Ich bin nicht homophob, aber…: eine Anmerkung zu Perspektivfragen

Vorbemerkung:
Dieser Blogartikel bezieht sich auf Veröffentlichungen in den Blogs von hf99, Bersarin, summacumlaude und dem FAZ-Blogger Don Alphonso und eine anschließende Schlammschlacht – auch Diskussion genannt – bei hf99. Ich nenne die Blogger im Folgenden aus Gründen der Einfachheit „diese Leute“, wenn ich sie nicht einzeln namentlich aufführe. Die Gemengelage ist mittlerweile unübersichtlich. Ich hoffe dennoch, verständlich geblieben zu sein.

Worum geht´s? Um diese Ratgeberkolumne, die in der OWL-Zeitung, der Sonntagsausgabe des Westfalen-Blatts erschien:

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Ein Vater hat Angst, dass seine Kinder verwirrt werden, wenn sie bei der Hochzeit des schwulen Bruders bzw. Onkels Blumen streuen. Das ist religiös motivierte Homophobie, aus Ängsten gespeist. Der Vater stellt eine Frage, so weit, so gut.

Das Problem beginnt bei der Antwort von Barbara Eggert.

Vollumfängliche Zustimmung

Meine Interpretation: Die Ratgeberin Barbara Eggert stimmt dem Vater vollumfänglich zu. Sie ist der Meinung, dass eine schwule Hochzeit Mädchen und damit Kinder verwirrt. Man solle sie zu einer Hochzeit nicht einladen und schon gar nicht mitbringen. Der Bitte des Bruders/Onkels solle eine klare Absage erteilt werden. Eggert weist den Vater mit keinem Wort und auch nicht im  Subtext darauf hin, dass es nicht um die öffentliche Zurschaustellung sexueller Praktiken geht, sondern um zwei sich liebende Menschen. Beides darf nicht öffentlich gezeigt werden, und zwar wegen eines angeblichen Kinderschutzes. Kinder müssen vor Schwulen geschützt werden. Eggert übt in keinster Weise Kritik an der Einstellung des Vaters, sondern bekräftigt ihn in seiner Haltung ausdrücklich. Sie geht auch nicht darauf ein, dass es der eigene Bruder und Onkel ist: Die Kinder werden weiterhin Kontakt zu ihm haben und irgendwann werden sie „aufgeklärt“ werden müssen. Inwieweit das zu einem Schaden der Kinder führt, wird nicht thematisiert. Eggert weist den den Vater auch nicht im Ansatz darauf hin, dass er sich möglichst flott dem Thema stellen sollte: Die Kinder entsprechend informieren, zum Wohle aller. Der Vater wusste vermutlich schon bei der Geburt der ersten Tochter von der Homosexualität seines Bruders. Er hätte schon längst agieren müssen. Er bräuchte wohl Hilfe. Nichts von alledem wird thematisiert, es kommt von Eggert auch kein Hilfsangebot. Stattdessen bekräftige sie komplett die homophoben väterlichen Ansichten. Der Vater macht alles richtig. Schlimmer noch: Sie macht dem Onkel Vorwürfe: Bei allem Respekt (wie verlogen) müsse es nicht sein, Kinder einzuladen. Der Bruder hätte sich das bitteschön vorher überlegen sollen.

Notwendig gewesen wäre ein Hinweis darauf, dass der Vater seine Kinder instrumentalisiert, sie vorschiebt, weil er, wohl aufgrund der wirkungsmächtigen menschenfeindlichen katholischen Kirche, absurde Vorstellungen hat.

Was bedeutet der Rat für den Onkel und überhaupt für Schwule? Wenn sie ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen, also Küssen bei der Hochzeit, Umarmen oder Händchen halten und ganz allgemein beim Bekenntnis, dass ein Mann einen Mann liebt, verhalten sie sich kindesgefährdend. Um Geschlechtsverkehr geht es bei Sechs- und Achtjährigen sowieso nicht. Die logische Folge, da kein Mensch sich für eine Gefährdung von Kindern aussprechen wird: Schwule dürfen in der Öffentlichkeit ihr Schwulsein nicht zeigen. Schwule müssen die Öffentlichkeit meiden. Schwule sollen, wenn sie sich irgendwie zu erkennen geben, aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Oder erst nach 22 Uhr auftauchen. Flott zurück in den darkroom oder ins Schlafzimmer, wo sie sich in den 1950ern sowieso aufhielten. Eine schwule Hochzeit mit Auftreten vorm Standesamt ist dann nicht möglich, weil da jederzeit „konservativ“ erzogene Kinder vorbeikommen könnten, das Pärchen sehen würden und verwirrt wären. Eine Homoehe – wie jede Hochzeit auch als Mitteilung an die Öffentlichkeit definiert – könnte nur unter Auschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Oder man heiratet nach 22 Uhr.

Schwule werden in der Öffentlichkeit nur geduldet, wenn sie nicht schwul sind.

