Was noch? VI

1. Berlin ist „das Rom der Zeitgeschichte“, sagt der Berliner Bürgermeister Michael Müller. Klar, was sonst. Und so will er seine Stadt in einem Museum präsentieren, dass folgerichtig im neuen Stadtschloss untergebracht werden will. Der Redakteur Harald Jähner meint in der Berliner Zeitung (23.3., s. 23), dass die Konzeption des neuen Museums in einem „Propagandaton“ gehalten sei, Müller wolle einem „poppig daherkommenden Wilheminismus“ frönen. Müller selbst nennt seinen neuen Wilhelminismus trendy das „Verfolgen einer klaren Narration“. Es gibt übrigens seit Ewigkeiten ein Stadtmuseum in Berlin, das Märkische Museum, laut Jähner, im Gegensatz zum geplanten, „wohltuend ehrlich“. Na, das ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß.

2. Ruth Colian ist ultra-orthodoxe Jüdin (das sind die mit den Locken) in Israel und hat die Nase von den Männern voll. Sie hat nun eine feministische ultra-orthodoxe Partei gegründet. Dumm nur, dass die Orthodoxen die Frau hinterm Herd sehen und nicht in der Öffentlichkeit. Colian berichtet im selben Blatt wie bei 1. über ein Milieu, in dem Frauen nichts zu sagen haben, nicht ins Parlament dürfen, wegen fehlender Brustkrebs-Vorsorge doppelt so oft an dem Krebs erkranken wie im israelischen Durchschnitt, über ein Milieu, in dem Frauen aus religiösen Gründen oft geschlagen werden und ihnen bei Vergewaltigungen die Schuld gegeben wird, die die komplette Hausarbeit und Kindererziehung übernehmen müssen und noch Geld verdienen, weil der werte Gatte sich unbedingt religiösen Studien widmen muss. Die Frau hat fromm zu sein und die Klappe zu halten. Da Frau Colian das nicht tut, stehen mittlerweile auch am späten Abend unangenehme Leute heftig pochend vor ihrer Tür: selbstredend Religiöse, die sich für bessere Menschen halten.

Kennen wir diese Form der Unterdrückung nicht? Erinnert an die katholisch geprägte deutsche Provinz noch in den 1980ern. Judentum, Islam, Christentum: in weiten Teilen rechter, natürlich frauenfeindlicher und ganz weltlicher Schrott, der sich übersinnlich tarnt. Religion ist massiven Teilen der Praxis Barbarei, als Kultur getarnt. Das ist natürlich nicht neu.

Ruth Colians Vorbild ist Rosa Parks. Viel Glück!

 3. Die Schweizer Alpengemeinde Vals will das höchste Hotel der Welt bauen: 381 Meter. Der Streit darüber ist ein typischer: Weil das Hotel eines der Luxusklasse werden wird („mehrere tausend Franken pro Nacht“), verändert sich die Sozialstruktur in dem Sackgassenort. Verkehr wird zunehmen, Hubschrauber werden lärmen. Dennoch könnte man die transparente, schlanke Architektur als Glücksfall begreifen, die für ein Alpental eigentlich perfekt ist, rein ästhetisch. Gegen die hohen Berge drumherum kommt der Turm sowieso nicht an. Kritisierbar ist einzig die Tatsache, dass man dort auf das reichste Prozent der Weltbevölkerung  zielt. So aber wird gewagte Architektur zwangsläufig mit irgendeinem abgehobenen Bonzentum in Verbindung gebracht.

Interessant ist das Projekt auch, weil in Vals schon Zumthor seine Therme baute und Graubünden architektonisch seit vielen Jahren bemerkenswertes leistet. Die endgültige Entscheidung über den Turmbau wird den Bewohnern überlassen – mittels eines Bürgerentscheids.

4. Und noch mal flott zu Albrecht Müller. Der Herausgeber der Nachdenkseiten und Querfrontfan rutscht immer weiter ins rechte Lager. Willy Wimmer saß früher für die CDU im Bundestag und ist nun Kumpel von Müller und hält mit ihm gemeinsam Veranstaltungen ab. Allerdings ist Wimmer mittlerweile auch Autor von Elsässers Compact-Magazin und hielt kürzlich bei der „Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ in Hamburg eine Rede. Mit auf der Bühne: Gauland von der AfD und der Rechtsextremist Manfred Kleine-Hartlage, der gerne bei PI publiziert. Eine bekannte Holocaust-Leugnerin saß auch im Saal, ohne dass das Widerspruch erregt hätte. Manfred Backerra, der SWG-Chef, meint:

„Über den Holocaust sprechen wir nicht“, sagte er gegenüber dem NDR, da man über dieses Thema nicht frei reden dürfe.

