Merkel, Troika und Co.: Wo bitte geht es nach Den Haag?

George W. Bush und Konsorten haben 2003 völkerrechtswidrig (und gegen jede menschliche Regung) den Irak überfallen. Es hatte und hat keine juristischen Konsequenzen. Angela Merkel und Co. haben fünf Jahre lang Griechenland einer neoliberalen Behandlung unterzogen. Ergebnis: 25 Prozent Wirtschaftsschrumpfung, tausende Tote, Staatsbankrott. Es war jedem halbwegs denkenden Menschen klar, dass es sich bei den Troika-Aktivitäten nicht um Hilfe handelte, sondern um neoliberale Filettierung und Zerstörung und um die Verlagerung privater Schulden in die öffentliche Verantwortung. Die Troika hat exakt das fünf Jahre lang gemacht und sie wussten, was sie taten. Demokratie wurde faktisch abgeschafft, das Kapital ist alle paar Monate nach Athen gereist und hat Befehle erteilt. Ich empfehle nach wie vor den Film von Harald Schumann zur Troika.

Diese Austeritätspolitik, wie man die Ausbeutung verharmlosend nennt, soll weitergeführt werden. Es ist kein Umschwenken der Haltung des Kapitals mit derzeitigem Hauptwohnsitz in Berlin erkennbar. Wobei eine innere Logik der Sparforderungen an die Griechen auch nicht erkennbar ist. Fünf Jahre Sparen führte in die Katastrophe, ohne Gewinn für die Gläubiger. Egal, weitersparen. Es ist den Verantwortlichen klar, dass Tsipras die Forderungen nur um den Preis seines Untergangs erfüllen kann.

Die deutsche merkantilistische Politik ist nach wie vor hauptverantwortlich für die Probleme in der Eurozone. Die hässliche deutsche Fratze, der volksdeutsche Kleinbürger, die umfassende deutsche Idiotie: alles ganz aktuell und alles schon mal dagewesen.

Bush, Merkel, Troika: All das hat für die Täter keine Konsequenzen.

Noch besser: Merkel ist nach wie vor die beliebteste Politikerin Deutschlands.

In gewisser Hinsicht haben es die Griechen richtig gemacht: Sie nahmen über Jahre hinweg das Geld, das ihnen Banken anboten, so, wie das in Spanien und Portugal lief. Es muss halt verwertet werden, auch auf Teufel komm raus. Wer in Berlin-Schönefeld mit dem Flieger startet und in Athen landet, merkt das. Hier eine ramponierte U-Bahn durch eine ramponierte Berliner Vorstadt zu einem ramponierten Flughafen, dort ein toller neuer Airport, eine topfebene neue Autobahn in die Stadt, klimatisierte neue Busse und alternativ neue S-Bahnen. Die Berliner S-Bahn fällt gerade wieder reihenweise aus, die 30 Jahre alten Waggons wollen nicht mehr. Die Griechen sind nicht so dämlich wie die Deutschen, die sich jahrzehntelang die Butter vom Brot nehmen lassen, aus dem Pathos deutscher Pflichterfüllung heraus, das immer auch ein fremdenfeindliches ist. Wir treue Untertanen gegen die minderwertigen Südländer, die sich mehr trauen, weswegen wir sie hassen. Ein  pathologisches Pathos.

Es ist der neoliberalen Ideologie vermutlich nicht möglich, mit einer linken griechischen Regierung zusammenzuarbeiten. Zu groß das Verlangen, ein Exempel zu statuieren, sie scheitern zu lassen. Es kann auch sein, dass das Kapital die Schulden längst abgeschrieben hat. Austerität und Schuldenbedienen sind rational nicht zusammenzubringen, das wissen Schäuble und Co. Stattdessen wird die Infrastruktur des Landes möglichst billig der privaten Verwertungslogik übergeben und, wo das nicht möglich ist, zerstört. Einen Denkzettel muss es schon geben.

Ein bisschen merkwürdig vielleicht, dass die Vertreter des Kapitals sich öffentlich über das Syriza-Vorhaben entrüsten, die Bevölkerung via Referendum zu befragen. Sie müssten doch immerhin so tun, als sei das Kapital an Demokratie interessiert. So ist das nun mal scheinhaft vorgesehen.

Weite Teile der bürgerlichen Medien haben mitgespielt und tun das noch immer, nicht nur Springer. In einer deutschen Talkshow meinte gerade der Journalist Rolf-Dieter Krause, man solle „die Jungs von Syriza … zum Teufel jagen“. Tsipras sei „ein Mistkerl“. So klingt das, wenn ein durchschnittlicher deutscher Journalist Klartext, wie man sagt, redet.

Gewohnt rechtsideologisch kommentiert die Welt:

Setzt sich der Ministerpräsident [Tsipras] durch, werden alle Narren Europas – von Podemos in Spanien bis zur Front National in Frankreich – ihre Stunde schlagen hören und den Kontinent in ein ideologisches Zeitalter zurückdrängen, das uns neue zerrissene Jahre beschert.

Bei solchen Passagen frage ich mich immer, ab wann es dem Leser zu dumm wird und er das Blatt nicht mehr liest. Irgendwo verläuft diese Grenze ja.

Wofür gibt es eigentlich den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte? Vermutlich nur für Afrikaner.

(Foto: genova 2015)

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25 Antworten zu Merkel, Troika und Co.: Wo bitte geht es nach Den Haag?

  1. Beat Company schreibt:

    Die Vollversion:

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  2. genova68 schreibt:

    Danke!

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  3. besucher schreibt:

    Na hoffentlich werden wir die widerspenstigen Hungerleider bald los, dann können wir uns endlich um unsere europäische Exzellenz kümmern, Poschi bringt uns schonmal auf den richtigen Weg:

    http://www.welt.de/debatte/kommentare/article143294298/Jetzt-muss-das-neue-Europa-der-Exzellenz-beginnen.html

    Gefällt 1 Person

  4. genova68 schreibt:

    Kurzes, verständliches Interview mit Heiner Flassbeck im HR. Schön zu sehen, dass die Moderatorin neoliberal verdampft ist. Welche Infoquellen haben diese Leute?

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  5. Chinook schreibt:

    Dein Kommentar ist schon sehr marxistisch verbrämt und wird deshalb der Situation nicht gerecht.
    Es gibt drei Punkte, die (von unterschiedlichen Akteuren) akzeptiert werden müssen:
    Erstens, der Lebensstandard der griechischen Gesellschaft wurde auf Pump finanziert. Parteien haben Staatsausgaben nicht produktiv eingesetzt, sondern als Instrument um gewählt zu werden – die Griechen haben sie gewählt. Daraus ergibt sich, dass der griechische Lebensstandard sich zukünftig an die Wirtschaftsleistung wird anpassen müssen. Spielt auch keine Rolle ob Syriza regiert oder irgendwer anderes.

    Zweitens, Griechenland hat tief verwurzelte Probleme, was die Organisation eines effizienten Staatswesens angeht. Da war ein Interview mit Varoufakis kurz nach der Wahl sehr vielsagend, als er äußerte, ein Vorteil von Syriza sei, dass sie NOCH nicht korrupt wäre. Aber wie es eben bei korrupten Strukturen ist, diese sind sehr persistent und erlauben neuen Akteuren sehr einfach, sich darin einzurichten. Das sollte man auch aus marxistischer Sicht sehen, dass Syriza nach Monaten an der Regierung keinen Drang zeigt, tatsächlich effektiv gegen korrupte Strukturen vorzugehen. Bekämpfen lassen sich diese Strukturen in der Zeit nicht effektiv, aber bei Syriza ist klar, dies wird nie geschehen, so wie bei anderen Parteien eben auch.

    Drittens, Austeritätspolitik und Maßnahmen die kurzfristig ausgerichtet sind, können oben genannte, langfristige Probleme nicht lösen. Ab spätestens 2012 musste jedem klar sein, dass Druck, um Handlungszwang zu generieren, bei egoistischen griechischen Eliten nicht funktioniert (vor allem weil die Griechen insgesamt nicht akzeptiert hatten, was seit 2000 mit ihrer Billigung geschah). Realitäten müssen akzeptiert und auch ehrlich kommuniziert werden. Wenn die Probleme Griechenlands, welche runtergebrochen gesellschaftliche sind, nicht innerhalb von einigen wenigen Jahren gelöst werden können, dann braucht es einen anderen Ansatz als den, welchen Merkel Griechenland aufoktroyiert hat.