Und weiter: Die Eltern, die der konkreten Hochzeit beiwohnen wollen, müssten ihre beiden Mädchen am Hochzeitstag irgendwohin bringen, ihnen etwas vorlügen, sie müssten die Hochzeit im Vorfeld verschweigen, zu planende Spiele müssten unter Ausschluss der Mädchen stattfinden, die Hochzeitsgeschenke müssten vor dem nächsten Besuch der Kinder beim Onkel und dessen Mann außer Sichtweite gebracht werden, der zu Besuch kommende Onkel (er hat ein gutes Verhältnis zu den Kindern) dürfte über die Hochzeit nicht reden, auch danach müsste er seinen Ehebund verschweigen. Wie lange? Vielleicht zehn Jahre, bis die Mädchen alt genug sind, um nicht mehr verwirrt zu werden. Bei Fragen der Mädchen an den Onkel, warum er denn nicht heiratet, warum er keine Frau hat und keine Freundin, müsste der Onkel lügen: Er hat noch keine abbekommen, keine Zeit oder ähnliches. Sein Mann sitzt vielleicht daneben und hört sich das an. Den dürfte jener auch nicht allzu oft mitbringen, das könnte auffallen. Ehering? Besser abstreifen, wenn er seine Nichten besucht. Überhaupt immer in der Öffentlichkeit, es könnte einem konservativen Kind auffallen. Der Onkel müsste sich auch von seinem Bruder anhören, dass er seine Kinder gefährde, wenn die Blumen streuen. Kinder, die ihren Onkel nach Aussage des Vaters „sehr mögen“ und wohl oft Kontakt haben. Und schließlich müsste sämtlichen Bekannten und Verwandten der Familie eingeschärft werden, in Gegenwart der Kinder die Hochzeit niemals zu erwähnen.

Man könnte sagen, dass es Eggert ist, die dem Kindeswohl schadet. Was das Dauerlügen beim Onkel anrichtet, ist ihr egal. Besser gesagt: Sie hat es nicht im Blick.

Es wird vom Onkel verlangt, einen wesentlichen Teil seiner Persönlichkeit, nämlich seine Sexualität, die Frage, wen er liebt, in der Öffentlichkeit zu unterdrücken und zu lügen, was das Zeug hält. Und das müsste, auf die generelle Ebene gehoben, jeder Schwule in Bezug auf Kinder machen. Es sei denn, die wurden ausdrücklich liberal erzogen. Aber da müsste man sich vorher gut informieren, denn anonsten  sind sie vielleicht doch nicht so liberal erzogen und schwupps gefährdet man das Kindeswohl.

Oder man sondert die konservativ erzogenen Kinder von der Öffentlichkeit ab. Man stelle sich diese Konstellation umgekehrt vor: Von Heteros wird all das verlangt.

Ich behaupte, der Eggertsche Rat ist homophob, also schwulenfeindlich. Sie selbst sieht das anders, ich komme noch darauf. Für den Onkel jedenfalls hätte die konsequente Befolgung des Rates die genannten Folgen. Diese Leute behaupten: Nein, der Rat ist nicht homophob. Die Eggertsche Antwort beinhalte Kritik am Vater, wenn auch zu milde. Belege wurden auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht gebracht. Es zeigt sich, dass selbst simpelste Lesefähigkeiten verloren gehen, wenn man ideologisch verbohrt ist.

Homophobie: nur eine Frage der Eloquenz

Summa nennt den Rat „unmodern“, also einfach altmodisch. Man muss ja nicht jede Mode mitmachen. Er nennt ihn auch „leicht verunfallt“. Es handelt sich um eine Bagatelle, um einen Parkrempler, vielleicht hat die Stoßstange einen Kratzer, nicht der Rede wert. hf99 nennt den Rat „belanglos“, „hilflos“ und „unüberlegt“. Alphonso, der schon öfter mit bemerkenswerten Ansichten, meint:

„Es gab sicher schon mal klügere Ratschläge und die Formulierung an sich hätte auch eloquenter sein können.“

Es geht nicht vor allem um ein inhaltliches Problem, sondern um eines der Sprachfertigkeit. Eine Journalistin, die halt nicht richtig schreiben kann. Was soll´s, Thema durch.

Konsequenterweise bringt Alphonso im direkten Kontext dieser bürgerlichen Blumenhochzeit die Begriffe „Leder“, „darkroom“ und „Kindesmissbrauch“ unter. Der Subtext ist eindeutig.

Dann wird der stilbewusste Egoblogger einigermaßen ehrlich:

Selbst bei meinem sorgsam gehegten Selbstbild als moralfreier Libertin hätte ich da nicht ohne einen Gedanken gesagt, dass man die Mädchen dort unbedingt eine Funktion übernehmen lassen sollte. Es spielt da vieles mit hinein, wie etwa die frühe Sexualerziehung…

Frühe Sexualerziehung – den Kindesmissbrauch hat der Leser noch im Hinterkopf – hat was genau zu tun mit Blumenstreuen? Man sollte diesem Alfons für seine Ehrlichkeit in Bezug auf seine funktionale Gedankenwelt dankbar sein.

Dieses FAZ-Geschreibsel wird vom selbsternanten Denk- und Sprachpapst Bersarin ausdrücklich als  „bemerkenswerter, abgewogener und kluger Artikel“ gelobt. Autor Alphonso

gehört immer noch und weiterhin zum Klügsten, was die politische Blogosphäre hervorbringt, weil er sich dem simplen Schema rechts/links nicht beugt, weil er eine Komplexität und Unabhängigkeit des Denkens von politischen Markierungen sich bewahrt hat“.

Wer zwischen Blumenwerfen und sexueller Früherziehung nicht so recht unterscheiden kann, wer sich heroisch nicht beugt, denkt komplex und unabhängig.

Nach viel Palaver sind diese Leute – nicht Alphonso, der diskutierte nicht mit – bereit, die Kolumne als „dumm und unreflektiert“ zu beschreiben. Das höchste der Gefühle. Sie bleiben dabei, dass der Rat von Frau Eggert nicht gegen Schwule gerichtet ist.

Es sei eine „Provinzposse“, heißt es noch, „unbedeutend“ meint das wohl. Das Blättchen, in dem der Ratgeber erschien, hat eine Auflage von mehr als 300.000. Die FAZ beispielsweise hat eine Auflage von 280.000. Unbedeutend ist der Blog exportabel.