Ein Leser der Nachdenkseiten wies ihn nun auf die Problematik hin, und zwar erkennbar als Freund der NDS („Danke, dass es euch gibt!“).  Müllers Antwort: Der Leser sei Teil einer Gesinnungspolizei, that´s it. Keinerlei Kritik an dem Auftreten Wimmers bei Rechtsradikalen, an Elsässer oder an Rechtsextremismus überhaupt. Wer auf rechtsextreme Umtriebe hinweist, ist ein Denunziant, betreibt Mobbing und will Böses. Müller findet die Leute der SWG lediglich „unsympathisch“, politisch aber offenbar in Ordnung. Jebsen, Wimmer, Kleine-Hartlage, Elsässer, Gauland undundund: Wie bekloppt muss man sein, sich mit diesen Leuten gemein zu machen, wenn man nicht rechtsradikal ist?

Müller kommt mir mittlerweile vor wie der Geisterfahrer in dem Witz, in dem er der einzige ist, der in die richtige Richtung fährt. Es hat etwas von dem typisch deutschen Fanatismus. Müller ist in der Tat Verschwörungstheoretiker, und ein besonders dummer dazu. Die vielen rechtsradikalen Bezüge nicht nur zu ignorieren, sondern freundliche Hinweise darauf in unverschämter Art zu beantworten: Es spricht mittlerweile alles für sich. Eigentlich tragisch, dass sich jemand auf seine alten Tage so zum Deppen macht.

Müllers Rat an seine Leser: durchhalten gegen die bösen Denunzianten, denn: „Wir brauchen Toleranz.“. Toleranz für Nazis. Sowas kommt vom angeblichen Bewunderer von Willy Brandt.

Die NPD wird´s freuen. Vielleicht schickt sie Müller einen Mitgliedsantrag. Die sind ja immerhin sozial.

Beim Nazienkel gibt es mehr zum Thema.

Und hier hat sich ein Betroffener kürzlich geäußert.

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5 Antworten zu Was noch? VI

  1. ernte23 schreibt:

    Bei Müller hab‘ ich mittlerweile den Eindruck, als befände er sich mental noch immer in einem der von ihm gestalteten Wahlkämpfe der 1970er-Jahre-SPD, und als habe sich in seinen Augen die geopolitische Situation nur marginal verändert. Deswegen redet er mit jedem, so scheint es mir, der sich um Ausgleich mit Russland bemüht oder dies vorgibt, egal wie fragwürdig die Gestalt sein mag… Es hat etwas von Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen, beinahe schon komisch, wenn es nicht so traurig wäre…

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  2. genova68 schreibt:

    ernte,
    das ist ja interessant, dass sogar ein Nachdenkseiten-Unterstützerverein Müller kritisiert. Wird das denn breiter diskutiert? Was sagen die vielen anderen NDS-Gruppen? Melden die sich zu Wort? Vielleicht sollte man Müller deutlicher machen, dass er das NDS-Projekt nicht alleine steuert.

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  3. André schreibt:

    Ich vermute, dass es zur Zeit heftig kracht im Gebälk der immer noch einflussreichen NachDenkSeiten.
    Jens Berger kann es nicht gefallen, dass Albrecht Müller grossen Schaden für die NachDenkSeiten anrichtet. Man sollte Freunde und Unterstützer nicht als Trolle und Denunzianten bezeichnen und mit Name und Adresse an den Pranger stellen. Aber Einsicht ist die Sache von Albrecht Müller nicht…

    Auf den jüngsten Schaden von Albrecht Müller gehe ich in meinen neusten Artikeln ein:
    http://journalistenhatz.blogspot.ch/2015/04/the-influential-anti-american-web-site.html

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  4. ernte23 schreibt:

    Es gibt kaum Kontakte zwischen den regionalen Gesprächskreisen und den Nachdenkseiten selbst. Aber irgendwie schien mir Müller, seit ich auf die NDS aufmerksam geworden bin, immer schon ein wenig zu sehr der guten alten Zeit nachzuweinen.

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  5. Nazienkel schreibt:

    Aber welches ist die ‚gute alte Zeit‘ für ihn, kann man sich angesichts seiner neuen Medienpartner, die plump antisemitische Hetze und Querfrontarbeit betreiben, doch fragen.

    Wolfgang Lieb scheints aber doch auch egal zu sein, der haut nicht so irre in die Städten, aber gestern zb verlinkte er Haisenko, hängt sich auch an antisemitische ‚Finanzkritik‘ ran.

    Ganser, Jebsen und Shahyar, ‚Zuschauerkonferenz‘, rtdeutsch, Werner Rügemer, Propagandaschau, Dieter Dehm (ja sowieso).

    Und JB verlinkt doch ebenfalls immer wieder zu solcher Chose, zitierte auch schon zustimmend Shahyar.

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