    Wenn man vorhergenannte drei Punkte akzeptiert, dann bedeutet dies, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Grunde viele wirtschaftspolitische Forderungen an Griechenland richtig sind und deren Erfüllung auch notwendig, aber die gesellschaftliche und politische Landschaft Griechenlands deren Erfüllung in kurzer Frist schlicht nicht erlaubt. Und dann wird es eben schwierig, wenn Forderungen richtig sind, Finanzpläne richtig sind, aber die reale Situation und persistente Strukturen es einfach nicht hergeben, dass diese erfüllt werden.
    Vereinfacht gesagt, Griechenland in der Eurozone zu halten wird uns einen Ars… voll geld kosten, Griechenland in der EU zu halten wird uns…, die schwerwiegendsten Folgen eines EU-Austritts abzufedern wird uns einen A…. voll Geld kosten. Die Politik Merkels war es seit Jahren, genau diesen Fakt nicht anzuerkennen, weil es das Scheitern ihrer Europapolitik bedeutet, übrigens nicht nur wegen dem Aspekt Griechenland. Und um diese Tatsache unter der Decke zu belassen, hat sie sich von griechischen Regierungen von Anfang an erpressen lassen, hat eine Politik gemacht, von der sie selbst kaum geglaubt haben kann das sie funktionierte, und auf ein Wunder gehofft. Merkel wollte sichtbare Kosten für Deutschland kurz-/mittelfristig reduzieren. Sie war in den Medien die große Euroretterin, man fragt sich warum, und ihr Drang weiterhin als solche wahrgenommen zu werden hat jede griechische Regierung bisher durchschaut und maximal verwertet. Wieder hat Merkel in Kauf genommen Politik an die Wand zu fahren, um in Umfragen gut dazustehen.
    Und was hat die Politik gebracht? Im Grunde acht Jahre Reformstillstand in Griechenland, was genau der Punkt ist wodurch das aktuelle Problem entstanden ist. Eine Partei die eigentlich aus der Eurozone raus will, es der Bevölkerung aber nicht verkaufen kann und es deshalb hintenrum versucht. Einen griechischen Finanzminister, der ein sehr guter Pokerspieler sein muss, weil er jede Schwäche erkennt und riskant auszunutzt – was ihn als verläßlichen Verhandlungspartner disqualifiziert.
    Und all diese Probleme für eine Politik, von der niemand der sich auskennt (ob links oder rechts) ernsthaft annimmt, sie könnte funktionieren. Hauptsache Merkel muss sich nicht hinstellen, Desinformation eingestehen und den Bürgern ultimativ erläutern, warum sie pro Person 1000 Euro für ein 11Mio Land hergegeben haben und noch was nachschießen sollen.
    Man hätte den Griechen von Anfang an Jahre Zeit geben können Reformen anzugehen, nach einem ganzheitlichen und zu kontrollierendem Plan unter nicht offensichtlicher, vollkommener Ausblendung jeglicher griechischer Souveränität, die ohnehin nur eine solche der Eliten bedeutet. Oder, im Falle dass griechische Eliten sich nicht zu vernünftiger Regierungsführung hätten hinreißen lassen, hätte man direkt auf einen Austritt hinwirken und die Kosten für Anleger akzeptieren müssen, was auch nicht zum Untergang der „zivilisierten Welt“ geführt hätte.
    Hätte-hätte-Fahrradkette. Merkels Politik der ersten Jahre nach 2007 war gerade noch akzeptabel, ist aber mittlerweile schon seit Jahren nur ein Verwalten des Ist-Zustandes, ohne das sich dadurch Veränderungen ergeben können. Die Griechen haben Jahre verloren, der Rest der EU Geld und, wichtiger, ein Verständnis dafür, warum Solidarität und politische europäische Integration wichtig ist.
    Die Griechen werden gegen die Idioten von Syriza stimmen, da bin ich sicher – und Varoufakis/Tsipras werden sich hier verzocken. Denn die letzten zwei Jahre war tatsächlich – meiner Ansicht nach – bei Griechen ein zunehmendes Verständnis für das eigene Kollektive Versagen bzgl. einer funktionierenden Staatsorganisation über die vergangenen Jahrzehnte, zu verzeichnen. Ich glaube, die Mehrzahl der Griechen sind bereit neue Wege zu beschreiten, es werden aber auch jene sein, die eben nicht an den Knotenpunkten sitzen. Insofern braucht Griechenland ein Referendum und eine ausführliche Diskussion (dauert schon über ne Woche), nur nicht über das was aktuell abgefragt wird, sondern darüber, ob man im Euro bleiben will (eventuell auch in der EU), selbst wenn dies gravierende Einschnitte bedeutet. Die Einschnitte kommen sowieso, ob in Eurozone/EU/oder außerhalb, aber es geht darum, ob die griechische Gesellschaft als ganzes bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht immer Schuldige woanders zu suchen, ob in der eigenen Regierung oder sonstwo. Insofern fände ich es tragisch, wenn die Griechen aus dem Euro und evtl. der EU austreten würden, gerade wenn sich gesellschaftlich was tut.

    Meiner persönlichen Ansicht nach:
    Wenn die Griechen mit JA stimmen, dann wäre das dümmste, nach einer neuen Regierung zu rufen. Alle alten Regierungen sind korrupt und haben bewiesen, dass einen Tag länger an der Macht zu bleiben, ihnen mehr bringt als Politik für das Volk zu machen. Mit einer neuen Regierung fängt alles nur wieder von vorne an. Syriza sind volltrottelne Marxisten ohne jeden Realitätsbezug und korrupt, aber sie haben wenigstens (wenn auch „gedrungenermaßen“) ihr „Gewaltmonopol“ zur Abstimmung gestellt. Sie werden es verlieren, also kann der Versuch danach mit ihnen aus gestärkter Position zu verhandeln sinnvoll sein. Natürlich muss die Regierung bis runter zu Sekretären innerhalb von Monaten personell ausgetauscht werden.
    Meiner Ansicht nach sollte nach einem JA der Weg bereitet werden, für ein Programm und diesbezügliches Referendum, welches klar umfasst welche Zahlen Griechenland erreichen sollte und auch, durch welche innenpolitische Reformen dies zu geschehen hat, was deren Konsequenzen sind. Die verwaltungstechnischen Reformen müssten bis auf niedrige Ebenen durch Betreuer von außen kontrolliert und wenn notwendig gegen Widerstände durchgesetzt werden. Die Griechen werden es als Gesellschaft nicht schaffen, eine akzeptable Staatsorganisation innerhalb von wenigen Jahren aufzubauen, insofern kann man ihnen helfen, aber nur wenn sie Souveränität diesbezüglich von ihrer eigenen Regierung an Außen abgeben und die Gesellschaft die Maßnahmen mitträgt. Darüber sollte diskutiert werden, abgestimmt werden. Wenn die Griechen das nicht wollen, dann nicht. Aber aus der Eurozone raus um sich zu entschulden, seit EU-Beitritt 500 Milliarden kassiert und in der EU bleiben um die Transfertöpfe der ehemaligen Gläubiger abzugrasen, das ist Quatsch. Gut, Varoufakis denkt das geht (weil Merkel keine andere Sichtweise zulässt), deshalb seine Verhandlungsstrategie. Aber ich denke, wenn Griechenland raus will, dann soll es ganz raus. Es hat nichts getan um in der Eurozone zu bleiben. Keine griechische Regierung hat konstruktive Vorschläge gebracht, alle wollten nur Zahlungen verlängern – was natürlich super mit Merkel geklappt hat. Die griechische Bevölkerung schien sich über lange Zeit von Kreditverpflichtungen gedemütigt zu fühlen, nicht jedoch durch Regierungen die Hypotheken aufnahmen, das Voilk zu bestechen, wobei sie diese nie gedachten zurück zu zahlen. Wenn ihr nicht wollt, lasst es sein. Das Geplänkel kostet nur Nerven und jede Seite Zeit.
    Oben genanntes durchzusetzen, das wäre vor Jahren Merkels Aufgabe gewesen. Die Griechen haben nur egoistische Volltrottel im polit. Geschäft zu bieten? OK, dann sprich vor der griechischen Bevölkerung. Erkläre warum was geschieht und was das Ziel ist. Erläutere die deutsche Sicht etc. Schaffe auf Konsens gegründete Allianzen und nicht auf Wirtschaftsmacht aufgebaute Abhängigkeiten. Kurz, setze nicht Europa aufs Spiel, weil du keine Lust hast den Deutschen zu erklären, warum die Ungleichverteilung in Zeiten des Aufschwungs aufgrund deiner Politik gewachsen ist und sie jetzt noch Geld an Leute abdrücken sollen, die nicht seit über zehn Jahren den Gürtel enger geschnallt haben.
    Europäische Politiker insgesamt haben leider keine Integrität mehr zu bieten und vergessen eines:
    Ob eine bestinmmte Person wiedergewählt wird, ist nicht so wichtig, wie dass tausende Familien am Ende des Monats noch was zum essen im Kühlschrank haben. Das ist das eigentliche Problem; Politiker heute sind nicht bereit die Verantwortung ihres Amts zu tragen und Wahrheiten zu akzeptieren und zu Verkünden, auch wenn dies persönliche Nachteile bedeutet oder den Verlust der politischen Karriere.

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  6. h.z. schreibt:

    @chinook
    Ihr Punkt betreffend den griechischen Lebensstandard hält nicht stand: Der deutsche Lebensstandard ist ebenso auf Pump finanziert (und zwar in einem weit höheren Ausmaß, als der griechische). Aus der Nummer gibt es kein Entkommen.

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  7. Lemmy Caution schreibt:

    Ich glaub mal wieder, unsere Regierung macht das einmal wganz richtig.
    Und Tsipras und Varoufakis sind Typen, die ein ganz anderes System wollen. Wenn die Griechen sich in deren Hände begeben, haben wir Lateinamerika am Mittelmeer.
    Vor 3 Jahren musste Merkel nachgiebiger agieren, weil ein Bankrott Griechenlands zu diesem Zeitpunkt wohl ein Ausgreifen einer massiven Vertrauenskrise nach Portugal, Spanien, vielleicht Italien und möglicherweise Frankreich geführt hätte. Danach hätten wir Europa nicht mehr wiedererkannt.
    @h.z. polemisch gesprochen ist es schon ein Unterschied, ob man den Pump in Forschung, gute Aus/Fortbildung der Bevölkerung oder in Swimming Pools und gebrauchte Bunga Bunga Girls von Berlusconi für die oberen 10.000 steckt.

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  8. h.z. schreibt:

    Ml abgesehen davon, dass bei unterbrochener Kreditumwälzung vollkommen egal ist, wohin das Geld geflossen ist – Deutschland würde um einiges schneller als Griechenland vor die Hunde gehen wegen der dramatischen Agenda-Vorschädigung. Deutschland würde auch in der von Ihnen unterlegten Wortbedeutung chancenlos absaufen.

    Worauf ich (zugestanden polemisch) anspielte, war die Tatsache, dass sich Deutschland ein schönes Stück seiner Existenz dauerhaft durch fremden Pump finanzieren lässt (und gerade nicht durch eigenen).

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  9. genova68 schreibt:

    „Und Tsipras und Varoufakis sind Typen, die ein ganz anderes System wollen. “

    Na, hoffentlich und Gott sei Dank.