Der Kern meiner Argumentation:

Diese Leute kommen zu ihrer Einschätzung, es handele sich nicht um Schwulenfeindlichkeit, weil sie die Perspektive des eigentlich Betroffenen, nämlich des Onkels, komplett ausblenden. Ich habe sie in der Schlammschlacht mehrfach aufgefordert, sich einmal darüber Gedanken zu machen, was der Rat für den Onkel bedeutet. Reaktion: lange Zeit Ignoranz, und dann, immerhin von einem, nämlich summa, das:

Dann zu dem ständig hier reklamierten Bruder: Es fällt einem schwer, über diesen Bruder, der jetzt ohne Blumenkinder dasteht, etwas zu sagen, ganz einfach deswegen, weil es Äußerungen von ihm nicht gibt.

Zwar handelt die ganze Kolumne von ihm, aber was soll man da schon sagen? Und er fragt ganz aufgeklärt:

Wieso MUß dieser Bernhard seine Kinder verleihen, auch wenn er es aus (wahrscheinlich) religiösen Gründen nicht will? […] Meine Güte, es geht um das Bereitstellen von Blumenkindern für eine Hochzeit, übrigens ein ziemlich konservatives Bedürfnis. Wenn dieser Bernhard das aus seinen – für mich falschen – Prämissen heraus nicht will, muß man und v.a. Der Bruder das so hinnehmen.

Natürlich muss der Bruder das hinnehmen, was auch sonst. Hat jemand gefordert, dem Vater die Kinder wegzunehmen und sie für die Hochzeit zwangszurekrutieren? Wohlmöglich die Schwulenlobby? Immer lustig, wenn eine Selbstverständlichkeit betont wird, als müsse man die erst mutig erkämpfen.

Im Subtext dieser Behauptung schwingt das derzeit populäre Thema der Verschwulung von Kindern mit („besorgte Eltern“) , die möglich wird, weil der böse linke Staat die Kinder via Schule pro Verschwulung indoktriniert. Dagegen müssen wir uns wehren! Lassen wir uns unsere Kinder nicht wegnehmen!

In der Schlammschlacht wurden dann noch unzählige Fässer aufgemacht: 1789, Kachelmann, Vergewaltigung, ob man noch „Neger“ sagen darf etc.blabla. Keine einzige vernünftige Analyse des Rates von Frau Eggert, aber ersatzhalber über alles Mögliche lamentieren.

Zu dieser verqueren Sicht passt, dass hf99 meint:

Frau Eggert ist nicht homophob, sondern der Ideologie des totalen Kinderschützens und Kinderoptimierens auf den Leim gegangen.

Als wäre diese Kolumne in den 1950ern, wo es das Kinderoptimieren noch nicht gab, humaner ausgefallen. Homophobie wird auf das Level von „Soll mein Kind beim Radfahren einen Helm tragen?“ gedownsized. Auch hier: Der Onkel ist wurst.

Barbara Eggert nennt sich Diplom-Soziologin und verfasst seit elf Jahren Ratgeber (dazu unten mehr). Sie ist also eine Expertin oder will eine sein. hf99 labelt sie mal flott zur unbedarften Hausfrau, die dem Zeitgeist auf den Leim gegangen ist, die arme. Auf keinen Fall ist sie verantwortlich für das, was sie schreibt.

Diese Leute tun alles dafür, dass Eggert ein Opfer ist.

Und damit sind wir beim zweiten Teil dieser unappetitlichen Geschichte.

Der Mob tobt sich aus

Nachdem der Onkel zuerst ignoriert und dann entsubjektiviert wurde, zeigen diese Leute ihre volle Emphatiefähigkeit, nämlich die mit Frau Eggert. Es habe „fanatische Angriffe“ auf sie gegeben, es handele sich bei der Kritik an ihr um „Beiß- und Ereiferungsreflexe“, es sei „moralisch aufgeladenes Haberfeldtreiben“ und „pawlowsches Absabbern“. Es werden angebliche „Umerziehungslager“ ins Spiel gebracht, Homophobie werde „beleglos unterstellt“. Es sei ein „Mob“ und ein „Lynchmob“ unterwegs, der seine Haltung „durchs Netz peitscht“. Eggert sei einem Verhalten jeneits des menschlichen Anstands ausgesetzt. Eggerts Standpunkt sei „immer noch auf der liberaleren Seite der Bevölkerung zu verorten“, sie könne vermitteln. Wer sie kritisiere, sorge erst für Homophobie. Es handele sich um eine „elende Shitstormkultur“. Wer die Kolumne homophob findet, lebe in einer „Kreuzberger Blasenwelt“, komme aus dem eigenen Kiez „in der Regel niemals hinaus“: „Da tönt es sich dann leicht, schnell und bequem: Homophob, homophob, homophob. Das ewige Kikeriki derer, die weitab vom Schuß in ihren selbstgezimmerten Blasenwelten festgefahrener dualer Begrifflichkeiten leben.“

hf99 beklagt, dass der schwule Grüne Volker Beck, der zum Thema twitterte, es „der Eggert so richtig besorgt hat“. Und bemerkt direkt danach, dass Beck im Bundestag Kriegen zugestimmt habe.

Merke: Wer als Schwuler Kriegen zustimmt, muss sich homophobe Ausfälle gefallen lassen. So geht das bei diesen Leuten.

Ich stelle die wertenden Begriffe nebenbeinander: Eine hilflose, eher nicht eloquente, belanglose und unbedeutende Kolumne auf der einen, fanatische, absabbernde, peitschende und elende Mobber auf der anderen Seite.

