ganz sicher an keiner weiteren Beschneidungsverbotsdiskussion beteiligen, sondern empfehle stattdessen einen Text von Michel Chaouli: Markierte Körper

    Wir hatten das auch schon mal irgendwo anders, oder? Zum unbetreuten Denken kann man niemanden zwingen. Ebensowenig zum Aushalten oder gar zu Freude am fruchtbaren Zweifel.

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    Für’s Amüsement: ‚Preferably blue‘

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  13. genova68 schreibt:

    Sie zum Beispiel, lieber Genova, glauben an gute Architektur, Fotografie und ans Denken und pflegen einen öffentlichen Diskurs darüber. Warum sollten Religiöse das anders halten? Wer ist der Bestimmer, was der öffentliche Raum ist und wer sich wie darin zu äußern/nicht zu äußern hat? Mir ist auch so, daß das Private immer politisch ist.

    Ich glaube nicht an all das, ich versuche zu argumentieren. Religiöse können nicht argumentieren, weil sie dann per Argument sagen müssen, dass Gott existiert. Das ist a priori dummes Zeug, weil sie nicht die Möglichkeit zu dieser Erkenntnis haben.

    Solange Religiöse dieses intime Gefühl einer Hilfe, eines Freundes inform eines Gottes pflegen, ist das prima. Ich beneide fast Leute, die das können. Die Geschichte lehrt, dass es nicht dabei bleibt, sondern Mord und Totschlag zwingend folgen. Das hat mit dem Anspruch zu tun, die Wahrheit zu kennen.

    In der Praxis sieht es überall so aus, dass Religiöse ihren Krempel anderen aufdrücken wollen, beispielsweise in Sachen Sterbehilfe. Es reicht denen nicht, einfach selbst zu warten, bis der Herr sie holt; sie wollen alle dazu zwingen, indem sie ihre Ansichten zu Gesetzen machen wollen und ganz real auch machen.

    In Deutschland haben wir noch den Komplex Kindergärten, Krankenhäuser, Sozialdienste: Überall hat die Kirche eine unglaubliche Macht, aber ausschließlich beitrags- und steuerfinanziert. Man müsste denen das alles im Handstreich wegnehmen.

    An Weihnachten lief auf arte „Der Verdingbub“. Eins von unzähligen Beispielen über die reale Rolle der Kirche.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Verdingbub

    Ich habe hier übrigens mal einen Artikel geschrieben, wonach man bitte künftig drei Wörter ein für allemal vermeiden solle:

    Jazz, Freiheit, Gott.

    Alle drei werden so subjektiv benutzt, dass sie sinnlos geworden sind.

    Lassen wir also Gott künftig nur noch in Form von Sprichwörtern und Redewendungen ins Spiel.

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  14. dame.von.welt schreibt:

    Solange Religiöse dieses intime Gefühl einer Hilfe, eines Freundes inform eines Gottes pflegen, ist das prima. Ich beneide fast Leute, die das können. Die Geschichte lehrt, dass es nicht dabei bleibt, sondern Mord und Totschlag zwingend folgen. Das hat mit dem Anspruch zu tun, die Wahrheit zu kennen.

    Die Geschichte lehrt, daß Verbrechen wie Mord und Totschlag die menschliche Geschichte mindestens ebenso ausdauernd säumen wie Religionen und sie aus Gier, Neid, Angst, im Namen von Vaterland, Wahrheit, Ehre begangen werden. Die Rechtfertigungsetiketten sind völlig austauschbar, ebenso die Erlaubnisversuche zum Bruch des Tötungsverbots im Vorfeld, z.B. vor Kriegen.

    Der vorgebliche Alleinbesitz der ‚Wahrheit‘ zeichnet nicht unbedingt Religiöse aus, immer aber Ideologen. Deswegen betone ich ‚Wahrnehmung‘ (statt ‚Wahrheit‘), zu mehr bringt es nämlich kein Mensch. Der Unterschied zwischen beidem ist wunderschön herausgearbeitet in Akira Kurosawas ‚Rashomon‘ oder in Harry Mulischs ‚Das Attentat‘.

    Ich habe hier übrigens mal einen Artikel geschrieben, wonach man bitte künftig drei Wörter ein für allemal vermeiden solle: Jazz, Freiheit, Gott.

    Sie haben ein für allemal angefangen…;-)))…

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  15. genova68 schreibt:

    Die Geschichte lehrt, daß Verbrechen wie Mord und Totschlag die menschliche Geschichte mindestens ebenso ausdauernd säumen wie Religionen und sie aus Gier, Neid, Angst, im Namen von Vaterland, Wahrheit, Ehre begangen werden.