    Man schaue sich die Ergebnisse von fünf Jahren Troikapolitik (i.e. Merkelpolitik) an: 23 Prozent weniger Staatsausgaben, 100 Prozent mehr Arbeitslosigkeit, 25 Prozent weniger Wirtschaftsleistung und 50 oder 100 Prozent mehr Staatsverschuldung (Zahlen habe ich gerade nicht zur Hand). Inwieweit war diese Politik erfolgreich? Für wen? Nur für die privaten Investoren, die in den fünf Jahren mit staatlicher Hilfe dafür gesorgt haben, dass ihre in Griechenland geparkten Gelder staatlich abgesichert sind. Vermutlich war genau das das Ziel. Genau, wie es bis vor kurzem keine Kapitalverkehrskontrollen gab. Ein Ergebnis dessen: In Berlin sind haufenweise reiche Griechen unterwegs und kaufen Häuser. So geht Verwertung auf animalische Weise.

    Interessant auch, dass in diesem Zusammenhang es keine öffentliche Diskussion über den isländischen Weg gibt. Die ließen die privaten Investoren bluten, die kleinen Einsätze wurden staatlich abgesichert, aber nur die. Die letzte Anne-Will-Sendung dazu war an einer kleinen Stelle aufschlussreich: In der gefühlt tausendsten Sendung zum Thema erwähnte Wagenknecht das Beispiel Island. Es interessierte keinen, Will kam sofort wieder auf den üblichen Quatsch zu sprechen.

    Das Establishment hierzulande hat kein Interesse an einer vernünftigen Lösung, sonst müsste man beipsielsweise den Wahnsinn der privaten Altersvorsorge in Frage stellen und vieles mehr, was mit Verwertung zu tun hat.

    hz,
    der deutsche Lebensstandard ist nicht auf Pump finanziert, das Gegenteil ist der Fall. Ist auch schlechterdings unmöglich bei einem jährlichen Exportüberschuss von 200 Milliarden Euro.

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  10. Lemmy Caution schreibt:

    Genova,

    wenn die Griechen ein anderes System haben wollen, können die ja mit „nein“ stimmen. Nur wird das mit dieser Führung auf der Kommando-Brücke in einem Desaster enden. Die würden sich dann noch wehmütig an die aktuellen besseren Zeiten erinnern.

    Wenn „nein“, dann mit der aktuellen Regierung einen Abgang Griechenlands aus dem Euro vereinbaren. Verbunden etwa mit einem 70% Schuldenschnitt. Die Schuldscheine Griechenlands mit weiteren Verlusten an Private Investoren verkaufen. In Frankfurt ein Denkmal errichten:
    „Hier versenkte die zu EZB wg Gutgläubigkeit ca. 70 Mrd Euro Steuern, u.a. mühsam erarbeitet von Lemmy Caution und anderen“.

    Und dann keine weiteren EU Hilfen für Griechenland. Wenn die wollen, können die ja aus der EU austreten.
    Sobald in Griechenland ein humanitäres Desaster ausbricht, keine Hilfe aus EU Mitteln, auch wenn eine andere Regierung ans Ruder kommt. Das wird dann Sache von Karitativität und Solidarität von Privatpersonen und nicht-staatlichen Organisationen.

    Wenn nach einer jahrzehntelangen verfehlter Entwicklungspolitik nach einem zusätzlichen externen Schock so eine Volkswirtschaft ins Trudeln gerät, dann muss erst einmal gespart werden. So war das in Lateinamerika 1982 bis 1989 auch. War es schmerzhaft? Absolut ja und in einem Ausmass, der ausserhalb des West-Europäischen Vorstellungsvermögen steht. Ich kenne Einzelschicksale. Gab es langfristige Schäden in Folge der Austerität? Insbesondere in Chile, was ich gut kenne, absolut ja. Wäre zu viel, wenn ich das jetzt umfassend besprechen sollte.

    Und so wird es in einigen Ländern dort auch wieder sein: Venenzuela, in geringeren Masse aber durchaus Brasilien und vielleicht Argentinien.
    Ich verstehe nicht, warum das in Europa angesichts dieser Sturrheit und ideologischen Verpeiltheit wie aktuell in Griechenland anders laufen sollte.

    Die Folgen der Makroökonomischen Instabilität ist kein Neoliberales Schreckensmärchen. Insbesondere wenn man lange auf unsoliden Pfaden wandelt, sind die Kosten verheerend. Besser als Krieg und sowas wie Ebola, aber schlimmer als alles andere.

    Bevor ich die von Sahrah Wagenknecht durchs Dorf getriebenen Säue zur Kenntnis nehme, soll die Trulla mal etwas zu den aktuellen Entwicklungen in Venezuela sagen. Das fand die ja vor 5 Jahren absolut richtungsweisend. Griechenland steht am Abgrund. Venezuela ist da schon einen Schritt weiter. Sie soll mal den Zeigefinger unten lassen und erklären, wie sie diese Entwicklung bewertet.

    Island lässt sich nicht mit Griechenland vergleichen. Die haben jahrzehntealte Traditionen eines funktionierenden Staatsapparats, eine starke Widerstandskraft gegen Korruption, eine viel solidarischere Gesellschaft.

    Liebe Grüße

    Lemmy

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  11. h.z. schreibt:

    @genova
    Mir erschließt sich nicht, weshalb die Bedeutung meiner Formulierung „fremder Pump“ nicht bei Ihnen ankommt. Sie weisen doch selbst zutreffend auf die merkantilistisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik Deutschlands hin. Dass ein positiver Außenhandelssaldo nicht durch andere positive Außenhandelssaldi finanziert wird, sollte eigentlich auf der Hand liegen. Über diese Kehrseite des andauernden Exportüberschusses ist Deutschland in verantwortlicher und unabweisbarer Rolle mit dem Schicksal der Defizitländer verbunden.

    (damit hier keine Erregung über die tollen und qualitativ einzigartigen Exportgüter Deutschlands aufbrandet: Ein Exportüberschuss kommt zustande, wenn zuwenig importiert wird. Don Alphons meinte vor kurzem in seinem linken „Glaubensbekenntnis“, dass die Problemlösung mittels höherem Konsum „es ja auch nicht sein könne“. Diese Figur möge das den rd. 40% abhängig Beschäftigten erklären, die sich wegen ihres bescheidenen Lohnes auf mittlerweile amtlich anerkannte Altersarmut einstellen müssen. Oder die Konsequenz ertragen, dass die Kohle weg ist – so einfach)

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  12. Chinook schreibt:

    „In der gefühlt tausendsten Sendung zum Thema erwähnte Wagenknecht das Beispiel Island. Es interessierte keinen, Will kam sofort wieder auf den üblichen Quatsch zu sprechen.“

    Darauf beim Thema dieser Talksendung, mit den Gästen die dort zugegen waren, einzugehen, wäre kaum sinnvoll möglich gewesen. Wil hättel allerdings darauf eingehen können, ob Wagenknecht also für einen Euro-Austritt von Griechenland ist. Das wäre nämlich die logische Folge ihres Island-Arguements und ist genau der Punkt, zu dem sie sich ebenso ungern klar äußert wie Syriza.

    „Die ließen die privaten Investoren bluten, die kleinen Einsätze wurden staatlich abgesichert, aber nur die.“

    Die isländische Regierung hat zunächst mal vor allem die Einlagen der Isländer geschützt. Die Deutschen Anleger kamen glücklich davon, während Briten und Niederländer die Rechnung von ihren Regierungen begleichen ließen. Das geht im Falle Griechenland als EU-Mitglied nicht so einfach. Die können schlecht sagen, wir zahlen nix – übrigens bräuchten wir jetzt noch einige zig Milliarden. Island hatte in dem Punkt „Glück“, weil die Regierung dringend benötigte Kredite (z.B. von Großbritannien) unter Zusagen erhielt, welche sie später nicht einhielt. Und isländisches Referendum hin oder her, ohne diese Kredite hätte alles ganz anders ausgesehen. Kann man machen, wenn man kein EU Mitglied ist und somit gewisse Verantwortungen nicht trägt, als EU-Mitglied geht das so einfach nicht.

