Wann ist ein Kommunist ein Kommunist?

Waren Stalin und Pol Pot Kommunisten? Waren die Deutschen Christen Christen? War Filbinger ein christlicher Demokrat? Ist jemand, der die Grundrechenarten beherrscht – und sonst nichts – ein Mathematiker?

Darüber habe ich vor ein paar Tagen kurz auf Facebook diskutiert. Ich würde die These in den Raum stellen, dass es einerseits eine vernünftige Definition von Begriffen braucht. Der Mathematiker wäre wohl keiner, weil die Grundrechenarten alleine ihn nicht zum Tragen dieses informellen Titels berechtigen, auch wenn er ihn trägt. Beim Kommunismus würde ich das ähnlich sehen. Wo ist die Kommunismusdefinition, die Stalin als einen solchen ausweist?

Andererseits geht es um Wirkungsmacht. Stalin, Pol Pot und andere haben angerichtet, was sie angerichtet haben. Sie hatten die ganz reale Macht, Marx und andere in ihre Dienste zu stellen. Insofern ist zu fragen, wie es dazu kommen konnte. Eine Frage, der viele Linke gerne ausweichen und damit das Grauen erneut ermöglichen. Es beginnt schon bei solch diktaturaffinen Grüppchen wie Cuba-Sí von der Linkspartei. Ganz zu schweigen von den Querfrontdeppen dort. Und ganz aktuell die Beschwichtigung deutscher Linker in Sachen griechischer Querfront. Alles halb so wild, solange nur etwas passiert.

Vielleicht geht darum, dass die Aussicht auf das Paradies den Menschen zum Schlächter macht. Es geschieht dann ja alles im guten Namen, sei es Gott, Allah, Marktwirtschaft oder Kommunismus.

Aber soll man deswegen den Fortschritt auf Eis legen? Es kann meines Erachtens nur um Selbstreflexion gehen. Die Dialektik der Aufklärung verinnerlichen und immer wieder auf die Bremse treten. Und wissen, wann man Gas geben sollte. Wobei viel Gas nur mit einem zittrigen Fuß gestattet ist – und einem Copiloten, der das Bremspedal bedient.

Schnell hingerotzt, vielleicht ergibt sich ja die bei facebook gewünschte Diskussion.

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112 Antworten zu Wann ist ein Kommunist ein Kommunist?

  1. hANNES wURST schreibt:

    Gibt es überhaupt noch Kommunisten, Marxisten, Stalinisten? Das sind doch Exoten, die sich bewusst in eine Ecke stellen, um eine Identität anzunehmen und herumzukrakeelen. Dass sozialwissenschaftliche Realität flexiblere und fein austarierte Modelle benötigt, dürfte sich herumgesprochen haben.

    Stalin und Pol Pot hätten als Nationalsozialisten auch keine besseren Ideen gehabt. Marx ist also nicht schuld, ebenso wenig wie man Mohammed den geisteskranken IS anlasten kann.

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  2. besucher schreibt:

    Also wenn es nach Gehrcke und Hunko ginge dann würde Putin morgen vor dem Brandenburger Tor marschieren und dort auf die von Cuba-Sí herbeigebrachten Castro-Brüder treffen.
    http://novorossia.su/ru/node/15009
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-02/linke-abgeordnete-ukraine-hilfskonvoi-propaganda

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  3. genova68 schreibt:

    Toll, die Diskussion läuft!

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  4. einer von jenen schreibt:

    @ hannes: Schon mal eine schön provokante Steilvorlage für ´ne Debatte. Ich würde mich selbst auch als (libertärer) Marxist bezeichnen, würde das aber nicht als Identität sehen. Es geht eher darum, dass sich mit der Marxschen Theorie immer noch ganz gut arbeiten lässt, dass ich mir bestimmte Zusammenhänge damit verständlich machen kann.

    Heißt nun nicht, dass Marx nur kluge Sachen geschrieben hat – aber es entwertet eine gute Theorie oder ein gutes Argument nicht, wenn die betreffende Person an anderer Stelle auch mal Blödsinn geredet hat. Ich fühle mich da nicht genötigt, alles zu übernehmen…

    Und die Identität oder die Schublade, in der man sich selbst einordnet, kommt eh am Schluss, oder sollte wenigstens am Schluss kommen. D.h. ich vertrete nicht die und die Ideen, weil ich nun z.B. „Marxist“ oder „Anarchist“ oder sonstwas bin, sondern weil ich diese Ideen vertrete und für vernünftig halte, passt dann am Ende auch diese oder jene Kategorie ganz gut, Aber „Marxist“ ist eh nur der allgemeine Oberbegriff – interessant ist nicht, wie die Schublade heißt, sondern was drinsteckt.

    Und ob man Stalin oder Pol Pot nun als „Kommunisten“ einsortieren sollte? Von mir aus – ist dann aber nicht die Sorte Kommunismus, mit der ich irgendwas anfangen könnte.

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  5. hANNES wURST schreibt:

    @evj: Sie schreiben dass Sie dem Marxismus nahe stehen, weil Sie mit den Ideen des Marxismus viel anfangen können. Der Marxismus-Leninismus ist eine konkrete Anleitung zur Revolution aber auch eine Weltanschauungsphilosophie. Und mehr. Es bedeutet aber sicherlich nicht Marxist zu sein, wenn man der ohne Zweifel ergiebige (und unterschätzte) Philosophie von Marx und Engels nahe steht. Sie sind ja auch kein Christ wenn Sie die Gleichnisse in der Bibel oder die Architektur der Kirchen schön finden. Sie sind Christ, wenn Sie an Gott glauben und sich dazu bekennen, wenn Sie quasi einem Verein beitreten. So ist es auch mit dem Club der Marxisten, auch wenn sie die marxistische Philosophie kaum durchdringen aber die Kernforderung des Marxismus aktiv unterstützen, dann sind sie Marxist.

    Damit sind wir wieder bei der Anfangsfrage, wann ein Kommunist ein Kommunist ist. Prinzipiell, wie eben beschrieben, wenn er aktiv und vorwiegend die Ziele des Kommunismus fördert und dabei ist der Kommunismus das, was die Mehrheit derjenigen, die sich Kommunisten nennen, darunter verstehen. Das ist natürlich wandelbar und meiner Meinung nach haben Wandel und Geschichte den Kommunismus unbrauchbar gemacht. Als sogenannter Linker sollte man sich lieber auf den Sozialismus beziehen, der weniger negative Konnotationen in sich trägt. Mir wäre das immer noch zu einengend, und der Marxismus ist mir gleichzeitig zu stark verortet und zu weitschweifig. Wenn ich mich selber politisch bestimmen müsste, würde ich mich als linksliberal bezeichnen. Weshalb ich eigentlich nicht mehr wählen gehen sollte aber weil mir irgendwie eingeredet wurde, dass Wählen vaterländische Pflicht ist, wähle ich dann die Linke.

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  6. genova68 schreibt:

    Es gibt keine Kernforderung des Marxismus. (Es sei denn sowas wie die, dass sich die Proletarier vereinen sollen.) Es gibt Marx und seine Schriften, das sind philosophische und politische und ökonomische. Da geht es um Herleitungen, Feststellungen, Meinungen.

    Linksliberal hört sich gut an, so würde ich mich auch bezeichnen. Aber es ist eine andere Ebene. Mit Marx beschäftigt man sich und kritisiert ihn. So sind die Bewegungsgesetze des Kapitals wahr oder nicht oder teilweise. Ich benutze Marx als Hilfsmittel zum Weltverständnis. Danach kann ich mich als Marxisten bezeichnen oder als linksliberal, es ist wurscht, weil es alles Definitionssache ist. Man könnte sagen, dass jeder Marxist notgedrungen linksliberal ist, weil er sich für den Menschen einsetzt. Im bürgerlichen Gesellschaften ist linksliberal, wer mit der Zweitstimme FDP wählt und linksextrem, wer sich für Marx interessiert.

    Warum soll ich eine so offensichtlich ideologische Einteilung mitmachen? Da wäre ja noch stichhaltiger zu behaupten, dass jedes CDU-Mitglied ein korruptes Arschloch ist. (Was ja vermutlich stimmt.)