    Das stimmt, aber die Religionen legen selbst die Messlatte extrem hoch, indem sie die Existenz eines Supermanns behaupten, zu dem sie auch noch einen guten Draht haben. Mir ist es lieber, jemand ermordet mich, weil er mein Geld will, als dass er es tut, weil Gott es ihm befiehlt. Ersterem könnte man leichter auf den Pfad der Tugend bringen.

    Wir meinen beim Thema Gott wohl beide dasselbe, oder? Religiöse Menschen sind vielleicht die besseren, wenn sie ihren Gott als das Andere sehen, das Nicht-Identische, dem man sich annhähern möchte, zu dem man eine Verbindung haben möchte, der Sicherheit und Trost gibt etc. Der Schritt zum Faschogott ist bei monotheistischen Religionen aber kein großer, und da gilt es mit der Kritik anzusetzen.

    Kerze anzünden in Kirchen ist wunderbar, die reale Gelassenheit des Inshallah ebenso. Das ändert nichts an der Katastrophe des Wahabismus, um nur ein Beispiel zu nennen.

    Wahrnehmung statt Wahrheit: Darauf kann sich der Mensch vielleicht nicht einlassen (auch wenn er es behauptet), weil er verrückt würde. Er muss das, was er wahrnimmt, für die Wahrheit halten, ansonsten langfristig Psychose. Vermute ich.

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  16. dame.von.welt schreibt:

    Wahrnehmung statt Wahrheit: Darauf kann sich der Mensch vielleicht nicht einlassen (auch wenn er es behauptet), weil er verrückt würde. Er muss das, was er wahrnimmt, für die Wahrheit halten, ansonsten langfristig Psychose. Vermute ich.

    Meinen Sie? Und ich dachte schon, das sei ein wichtiger Teil des aufklärerischen Zweifels…;-)…
    Ich weiß nicht, ob Sie das gleiche Rot in Ihrem Blogheader sehen wie ich. Ich weiß aber, daß ich es ziemlich schön finde, Tatsache wahr! (bei der neuen Typo bin ich noch nicht sicher)

    Der entscheidende Lernschritt ist das Begreifen, wo ich (und meine wahrgenommenen „Wahrheiten“) aufhöre und wo jemand anderes anfängt. Das würde weiter gedacht nicht nur Mission aller Art, sondern nebenbei auch die Frage erübrigen, von wem Sie lieber ermordet würden, weil: Sie würden erst gar nicht. So kommt man trockenen Fußes auch zu den Menschenrechten, als immer auch die Rechte der Anderen.

    Ähnlich, wie sich der übliche Zuckerfestmuslim oder Weihnachtschrist vom Wahabiten oder von George W. Bush unterscheidet, verhält es sich auch mit dem Unterschied vom durchschnittlichen Salonkommunisten zum militanten Antideutschen oder zum Stalinisten.

    Ich vermute, daß Religionen als Herrschaftsinstrumente eine Art Evolution durchlaufen – mit einem polytheistischen Haufen menschelnder und miteinander konkurrierender Götter ist weniger Staat zu machen als mit dem einen allmächtigen Gott, von dem man auch noch ein tägliches Fax bekommt. Grundsätzlich glaube ich aber, daß Götter (und in der Folge Religions- und andere Glaubensgemeinschaften) immer als eine Art großer Bruder gebaut wurden, als Verstärkung der eigenen Wahrnehmung (zur intersubjektiven Wahrnehmung).
    Weil: Zweifel sind ja eine ambivalente Angelegenheit, sie können bescheiden halten und schlauer machen, sie können aber auch einsam, ängstlich und damit handlungsunfähig machen. Das gilt individuell wie auch zur Ordnung einer Gemeinschaft durch Regeln oder auch zu deren Mißbrauch zu Kriegen, die immer Wirtschaftskriege waren und sind, völlig egal, welches Etikett lo vult! draufgeklebt wird.

    Für unterschätzt halte ich kulturelle Prägung durch Religion (Geld kein Neoliberalismus, n’est ce pas?
    Ich finde gegen gemeinschaftsordnende Regeln wie z.B. die 10 Gebote (bzw. die, die ohne Gottesbezug auskommen) nichts einzuwenden. Schlimm wird es, wenn z.B. die Scharia nicht nur individuelles moralisches Geländer und Vorschlag zur Gesellschaftsordnung ist, sondern darüberhinaus in gewaltenteilungsloses staatliches Strafrecht mündet.