    Aber vor allem sind auch andere Faktoren zu beachten, die stark darauf hindeuten, dass das Modell Island auf Griechenland nicht so einfach zu übertragen ist. Die Gründe warum es funktioniert hat, sind wirtschaftlicher, jedoch genauso auch politischer Natur. Zuallererst verfügt Island über ein funktionierendes und effizientes Staatswesen. Dieser Punkt kann gar nicht überbewertet werden. Die isländische Realwirtschaft und Unternehmenslandschaft ist eigentlich ganz gut aufgestellt und produktiv. Gerade eine starke Exportindustrie zeigte sich ziemlich resilient gegenüber den Folgen der Krise. Die sehr geringe EInwohnerzahl läßt Anpassungen schneller greifen, Koordination/Organisation ist natürlich einfacher zu bewerkstelligen. Zudem verfügt Island über eine eigene Währung.
    Aufgrund eines funktionierenden Staatswesens hat Island einen IWF Kredit zu eher außergewöhnlichen Bedingungen erhalten, der auch Grundlage des heutigen Erfolgs war. Man konnte den IWF Leuten glaubhaft machen, welche Maßnahmen man ergreift, wie diese wirken und weshalb das Konzept aufgehen wird. Objektiv betrachtet fehlt bei Verhandlungen, der Erarbeitung von Konzepten und deren Umsetzung ein Partner auf der griechischen Seite, der sich konstruktiv einbringt.
    Grundlage des isländischen Weges ist, dass das Land nicht Mitglied der EU oder Eurozone war, was auf Griechenland nicht zutrifft. Über Abwertung der Krone wurden hohe Gewinne durch den starken Exportsektor (den Griechenland so nicht hat) realisiert, während vor allem der IWF-Kredit es ermöglichte, den Binnenkonsum durch Beibehaltung von Sozial/Staatsausgaben (die in Island nie so übertrieben hoch im Vergleich zum BIP/Wirtschaftskraft waren wie in Griechenland) nicht zu stark einbrechen zu lassen. Gleichzeitig haben sich Importe verteuert, weshalb Isländer zunehmend ausländische durch inländische Erzeignisse substitierten, die von schon vorhandenen Unternehmen produziert wurden/werden, die ihre Marktanteile erhöhen konnten (auch hier ist fraglich, ob das in einem größeren Griechenland mit einer strukturdefizitären Binnenwirtschaft so funktionierte). „Flankiert“ wurden die Prozesse durch Kapitalverkehrskontrollen, deren Wirkung von einer effizienten Verwaltung beobachtet werden (welche es in Griechenland nicht gibt), um auf negative Entwicklungen wie eine entstehende Immobilienblase etc. effizient reagieren zu können. Heute Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland einzuführen, kann man machen, aber der Löwenanteil wird die letzten Jahre wohl abgeflossen sein.
    Wenn man sich die Prozesse anschaut, die positiv für Island wirkten, dann wird schon deutlich, warum man im Falle Griechenland darüber zumindest besser zweimal nachdenkt.
    Man könnte auch sagen, in Island stand der Finanzmarkt ohne Kleider da, was dann durch die Krise offensichtlich wurde, die Realwirtschaft war aber venünftig angezogen. In Griechenland wurde die Finanzseite vor der Krise besonders gut gekleidet, damit niemand sieht das die Realwirtschaft nackt dasteht. Wo in Island wirtschaftliches, produktives Potenzial zu finden ist, hat Griechenland strukturelle Defizite zu bieten und zwar in jedem Bereich. Immobilienbesitzer zur Kasse bitten, geht nicht Katasteramt hat keine Daten. Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen, keine Chance, die Steuerverwaltung wird durch die Bürger nicht ausreichend informiert. Reeder besteuern, untersagt die Verfassung. Steuern effizient eintreiben, unmöglich, die Finanzverwaltung hat (unter Syriza) Stellen abgebaut.
    Das sind nur einige der „Argumente“, mit denen bisher alle griechischen Regierungen in Verhandlungen mit ihren EU-Partnern gingen, um zu erklären warum versprochene Reformen entweder nicht umgesetzt wurden, nicht umgesetzt werden oder nicht funktionieren. Die Finanzkrise war 2007, heute haben wir 2015. Die Griechen haben die letzten Jahre eine kollektive Vogel Strauss Taktik gefahren, was den Zustand ihrer Institutionen, gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten und notwendigen Veränderungen angeht. Diese Haltung muss sich Montag geändert haben.
    Die Frage des Referendums ist die falsche. Sie müsste lauten, Euro – ja oder nein? Das Tsipras diese Frage nicht stellt, zeigt wie pervers ideologisch verblendet seine Agenda ist. Wie häufig bei Marxisten heiligt halt der ideologische Zweck die Mittel. Er denkt ja nicht wirklich, dass in Griechenland per Referendum die Politik der EU-Partner gegenüber Griechenland entschieden werden könne. Mal abgesehen davon, dass es bedenklich ist, wie dieses Referendum ganz praktisch ablaufen wird, um das mal höflich auszudrücken.
    Egal wie das Ergebnis ist, die Haltung der griechischen Regierung den EU-Partnern gegenüber wird sich sofort ändern müssen.
    Wenn sich diese ändern sollte, muss jedoch auch Merkel endlich eine Politik zulassen, die Aussichten auf Erfolg hat und es wäre dann ihre Aufgabe, dies dem deutschen Wähler zu vermitteln. Eigentlich einfach, denn auch das würde ihre Wiederwahl nicht gefährden, aber es beschädigte ihre Position in der eigenen Partei und vielleicht ahnt sie auch, welche Fragen eine andere Politik gegenüber Griechenland aufwerfen würde.

    Eventuell würden Fragen auftauchen, die systembedingte Defizite angingen. Zur Erinnerung, Island hat vielleicht gezockt (und alle Bürger haben königlich davon profitiert, wie das pro Kopf Einkommen zu der Zeit oder auch Einzelhandelsanalysen zeigen, soviel zur marxistischen Mär von DEM Profiteur Großkapital) – aber sie haben sich dabei peinlich genau an EU-Vorgaben gehalten, was z.B. die Einlagensicherung angeht. Finanztransaktionssteuer, mittlerweile 2015, wenig geschehen. Banken too big to fail – es hat sich nichts getan. Was hat man als Bank gelernt? Wenn man groß genug ist kann man gegen kleinere Anbieter immer gewinnen, weil man Risiko weniger einpreisen muss, hat also einen Wettberwerbsvorteil, kleine Banken haben einen Wettbewerbsnachteil – nicht unbedingt kapitalistische Logik. Anlegerschutz bezüglich Information, heute werden wieder vermehrt ähnliche Derivate angeboten wie vor zehn Jahren. Das in dem Bereich sich so gut wie nichts getan hat, wird aktuell durch andere Themen vollkommen verdrängt. Durch andere Ansätze bzgl. Griechenland würden einige dieser Piunkte vielleicht wieder auf der Tagesordnung landen.
    Aber vor allem würde eine andere Politik das Scheitern der Austeritätspolitik und Exportfixierung von Deutschland auf EU-Ebene verdeutlichen und in der Konsequenz die Frage aufwerfen, wohin wir mit der EU/Eurozone eigentlich wollen. Merkel hat darauf keine Antwort, hatte sie nie. Sie hat eigentlich überhaupt keinen Bezug zum Projekt EU, damit lassen sich aktuell ein paar gute Bilder bei Gipfeltreffen generieren, damit hat sich das auch. Im politischen System EU übernehmen wir keinerlei Verantwortung, es sei denn es bringt ökonomisch was oder geht nicht anders. Im Wirtschaftssystem Eurozone haben wir uns bequem eingerichtet. Wirtschaftl. Probleme, der Euro fällt, also exportieren wir mehr ins Eurozonen-Ausland – die wirtschaftl. Situation verbessert sich, weniger ins Eurouonen Ausland, dafür höhere Exporte in die Eurozone.Es stehen 22 Leute auf dem Platz und am Ende gewinnt Deutschland, vereinfacht gesagt.
    Im vorhergehenden Post habe ich drei Aspekte genannt, die akzeptiert werden müssen. Aber auch Deutschland, also im demokratischen System ultimativ die Bürger, müssen zwei Aspekte zur Kenntnbis nehmen.

    Erstens, die EU ist eine Transferunion. Sie war offiziell nie als solche angelegt, ist es aber immer in verschiedenem Maße gewesen. Wirtschaftliche Aufwertung der schwachen Partner durch Angleichen der politischen/wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Förderung/Ermöglichung desselbigen durch Transferleistungen aus den starken Ländern. Natürlich darf das nicht ausarten, aber es muss allgemein akzeptiert werden, dass es so ist.

    Zweitens, soll die EU eine Wirtschaftsgemeinschaft sein, oder ein Instrument politischer und wirtschaftlicher Integration? Hier ist einfach eine klare Entscheidung vonnöten. Anders als Deutschland unter Merkel haben die Engländer dazu wenigstens eine klare Haltung, weshalb sie meiner Ansicht nach nicht mehr in die EU passen. Deren Austritt sollte befördert werden, da sie durch ihre Kraft ansonsten wirksame Mittel den Finanzmarkt zu regulieren und eine weitere politische und gesellschaftliche Integration aller restlichen EU-Staaten zu ermöglichen, zukünftig zu unterbinden suchen werden. Obwohl ein EU-Austritt Englands die EU außenpolitisch extrem beschädigen würde, sollte man sich über ein solches Szenario Gedanken machen.
    Wenn die Antwort ist, dass eine europäische tiefergehende Integration gewünscht ist, was immer Ziel der gesamten Show war, dann muss Deutschland auch die Verantwortung tragen und ihr gerecht werden. Was nichts anderes bedeutet, als zu akzeptieren, dass Griechenland nicht nur ein Fall für die Troika ist, sondern hier tatsächlich, bei einem jahrzehntelangen EU-Mitglied, klassische Entwicklungszusammenarbeit geleistet werden muss, um good governance zu erzeugen. Dazu müsste Merkel aber anfangen Außenpolitik zu betreiben, worin sie wirklich inkompetent ist, die hat da ja nichtmal Zufallstreffer.
    Denn eines ist klar, Austerität ohne flankierende Investitionsprogramme kann nicht funktionieren und würgt nur den Rest an funktionierendem Unternehmertum ab, der noch vorhanden ist. Die Deutschen haben das ja selbst nie so gehandhabt. Als Schröder die Hartz-Reformen durchführte, hat er Investitionen in die Wirtschaft ermöglicht, unter vollkommener Umgehung der Maastricht-Kriterien. Das er die daraus erwachsenen Gewinne nicht einforderte, ein anderes Thema. Aber Merkel verlangt von Griechenland im Grunde die Staatsausgaben zu reduzieren, was notwendig ist – aber allein dadurch soll sich die Wirtschaft erholen, was nicht funktioniert. Merkels Rezept, sparen – Wirtschaft erholt sich und dann Exportwirtschaft stärken um Leistungsbilanzdefizit abzubauen. In den USA german mantra genannt. Sparen und Exporte steigern. Funktioniert aber nicht außerhalb Deutschland. Wenn man sich die Eurozone anschaut gibt es ein Mitglied, was nicht reinpasst – Deutschland. Es ist grotesk wenn Merkels Regierung anderen Europartnern erzählt, sie müssten den Exportsektor stärken, während es die Entwicklung der Binnenmärkte dieser Länder durch seine Exportüberschüsse praktisch über Jahre überrollt hat. Natürlich ist es eine Erfolgsgeschichte und objektiv betrachtet sind die Gewinne im Export durch Stärkung des deutschen Binnenmarktes gar nicht aufzufangen, weil sie so extrem sind. Aber wir brauchen doch ein Bewußtsein dafür, dass diese Überschüsse innerhalb der Eurozone für andere ein Leistungsbilanzdefizit darstellen.
    Mal ganz vereinfacht gedacht: Angenommen Merkels „Strategie“ ginge auf, die griechische Wirtschaft würde sich durch Sparmaßnahmen langsam erholen, die Griechen hätten mehr disponibles EInkommen und der Konsum würde steigen. Welche Produkte würden wohl gekauft werden? Nehmen wir einen normalen Supermarkt, Penny Lidl, Rewe, Edeka etc. und gehen mal davon aus, dass kein griechisches Unternehmen die Produktivität der Unternehmen würde schlagen können. Also würden die Griechen, wenn sie mehr Geld zur Verfügung hätten dieses für importierte Produkte ausgeben, was das Leistungsbilanzdefizit negativ beeinflusst und schon Gerät das Land wieder in die Bredouille, weil sie das nach dem deutschen Mantra ja senken müssten.
    Mit der Überlegung schließt sich eigentlich auch der Kreis zum Gedanken einer Transferunion. Wenn die Struktur einen Akteur immer wieder begünstigt, ist es dann nicht in Ordnung, wenn man Wege findet das zum Teil auszugleichen?
    Es braucht in Europa Politiker, die langfristigen Entscheidungen den Weg bereiten, eine langfristig notwendige politische Ausrichtung vornehmen – auch wenn die Bevölkerung das nicht mit Wahlergebnissen goutiert. In der Hinsicht scheint die deutsche Politik auch nur oberflächlich besser als die griechische.