Hintergrund der Solidarität mit Frau Eggert ist also der angebliche shitstorm, der sich im Netz über sie ergossen hat. Was ist ein shitstorm? Man wird von massenhaft stürmisch auftretender verbaler Scheiße umgehauen. Als Beleg  präsentieren mir diese Leute exakt einen Hinweis: Jemand hat Frau Eggert im Netz „Faschistenschwein“ genannt. Ich habe noch eine „Schlampe“ gefunden. Indiskutable Ausdrücke, keine Frage, aber im Netz Alltag.

Es handelte sich bei diesem Shitstorm, soweit ich das sehe, im Wesentlichen um Meinungsäußerungen, nicht um Beleidigungen. Es gibt eine Menge Tweets von Leuten, die sich empören und das kundtun.

Der Twitterer Falk Schreiber bringt es auf den Punkt:

„Was da beim Westfalenblatt passierte, war übrigens kein shitstorm, sondern die Auseinandersetzung mit unerträglichen Positionen.“

So ist es.

Wie nennt man diese Leute, die Schwulenfeindlichkeit nicht sehen wollen, sich stattdessen über Kritik daran maßlos echauffieren? Genau: Schwulenfeinde. Was nicht bedeutet, dass diese Leute zu anderen Themen nicht Lesenswertes bloggten. Im Gegenteil. Aber darum geht es gerade nicht.

Es gibt im Netz auch massenhaft Solidarisierungen mit Frau Eggert. Auszüge:

„Opfer von Internet und der Homolobby“

„Organisierte Verfolgung durch grüne Schwulenlobby“

„Shitstorm der Pädo/Homolobby (u.a. pädophile Grüne) gegen mutige Journalistin, bis sie Job verliert!“

„Ihr Würmer habt keine Zukunft.“

„Der Meinungsterror in Deutschland nimmt faschistische Züge an.“

„Schwulen Siff in Deutschland auch noch fördern?“

„Müssen 98 Prozent der Bürger wegen 2 Prozent Homos schwul denken und empfinden?“

„An Hexenjagd gegen Eggert beteiligte Lynchmobber gingen zu weit! Pädophilennaher Lynchmob, widerliche Hetzmeute!“

„Homosexualität ist eine Krankheit, man sollte dagegen was tun.“

„Perverses Pack  … ich finde es absolut abartig und hochgradig pervers, wenn Männer sich gegenseitig in den After ejakulieren…“

„Kinder sollten so früh wie möglich lernen, dass Homosexualität in keinster Weise normal ist.“

„Homosexualität ist eine psychische Krankheit. Punkt.“

„Ist doch egal. In wenigen Jahren gibt es nur noch Schwuchteln, Lesben und Hirntote.“

„Mutige Frau, bravo. Jetzt flippen die Gayfreunde wieder reihenweise aus. Muhaha.“

„Richtig so. Kinder mit geistig kranken Homosexuellen zusammenzubringen, ist falsch.“

„Selbstverständlich sind Schwule auch Menschen. Aber sehr erkrankt!!“

„Es reicht. Es wurde schon viel zu sehr geduldet.“

Und so weiter und so fort. Es sind auch und vielleicht vor allem solche Leute, die Eggert bedient. Wie gesagt, das ist nur ein kleiner Auszug, den ich nach drei Sekunden suche bei twitter und bei facebook gefunden habe. Nur zum Fall Eggert. Ich finde kaum erträglichere Kritik an ihren Kritikern.

Davon wiederum bei diesen Leuten kein Wort. Drei Sekunden googlen sind nun wirklich nicht zumutbar.

Bersarin betonte in der Schlammschlacht, dass er die Grünen für eine „Kinderfickerpartei“ hält. Und ich habe seiner Meinung nach im Internet nichts verloren, weil ich gefährlich bin. Kein Widerspruch dieser Leute. Soviel zu deren Behauptung, dass es ihnen um Verständigung, um Diskurs, um Ausgleich in der Gesellschaft gehe. Hoffentlich darf ich wenigstens im real life existent sein, sonst muss ich mir ernsthaft Gedanken machen.

Die Redaktion des Westfalen-Blatts hat nun die Zusammenarbeit mit Frau Eggert beendet. Im Wesentlichen soll diese Reaktion den shitstorm belegen. Wenn ein Baum umgefallen ist, muss ein Sturm getobt haben. Diese Leute fragen nicht, wie die Prozesse dieses Rauswurfs aussehen.

Barbara Eggert und die totale Ignoranz

Nochmal die Frage: Wer ist Barbara Eggert? Wie gesagt, nach Eigenaussage Diplom-Soziologin, andere Medien behaupten Diplom-Psychologin. Sie schreibt angeblich seit elf Jahren Kolumnen, „meist in überregionalen Zeitungen“, selbst in kanadischen Medien. Früher hatte sie „eine Praxis für Beratung bei Alltags-, Ehe- und Partnerschaftsproblemen. Bevor ich selbst angefangen habe zu schreiben, habe ich viele Ratgeber gelesen“, erzählt sie der  Süddeutschen Zeitung. Versucht man, via google etwas über sie herauszufinden, findet man: nichts – abgesehen von den Artikeln über ihre aktuellen Kolumne. Seit vielen Jahren als Journalistin unterwegs, vor allem in überregionalen Blättern, und keine Spuren? Ich weiß nicht so recht. Aber das nur nebenbei.

Eggert selbst sieht nun ihr komplettes Leben „zerstört“ und behauptet gleichzeitig:

Ich habe mir die Kolumne inzwischen 20 Mal durchgelesen und kann nichts finden, was daran schlimm sein soll. Der Text richtet sich nicht mit einem einzigen Satz gegen Homosexuelle.