    Die Logik des Kapitals ist bei Marx wohl recht intelligent beschrieben, Nachfolger haben das präzisiert. Daran kommt man nicht vorbei. Es geht also nicht um Anleitungen zur Revolution, sondern um ein tiefes Verständnis von Prozessen. Bürgerliche wollen das nicht wahrhaben, weil es unbequem für sie würde. Sie fahren die Welt lieber an die Wand. Deshalb sind die meisten Zeitungen notgedrungen dumm: Sie wollen es nicht wahrhaben, weil sie sonst Probleme kriegen: Mit Anzeigekunden, mit dem Kapital.

    Ob ich Sozialismus sage oder Kommunismus: Es hängt auch von bürgerlichen Medien ab, inwieweit die Begriffe kompromittiert sind. Soll man sich den Begriff Kommunismus von Stalin versauen lassen? Nicht nötig.

    P.S.: Im aktuellen „Was noch III“-Artikel ist der Wahnsinn greifbar. Das ist ein Teil der bürgerlichen Dummheit. Der Mensch nutzt seinen Verstand nicht mehr bzw. nur noch zweckrational. Das war in der DDR genauso.

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  7. hANNES wURST schreibt:

    @genova: Unsere linksliberale Bewegung kommt nicht aus dem Quark, die Piratenpartei zerbröselt, vom emanzipatorischen Flügel der Linken habe auch schon lange nichts mehr gehört, Neugründungen von Ex-FDP Mitgliedern sind nicht ernst zu nehmen. Zeit, dass wir mit einer neuen Partei die Macht übernehmen, ich schlagen den Namen „Liberale Soziale Demokraten“ (LSD) vor.

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  8. besucher schreibt:

    @hanneswurst

    als Parteilogo bildet man dann etwas aus dieser Bildauswahl ab:
    https://www.google.de/search?q=lucy+in+the+sky+with+diamonds&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=iGHnVJO3OpL_aP_7gZAP&ved=0CAkQ_AUoAg&biw=1280&bih=687

    Im Ernst, die Piratenpartei ist eher daran zerbröselt weil die Themenschwerpunkte immer kindischer wurden und weil zum Teil durchgeknallte, profilierungssüchtige Antifa-Leute dort Positionen übernommen haben.

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  9. hANNES wURST schreibt:

    Einige gute Logovorschläge sind schon dabei. Allerdings habe ich beschlossen, die Partei – geringfügig authentischer – D.O.P.E. zu nennen (Demokraten ohne politischen Einfluss). Es gibt schon eine erste Fassung des Parteiprogramms:

    §1 Vertrieb und Konsum sämtlicher Drogen wird legalisiert. Drogen unterliegen einer Qualitätskontrolle und werden besteuert.

    §2 Sämtliche gesetzliche Pflichten zum Eigenschutz werden aufgehoben und durch Empfehlungen ersetzt.

    §3 Welche Musik gespielt, welche Speisen und Getränke serviert und welche Drogen in seinem Lokal konsumiert werden dürfen, entscheidet der Wirt.

    §4 Die Einteilung Deutschlands in Bundesländer sowie die Landesregierungen werden ersatzlos abgeschafft.

    §5 Mindestens quartalsweise werden alle Wähler zu politischen Themen per Internet befragt. Die Ergebnisse werden veröffentlicht, sind aber für die Regierung nicht bindend.

    §6 Der öffentliche rechtliche Rundfunk wird abgeschafft. Die Regierung fördert wertvolle Programminhalte durch Ausschreibungen (5 Mrd. Euro / Jahr).

    §7 Alle Gesundheitskosten werden aus Steuermitteln finanziert. Zusätzliche
    privat zu finanzierende Leistungen dürfen nur erbracht werden, wenn sie nachweislich keinen medizinischen Nutzen haben.

    §8 Versicherungstarife müssen grundsätzlich jeder Person zu gleichen Konditionen angeboten werden. Versicherungen sind nur noch vom Versicherten kündbar. Prämien und zusätzliche Zahlungen aufgrund der Versicherungshistorie werden verboten.

    §9 Sozialversicherungspflichten werden auf alle Erwerbstätigen ausgeweitet.

    §10 Der Staat wird vollständig säkularisiert, der Bezug auf religiöse Inhalte wird in den Bereich der Religionen verlagert.

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  10. genova68 schreibt:

    Sehr schön. Ich sehe, du hast deine politische Achillesferse – Abschaffung von GEZ – durchdacht. Wann kann man Dope wählen? Oder LSD?

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  11. hANNES wURST schreibt:

    Es freut mich sehr, dass Du der Partei beitrittst, damit bist Du meine erste POPE (Person ohne politischen Einfluss). Wir treten natürlich nur auf Bundesebene an, Erste nichtöffentliche Parteiversammlung findet am 1. Mai in Domburg statt, der Weg auf den Wahlzettel ist natürlich noch mit einigen bürokratischen Hürden (die nach unsere Wahl umgehend abgeschafft werden) verbunden.

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  12. genova68 schreibt:

    Ganz hervorragend: Ich bin POPE bei DOPE und wir koalieren mit LSD.

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  13. hANNES wURST schreibt:

    Zurück zum Thema. Der Utilitarismus ist ein Utilitarismus, weil er klar bestimmte Bewertungskriterien, moralische Gewichtungen, definiert. Deswegen kann jemand mit Fug und Recht behaupten, er wäre Utilitarist oder seine Handlungsweise wäre zum größten Teil utilitaristisch determiniert. Wie viel verrät es jedoch über Personen, wenn sie von sich behaupten, sie wären Kommunisten, Marxisten, Stalinisten? Wenn sich daraus ein Bild ergibt, dann nur ein sehr ungefähres. Zu unterschiedlich sind die Schlüsse, die verschiedene Menschen aus diesen Ideologien gezogen haben. Kommunist zu sein ist heute also eine politische Schein-Standortbestimmung die erst durch eine zusätzliche Verortung z.B. in einer Partei überhaupt mit Inhalt gefüllt wird und dann ist der Begriff „Kommunismus“ letzten Endes nur störend, weil er negativ konnotiert ist.

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  14. einer von jenen schreibt:

    Ich würde genova oben zustimmen: „Kernforderungen“ des Marxismus gibt es nicht bzw. wenn es sie gäbe, wären sie blödsinnig. Was sollen das für Forderungen sein? „Ey Proletarier, macht endlich mal Revolution, ihr feigen Schweinebacken!“ oder so? Ich selber würde nicht Revolution machen, nur weil es mir einer sagt… Man kann den ProletarierInnen natürlich erklären, wieso es evt. sinnvoll ist, sich zu vereinigen und den Kapitalismus abzuschaffen – das ist dann aber keine Forderung.

    Was die Identitätsfrage betrifft: Ich selbst gehe mit solchen Selbstbezeichnungen pragmatisch um. Bei Leuten, die mich ein wenig kennen oder einen ähnlichen Background haben, bezeichne ich mich unter Umständen als „Kommunist“, wenn ich z.B. sagen will, dass ich eine klassenlose Gesellschaft will. Bei Leuten, die mich weniger gut kennen, funktioniert das mitunter auch – dann eher so als Provokation, an die man vielleicht eine interessante Debatte anhängen kann. Und „Marxist“ ist als Selbstbezeichnung in gewissem Sinne sinnvoll, weil ich mich in den letzten Jahren recht intensiv mit marxistischen Debatten beschäftigt habe.

    Und zur negativen Konnotation: Wenn ich das Wort „Kommunismus“ positiv verwende, denke ich dabei z.B. an die holländische Gruppe Internationaler Kommunisten, also an Leute, die mit Lenin und mit den Bolschewiki wenig anfangen konnten (und später mit Stalin dann sowieso nichts).
    Wenn ich mich allgemein als „links“ oder als „Linker“ bezeichne, ist das für Menschen von der CDU auch negativ konnotiert. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, wenn ich mit denen ohnehin keine gemeinsamen Interessen habe – für mich ist dann auch umgekehrt die Bezeichnung „Christdemokrat“ negativ konnotiert.

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  15. genova68 schreibt:

    Ich stimme dem Technikjungen mal wieder zu und empfehle seinen Blog, und zwar nicht nur, aber insbesondere die Musikvideos.