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  13. Chinook schreibt:

    @h.z.
    „Ihr Punkt betreffend den griechischen Lebensstandard hält nicht stand: Der deutsche Lebensstandard ist ebenso auf Pump finanziert“

    Selbst wenn dem so wäre, hieße das auch nur, dass der deutsche Lebensstandard „zu hoch ist“ – nicht das der griechische gehalten werden könnte.
    Die Realität sieht aber anders aus als sie diese einschätzen.
    Polemisch ausgedrückt:
    Wir können uns unsere Schulden leisten, die Griechen sich ihre aber nicht. Oder sitzen uns Gläubiger im Nacken? Hab ich nix von gehört, im Gegenteil, unsere Position ist sogar so gut, dass wir es uns leisten konnten eine historische Möglichkeit zur Entschuldung nicht maximal auszunutzen.
    Oder mal anders gefragt, wie ist die Schuldenstruktur der BRD und wie die Griechenlands? Wann müssen wir, Japan und alle anderen Industriestaaten die Schulden begleichen? Achso, richtig, am Sankt Nimmerleinstag. Ich glaube, damit können wir beruhigt schlafen.

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  14. Chinook schreibt:

    @Lemmy

    „Sobald in Griechenland ein humanitäres Desaster ausbricht, keine Hilfe aus EU Mitteln, auch wenn eine andere Regierung ans Ruder kommt. Das wird dann Sache von Karitativität und Solidarität von Privatpersonen und nicht-staatlichen Organisationen. “

    Das sähe ich tatsächlich als ultimatives Ergebnis, wenn überhaupt kein Entgegenkommen vorhanden ist, oder Griechenland nicht ultimativ einer wie auch immer gearteten Abgabe staatl. Souveränität zustimmt, sollte deine solche „Forderung“ aufgrund erbärmlicher Eliten notwendig werden.
    Man kann niemandem helfen der es nicht zulässt.
    Den starken EU-Ländern steht es frei Politik zu machen, Forderungen zu formulieren, die gemeinschaftlichen Werte klar zu bennennen und deren Einhaltung einzufordern. Jedem EU-Mitglied steht der Austritt frei. Insofern sollte man sich politisch vielleicht mal bezüglich Ungarn Gedanken machen, ob man das so hinnehmen braucht.
    Aber ich bin nicht bereit, einfach so zu akzeptieren, dass der EU Gedanke von Leuten verworfen wird, die es sich einfach so meinen ohne Konsequenzen leisten zu können. Die Griechen können sich das nicht leisten und im Endeffekt können wir als EU es eben nicht zulassen, dass es in einem EU-Land zu einem humanitären Desaster kommt. Und im Falle der BRD wäre es unanständig. Gewinne hat Deutschland realisiert, oder? Da haben wir auch nonchalant über das Offensichtliche hinweggesehen. Klar, also ich hab nix gewonnen, der normale auch Bürger selten – die Beschwerde richten Sie bitte an:

    Dr. Angela Merkel
    Bundeskanzleramt
    Willy Brandt Straße 1
    10557 Berlin
    Text:
    „Liebe Frau Merkel, ich möchte zukünftig bitte an den Gewinnen beteiligt werden, welche durch Akteure erzielt werden, die gute Konditionen anbieten können, weil sie einen verringerten Risikoabschlag einberechnen, da sie mit einer „Sozialisation“ ihrer Verluste rechnen.

    Welches Land ist dann eigentlich das nächste, was an irgendwas scheitert und fallengelassen wird? Bulgarien? Rumänien? Scheitert irgendwann Italien an mangelnder unabhängiger und unterwanderter mafiöser Justiz? Gibt ne ganze Menge Länder wo man sich verschiedene Sachen öffentlich mit deutschen Maßstäben besser nicht anschaut. Nie hat jemand behauptet, europäische Integration sei leicht zu bewerkstelligen, oder ginge schnell. Aber vor 20 Jahren wußte man noch um die Notwendigkeit.
    Ist die griechische Regierung mit Volltrotteln und Arschlöchern besetzt? Ja. Kann man mit denen vernünftig verhandeln? Nein. Haben wir Kredite wider besseres Wissen vergeben? Ja. Sind wir dafür Verantwortlich, wie die Griechen sie nutzen? Nein. Haben wir durch unsere Kreditvergabe und Handlungen die letzten Jahre eine Situation befördert, in der inkompetente griechische Regierungen Scheiße bauen konnten und wir wussten, dass sie dies auch tun würden? Absolut!!!! You let it break, you buy it.
    Auf einen Punkt müssen sich Anhänger jeglicher politischer Couleur einigen können. Es muss innerhalb einer EU und insbesondere Eurozone möglich sein, dass Eltern ihren Kindern eine vernünftige Mahlzeit auf den Tisch stellen können. Egal unter welchen Umständen. Das muss möglich sein, ansonsten können wir die EU sein lassen und jeder versucht die globale Schweiz zu werden.

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  15. Chinook schreibt:

    Ganz abseits der „politischen Querelen“ hoffe ich jedoch, dass uns Varoufakis in irgendeiner Form erhalten bleibt. Tsipras ist ein ideologisch verblendeter Volltrottel, bei dem zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlicher Fähigkeit eine gewaltige Lücke klafft. Varoufakis hat für den Fall eines Neins seinen Rücktritt erklärt, meiner Ansicht nach damit Tsipras eine Chance hat weiter an der Macht zu bleiben. Ein billiger „Move“ um einem (durch ihn beeinflussten) Volltrottel Handlungsspielraum zu bieten. Wenn Varoufakis realisiert, dass er nicht mehr in einem Vorlesungssal sitzt oder im Radiostudio, dann könnte er sich von einer „Liability“ zu einem „Asset“ für die EU entwickeln. Er muss „nur“ akzeptieren, dass Griechnalnd nicht seinen persönlichen EInsatz in einem Pokerspiel darstellt und den europäischen Weg wollen. Mit Spielertypen ist zwar schwierig umzugehen, weil sie dich immer wieder vor schwierige Entscheidungen stellen und versuchen die Initiative zu ergreifen. Aber sie weisen meist zwei berechenbare Eigenschaften auf. Sie wissen wann sie verloren haben und Wettschulden sind Ehrenschulden. Wie Varoufakis agiert hat, war den Verhandlungspartnern gegenüber menschlich schäbig, ist aber aus einer Perspektive des aggressiven Spielers mit Volksmandat vielleicht in gewisser Hinsicht zu respektieren. So oder so, der Mann hat viele richtig gute Ansätze und wirklich Ahnung von der Materie. Er denkt unkonventionell und bringt neue Ansätze ein, welche an ganz anderer Stelle, z.B. von Nicholas Taleb, in die Runde geworfen wurden. Solange er akzeptierte, dass die Welt außerhalb des universitären Elfenbeinturms etwas anders funktioniert und bereit ist EU-Vertreter als VerhandlungsPARTNER zu sehen, lägen da meiner Ansicht nach große Chancen drin.

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  16. genova68 schreibt:

    hz,
    wir meinen wohl das gleiche, drücken es nur anders aus. Ich würde nur sagen, dass dann der griechische Lebensstandard auf Pump finanziert ist, nicht der deutsche. Wer hat dem wem etwas gepumpt? Sei es via Exporte, die volkswirtschaftlich nicht bezahlt werden können, sei es via direkter Kredite.

    „Don Alphons meinte vor kurzem in seinem linken “Glaubensbekenntnis”, dass die Problemlösung mittels höherem Konsum “es ja auch nicht sein könne”.“

    Das zeigt vor allem das dilettantische Niveau des Selbstbespiegelers Alphons. Der weiß vermutlich nicht mal, was Konsum ist und denkt dann daran, dass der Scheißprolet sich zuviel Kaugummi und Playstation kauft. Es ist das Ressentiment von Leuten ohne Kenntnisse, aber mit passablem Stammbaum.

    Lemmy,
    ich glaube, du bringst in deiner sozialdemokratischen Perspektive einiges durcheinander. Es ist sinnlos, von den Griechen zu reden. Es gibt erst seit ein paar Wochen Kapitalverkehrskontrollen, bis dato wurde vermutlich alles außer Landes geschafft. In Berlin kaufen Griechen angeblich ganze Straßenzüge. Was haben die mit dem Rest der Griechen zu tun?

    Nimm einfach mal zur Kenntnis, dass die Troika das Land fünf Jahre an den Abgrund gewirtschaftet hat, vielleicht als Schock-Strategie á la Naomi Klein. Da sind die Fakten wirklich einmal eindeutig. Die Troika-Politik war mit keiner Faser darauf ausgerichtet, der Nationalökonomie zu helfen oder das Land wettbewerbsfähig zu machen. Sie hatten sich von der Privatisierung mehr erhofft, also dem Kapital Verwertungsmöglichkeiten zuzuschieben. Das hat nur in begrenztem Umfang geklappt, es gab wohl lokal zu viel Widerstand. Jetzt hat man eine linke Regierung, da wird die Verwertung des Landes für Kapitalinteressen noch schwieriger. Also kann man das Land vor die Wand fahren lassen.

    Das Sparangebot war für Syirza nicht annehmbar, das ist doch klar.