Ich nehme ihr das ab. Sie erkennt es wirklich nicht. Sie sagt auch:

„Ich bin der Meinung, dass der Text weder mit Homosexualität noch mit Homophobie etwas zu tun hat.“

Die langjährige Psycho-Beraterin ist komplett ignorant, wenn sie meint, dass ihr Rat nichts mit Homosexualität zu tun hat. Fällt einem dazu noch was ein? Es ist exakt das oben beschrieben Ausblenden von Schwulen, die Nichtexistenz des Bruders, die zu solch einer wahnsinningen Aussage führt.

Und schließlich:

Es geht um die Frage, ob zwei konservativ erzogene Kinder, sechs und acht Jahre alt, die ein traditionelles Familienbild im Kopf haben, korrigiert werden sollen. Wenn ein Vater dazu gezwungen wird, kann das doch nicht gut sein!

Wer wollte den Vater zwingen? Der Onkel? Kein Mensch auch nur im Ansatz. Auch sie behauptet eine Übermacht von Schwulen und ihren Unterstützern in der Gesellschaft, die den Vater zwingen können, die Kinder zum Blumenstreuen zu schicken. Offenbar musste sie den Vater in Schutz nehmen. Die Zeitung erscheint im Großraum Paderborn. Gut möglich, dass man dort in dieser Blasenwelt lebt.

„Hier geht es nicht um meine Weltanschauung oder einen gesellschaftlichen Konflikt, sondern um ein ganz privates, nicht repräsentatives Problem eines verunsicherten Vaters“

erklärt sie noch.

Die Frau ist völlig ahnungslos.

Letztes Zitat:

„Nun habe ich das Gefühl, wenn ich auf einem Marktplatz stünde, würde ich gelyncht. „

Da haben es die Schwulen leichter. Die dürfen gar nicht erkennbar auf einem Marktplatz stehen.

Eggerts Ruf sei durch den shitstorm geschädigt worden, empören sich diese Leute. Welchen Ruf hatte sie denn? Dass sie ihn mit ihrer Kolumne selbst beschädigt hat, darauf kommen sie nicht. Dass man mit dieser (behaupteten) Dauerpräsenz in verschiedenen Medien in der Öffentlichkeit steht und es zu massiver Kritik der Öffentlichkeit kommen kann, wird nicht bedacht. Wer journalistisch arbeitet und dabei Hunderttausende erreicht, kriegt bei kontroversen Themen alle naselang heftige und auch unsachliche Kritik ab. Wobei Eggerts Ruf in vielen Kreisen vermutlich nicht beschädigt wurde. Sie ist jetzt nur präzise auf ihre Peergroup ausgerichtet. Eggert erwähnt auch einen homophoben Kommentar des FAZ-Redakteurs und Alphonso-Kollegen Jasper van Altenbokum, den sie nicht gut fand, immerhin. Der habe aber viel Beifall bekommen. Ja, und auch viel Kritik, so wie sie. So geht das.

Ich gebe zu: Die Sache hat einen faden Beigeschmack. Die Chefredaktion der Zeitung hat in einer ersten Stellungnahme die Homophobie des Rates bestritten, in einer kurz darauf veröffentlichten zweiten sich über Eggerts Homphobie empört. Das ist scheinheilig. Die Kolumne wurde ja bei vollem Bewusstsein ins Blatt gehoben. Vielleicht ist Eggert ein Bauernopfer.

Die Autorin hat nun eine wöchentliche Kolumne weniger. Es ist nachvollziehbar, wenn der homosexuelle Volker Beck es ok findet, dass die homophobe Eggert ihre Homophobie künftig zumindest an einer Stelle weniger verbreitet. Es geht nicht um Geschmacksfragen. Vielleicht könnte sie in Zukunft zu harmlosen Themen ratgebern. Krawattenfarben oder Gartengestaltung.

hf99 spricht bei der Auflösung der Zusammenarbeit übrigens davon, sie sei „rausgedroschen“ worden. Mit Gewalt? „Rausgeschmissen“ wäre begrifflich wohl schon zu lasch.

Öffentlichkeit im Zeitalter des Internets

Man könnte eine grundsätzliche Debatte über Meinungsäußerungen in Zeiten des Internets führen. Heute hat fast jeder die Möglichkeit, via soziale Netzwerke seine Meinung kundzutun. Es laufen Debatten aus dem Ruder, es wird gestalkt, beleidigt, täglich. Aber bitte diese Debatte nicht auf der Basis führen, dass man eine homophobe Ratgeberautorin als Opfer einer primitiven, mobbenden Übermacht darstellt. Es haben sich viele Leute empört, die Kolumne hat, vielleicht auch vor dem Hintergrund der irischen Entscheidung pro Homoehe, eine größere Bedeutung, als man meinen könnte. Und natürlich gibt es im Internet keine lokalen Begrenzungen mehr.

Vielleicht bekommt Eggert demnächst einen Anruf von  Jasper van Altenbockum, vielleicht einen der jungen freiheit, vielleicht einen der Bistumszeitung von Paderborn. Sie wäre in diesen Umfeldern gut aufgehoben.

Schließlich: Mir wird „Subtext-Schnüffelei“ unterstellt. Jeder Text hat unendlich viele Möglichkeiten, ihn zu lesen, ihn zu interpretieren. Diese Leute, die sich gern zu geisteswissenschaftlichen und literaturaffinen Superhirnen aufbrezeln, reden von Fakten. Was nicht schwarz auf weiß geschrieben steht, existiert nicht. Summa, dessen Blog den Untertitel „Sprache und Gestaltung“ trägt, schreibt:

Sie sagt aber nirgendwo: Igitt! Sie schreibt nie: Pfui Homos!