    Die Selbstbezeichnungen sind ja eher Selbstvergewisserungen. Wenn ich mich als Kommunist bezeichne, dann als Signal an andere oder als Abgrenzung gegenüber anderen. Realpraktisch hat das in unserem Land keine Bedeutung, weil ich mich naturgemäß kapitalismuskonform verhalten muss.

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  16. einer von jenen schreibt:

    Ich würde es begrüßen, wenn der Kapitalismus mehr Geld für mich ausspucken könnte – das würde das konforme Verhalten weniger anstrengend machen ;)

    P.S.: Der Empfehlung kann ich mich natürlich nur anschließen.

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  17. Diese diskussion verstößt nahezu gegen die Genfer Konventionen, welche eine grausame und entwürdigende behandlung verbietet.

    Denn so einen geballten blödsinn zu lesen ist grausam.

    Der marxismus hat also keine (kern)forderungen? Was glaubt Ihr denn, wofür marxisten sind? Vielleicht besser wetter?

    Wenn man willens ist, darüber zu diskutieren, sollte man eines schon wissen: Marxens hauptwerk ist kein philosophisches, sondern ein ökonomisches.

    Er erörtert darin das problem des bis heute bestehenden wirtschaftssystems: den gegensatz aus (lohn)arbeit und reichtum. Für menschen, die sich damit befaßt haben und das plausibel finden, ergibt sich daraus, daß dieser gegensatz abgeschafft gehört. Durch die abschaffung des privateigentums an produktionsmitteln.

    Nieder mit der lohnarbeit!

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  18. Mia San Mia schreibt:

    Der Ribbentrop-Molotow-Pakt hat Millionen Menschen das Leben gerettet. Sonst wäre die faschistische Wehrmacht schon 1939 in die SU eingefallen. Stalin hat sicher 1935-39 manch unschönen Faux pais begangen, die August-Volte ’39 bügelte manches aus.
    Schön war das alles nicht. Aber es war nunmal Krieg.
    An jedem 8. Mai öffne ich bestgelaunt eine Flasche Rotwein. Hoch die Rote Armee.

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  19. genova68 schreibt:

    Diese diskussion verstößt nahezu gegen die Genfer Konventionen, welche eine grausame und entwürdigende behandlung verbietet.

    Warum habe ich nur gerade spontan laut gelacht?

    Mechthild, du weißt doch genau, dass es so viele Lesarten von Marx wie Leser gibt. Das ist so ähnlich wie bei der Bibel. Und da Marx viele tausend Seiten geschrieben hat, ist es kindisch, mit einem Wahrheitsbegriff zu kommen. Auffällig ist aber immer wieder, dass viele Leute aggressiv werden, wenn sie ihren Gott falsch dargestellt sehen.

    Er erörtert darin das problem des bis heute bestehenden wirtschaftssystems: den gegensatz aus (lohn)arbeit und reichtum. Für menschen, die sich damit befaßt haben und das plausibel finden, ergibt sich daraus, daß dieser gegensatz abgeschafft gehört. Durch die abschaffung des privateigentums an produktionsmitteln.

    Dagegegen hatte hier auch niemand Einwände, zumindest nicht im Namen von Marx, oder? Wobei ich hoffe, dass Marx mir wenigstens meine Schreibmaschine lässt.

    Natürlich ist Kapitalismus ein perverses, menschenfeindliches System, das nach und nach die Welt und alles auf ihr zerstört, darüber müssen wir nicht reden, zumindest ich nicht. Es appelliert aber an die schlechten Eigenschaften im Menschen, deshalb existiert es weiter.

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  20. einer von jenen schreibt:

    @ Mechthild: Lohnarbeit abschaffen ist sicher einer guter Plan – aber ist es auch eine Forderung? Und wenn ja, an wen richtet sich diese?

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  21. besucher schreibt:

    @mia san mia

    Der Nick deutet auf einen waschechten Bayer hin, aber warum haben sie dann nur Geschichtsbücher aus der DDR gelesen? *Grübel grübel*

    @mechthild

    Es würde schon reichen wenn große Konzerne und sonstige Trusts zerschlägt damit wieder vernünftige Wettbewerbsfähigkeit einkehrt. Und die Gewerkschaften müssen endlich wieder einen Arsch in die Hose bekommen wie die Lokführer. Und Leiharbeit gehört verboten.

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  22. hANNES wURST schreibt:

    Ja, nieder mit der Lohnarbeit! Für die Mindestlohnarbeit. Was ist eigentlich Lohnarbeit? Vielleicht war Fronarbeit gemeint. Da habe ich, als Büttel, jedoch etwas dagegen.

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  23. Mia San Mia schreibt:

    @ besucher
    Das reaktionäre Westsystem – insbesondere in seiner bayrischen Abart – verursachte bei mir eine Klarheit, dass man nur Kommunist sein kann, wenn man Mensch bleiben will.

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  24. Mia San Mia schreibt:

    Wäre in der Tat fällig – 8. Mai reloaded.
    Mein Freund ist Russe! :-)

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  25. Mia San Mia schreibt:

    Was ist eigentlich so schlimm an der vermeintlichen griechischen Querfront?
    Die neue Athener Regierung macht ordentliche Arbeit: Migrantenkinder werden nun eingebürgert. Unmenschliche Flüchtlingslager werden geschlossen.
    So, what’s wrong?

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  26. besucher schreibt:

    @mia san mia

    Ei ei ei, es ist wie immer: Bei jeder vernünftigen, linken, emanzipatorischen Idee tauchen die Hater, Basher und was weiß ich für Phrasendrescher auf:
    „Reaktionäres Westsystem“ : Bitte mal spezifizieren was sie damit meinen und ein besseres System vorstellen, bitte.

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  27. Garfield schreibt:

    @Mia San Mia

    Der Ribbentrop-Molotow-Pakt hat Millionen Menschen das Leben gerettet. Sonst wäre die faschistische Wehrmacht schon 1939 in die SU eingefallen.

    sorry wenn ich das mal bezweifle…
    schon aus eigener Erfahrung war ein 2-Fronten-Krieg das letzte was Hitler wollte, ohne diesen Pakt wär D – eventuell(!) – gar nicht erst in Polen eingefallen.
    PL selbst war vllt kein angemessener Gegner, die Zurückhaltung seiner Bündnispartner & der anschließende „Blitz-Sieg“ in Frankreich aber alles andere als voraussehbar

    auch wenn die Entente als Vetragspartner für die SU ausgefallen sind – „Mio von Menschenleben“ hätte dieser Vetrag eher retten können, wenn die SU – statt die Rote Armee auf Expandierung & Angriffskrieg auszurichten und bis zur Molotow-Ribbentropp-Grenze vorzustoßen – die Zeit genutzt hätte um seine Verteidigung auszubauen; evtl Polen als „Pufferzone“ zu benutzen und/oder bei der Verteidigung zu unterstützen

    …und „Faux-Pas“ hab ja auch ich mir schon so einige geleistet, keine Frage – „Säuberungen“ & sog. „Großer Terror“ sind MMN dann aber doch ne *etwas* andere Größenordnung

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  28. @ genova,

    man kann auch mal lachen. Beispielsweise über menschen die mit dem rundgelutschten quatsch kommen, diesen herrn gott mit Marx vergleichen zu wollen.

    Zufällig gehört die bibel zu den büchern, in denen ich unfreiwillig viel gelesen habe. Und den schmarrn, der da drinnesteht soll man dann auch noch glauben. Für etwas anderes als es zu glauben taugt das zeug nicht. Da gibt es nichts zu verstehen. Mal nebenher: wer einer religion anhängt, ist eher bereit, das elend in der welt zu ertragen. Was sind denn die paar jahre des irdischen lebens, in denen man sich benehmen soll, wie es von einem verlangt wird, im angesicht der ewigen qualen der hölle, die einem als jenseitige strafe angedroht werden?

    An den Marx zu glauben, wäre ein unfug. Wenn man es einen interessiert, was der alte fusselbart niedergeschrieben hat, kann man ihn lesen und verstehen. Das mit dem angeblichen »wahrheitsbegriff« ist auf Deinem mist gewachsen, nicht auf meinem. Klar, wenn einer z.b. den Satz des Pythagoras nicht begriffen hat und nicht anwenden kann, sollte er auf keinen fall anfangen zu lernen und zu denken, sondern sich der einfachheit halber auf eine »andere lesart« berufen.