    Ob nach dem Referendum heute der Euro-Austritt kommt, wissen wir nicht. Und katastrophal ist die humanitäre Situation dort seit Jahren.

    Davon ab glaube ich nicht, dass die EU Griechenland fallen lassen wird. Die werden Milliarden an wirtschaftlicher Hilfe reinbuttern, um zu verhindern, dass da ein failed state entsteht, früher oder später als IS-Rückzugsgebiet und Flüchtlingsanlaufpunkt etc.

    Tsipras so runterzubuttern, wie es hier passiert, zeugt lediglich von einer regressiven politischen Einstellung. Ähnlich den aktuellen Zeitungskommentatoren. Die können sich kaum noch beherrschen. Lassen wird das persönliche draußen. Niemand von uns hier kann die aktuelle griechische Politik ernsthaft beurteilen, oder können wir griechisch und wissen, was sich im letzten halben Jahr dort gesamtgesellschaftliche zugetragen hat? Es ist auch das übliche Problem von weißen Allescheckern.

    Die Kritik kann sich nach sechs Monaten Syriza nicht ernsthaft gegen diese richten. Das hat nichts mehr mit politischer Analyse zu tun. Möglich ist, dass Syriza sozusagen brauchtumsmäßig Teil des korrupten griechischen politischen Systems ist, dass auch die Masse hoffte, durch Ämtervergabe sich bereichern zu können. Das wäre dann ein mentales Problem, dass durch ein halbes Jahr Syriza nicht zu bewältigen ist. Aber was soll Syriza eigentlich derzeit unter diesem wahnsinnigen Druck machen? Vernünftige Politik?

    Ich habe dennoch Respekt vor Tsipras und seinem Finanzminister und hoffe, dass die früher oder später, gemeinsam mit Podemos und anderen, den deutschen Wahnsinnigen aufs Maul hauen.

    Wir, die deutschen Aggressoren, sind das Problem, nicht die.

    Zu Island:
    Vielleicht ist mittlerweile in Griechenland alles zu spät, aber vergleichen kann man natürlich. Man hätte die fünf Jahre zum Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen nutzen können. Das wurde nicht gemacht, vermutlich mit Absicht, weil es um Ausbeutung ging, nicht um Hilfe. Und das Entscheidende, wenn ich das richtig verstehe: Island hat nicht automatisch die privaten Verluste vergemeinschaftet. Dass irgendetwas nicht geht, ist eine sinnlose Aussage. Es geht politisch alles, wenn man will. Man hätte in Griechenland beispielsweise vor fünf Jahren Kapitalverkehrskontrollen einführen können, eine massive Besteuerung der Reichen, von mir aus auch Enteignung, die Forderungen der Gläubiger decken, also die Banken nur bis zu einem gewissen Punkt unterstützen, und zwar nur bei den kleinen Sparern. Die fünf Jahre wurden vor allem dazu genutzt, aus privaten Schulden öffentliche zu machen. Und der deutsche Durchschnittsdepp wettert gegen die Griechen.

    Das ist alles möglich, aber es fehlt der Wille, die Bonzen halten zusammen, um das mal so simpel zu sagen.

    Ihr beschreibt mir Politik zu sehr als ein Wetterphänomen. Da kommt ein Tornado, da können wir nix machen.

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  17. besucher schreibt:

    Οχη!

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  18. h.z. schreibt:

    genova,
    ich kann mich von der Vermutung nicht trennen, dass wir eben nicht das gleiche meinen.

    Betrachten Sie’s mal von dieser Seite: auf dem Leistungsbilanzüberschuss lastet die Abgabenquote (ca. 37,5% in D), die den öffentlichen Haushalten zufließt. Bei rd. 220 Mia. Überschuss (2014) sind das 82,5 Mia., die vom Ausland bezahlt werden. Dem Ausland entgeht im Gegenzug aber im Ausmaß des Leistungsbilanzdefizits die anteilige Basis für die jeweils eigene Abgabenquote. Kurzfristig ist das kein Problem, weil durch entsprechende Verschuldung (fremder Pump) ausgleichbar. Langfristig allerdings geht ein chronisches Defizitland verschuldungstechnisch vor die Hunde.

    Umgekehrt müsste D bei ausgeglichenem Leistungsbilanzsaldo, grob vereinfacht gesprochen, dauerhafte Kürzungen in der Höhe von 82,5 Mia. (das ist der Größenordnung halber das griechische Budget!) vornehmen, um weiterhin die „schwarze Null“ zu bewahren, oder eben eigenen Pump organisieren, um den Lebensstandard zu halten. Aufgrund der perversen Wirtschaftsstruktur in D wäre aber mit wesentlich höheren Kürzungen (bzw. höherer Verschuldung) zu rechnen, weil das BIP massiv einbrechen (teils im Exportsektor, teils im Binnensektor) und die Arbeitslosigkeit sprunghaft ansteigen würde.

    D lebt also zu einem nicht vernachlässigbaren Teil auf fremden Pump. Dieses Drama wird von D mittlerweile seit zehn Jahren konsequent durchgepeitscht. Das halbe deutsche BIP drückt mittlerweile auf das Ausland. Das sind auch weltwirtschaftlich gesehen schon lange keine „peanuts“ mehr.

    Unter diesen Gegebenheiten halte ich es für eine grandiose Unverschämtheit von Politik und Medien (und Kommentatoren), sich verächtlich über Griechenland auszulassen.

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  19. genova68 schreibt:

    h.z.,
    okay, sie sagen, dass die Abgabenquote indirekt auch von den Ländern bezahlt wird, die unseren Kram importieren. Ist wohl richtig, das ist eingepreist. (Nicht eingepreist ist die Mwst., und die ist bedeutend.) Sie machen nur, wenn ich das richtig sehe, den Denkfehler, diese 37 Prozent abzuschreiben, wenn die Produkte für 220 Milliarden Euro in Deutschland verkonsumiert werden würden. Ganz einfach: Dann würden eben die hiesigen Verbraucher diese Abgabenquote bezahlen.

    Es geht ja seit 15 Jahren um das Thema Binnenmarkt. Der müsste gestärkt werden, via Lohnerhöhung und via Konsumsteigerung, wenn man innersystemisch argumentieren will. Alleine im Infrastrukturbereich besteht ein Investitionsstau in dreistelliger Milliardenhöhe. Insofern käme es nicht zu Ihrer Prognose, weder zum Einbrechen des BIP, noch zu mehr Arbeitslosigkeit, noch zu höherer Verschuldung.

    Alleine die aktuellen Abschlüsse bei Post und Bahn zeigen, dass das, was hier nach wochenlangem Streik gefeiert wird, gerademal einen Inflationsausgleich darstellt. Die Lohnentwicklung ist seit 15 Jahren in Deuschland einzigartig, deutscher Sonderweg.

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  20. h.z. schreibt:

    genova,
    das ist kein Denkfehler, sondern Ergebnis der Abwägung von Wahrscheinlichkeiten. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Überschuss aus dem Stand innerdeutsch verfrühstückt werden kann und wie wahrscheinlich ist es dagegen, dass der Überschuss schlicht wegbricht? Ich halte letzteres für wesentlich wahrscheinlicher, was an der völlig überdimensionierten Exportwirtschaft liegt.

    Grundsätzlich argumentieren Sie im weiteren m.E. zutreffend. Allerdings wende ich dagegen ein, dass Sie, ebenso wie die Neoliberalen, die „magische Sekunde“ benötigen, um über den ansonsten unausweichlichen Einbruch des BIP infolge des wirtschaftspolitischen Paradimenwechsels hinweg zu kommen. Um z.B. den Ersatzinvestitionsstau im öffentlichen Bereich abzubauen, braucht es entweder spezifische Haushaltskürzungen ( = Einschränkung des Lebensstandards) oder die Ausweitung der Verschuldung ( = eigener Pump).

    Die neoliberale Argumentation, dass sinkende Löhne zu höherer Beschäftigung infolge steigender Investitionen führe, gilt ja auch nur unter folgenden zwei Extrembedingungen: Erstens, dass die Wirtschaft bereits mit 100% Auslastung läuft und zweitens, dass der unmittelbar wirksam werdende Nachfragerückgang durch gleichzeitig stattfindende Mehrbeschäftigung kompensiert wird ( = magische Sekunde). Beides ist vollendet weltfremd.

    Schließlich sei noch angemerkt, dass Deutschland seine „Strukturreformen“ gemeinsam mit Österreich zu Zeiten einer boomenden Wirtschaft im Süden der Währungsunion durchzogen. Unter solchen Rahmenbedingungen ist das kein allzu großes Kunststück.

    (mir geht es übrigens nicht darum, Sie zu widerlegen, sondern darum, eine alternative Sichtweise zu befördern, um das leidige Moralisieren hinsichtlich Verschuldung zu relativieren)

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  21. genova68 schreibt:

    Wie wahrscheinlich ist es, dass der Überschuss aus dem Stand innerdeutsch verfrühstückt werden kann und wie wahrscheinlich ist es dagegen, dass der Überschuss schlicht wegbricht?

    Aus dem Stand geht vermutlich nichts. Flassbeck schlägt fünf Prozent Lohnsteigerung p.a. mit Dauer von zehn Jahren vor. Vermögensabgabe etc. Theoretisch ist es kein Problem, den innerdeutschen Konsum zu erhöhen. Die Infrastruktur schreit danach, das abgehängte Drittel sowieso, die Lust auf Bio, beispielsweise, auch.

    Es braucht m.E. auch keine weitere Dauerverschuldung, denn das Geld ist in Deutschland vorhanden, man muss nur absahnen. Man kann sich von den Reichen das Geld leihen oder es ihnen abnehmen. Aber sicher ist das aktuell schwierig,auch wegen der neoliberalen Ausrichtung Europas, staatlich geduldeten Steueroasen etc. Es ist alles raffiniert eingerichtet.

    Mir geht es auch nicht darum, ob irgendetwas aktuell praktisch umsetzbar ist, sondern um den Weg. Theoretisch ist alles möglich. Das reicht mir als Befund aus.