Genau. Wer in einer Zeitungskolumne nicht „Igitt!“ und „Pfui!“ schreibt, kann nicht homophob sein. Und da die Kolumne nur von Blumenstreuen redet, geht es nur und ausschließlich ums Blumenstreuen. Das ist so unterkomplex, dass es wehtut. Diese Leute behaupten folgerichtig, nur wer „blutgeil“ gegen Schwule sei und mit dem „Messer“ losrenne, könne als homophob bezeichnet werden. Es geht da auch intellektuell flott in Grauzonen. So macht man sich in diesen Kreisen Gedanken über Sprache und Gestaltung.

Diese Leute nutzen hier, vermutlich ganz bewusst, die Entwicklung der letzten 30, 40 Jahre, dass Kritik an vielen Randgruppen verklausulierter vorgetragen wird als zuvor. So wie die, die nichts gegen Juden haben, aber „die Zionisten“ als das Übel der Welt betrachten.

Es ist alles eine Frage der Perspektive. Die komplette Weigerung, sich zu überlegen, was dieser Rat in der Konsequenz für den Betroffenen, für Schwule bedeutet, führt zu deren Verschwinden. Es geht um die Zementierung gesellschaftlicher Verhältnisse oder auch um den Rollback in die 50er.

Wir sind die Opfer!

Diese Leute machen sich das alles wohl wirklich nicht klar, warum auch immer. Sie wollen unbedingt die Diskurshoheit behalten.

Schwule ja, aber nur, wenn wir bestimmen, was geht und was nicht. Die sollen in den darkroom und auf den CSD. Das tolerieren wir, so zeigen wir, dass wir tolerant sind. Aber bitte nicht bürgerlich. Dann müssen wir sie leider in die Schranken weisen.  Sonst werden wir verwirrt. Dann sind es eben Kinderficker, shitstormer. Die nutzen unsere Gutmütigkeit aus. Haben wir uns denen nicht schon genug angepasst? Jetzt muss mal Schluss sein.

Die wollen uns beherrschen! Nicht übertreiben mit der Emanzipation!

Aber wir sind zivilisiert. Deshalb sagen wir das alles nicht offen. Sondern sind Opfer. Wir sind die Bedrängten. Stellvertretend für uns alle ist es heute Barbara Eggert. Geheiligt sei ihr Name.

Man hätte sich einfach mal bei queer.de oder anderen Interessengruppen, bei Betroffenen, informieren können, wie die den Fall sehen. Stattdessen meint hf99:

Ich selber bin zum Beispiel heterosexuell – natürlich sagt mir die schwule Szene, sagen mir schwule Lebenswelten nichts und müssen das auch nicht.

Natürlich ist das nicht. Man könnte sich informieren. Dass man das nicht muss, ist eh klar. Diese Leute behaupten, für Schwule einzutreten und lassen diesen Vorsatz durch Instrumentalisierung bei der erstbesten Gelegenheit fahren. Sie treten weder für sie ein noch nehmen sie sie wahr.

Das eine bedingt das andere.

P.S.: Hier noch ein TV-Beitrag zum Thema vom WDR.

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17 Antworten zu Ich bin nicht homophob, aber…: eine Anmerkung zu Perspektivfragen

  1. summacumlaudeblog schreibt:

    Habe dazu bei mir einen kleinen Nachtrag in Blau geschrieben, den Originaltext aber unverändert gelassen. Ich hoffe nun, endlich verstanden worden zu sein. Für eine „Faschistensau“ war das, was vorgefallen ist, einfach viel zu wenig.

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  2. besucher schreibt:

    Zwei 6 und 8 jährige Töchter die „nicht so liberal erzogen“ sind. Wann hört bei Frau Eggert die Erziehung auf? Mit 10? Wo hat diese Frau ihr Diplom her? Im Lotto gewonnen? Mehr muss man zu dieser Frau nicht sagen. Es ist einfach Inkompetenz.

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  3. hANNES wURST schreibt:

    Dieser Artikel im Westfalenblättchen kann nur eine zugespitzte Provokation sein, diese ganze Geschichte vom „warmen Bruder“ stinkt doch zum Himmel. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Homosexualität in der Verwandtschaft nicht verschwiegen, sondern offen verdammt wird. Meine katholisch erzogenen Töchter müssen sogar damit klar kommen, dass ich selber schwul bin – so jedenfalls die andauernde Bezichtigung meiner unerträglichen Ehefrau.

    Deswegen kann es wie gesagt nur sein, dass es sich um einen Scherzartikel handelt oder dass das Lektorat wichtige Informationen – die den Inhalt erst nachvollziehbar gemacht hätten – aus Gründen der Kürze getilgt hat. Zum Beispiel stand dort ursprünglich vielleicht, dass der Partner des schwulen Bruders farbig ist.

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  4. genova68 schreibt:

    Danke für den Einblick in deine familiären Verhältnisse :D Mir scheint, es fehlt dir sowohl an Durchsetzungs- als auch an Überzeugungskraft.

    P.S.: Warum funktioniert seit zwei Wochen mein WordPress-Bilderupload nicht mehr oder nur noch ganz selten? Was habe ich nur angestellt?
    P.P.S: Antwort: TIFFs nur scheinbar als jbpg. gespeichert.

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  5. hANNES wURST schreibt:

    Ich habe jetzt herausgefunden, dass der Blogartikel durch Drehen an der Maus noch viel länger wird, insgesamt knapp 4000 Worte. Das sind ja bersarinsche Dimensionen, das kann ich nicht gut heißen, denke bitte auch an den Wald lieber genova, denn ich drucke alles aus.