    Bei Marx gibt es nicht viel zu interpretieren. Entweder begreift man, welche unerhörten grausamkeiten er im Kapital beschreibt und denkt konsequent weiter und ist gegen kapitalismus. Oder man begreifts halt nicht und glaubt, daß sich auch innerhalb des systems etwas ändern könne.

    Wer für ein »trostpflaster« für die armen steht, widerspricht Marx. Der stand für die auflösung der klassenverhältnisse. Und nicht für besänftigung der arbeiterklasse durch irgendwelche wohltaten. Wenn Du hinweise darauf hast, daß ich mir hier nur etwas ausgedacht hätte, gern.

    Wir kommunisten wollen alles vergesellschaften, natürlich auch Deine schreibmaschine und nicht nur die, sondern auch Dein bett, das mußt Du dann mit sämtlichen kommentatoren aus Deinem blog teilen – und natürlich auch mit dem dicken von nebenan. Und wer es dann immer noch nicht begriffen hat, daß produktionsmittel etwas anderes sind als das gelumpe, das man für den eigenbedarf in seiner wohnung stehen hat, muß auch den espressokocher rausrücken. Und sämtliche bleistifte, die werden nämlich zum verfassen von spitzfindigen streitschriften benötigt.

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  29. @ justus

    Was soll »nieder mit der lohnarbeit« denn sonst sein, wenn keine forderung? Und an wen sollte sich das richten, wenn nicht an die produktionsmittelbesitzer?

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  30. @ besucher,
    mit der forderung nach mehr »vernünftigen« wettbewerb kommst Du bei der AfD (wahlweise FDP oder GRÜNE, ganz nach belieben) auf jede wahlparty, das klingt eher nach von Hayek als nach Marx.

    Was heißt denn das, wenn man starke gewerkschaften braucht? Das heißt, daß man sich um jeden lohnpfennig mit den produktionsmittelbesitzern streiten muß. Natürlich wäre es in diesem system besser, wenn es mehr gewerkschaften wie die GdL gäbe oder wie die FAU. Letzterer wurde es, als sie frech wurde, einfach mal verboten, sich als gewerkschaft zu betätigen.

    Aber selbst wenn gewerkschaften nicht so läppisch wie die IGM sind, die ständig den sogenannten »arbeitgebern« die kohlen aus dem feuer holt und den »sozialpartnerschaftlichen dialog« sucht, ändern sie nichts daran, daß die lohnarbeiter abhängig und erpreßbar sind.

    Gegen diesen zustand, daß die minderheit der produktionsmittelbesitzer die besitzlose mehrheit nach belieben erpressen kann, haben kommunisten was.

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  31. @ Hannes

    Du machst weiter oben in der diskussion die falsche rechnung auf, daß der »wandel der geschichte« den kommunismus unbrauchbar gemacht hätte und man sich lieber auf »sozialismus« beziehen solle.

    Daß sich die machthaber im damaligen ostblock darüber bewußt waren, daß sie keinen kommunismus hatten und sich selbst als realsozialisten bezeichneten, sollte Dir bewußt sein.

    Die haben im widerspruch zum kommunismus gestanden. Und im gegensatz zur mehrheit der doofen wessis haben sie das sogar gewußt.

    Der begriff »kommunismus« wurde und wird zwar für alles möglich benutzt, allerdings ist nicht bekannt, daß es ihn schon mal irgendwo gegeben hätte.

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  32. genova68 schreibt:

    Mechthild,
    wenn meine Schreibmaschine mein Arbeitsgerät ist, stellt sich die Frage nach der Vergesellschaftung. Bei meinem Bett nicht, es sei denn, ich bin Prostituierter.

    „Bei Marx gibt es nicht viel zu interpretieren. Entweder begreift man, welche unerhörten grausamkeiten er im Kapital beschreibt und denkt konsequent weiter und ist gegen kapitalismus. Oder man begreifts halt nicht und glaubt, daß sich auch innerhalb des systems etwas ändern könne.“

    Sowas ist schnell dahingeschrieben, für mich zu schnell. Natürlich hat Marx auch mit Glauben zu tun, so wie jedes Gesellschaftsmodell. Auch schon alleine deshalb, weil es um Zukunft geht. Die kennt niemand so genau. Und wenn du meinst, dass es bei Marx nicht viel zu interpretieren gibt, dann frage ich mich, warum auch innerhalb der Linken seit 150 Jahren über ihn diskutiert wird. Also alles überflüssig. Du hast recht und sonst niemand.

    Konsequentes Weiterdenken klingt auch gut, aber das ist alles viel zu simpel. Und gerade vorm Hintergrund des Stalinismus, der DDR und dem ganzen anderen Scheiß ist diese Haltung absurd, sorry. Als ginge es nur ums Begreifen. Gesellschaft ist viel zu komplex für solche Sprüche.

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  33. einer von jenen schreibt:

    @ Mechthild: Kennen wir uns? Wundere mich nur, dass du mein altes Pseudonym benutzt…

    Und an wen sollte sich das richten, wenn nicht an die produktionsmittelbesitzer?

    Stimmt soweit – an jemand anderes als die herrschende Klasse könnte man so eine Forderung nicht richten. Gerade deswegen scheint es mir paradox. Der erste Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft/zur Abschaffung der Lohnarbeit müsste es ja sein, die herrschende Klasse zu entmachten – und wenn diese entmachtet ist, kann sie die Forderung nicht mehr erfüllen.

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  34. besucher schreibt:

    @Mechthild

    Wie stellst Du Dir das vor? Vergesellschaftung der Produktionsmittel.
    Wer kontrolliert diejenigen die da vergesellschaften? Eine Rätedemokratie die machen kann was sie will und die keiner Gerichtsbarkeit untersteht?

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  35. genova68 schreibt:

    besucher, 18.22 Uhr,
    das sind eben alles Fragen, die man diskutieren müsste. Die Frage, die sich mir generell stellt: Der Kapitalismus funktioniert offenbar so, dass es zwangsläufig zu immer größerer Konzentration von Kapital und Macht kommt und immer mehr Lebensbereiche ihm unterworfen werden. Ob das Privatrente ist oder das privatisierte Wasserwerk: Die Suche nach der Rendite ist der einzige Zweck dessen, das ganze Geplapper außenrum ist Fassade.

    Es lässt sich also offenbar kein Kapitalismus realisieren, der anderes im Sinn hätte als blinde Renditeanhäufung bis zum Untergang (Umweltzerstörung, Menschenzerstörung, Krieg). Ich finde es auch schade, bin ja ein Kind des Systems. Aber es ist wohl so.

    Kontrolle der Vergesellschaftung wäre eine der Gesellschaft, es ginge ums Diskutieren, ums reden, um den Austausch. Es ginge darum, das zu formulieren, was Menschen wollen, keine Sachzwänge zu postulieren, die es nur gibt, weil es den Renditezwang gibt.

    Die Wohnungsmieten in den Metropolen sind da aktuell ein gutes Beispiel.

    Und: Unser aller Denken ist vom Kapitalismus komplett versaut, eine riesengroße Gehirnwäsche.

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  36. hANNES wURST schreibt:

    Ich finde Mechthild hat völlig Recht und die Gegenargumente behaupten nur, dass der Marxismus sich in der Praxis nicht bewährt hat und sich deswegen in der Zukunft nicht bewähren kann. Das stimmt so aber nicht, genauso gut kann es sein, dass der Marxismus bisher schlampert umgesetzt und auch von vielen Seiten sabotiert wurde. Dass der Marxismus „der Natur des Menschen widerspricht“, ein besonders im kalten Krieg gerne verwendetes Argument, ist Blödsinn – erstens ist die Natürlichkeit ethisch nicht nutzbar und zweites formt der Mensch sich längst selber. Und keiner kann ernsthaft behaupten, die real existierenden ökonomischen Systeme sind auch nur in der Nähe eines anzustrebenden Zustands.

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  37. genova68 schreibt:

    Wow, Hannes, unser neuester Marxist.