    Ich weiß nicht, ob wir beim Thema Gott das gleiche meinen, mein Gottesbild ist sozusagen über die Bande gespielt, aus den erwähnten Begegnungen mit Gläubigen mit spritueller Erfahrung. Ich selbst habe nie auch nur das kleinste Fax bekommen, obwohl ich mich darum als Kind sehr bemüht habe, ich wollte sogar mal kurz Nonne werden. Ich bin also quasi religiös verhindert, mir gefällt aber eine Vorstellung von Gott, derdiedas sich der menschlichen Wahrnehmung immer entzieht und gleichzeitig allgegenwärtig ist. Und ich kann nicht wissen, ob es derdiedas gibt oder nicht und neige deswegen zu ja.

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  17. genova68 schreibt:

    :-) bei der neuen Typo bin ich mir auch nicht sicher, ich habe heute morgen nur ein wenig herumgespielt. die alte war zu klein, oder?

    Zu dem anderen ein andermal.

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  18. dame.von.welt schreibt:

    Ich fand die andere Typo wegen ihrer Eckigkeit nicht nur besser lesbar, sondern auch als Gesamtbild ruhiger und klarer. Die jetzige flutscht wegen ihrer Rundlichkeit so komisch und im Gesamtbild stören mich die ungleichgewichtigen Buchstabenabstände. Die jetzige Größe finde ich gut, die kann aber auch jeder selbst am heimischen Gerät einstellen – Größe ist also nicht so richtig ein Pro-Argument, oder?

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  19. genova68 schreibt:

    Jetzt habe ich wieder eine andere Typo. Kommt der FAZ-Typo nahe, die ich gut leserlich finde. Ungleichgewichtige Spationierung ist das letzte, finde ich auch. Größe kann jeder selbst einstellen, man macht es aber nicht, ich zumindest.

    Das Rot im Header kann man immer wieder mal gegen andere Farben austauschen, dachte ich mir :-)

    Sehr freundlich, dass Sie sich so um meine Ästhetik kümmern.

    Was Sie zur Religion schreiben, finde ich alles prima. Vielleicht gehe ich stärker vom Anspruch aller möglichen Leute aus. Das ist ähnlich wie bei Jebsen und Co.: Die behaupten, den elitären Durchblick zu haben, sie legen also die Messlatte für sich hoch. Und daran messe ich sie. Bei Religiösen ist das genauso. Bei Linken auch. Bei Religiösen sind die meisten völlig harmlos, klar, allerdings stärken sie alle den Machtkomplex Kirche, schlicht indem sie da Mitglied sind.

    Ich vermute, daß Religionen als Herrschaftsinstrumente eine Art Evolution durchlaufen –

    Sie entwickeln sich wie alles andere auch. Wie das genau läuft, müsste man untersuchen, wenn es nicht schon tausendfach untersucht wurde. Generell gilt vielleicht, dass sich immer das entwickeln muss, was am abseitigsten ist. Plattdeusch zum Beispiel, ist weggefallen, weil es andere nicht verstanden und es offenbar wenig Reformationsbereitschaft gab. Andere Dialekte leben in gemäßigter Form weiter. Das Christentum verband sich im evangelischen Zweig gut mit der kapitalistischen Logik, aber stand ansonsten in der Deppen-Ecke, vor allem bei den Naturwissenschaften. Das kann auf Dauer nicht gut gehen, deshalb ist der Einfluss mittlerweile vergleichsweise gering. Evolution gezwungenermaßen sozusagen.

    Aber vermutlich kann man beim Thema Religion immer auch genau das Gegenteil behaupten, da so vielfältig. Siehe auch Freiheit und Jazz.

    Wenn Religionen sich so entwickeln wie die Protestanten, so käßmannmäßig, wird es leider schnell banal, Schmalspurphilosophie. Das braucht ja auch niemand, oder? Religion ist am coolsten, wenn in der Kirche der Weihrauch schwebt, die Orgel ballert, Jesus überlebensgroß mit schmerzverzerrtem Gesicht am Kreuz hängt und die Gemeinde einen Joint raucht. Damit kommt man Gott nahe und der Rest ist egal. Religionsausübung sollte zwangsweise mit Drogenkonsum verbunden werden. Man muss direkt am Eingang inhalieren. Dann richten diese Leute keinen Schaden mehr an. Religion ohne Drogen ist unverantwortlich, wenn ich es mir so recht überlege.

    mit einem polytheistischen Haufen menschelnder und miteinander konkurrierender Götter ist weniger Staat zu machen als mit dem einen allmächtigen Gott,

    Jo.

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