    Was ich eigentlich schreiben wollte ist ein Plädoyer für http://de.wikipedia.org/wiki/Artikeldrei
    Es reicht vielleicht schon, das Ansinnen zu begreifen, es wäre jedoch besser es tatsächlich ins Grundgesetz zu gießen, damit die Eggers dieser Welt begreifen, dass sie im falschen Film sind – ganz egal ob sie selber noch eine Welt erlebt haben in der Homosexualität verboten, Rassentrennung üblich und interkonfessionelle Heirat undenkbar war.

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  6. genova68 schreibt:

    Es freut mich, dass dich mein Artikel zum offenbar erstmaligen Drehen an der Maus inspiriert hat. Die Wunder der Technik. Ja, der Artikel ist zu lang, aber wo hätte ich kürzen können? Das mit dem Wald nehme ich mir zu Herzen. Es ist nicht gut, wenn Dritte leiden, weil sich jemand allzu ausführlich darstellen will. Aber bedenke, dass der heute erschienene Folgeartikel ganz bewusst mit exakt null Wörtern auskommt. Wir teilen also 4000 Worte durch zwei, dann ist es erträglicher.

    Danke für den Hinweis auf den Artikel drei, kannte ich noch nicht. Nicht auszudenken, wenn Volker Beck und ähnliche Verdächtige das per Twitter gefordert hätten. Manche würden sich vermutlich gar nicht mehr einkriegen.

    Ich erkläre dich hiermit zur Speerspitze des antieggertschen shitstorms.

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  7. hANNES wURST schreibt:

    Vielen Dank. Schließlich war nicht alles schlecht, was Albert Speer gemacht hat. Oh, ich muss mich kurz fassen, habe gerade einen Mini-Schlaganfall.

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  8. genova68 schreibt:

    Hoffentlich nicht. In unserem fortgeschrittenen Alter ist alles möglich.
    ——————-
    Diese Leute treiben übrigens gerade die nächste Sau durchs Dorf. Aus einem sarkastischen und dennoch oder gerade deswegen informativen tweet (Danke für die Info) wird ein Skandal mit namentlich stalinschen und maoschen Dimensionen. Bewusstes Missverstehen. Die Empörten wittern ihre Chance.

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  9. hANNES wURST schreibt:

    Wo wird die Sau getrieben? Ich kriege ja gar nichts mehr mit, seitdem ich nur noch Dein Blog lese.

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  10. genova68 schreibt:

    Sehr gut, dass du nur noch meinen Blog liest. Mehr passiert auf der Welt auch nicht.

    Kurzversion:
    Ronja von Rönne, Feuilletonredakteurin bei der Welt, schreibt einen Artikel gegen „Netzfeminismus“. Sie kriegt dafür unter anderem Zustimmung vom Ring Nationaler Frauen, der jungen freiheit und Pegida. Diesen fakt schreibt eine Frau, Tagesschau-Mitarbeiterin, in einem tweet ihres privaten Twitter-Accounts. (Rönne wurde jetzt auch zum Bachmannwettbewerb nach Klagenfurt eingeladen.)

    Ich las das und dachte: Aha, danke für die Info. Schlicht eine Tatsache, die da getwittert wurde. Natürlich unterstützt von Rönne nicht die NPD, ist ja eh klar. So viel Urteilsvermögen sollte man den Lesern zutrauen. Man könnte sich fragen, warum die Rechten das gut finden. Oder auch nicht. Es ist egal.

    Andere twitterer retweeten das (so heißt das, glaube ich). Alltag.

    Daraufhin aber drehen die üblichen Verdächtigen, allen vorneweg dieser Alfons von der FAZ, am Rad. Alfons wörtlich:

    „Das ist formal der Versuch, Kritik an der feministischen Ideologie mit Rechtsextremismus gleichzusetzen. Es ist aber auch von den Vordenkern über die Verbreiter bis zum gewaltbereiten Mob eine unschöne Dystopie aus dem Endzustand Vorratsdatenspeicherung, im Privaten und Mittelgroßen von Leuten angewandt, die sich oft gern als die Guten und Freude des Datenschutzes präsentieren: Eine Autorin ist nicht mehr das, was sie sagt, sondern das, was aus perfide ausgewählten Reaktionen Dritter auf sie konstruiert werden kann. Das ist eine Methode totalitärer Regime, der stalinistischen Schauprozesse gegen Trotzkisten, Internationalisten und Konterrevolutionäre, der Kulturrevolution in China. Und so funktioniert der Shitstorm auf einem Twitteraccount, auf dem Abteilungen eines öffentlich-rechtlichen Senders genannt werden, bis zu den gewählten Volksvertretern, die von sich sagen, sie engagierten sich gegen Vorratsdatenspeicherung. Und einen jüdischen Begriff dazu auf ihre Homepage kleben.“

    http://blogs.faz.net/deus/2015/05/30/ein-tag-von-der-empoerung-der-ard-redakteurin-zur-morddrohung-der-antifa-2612/

    Ein Herr Stoodt (realer Name) twitterte, erkennbar sarkastisch:

    „Feminismus ist was für Unterprivilegierte. Adel ist was für die Laterne. Ca ira.“

    Es ist eine Zeile aus einem Lied der Franz. Revolution.

    Angeblich ist das eine Morddrohung. Kann man natürlich so verstehen, wenn man nichts verstehen will. Man kann das auch als geschmacklos bezeichnen oder eben als sarkastisch. Oder einfach als Liedtextzeile. So weit, so belanglos. twitter halt. Es gibt mehr als 500 Millionen tweets pro Tag.