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  38. hANNES wURST schreibt:

    Demzufolge bin ich auch Veganer, weil ich eine vegane Ernährungsweise für fortschrittlich und moralisch alternativlos halte. Es widerspricht jedoch meiner Natur, auf den Verzehr großer, billiger Wiesenhof-Fleischberge zu verzichten und keine saudämlichen Sprüche über Veganer („Darf ein Veganer fleischfressende Pflanzen essen? Fleischtomaten?“) mehr abzusondern.

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  39. genova68 schreibt:

    Die Veganer kannst du links liegen lassen, solange sie sich nicht auf politischer Ebene durchsetzen und Wiesenhof stilllegen. Den Marxismus kannst du nur dann links liegen lassen, wenn er, wie an amerikanischen Unis üblich, in die Literaturwissenschaften abgeschoben wird. Deren Erkenntnisse kannst du dir in deiner Freizeit durchlesen oder auch nicht. Nimmst du Marx als Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker ernst, bist du natürlich davon betroffen.

    Ganz so extrem entspannt würde ich das also nicht sehen. Marx sollte nicht nur zur Entlastung des eigenen Gewissens dienen. Man ist ja liberal, also findet man Marxisten sympathisch. Nö.

    Und das mit der Natur ist nochmal einen extra Kommentar wert. Aber das weißt du ja auch. Ich sehe schon, wir werden das alles demnächst in Domburg unter Zuhilfenahme diskussionsfördernder Substanzen ausdiskutieren.

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  40. Irrelevant schreibt:

    „Waren Stalin und Pol Pot Kommunisten?“
    ———
    Du hast Mao vergessen – er hat zig Millionen Tote beim „großen Sprung nach vorn“ zu verantworten. Vergleichbar mit dem Holodomor, nur schlimmer, weil mehr davon betroffen waren. Alle 3 waren totalitäre Diktatoren die Millionen auf dem Gewissen haben sollten – aber gewiss nicht hatten.

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  41. einer von jenen schreibt:

    @ Irrelevant: Interessant, dass du den „großen Sprung“ bzw. den Holodomor erwähnst, weil diese Ereignisse wirklich symptomatisch sind für diese Version von „Sozialismus“.
    Dass Paradoxe bei Mao, Stalin und Lenin war ja, dass diese durchaus „Kommunisten“ in dem Sinne waren, dass sie wirklich eine klassenlose Gesellschaft als letztes Ziel anpeilten – aber um dieses Ziel zu erreichen, meinten sie, sie müssten erstmal eine ordentliche kapitalistische Industrie hinklotzen, die mit den westlichen Industrienationen mithalten könnte. Aufschlussreich dazu ist u.a. dieser Text hier: http://www.grundrisse.net/grundrisse26/TaylorinRussland.htm
    Und in diesem Kontext sind auch die Hungersnöte in Russland und China zu verstehen. Um eine Industriearbeiterschaft ernähren zu können, müssen in der Landwirtschaft entsprechende Überschüsse produziert werden, Und um dieses Ziel zu erreichen, wurden den Bauern dann so viele Überschüsse abverlangt, dass sie sich selbst nicht mehr ernähren konnten: http://jungle-world.com/artikel/2008/49/31727.html

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  42. besucher schreibt:

    Man hätte die klassenlose Gesellschaft auch mit ner Bauern- und Handwerkerschaft hinbekommen. Dieser Industriefetischismus war der völlige Blödsinn, soziologisch gesehen. Man hat immer über den westlichen Kapitalismus geschimpft und letztendlich hat man seine ganzen Stadien einfach nur kopiert. (Natürlich mit Gewaltexzessen, man wollte ja wofür es in England 100 Jahre gebraucht hat in der SU alles in 20 Jahren hinbekommen) Wenn das mal nicht schizophren ist.

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  43. @ genova
    Marxisten haben eine rationale sicht auf die soziale wirklichkeit, dabei nehmen sie die analyse von Karl Marx zur hilfe. Im grunde bräuchte man den Marx nicht lesen. Im Kapital steht keine offenbarung, sondern eine wissenschaftliche abhandlung über die politische ökonomie.

    Den gegensatz aus lohnarbeit und kapital könnte im grunde jeder erklären, der schon einmal eine bilanz gelesen hat. Da tauchen löhne als gewinnschmälernd auf, daraus kann jeder, der denken kann und nicht schwer vor den schrank gelaufen ist, selbst folgern, daß die arbeitslöhne eine negative größe unseres tollen wirtschaftssystems sind, die dem prinzip der gewinnmaximierung entgegensteht.

    Die allerseits bekannten sozialen probleme sind ein ergebnis dieser tatsache, die man durchaus auch als »gemeinheit« bezeichnen darf. Da gibt es nichts zu glauben. Marxisten hoffen nicht drauf, daß die menschheit gerettet wird, sie denken, daß die leute sich nur selbst retten könnten, wenn sie die bestehenden verhältnisse, die für die meisten zwangsläufig unbekömmlich sind, aufkündigen würden.

    Religiöse menschen glauben, daß es neben der realität noch etwas anderes gäbe, nämlich den meister im himmel da droben, der die gesamte welt nicht nur gemacht hat, sondern sie auch beherrscht. Man soll also die irdische herrschaft akzeptieren, die der ja so gemacht hat und natürlich die höhere, die göttlich ist. Die christen knien dann in ihren glaubensspelunken und freuen sich, daß sie an den einzigen gott glauben, den man auch essen kann und dann wird aus pennerglück und ungenießbaren, trockenen, runden brotstücken göttliches menschenfleisch und -blut. Und das alles, damit der »herr« sich, wenn schon nicht jetzt gleich, dann doch wenigstens nach dem tode erbarmt, also wenn es definitiv zu spät ist.

    Ganz klar zwei möglichkeiten, die welt zu betrachten, die sich zum verwechseln ähnlich sind.

    Daß Du bei der floskel »bett teilen« nur auf schweinskram kommst, wundert micht nicht. In tausenden hotels schlafen jede nacht gäste. Ohne, daß es da je zu unsittlichen berührungen käme. Im kapitalismus eine methode, wie man eine schlafstätte zu geld machen kann. Ich hatte proletarische schlafburschen im hinterkopf, die feinsäuberlich nacheinander ein bett teilen, was aber wenig zur sacht tut.

    Wie ich bereits erwähnt hatte: Du mußt Deinen espressokocher und Deine bleistifte hergeben.

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  44. genova68 schreibt:

    Mechthild,

    Bilanzen: Natürlich sind aus BWL-Sicht Löhne gewinnschmälernd, was denn sonst? Je weniger ich einem Arbeiter zahlen muss, desto besser, betriebswirtschaftlich. Volkswirtschaftlich nicht. Ist doch nachvollziehbar, da finde ich die Empörung sinnlos. Es ist doch eher die Frage, wer sich warum im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis durchsetzt. Das sind seit zig Jahren die Kapitalisten, also die Betriebswirte, das ist das Problem. Den Kapitalismus müsste man dann abschaffen, wenn bewiesen ist, dass er sich nicht selbst regulieren kann. Dafür spricht derzeit einiges. Mich überzeugen dennoch viele der Hardcoremarxisten nicht, weil die immer wieder im Marxschen Duktus irgendwas belegen wollen, was so eindeutig nicht ist. Der kurz bevorstehende Zusammenbruch des Kapitalismus wurde jedenfalls schon x-fach ausgerufen und ist nicht eingetreten. Wenn Luxemburg sagt, dass der Kapitalismus spätestens dann zusammenbreche, wenn die ganze Welt kapitalistisch sei, dann ist das eine Binse, denn dazu braucht es noch ein paar hundert oder tausend Jahre oder noch mehr, je nach Intensivierung. Es ist eher eine Frage der ökologischen Schranke, aber auch da ist der kapitalistische Mensch erfinderisch.

    Diese Zusammenbruchstheorie hat meines Erachtens oft dazu geführt, dass man sich niht ehrlich mit dem Kapitalismus auseinandersetzte, weil man davon ausging, dass er eh verliert, alles eine Frage der Zeit.

    Die sozialen Probleme derzeit: Die waren unter Marx viel schlimmer, seitdem hat sich für die Massen viel gebessert. Marx selbst feierte doch den Kapitalismus als eine Wohltat, gerade im Komm. Manifest, auch eine, die den Massen das dumpfe Landleben erspart.