    Und: Die Dauerüberschusspolitik führt auch zu Ausfällen, siehe aktuell Griechenland und vermutlich generell in großem Ausmaß, sei es über Schuldenschnitte oder Inflation.

    Praktisch kann man eh nur im Konkreten etwas machen. Ein drängendes und geeignetes Feld wäre das Thema Bodenspekulation, Enteignung. Nur ist das den neoliberal verseuchten Hirnen kaum klarzumachen, die Knechte votieren im Zweifelsfall für ihre Herren. Das neoliberale Denken ist breit verankert.

    —————–
    Aktuell aus der taz zu Griechenland:

    Einen „neuen Versailler Vertrag der Eurozone“ dürfe es nicht geben, forderte Macron.

    Doch genau das bahnt sich nun an: Der Krisengipfel der Euroländer hat alle Lehren der Vergangenheit in den Wind geschlagen und den Grundstein für ein neues „Diktat aus Brüssel“ gelegt. Ausgerechnet Deutschland, die neue Siegermacht der Eurokrise, hat die Bedingungen vorgeschrieben. Sie sind so hart, dass sie durchaus an Krieg erinnern – an einen Wirtschaftskrieg um den Euro.

    http://taz.de/Krisengipfel-zu-Griechenland/!5211026/

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  22. Chinook schreibt:

    Warum sollte man Griechenland in der Eurozone halten?
    Blicken wir ein wenig zurück in der Zeit. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren alle froh und guter Laune, Francis Fukuyama hat schon „The End of History“ verkündet, die Martkliberalen hätten gewonnen, alles würd demokratisch, alle Widersprüche würden überwunden, wir sammelten die Friedensdividende ein und Konflikt höre auf zu existieren. Andere waren da etwas weniger optimistisch, wie Huntington mit seinem „Clash (Aufeinanderprallen) of Civilizations“ – oder Manche, die den Begriff geo-economics prägten. Also sozusagen die Fortschreibung von Konflikten und Dominanzbestrebungen in der Grammatik des Handels/der Ökonomie (unter Einsatz der Friedensdividende). Während in vielen Teilen der Welt die „Neuen Kriege“ aufkamen, spielten in Europa geo-economics eine zunehmend größere Rolle. Zwischenstaatliche Konflikte können zwischen entwickelten, demokratischen Nationalstaaten aktuell nicht mit militärischen Mittel ausgefochten werden, da keine zero-sum Rahmenbedingungen vorherrschen. Geo-economics bieten zero-sum Bedingungen, ermöglichen so Konflikte durch das Mittel des Handels erfolgreich zu führen und dem Gegner seinen polit. Willen aufzuzwingen. Das ultimative Ziel jeder Konfliktführung. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine derartige Verfahrensweise von wirtschaftsstarken Akteuren meist „gegen“ solche „Mitspieler“ angewandt wird, die sich in einer komparativ deutlich schlechteren Position befinden. Natürlich, so behaupten die Neoliberalen, sind geo-economics gar keine Nullsummenspiele, sondern Win-Win Situationen. Man möge sich den track-record von Strukturanpassungsprogrammen zwischen starken und schwachen Akteuren anschauen, es ergibt sich oft ein eher negatives Bild. Nicht weil die neoliberale Theorie in jedem Punkt falsch wäre, sondern weil sie in der Praxis eben meist nicht in „Reinkultur“ angewandt werden kann, soll tatsächlich eine zero-sum oder win-win Situation generiert werden.
    Das geo-economics Konzept eignet sich nun hervorragend Deutschlands außenpolitisches auftreten der letzten Jahre innerhalb Europas zu entschlüsseln. Deutschland ist absolut gewillt, seine ökonomische Macht einzusetzen, um EU-Mitgliedern seine ordoliberalen Ansichten aufzuzwingen. Im Kontext, aus deutscher Sicht, fiskalpolitisch verantwortungsvollen oder verantwortungslosen Handelns setzt die BRD auf Nullsummenspiele mit und zwischen unterschiedlichen Akteuren. Deutschland übt in Europa seit einigen Jahren die Rolle des Blockwarts aus, der überprüft, ob sich auch jeder an die von ihm aufoktroyierten Regeln hält. Ein richtig arroganter Korinthenkacker, vertreten von einem laufenden Hosenanzug.
    So wie es bspw. Griechenland, Spanien, Portugal seine Austeritätspolitik aufoktroyiert hat. Aber es gibt auch andere Beispiele. In der Vergangenheit hat die BRD beispielsweise, anstatt geringe Inflation zuzulassen (welche die eigenen Exporte negativ beeinflusste) öfter mal Austerität verordnet. Dabei nahm man in Kauf, dass dadurch Wachstum schwächerer Eurostaaten behindert wird und man die Kohäsion innerhalb der Eurozone aufs Spiel setzt. Anderes Beispiel, Deutschland befördert seinen Exportsektor durch eine innere Abwertung, also Senkung von Löhnen und massivem Ausbau des Niedriglohnsektors. Dadurch und in Verbindung mit Austerität innerhalb einer Eurozone zwingt man die Mitbewerber praktisch Sozialstandards zu senken und ignoriert die Gefahr gesellschaftlicher Verwerfungen und derer politischen Konsequenzen, nicht nur in anderen Eurostaaten. Gleichzeitig führen die deutsche Exporterfolge zu massiven Probleme in der Eurozone (des Einen Überschuß ist des Anderen Handelsbilanzdefizit) und die deutsche Wirtschaftspolitik ist auf die deutsche Exportindustrie zugeschnitten, strahlt aber in die gesamte Eurozone aus. Von einem hochindustrialisierten Land sollte man erwarten können, dass es auf anderen Ebenen konkurriert als über das Lohnniveau. Das jedoch schaffen die Deutschen nicht, da ist die neoliberal ausgerichtete CDU Politik dann am Ende. Das deutsche Wirtschaftswachstums entfällt fast komplett auf den Exportsektor. Die Wettbewerbssituation sollte man durch Ausgaben in Forschung und Bildung und durch Investitionen sichern. Genau diese Investitionen gehen allerdings zurück und sind im Vergleich gering. Die Investitionsquote liegt unter jener der anderen G7-Staaten. Im Endergebnis weist Deutschland ein zu kleines Produktivitätswachstum auf. Und nicht nur, weil wir auf einem so hohen Niveau sind, Frankreich ist pro Stunde gerechnet produktiver als Deutschland, aber gegen die deutsche Lohndrückerei schlecht konkurrieren. Innovationen dagegen unterbleiben in Deutschland. Die Frage des demographischen Wandels, sozialer Ausgleich, Aufstocker, Leih- und Zeitarbeit, Kinderlosigkeit etc. – es gibt viele Probleme die deutsche Regierungen nicht angehen, als Ausweg sehen sie die Exportfixierung durch innere Abwertung/Lohndumping und die Durchsetzung von für Deutschland vorteilhaften Regularien in EU und insbesondere Eurozone. Die anderen Länder merken jedoch, dass die BRD keineswegs selbstlos handelt sondern die Interaktion oft ein aggressives Nullsummenspiel darstellt und nicht den Weg zu Win-Win Situationen. Deutsche Forderungen nach innerer Abwertung werden mit dann steigender Wettbewerbsfähigkeit der Länder begründet, die in eine Win-Win Situation mündete – aber warum nicht die Löhne erhöhen? Dann würden die anderen Staaten wettbewerbsfähiger, der deutsche Arbeiter hätte auch was davon und der Binnenkonsum würde steigen. Wenn alle EU-Staaten Löhne immer weiter senken und sich gegenseitig unterbieten, in welche sozialen Zustände wird das wohl münden? Auf dem Auge sind die meisten neoliberalen blind. Klar, theoretisch wunderbar für die Weltmarktposition, aber es ist ein Trugschluss eine Volkswirtschaft oder die EU könne nicht auf ein paar Prozent Wirtschaftsleistung verzichten, zugunsten einer gerechteren innergesellschaftlichen Verteilung. Der deutsche Weg ist keineswegs so alternativlos, wie er immer dargestellt wird. Der Merkeltilismus scheitert. Deutschland bevormundet seine Partner, sein Handeln ist Exportinteressen untergeordnet und die Staaten die unter verfehlter deutscher Austeritätspolitik leiden, speist man damit ab, dass man ihnen erzählt sie könnten ihre Exporte auch bald steigern und dadurch prosperieren. Eigentliche Handlungsmotivation ist aber nicht das wirtschaftl. und soziale Prosperieren der Eurozone, sondern der Exporterfolg Deutschlands. Diesem ordnet die BRD auch Chancen auf eine europäische Integration, das europäische Projekt an sich, unter. Man sieht dies z.B. daran, wie man im Falle Libyens reagiert hat. Alle Partner vor den Kopf gestoßen. Deutschland wird zunehmend unabhängiger und für die Partner weniger zuverlässig reagieren.
    Es zeigt sich, dass im Grunde die Deutsche Frage noch nicht abschließend geklärt ist. Das Land hat nach dem zweiten Weltkrieg weiterhin einen großen Drang Europa zu dominieren und dessen Interessen im Zweifel den eigenen unterzuordnen. Nach wie vor zu klein, um wirklich den Ton anzugeben, aber groß genug um europäische Kräfteungleichgewichte zu generieren. Die militärischen Instrumentarien hat man gegen geo-economics getauscht. Das andere Bevölkerungen dies so empfinden, belegen in ausländischen Medien immer wieder bemühte Vergleiche mit der Nazi-Zeit, die vor allem dann aufkommen, wenn es um die aufoktroyierte Austeritätspolitik deutschen Zuschnitts geht. Die anderen Staaten sehen die BRD zunehmend nicht mehr als verantwortlichen Partner, sondern einen Akteur der seine Wirtschaftskraft nutzt, eigene Interessen und „Ideologien“ unter dem Feigenblatt europäische Integration durchzusetzen. Es spielt auch keine große Rolle, ob dem tatsächlich in jedem Fall so ist, oder ab und an Win-Win Situationen in der Zukunft verwirklicht werden könnten; die Wahrnehmung wird zunehmend die Reaktion der Partner bestimmen. Insbesondere ist es dann irrelevant, wenn eine deutsche Ordnungspolitik zu derartigen sozialen und in der Folge politischen Verwerfungen in EU-Staaten führt, dass sich das ganze EU/EZ Projekt ohnehin zerlegt, bevor wirtschaftliche Maßnahmen positive Wirkung entfalten können.
    Im Falle Griechenlands hat man lediglich ein Nullsummenspiel angeboten, eines „bei dem der Verlierer von vornherein fest stand“. Eine Win-Win Situation hätte es aus griechischer Sicht nur durch ein Angebot werden können, welches eine zukünftige Perspektive hätte bieten müssen. Das wollte aber Deutschland nicht. Merkel wollte nichts zahlen oder über Umstrukturierung der Schulden reden, bis vor kurzem hatte sie ja noch erzählt es bräuchte kein drittes Hilfspaket. Sie war nicht bereit dem deutschen Wähler reinen Wein einzuschenken. Das mussten die Griechen auch so sehen, Merkel würde immer schlecht dastehen, solange sie Griechenland noch mehr anbietet als sie schon gegeben hat. Ergo würde das nicht geschehen, zumindest nicht wenn man das Angebot annimmt, da man zu viele Wahlversprechen gebrochen hätte und deshalb so geschwächt aus den Verhandlungen gegangen wäre, dass man Reformen nicht mehr forciert hätte angehen können oder vor weiteren Verhandlungen schon aus dem Parlament gejagt worden wäre. Also hat Varoufakis etwas getan, was ein Politiker vielleicht nicht darf, ein Stratege aber immer versuchen wird, wenn er ohnehin kaum eine andere Möglichkeit sieht und der Nutzen das Risiko aufwiegt. Er hat akzeptiert, dass er die Troika nicht „schlagen“ kann, in der Institution ist der deutsche Einfluß zu groß. Also hat er die Verhandlungen eskalieren lassen, sich selbst unbeliebt gemacht. Grundlage der Strategie ist einerseits eine Eskalationsdominanz in den Verhandlungen selbst, aber auch danach – niemand weiß wie lange die Griechen mit Parallelwährung durchhalten können, aber sie haben durch den Verhandlungsverlauf klar gemacht, dass sie immer wieder einen draufsetzen wollen und nicht aus der Eurozone geworfen werden können. Außerdem tritt Varoufakis, der sich selbst als „der Böse“ inszeniert hat, zurück, damit dies die Verhandlungspartner besänftigt und von europäischen Bevölkerungen als kooperative Geste des guten Willens angesehen wird. Der Druck auf die Geber, vor allem Merkel, wird immer größer, mit jedem Tag ohne Lösung, da hilft es auch nichts wenn sie sich versteckt. Im TV werden Bilder armer Rentner vor leeren Geldautomaten und Kranker ohne Zugang zu Medikamenten die europäischen Bürger auf Seite der griechischen Bürger ziehen. Ebenso weisen diese Bilder die Auswirkungen eines Eurozonenaustritts Griechenlands für das Publikum greifbar machen und eine Atmosphäre erzeugen, in der das Publikum sich nicht mehr für die Gründe des Problems interessiert, sondern für dessen gütliche Lösung. Jahrelange ordoliberale Sparpolitik haben ihre Spuren in vielen europäischen Gesellschaften hinterlassen. Spanien, Frankreich, Portugal, Italien – möglich, dass viele Menschen sich auf die Seite des leidenden Griechen schlagen und auch Regierungschefs sich das Thema aus den Medien haben wollen. Dann würde evtl. Druck auf die Troika ausgeübt, wie es eine griechische Delegation niemals leisten könnte. Eine Art auf Leid der Bevölkerung gründende Coercive Deficiency Strategie, in der die eigene extreme Schwäche praktisch dazu führt, dass der Verhandlungspartner sich aus moralischen Gründen dazu verpflichtet sieht die Rechnung halt zu zahlen. Auch wird schnell sichtbar werden, dass viele Länder durchaus Kritik an der deutschen Position und Austeritätspolitik haben und die BRD zunehmend isoliert unter Europartnern steht, die die deutsche Politik schon lange nicht mehr befürworteten. Die ganze Sache ist riskant und vergleichsweise skrupellos, wenn man es kurzfristig betrachtet. Allerdings wird das Kalkül von Varoufakis wahrscheinlich aufgehen und man wird sicherstellen, dass man die Griechen mit einem guten Premium ausstattet, egal ob innerhalb oder außerhalb der Eurozone.
    So oder so, Konfliktlösung bedarf einer Einigung der Opponenten, die Logik des Nullsummenspiels zu verlassen und Ansichten des Gegenübers zu akzeptieren, sich in seine Lage versetzen zu können. Unsere Politik hat die griechische Wirtschaft in die Rezession geführt, das ist unter Ökonomen unumstritten. Uns war scheissegal, dass die Regierungen nicht reformiert haben, solange es keine marxistische war. Wir haben die Griechen am langen Arm verhungern lassen, ohne konkrete Anstrengungen einzufordern den öffentlichen Sektor zu reformieren. Als Syriza gefordert hat, was ohnehin längst hätte angedacht werden sollen, haben wir Härte gezeigt und waren plötzlich ganz schnell dabei Reformen einzufordern, deren Nichtumsetzung wir anderen Regierungen jahrelang durchgehen ließen. Es ging nicht um Reformen, Merkel wollte einfach nicht mehr anbieten, weil es ihre Austeritätspolitik und auch ihre Versprechen an das deutsche Volk gleichzeitig ad absurdum geführt hätte. Deshalb haben wir ein Nullsummenspiel angeboten, welches die Griechen nur verlieren konnten – und deshalb haben sie alles auf eine Karte gesetzt, um aus der Logik dieses Spiels zu entkommen.
    Die Deutschen sollten endlich anerkennen, dass sie ihren Scheiss mal regeln sollten. Unsere Regierung hat nicht den Hauch einer Ahnung, wie man aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problematiken begegnen könnte. Wir haben nen Werkzeugkasten, der nur ein Instrument beinhaltet, Ordoliberalismus/Austerität. Leider ist das nur die richtige Antwort auf sehr wenige Fragen. Bevor wir also in Europa die Lohndumping-Competition noch weiter anheizen, um unsere Exportsucht zu befriedigen – dadurch gesellschaftliche und europäische Kohäsion zerstören, sollten wir uns überlegen, was für eine Gesellschaft wir sein wollen und welche wir uns für Europa wünschen. Diese Fragen gehen weit über die Antworten hinaus, die uns der Ordoliberalismus wird geben können. Auch wenn diese Tatsache im politischen Spektrum aus Mangel an intellektuellem Potenzial wahrscheinlich untergehen wird.
    Zum deutschen „geo-economical“ Auftreten in Europa: Ein isolierter Wolf der in einem Rudel Hirtehunde rumläuft, bekommt früher oder später den Frack voll. Und in Bezug auf Griechenland -niemand verzeiht ihm, wenn er den kleinsten Welpen erlegt, auch wenn der sich respektlos verhalten hat. Warum sollten wir Griechenland in der Eurozone halten? Weil wir es können und es aktuell genauso richtig, wie monetär günstiger ist.