    Darf man eigentlich noch die Marseillaise singen?

    Es geht hier um tweets. Die regen sich auf, als hätte die Tagesschau in der 20-Uhr-Sendung zum Mord an von Rönne aufgerufen.

    Über den Text von Rönne über Netzfeminismus redet nun keiner mehr. Obwohl der gut geschrieben ist, rein formal.

    Frau von Rönne sollte sich auf Klagenfurt vorbereiten. Ich gucks mir dann an. Schaden wird ihr die Aufmerksamkeit nicht. Vielleicht freut sie sich sogar drüber.

    Sie reagiert jedenfalls ganz cool:

    „Es ermüdet etwas, es hält mich auf, lenkt ab und bremst, aber weder fanatische Antifa-Pfarrer noch uncharmante Bemerkungen einer ARD-Social Media Beauftragten sind jetzt das, was mich nachts nicht schlafen lässt“

    http://www.tagesspiegel.de/kultur/shitstorm-fuer-feminismus-kritik-ronja-von-roenne-und-der-einkalkulierte-skandal/11852152.html

    Die Frau ist vor allem ahnungslos, scheint mir. Aufmerksamkeit kann da nicht schaden. Das ist wohl der Henryk-Broder-Effekt.

    ———————–

    Sie lasen eine Folge aus der Serie „Leser fragen – der Serviceblog exportabel antwortet.

    Rechnungsstellung erfolgt umgehend.

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  11. hANNES wURST schreibt:

    Ich habe ab dem Wort „tweet“ nichts mehr verstanden. Vielleicht auch wegen dem Mini-Schlaganfall („beat“). Jedenfalls werde ich leider nichts für diese sicherlich vorzügliche Serviceleistung bezahlen („greed“).

    Für mich klang es insgesamt nach einem Sommerloch („summer slut“).

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  12. genova68 schreibt:

    Ja, genau: Sommerloch.

    Entweder schreibe ich so grauslich oder dein Schlaganfall ist noch am laufen. Bitte lass dich umgehend von deiner unerträglichen Ehefrau pflegen.

    Die meisten Schlaganfälle spielen sich übrigens nur im Kopf ab.

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  13. hANNES wURST schreibt:

    Ich vermute, die Moral von der Geschichte ist, dass in der Zeitung irgendwelches uninteressantes Zeug steht, wenn es nichts zu berichten gibt. Im Netz wird statt dessen irgendetwas produziert, das zwar auch nicht interessant ist, aber alle geifern auf Teufel komm raus los und machen ein dickes Ding draus (das nur die Beteiligten interessiert). Damit meine ich nicht die Eggert Story, die hatte ja Nachrichtenwert, aber die andere Geschichte von dieser missverstandenen Feministin. Vielleicht habe ich den Hergang auch nicht verstanden, dann bitte ich um eine weitere, auch mit Mini-Schlaganfall verständliche, Zusammenfassung. Ich zahle nichts.

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  14. genova68 schreibt:

    Hier, lieber Hannes, ein hoffentlich minischlaganfallkompatibler, jedenfalls lesenswerter Artikel über von Rönne:

    https://aplusplusranting.wordpress.com/2015/05/30/jung-normschon-reaktionar-backlash-in-subversivem-gewand/

    Der Bezug, der zwischen von Rönne und Sarrazin hergestellt wird, ist ganz interessant: rechter Rollback, verkleidet als Tabubruch. Das neue: Es ist kein alter Mann, sondern eine junge, „formschöne“ Frau.

    Ich nehme das „gut geschrieben“ zurück, nach der Lektüre von ein paar Blogartikeln von ihr. Eher girliehaft egozentrisch. Es ist kein Wunder, dass die bei der Welt tippt.

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  15. genova68 schreibt:

    Und noch ein guter, absolut schlaganfallfreundlicher Artikel von Hannah Pilarczyk im Spiegel hinterher:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/feminismus-und-ronja-von-roenne-wann-gibt-es-die-echte-debatte-a-1036536.html

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  16. hANNES wURST schreibt:

    Ich schnalle es immer noch nicht. Worum geht es bei der ganzen Scheiße? Irgendeine Kuh schreibt aus Langeweile oder Geltungsdrang einen völlig belanglosen Artikel, ein Heinz twittert angebliche Morddrohungen, und so ein Dreck wird aufgegriffen. Es wird Zeit, dass mein Wikipedia Artikel von 2005 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Humorarchiv/Informationsschaum) aus dem Humorarchiv gerettet wird. Mir kommt es immer öfter so vor, als löse sich das, was online passiert, mehr und mehr von der „wirklichen“ Welt ab. Die Bedeutung von digitaler Kommunikation schwindet gegen Null, denn sie kann nicht mehr auf die Physis wirken. Es schmerzt doch keinen wirklich, auf Twitter beleidigt zu werden, man tut höchstens so. Zusätzlich gibt es massenhaft Heinis wie mich, die unter einem Pseudonym einfach schreiben, was die zuckenden Finger gerade so hergeben. Das ist alles SCHEISSE, IHR FICK ARSCH PIMMEL FOTZEN

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  17. genova68 schreibt:

    Cooler Artikel, der zum Informationsschaum. Nur die Verlinkung dort zum Handelsblatt ist futsch.

    Ich würde aber unterscheiden zwischen Pseudonym und real name. Nur bringt Frau von Rönne der shitstorm, wenn es denn einer ist, Aufmerksamkeit. Nicht das schlechteste, wenn man demnächst in Klagenfurt liest.

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