    Schweinkram ist ja lustig für eine Marxistin. Fand Marx auch, dass Prostitution Schweinkram ist? Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein Bett auch eine Arbeitsstätte sein kann.

    Mich würde mal interessieren, ob und wo du Kritik an Marx übst. Da es kein Gott ist, sollte das drin sein. Liegt, um dir vorwegzugreifen, nicht ein Problem bei Marx darin, dass er fast keine Proletarier kann und die damals auch wenig mit den Massen zu tun hatten, die wir aus der Jahrhundertwende, den 20ern oder auch den 1950er Jahren kennen? Und ist Marx nicht zumindest in seiner Geschichtsphilosophie grandios gescheitert? Gerade die Proletarier, die nichts zu verlieren haben außer ihre Ketten, mucken nicht auf. Eher schon die, die einiges zu verlieren haben, aber mehr wollen. Seine Haltung, wonach ein Aufstand unweigerlich kommen werde, wenn die Produktionsbedingungen die bürgerliche Herrschaft obsolet gemacht haben werden und die Proletarier die Schnauze voll haben, ist doch gründlich daneben gegangen, oder nicht?

    Marx kannte keine Proletarier, war keiner, ging niemals einem geregelten Broterwerb nach und saß die meiste Zeit in Bibliotheken. Das ist kein Vorwurf, aber viele Marxisten machen Marx zu einem Gott, der er nie sein wollte.

    Marx hat sich ja in seinen reiferen Jahren mit Geschichtsphilosophie nicht mehr sonderlich beschäftigt, sondern dann mit Ökonomie, das halte ich auch für wesentlich fruchtbarer.

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  45. @ genova,

    Jaja, keine theorie ohne gegentheorie. Im 18. jahrhundert hatte der Adam Smith rausgefunden, daß der lohn für den arbeiter sein maß darin findet, daß der arbeiter davon leben muß.

    »Stimmt ja gar nicht«, sagt im 21. jahrhundert der professor Sinn. Die löhne müssen möglichst niedrig sein, weil sonst die arbeit für die kapitalisten nicht lohnt und dann gibt es überhaupt keine arbeitsplätze. Und ohnehin sei gar nicht erwiesen, daß arbeiter auch leben müssen. Darüber wird sich gern empört, doch der herr professor hat recht. So bitter sind die verhältnisse.

    Wo wird durch die tatsache, daß volkswirtschaftlich höhere löhne besser wären, der gegensatz zwischen loharbeit und kapital aufgehoben? Wenn Du diese frage vernünftig beantworten kannst, sollte Dir der Nobelpreis für wirtschaft gewiß sein. Kein witz.

    Bei Deiner bemerkung zum Kommunistischen Manifest mußte ich daran denken, wie ich im letzten jahrtausend auf der gesamtschule einmal einem lehrer half, physikarbeiten von hauptschülern zu korrigieren. Es war haarsträubend. Die hatten offensichtlich alles brav gelesen und nichts verstanden. Die kleinen hauptschüler schrieben damals über die »anomalie des wassers« u. a., daß es sich nur auf 4°C abkühlen könne, dabei ist es doch offensichtlich, daß es bei 0°C gefriert.

    Du behauptest glatt, Marx habe den kapitalismus in den höchsten tönen gelobt. Tatsächlich steht im Manifest, daß der kapitalismus bisher unbekannte produktivität hervorgebracht hat, diese jedoch den produzenten nichts nützt, weil sie vom wohlstand, den sie selbst hervorbringen, zwangsläufig kaum etwas haben. Das soll ein lob »in höchsten tönen« sein?

    Du bejubelst recht gern Keynsianische menschenbeglückungsprogramme, die in den 70ern den leuten fast so etwas wie wohlstand gebracht hätten. Keynes’ kritiker behaupten, daß der staat dann die leute morgens löcher schippen lasse, die sie abends wieder zu schippen müßten. Das ist allerdings eine verharmlosung, weil ein staat solche programme nur auflegt, wenn er damit bestimmte zwecke verfolgt: verbesserung der kriegswichtigen infrastruktur oder aufrüstung beispielsweise. Der bekanntermaßen große »menschenfreund« A.H. hatte das auch drauf: reichsarbeitsdienst, autobahnbau und aufrüstung waren im grunde Keynsianische umverteilungsprogramme zur vorbereitung eines krieges. Die dicke Birne, deren persönliches anliegen die vermeidung eines heißen krieges war, hat so eine wirtschaftspolitik nicht betrieben. Vermutlich aus gutem grund. Womöglich hatte die Birne tatsächlich weit mehr sachverstand, als man damals dachte.

    Marx war ein privatgelehrter, wie es zu seiner zeit nicht unüblich war. Dafür, daß »er nie einer geregelten arbeit nachging«, hat er ein ziemlich umfangreiches werk hinterlassen. Das läßt darauf schließen, daß er womöglich unregelmäßig aber dafür in massen gearbeitet hat. »Hat in bibliotheken rumgehangen«, wie bescheuert ist das denn? Der hatte damals halt kein internet im büro, mußte er sich seine informationen aus der bibliothek holen.

    Es kann keine ernsthafte kritik an ihm sein, er sei kein proletarier gewesen. Klar, Du würdest so eine arbeit nach einer 12stundenschicht in der fabrik locker erledigen, Marx jedoch, ich kann es nur noch mal betonen, war bloß ein mensch und mußte zwischendurch auch essen und schlafen. Ohne seinen freund, Friedrich Engels, hätte er diese arbeit nicht machen können. Mit der industriegeschichte scheinst Du es nicht so zu haben.

    Wo steht bei Marx, daß der kapitalismus unterginge? Marx war davon überzeugt, daß, wenn das proletariat seine lage begriffe, es sich das nicht mehr gefallen ließe. Ich kritisiere ihn aufs schärfste für sein vertrauen in den menschlichen verstand und für seine maßlose unterschätzung der unendlichen menschlichen duldsamkeit. Zwar hätte der kapitalismus schon prima chancen gehabt unterzugehen, allerdings wird er immer zum schaden der mehrheit gerettet.

    Hat Marx irgendwo was zur prostitution geschrieben? Ich habe generell etwas gegen lohnarbeit und halte aus dieser sicht nichts davon. Von linksliberaler seite wird es gern bejubelt, daß frauen sich durch prostitution ein studium finanzieren könnten. Nichts ist in ordnung, wenn man seine arbeitskraft verkaufen muß. Ebensowenig, wenn man seinen leib verkauft. Ich bin schwer dafür, daß frauen (und männer) ihren spaß haben sollen. Dann würden allerdings die partner nicht nach zahlungsfähigkeit ausgesucht werden.

    Wo hast Du eigentlich gelesen, daß ich mich mit philosophie befassen würde? Für mich ist wirtschaft von interesse. Scheiß auf die moral.

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  46. genova68 schreibt:

    In höchsten Tönen von mir aus nicht, aber Marx schreibt im Komm. Man. im ersten Kapitel bewundernd von den Kapitalisten, die die Barbaren in die Zivilisation befördern, schreibt von Welt- statt von Lokalliteratur, schreibt von den geistigen Erzeugnissen einzelner Nationen, die nun Allgemeingut werden, schreibt von einer unendlich erleichterten Kommunikation, äußert sich an anderer Stelle (ich weiß nicht mehr wo) begeistert darüber, dass man demnächst per Zug in sieben Tagen von London nach Kalkutta reisen kann.

    Marx war fortschrittsgläubig, das macht ihn mir sympathisch. Marx würde sich heute begeistert darüber äußern, dass Euro 6 bei LKW dazu führt, dass kaum noch Schadstoffe produziert werden. Das kapieren viele seiner Apologeten nicht.

    Oder das hier (Komm. Manif., 1. Kap.):

    Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt.

    Marx sagt das alles, um eine Entwicklung zu beschreiben, und es finden sich im KM haufenweise Stellen, die zeigen, dass er natürlich kein Freund des Kapitals ist, sondern nur einigermaßen nüchtern aufzählt, was die geschichtliche Entwicklung bringt. Aber er zählt eben auch Vorteile der kapitalisitischen Logik auf, die seiner Meinung nach sich selbst zerstören, aber das ist erst der nächste Schritt.