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  23. Chinook schreibt:

    „Die neoliberale Argumentation, dass sinkende Löhne zu höherer Beschäftigung infolge steigender Investitionen führe, gilt ja auch nur unter folgenden zwei Extrembedingungen:“

    Ist im Falle BRD doch gar nicht der Punkt, ist ja bekannt, dass dies nicht klappt. Selbst Kernneoliberale kritisieren Deutschlands Kurs, der eben Wirtschaftswachstum und Produktivitätswachstum nur noch über Lohnkonkurrenz/-kürzungen erzeugt. Und innerhalb der EU/EZ zu massiven Problemen führt. „Deutschland“ weiß nicht wie es die Wettberwerbsfähigkeit anders als über Lohnkürzungen fördern kann, das ist doch das eigentliche Problem. Also betreibt man halt eine innere Abwertung, also Lohnkürzungen. Die Produktivitätssteigerung in der BRD ist nicht besonders toll, die Investitionen sind zu gering. Wir sind nicht besonders innovativ. Eine langfristig belastbare Strategie ist das nicht. Erstens, weil wir global nie über das Lohnniveau werden konkurrieren können. Und zweitens, weil die Auswirkungen unseres Lohndumpings die EU gesellschaftlich zerlegen wird, allein wenn wir Frankreich weiter unter so krasse Lohnkonkurrenz setzen. Le Pen 20 + X bei der nächsten Wahl? Pro Stunde sind die Franzosen produktiver als wir. Aber durch ihren Versuch soziale Marktwirtschaft durchzuführen, können sie gegen uns nicht konkurrieren. Deutschland müsste in Humankapital investieren, hätte es seit 20 Jahren tun sollen. Investitionen müssen befördert werden. Innovation muss ein Standbein deutschen Erfolgs werden. Das wären polit. Programme, die der Wähler nicht unbedingt goutierte, das ist das eigentliche Problem. Wir machen uns lustig über sowjetische 5Jahres-Pläne und leben heute in 4Jahres-Rhythmen. Löhne steigern und dieses durch Maßnahmen im Humankapital und Investitions-/Innovationssektor flankieren. Verliert man erstmal, das ist die Realität. Aber wenn wir uns das jetzt, in Zeiten des Aufschwungs nicht leisten können, wann dann? Peinlich, das die BRD beim Produktivitätswachstum, der Bildungsgerechtigkeit, der Uni-/Abiturquote, Investitionen insgesamt im OECD Durchschnitt erbärmlich abschneidet.
    Wir sind halt reformunwillig, genauso wie die Griechen. Es gibt halt einen einfachen Weg, nix tun – und den schweren, was tun und abgewählt werden. Im Normalfall profitiert im Erfolgsfall noch die nachkommende Regierung. Wie Merkel von Schröder. Da mache ma lieba jar nischt.

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  24. genova68 schreibt:

    Kaum zu glauben, dass ich Chinook einmal im Wesentlichen zustimmen würde :-)

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