    Und damit haben wir auch die Verbindung zu Keynes. Der Massenwohlstand nach 45 für weite Teile der westlichen Welt ist nicht wegzudiskutieren. Wer das nicht sieht, interessiert sich keinen Deut für den Arbeiter, der ist dann nur noch Instrument für die eigene Frustration.

    Dieser Wohlstand ist eben nicht „fast so etwas wie Wohlstand“ (außer in der DDR, das stimmt). Es war Keynes via Roosevelt und es waren ähnliche Programme anderswo. Das steht nicht in Gegensatz zu Marx, denn offenbar ist ja, dass Keynes später von Chicago abgelöst wurde. Interessant wäre nun zu fragen, ob diese Ablösung notwendig im kapitalistischen System integriert ist, dass also der Kapitalismus selbstzerstörerisch ist. Das wird von den üblichen Linken ständig behauptet, aber überzeugend ist das nicht.

    Keynes hat übrigens wenig mit deiner Löcherschippen-Theorie zu tun, sondern damit, dass die Massen erst die Nachfrage erzeugen und dass diese notwendige Nachfrage bei Bedarf auch staatlich erzeugt werden muss. Aber das weißt du sicher selbst.

    Marx war kein Proletarier und kannte kaum einen, schrieb aber ständig über sie. Das halte ich für problematisch, in der Tat. Das gibst du, Mechthild, ja auch zu, indem du behauptest, als Arbeiter hätte er nicht mehr die Zeit gehabt, zu schreiben. Das bedeutet im Umkehrschluss vermutlich, dass er nur als Nichtarbeiter seine Bücher schreiben konnte. Mag sein, löst das Dilemma aber nicht auf. Dieses Problem setzte sich ja auch 68 fort, als die Agitation in den Betrieben weitestgehend in die Hose ging. Und das Proletariat nichts gegen einen Kapitalismus hatte, der ihnen Massenwohlstand bescherte und einen VW Golf. Wieso auch nicht? Es gibt schlechtere Alternativen.

    Das müsst ihr Dogmatiker zur Kenntnis nehmen, sonst kommen die nächsten Fehlinterpretationen, so wie 68 vom „Spätkapitalismus“ gesprochen wurde, wo er doch in der Folge erst richtig loslegte.

    Solche wahnsinnigen Fehleinschätzungen kommen davon, wenn man Marx einseitig liest und sich mit dem Gegenstand seiner Begierde, dem Arbeiter, so wenig beschäftigt wie Marx selbst.

    Es war eine grandiose Fehleinschätzung von Marx, dass der Proletarier sich wehre, wenn er nichts mehr zu verlieren habe außer seine Ketten. Das Gegenteil ist offenbar näher an der Wahrheit dran: Der 5-Euro-Jobber hält die Klappe, Leute mit Erwartungen machen viel eher mobil.

    Das kommt davon, wenn man zuviel in Bibliotheken sitzt und sich das Bild eines Menschen zusammenschreibt.

    Fazit: Ich halte Leute und Positionen wie dich und von dir, Mechthild, für wichtig, auch zum Verständnis. Leider kommt bei dir eine Feindschaft rüber, ein völliges Abkoppeln von der faktischen Realtität, und damit wird Marx schnell zu einem Gott. Das kann nur schiefgehen.

    Auf die anderen Punkte gehe ich jetzt nicht ein, sonst wird der Wulst hier zu lang.

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  47. An den massenwohlstand in den 1970er jahren der BRD kann ich mich lebhaft erinnern. Die schönsten facetten davon werde ich ganz bestimmt niemals vergessen.

    Unvergessen werden mir die behausungen »unserer« gastarbeiter bleiben, die standen denen, die der Friedrich Engels in den 1840er jahren in Manchester gesehen hatte, an widerwärtigkeit nichts nach. Doch von Engels wußte ich damals nichts. Dort lebten die »aussortierten« dieser tollen wohlstandsgesellschaft, Deutsche wie ausländer, nur die ausländer noch etwas elender. Unvergessen bleibt, wie die kinder dieser leute an haustüren klingelten, nicht um geld, sondern aus hunger um eßbares baten und froh waren, wenn irgendwer sich erbarmte und ihnen einen gefetteten brotkanten gab. Etliche ausländerkinder gingen nicht besonders regelmäßig zur schule. Ich habe gesehen, daß die in unterschiedlichen betrieben »geholfen« haben, gelegenheitsarbeiten nachgingen anstatt zu lernen. Kinder im grundschulalter.

    Den wohlstand einer gesellschaft erkennt man nicht nur daran, daß es billige autos gibt, die für die ärmsten dann doch unerschwinglich bleiben – ich glaube nicht, daß diese elendsfiguren sich in nur 18 jahren einen Golf zusammensparen konnten und wenn sie nicht gestorben sind sparen sie noch heute – sondern, wie sie mit ihren schwächeren mitgliedern umgeht, wie beispielsweise die bildungsmöglichkeiten aussehen oder ob man angst um existenziell notwendiges wie wohnung oder essen haben muß.

    Feindschaft? Blödsinn. Allerdings könntest Du es halt einfach mal begreifen, daß Keynes ein programm zur krisenbewältigung im kapitalismus geschaffen hat, um ihn zu retten, während kommunisten ihn abschaffen wollen. Zwei dinge, die miteinander unvereinbar sind.

    Die einen möchten, daß durch staatlichen zwang alles so bleibt wie es ist, nur die sozialen härten gemildert werden. Die anderen wollen, daß der staat aufgelöst wird und die menschen ihr leben selbst in die hand nehmen.

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  48. Garfield schreibt:

    Es war eine grandiose Fehleinschätzung von Marx, dass der Proletarier sich wehre, wenn er nichts mehr zu verlieren habe außer seine Ketten. Das Gegenteil ist offenbar näher an der Wahrheit dran: Der 5-Euro-Jobber hält die Klappe, Leute mit Erwartungen machen viel eher mobil.

    seh ich auch so. Leute mit Selbstbewußstsein kämpfen. Gebrochene M/ Menschen an der Kette gehen höchstens Kamikaze, aber für einen Kampf fehlt ihnen die Kraft. (bei dem Thema könnte man auch mal anscheiden, warum sich die Massen nicht gegen Stalins erhoben haben, ist doch i-wo artverwandt…)
    Bleibt die Alternative noch ein paar Sachbearbeiter mit auf die Reise zu nehmen. Nur der Staat ist halt schlau genug den Leuten zuwenig zum Leben, aber doch zuviel zum Sterben zu lassen.

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  49. genova68 schreibt:

    An den massenwohlstand in den 1970er jahren der BRD kann ich mich lebhaft erinnern. Die schönsten facetten davon werde ich ganz bestimmt niemals vergessen.

    Mechthild,
    der Wohlstandszuwachs in den vier Jahrzehnten nach dem Krieg war im Westen beispiellos, der vermutlich größte Wohlstandszuwachs der Geschichte. Du guckst nur auf Randgruppen, um das nicht sehen zu müssen, was der Klassenfeind erreicht hat. Wenn du das nicht sehen willst, bist du ideologisch dermaßen verblendet, dass du von Marx besser die Finger lassen solltest.

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  50. Garfield schreibt:

    der Wohlstandszuwachs in den vier Jahrzehnten nach dem Krieg war im Westen beispiellos

    naja dabei muß man aber auch berücksichtigen daß West-D den Großteil der Kriegschulden (2. WK) erlassen bekam & der Osten sie dafür praktisch mitübernehmen durfte; während der Westen den Marshall-Plan bekam, durfte die SBZ abgeben – ganze Industrie-Betriebe inkl. Mann & Maus.

    Wären die Startbedingungen gleich gewesen, wär das ein interessanter Vergleich gewesen. Aber so läßt sich daraus MMN wenig sagen.

    (ich hatte mal nen link dazu, bin jetzt aber zu faul zu suchen – deshalb wikipedia:
    „Als die Reparationen 1953 für beendet erklärt wurden, hatte die SBZ/DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekanntgewordenen Reparationsleistungen erbracht.[6] Die Reparationen der DDR betrugen insgesamt 99,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953) – die der Bundesrepublik Deutschland demgegenüber 2,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953). Die DDR/SBZ trug damit 97 bis 98 % der Reparationslast Gesamtdeutschlands – pro Person also das 130-fache.[7]“)

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  51. @ genova,

    ich glaube nicht an wunder. Und schon gar nicht an wirtschaftswunder.

    Was war denn nach dem krieg? Ein hoher bedarf an allem möglichen, weil viele städte zerstört waren, es viele obdachlose gab, die außer ihren spargroschen alles verloren hatten. Und dann kam die schöne währungsreform und die spargroschen, die zurückgelegt worden waren, damit es nach dem krieg irgendwie weitergehen kann, weg.

    Zumindest so gut wie – die spareinlagen wurden von 73,7 milliarden RM auf 3,7 milliarden DM eingedampft. Damit waren die »kleinen leute«, die nur ihr sparbüchlein besaßen, quasi enteignet. Sie verloren rund 94 % ihres besitzes. Kapitalvermögen wie aktien verloren nur 18 % an wert. Betriebskapital lief 1:1 weiter.

    Auf so einer basis kann man in einem zerstörten, aber hochentwickelteln land selbstverständlich einen prima aufschwung hinlegen. Habe ich das irgendwo abgestritten?

    Jedoch ist die frage wichtig, wer den ganzen spaß bezahlt hat. Und warum. Wer kapitalvermögen hatte, wurde weitgehend verschont. Wer bloß etwas geld für den späteren konsum zurückgelegt hatte, mußte seine wünsche noch mal zurückstecken und alles ein zweites mal erarbeiten. Und oft unter erschwerten bedingungen, weil das zeug, das er vor dem krieg gehabt hatte, kaputt war.

    Als ab 1950 der Koreakrieg war, begann der laden richtig zu brummen. Die arbeiter waren billig und die Deutsche industrie durfte wieder das, wofür sie gemacht ist. Waffen produzieren. Und die wurden benötigt, weil sie zum morden gut geeignet sind und Westdeutschland zu der zeit das einzige entwickelte westliche land war, das diesbezüglich noch kapazitäten frei hatte.

    Selbstverständlich rede ich über das elend von randgruppen. Denn es war kein »betriebsunfall«, daß es den ausländern beschissen ging (und zum teil auch heute noch geht), sondern ein teil des plans. Laß’ Dir folgendes mal ganz in ruhe auf der zunge zergehen:

    Zitat: »Ohne die 1,2 Millionen Ausländer würden etwa 2 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die daraus erwachsenden Spannungen auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere auf dem Lohnsektor wären kaum tragbar und Gefahren von Auswüchsen so groß, daß man den Dämpungseffekt, den die Beschäftigung von Ausländern hat, nicht zu klein in Rechnung stellen sollte.«

    Das kam ca. mitte der 60er aus der damaligen »Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung«. Und das bedeutet nichts anderes, als daß die ausländischen arbeiter hauptsächlich als konkurrenz ins land geholt wurden, um den einheimischen mal ordentlich beine zu machen, ihnen zu zeigen, daß sie ersetzbar sind und nicht übermütig werden dürfen, weil es ihnen kann nämlich an den kragen geht. Historisch betrachtet war das proletariat in der Hohenzollernmonarchie eine rechtlose randgruppe auf die das bürgertum herab schaute.

    Die leistung des bürgerlichen staates ist es, daß diese leute mit rechten ausgestattet wurden, von denen sie allerdings oft wenig haben, weil sie immer in der blöden lage sind, ihre arbeitskraft verkaufen zu müssen, weil sie sonst nichts anderes haben und die besitzende klasse immer am längeren hebel sitzt. Und selten begreifen die »bessergestellten« unter den lohnmalochern, denen es oft alles andere als »gut« geht, in welch prekärer lage sie sich befinden, so lange es noch jemanden gibt, auf den sie herunterschauen können.

    Aha, ideologisch verblendet bin ich also. Und wie nennt man das, wenn man von der westlichen welt nur die guten, vom realsozialismus allein die schlechten seiten betrachtet? Und ich soll besser die finger von Marx lassen? Für wen hältst Du Dich, daß Du meinst anderen die lektüre verbieten zu dürfen? Stalin?

    Im übrigen finde ich das, was Garfield in puncto startbedingugen gesagt hat, völlig richtig. Darüber könnte ich auch noch einiges schreiben, allerdings lasse ich dieses faß an dieser stelle besser zu.

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  52. genova68 schreibt:

    Mechthild,

    Ich schrieb:

    „Wenn du das nicht sehen willst, bist du ideologisch dermaßen verblendet, dass du von Marx besser die Finger lassen solltest.“

    Das siehst du als Hinweis darauf, dass ich mich wie Stalin verhalte. Und das ist eben das Problem. Ich traue dir eine Menge differenziertes Urteilsvermögen zu, Wissen hast du wohl auch. Aber du verrennst dich bei der erstbesten Gelegenheit in solch absurde Behauptungen, dass ich sie nicht Ernst nehmen kann. Ich habe keine Macht und schreibe von „sollen“, du machst aus mir einen Diktator. Dieser Diktator bestimmte wesentlich deine geliebte DDR. Psychologisch interessant, was bei dir abläuft.

    Dir fehlt in einigen Bereichen völlig das, was man Selbstkritik nennt. Das war ja schon immer das Problem von Ideologen.

    Aus dieser Verbohrtheit resultiert auch, dass du das Wirtschaftswunder nicht kapierst. Du brauchst jetzt irgendwelche Randgruppen, um das Phänomen insgesamt zu diskreditieren. Es war der größte Massenwohlstand, den es in deutschen Landen je gab, der größte Zuwachs etc. Da kannst du deine ganzen Verrenkungen vergessen, von wegen Gastarbeiter und Waffen und was dir sonst noch an Ablenkung einfällt.

    Sie einfach ein, dass in der BRD es dem Arbeiter wesentlich besser ging, als in der kleinbürgerlichen Stalin-DDR. Das war ja spätestens 1953 klar.

    Und diese Rechte, die angeblich nichts taugen, weil der Arbeiter lohnabhängig ist: Klar, was braucht man Meinungsfreiheit, wenn man Lohn kriegt. Dann doch lieber eine Diktatur wie in der DDR, wo der Arbeiter der König ist, gell?

    Wie kann man seine geistigen Fähigkeiten mutwillig so zerstören? Wie wird man so hasserfüllt, um all das nicht zu sehen?

    Es geht doch an dieser Stelle gar nicht um die Bewertung dessen, es geht nur einmal darum, dass man die Realitäten anerkennt. Dein toller Arbeiter findet es nun mal ganz praktisch, wenn er sich einen Golf bestellt und ihn drei Wochen später abholt statt zehn Jahre auf ein Schrottauto namens Trabant zu warten. Kann ich nachvollziehen. Aber dieser Arbeiter ist in deinen Augen vermutlich nur irgendwie korrumpiert.

    Ich habe kürzlich die „Architekten“ von Heym gelesen. Interessant alleine schon, dass dieses Buch in der DDR nicht erscheinen durfte. Selbst ein harmloser Roman war diesen Kameraden zu heftig. Ich kann solch einen Scheißstaat nur ablehnen. Wer das nicht tut, sollte sich klar zur Diktatur bekennen. Damit man weiß, woran man ist.

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  53. Ich hätte nicht gedacht, daß Du so ein sensibelchen bist und Dich an einer winzigen polemischen bemerkung dermaßen aufhängst. Nein, ich halte Dich selbstverständlich nicht für Stalin. Ich wollte Dich bloß ein bißchen ärgern.

    Und daraus strickst Du dann gleich ein ganzes bild über meinen (mutmaßlichen) geisteszustand. Schön.

    Natürlich kapiere ich das wirtschaftswunder nicht, da gibt es schließlich nichts zu verstehen, weil das tolle »wunder« nicht stattgefunden hat. Wer seinen arsch im warmen hatte, hat gut glauben. Wer mit dem arsch auf grundeis ging, eher nicht.

    So sehr liebe ich die DDR gar nicht, wie sollte ich auch, sie gibts ja nicht mehr, das ist eine unterstellung Deinerseits. Könnte es verbortheit sein?

    Ich bin lediglich der auffassung, daß es ratsam ist, den westlich-arroganten standpunkt aufzugeben, wenn man die DDR betrachtet.

    Heute gibt es keinen grund mehr die DDR zu hassen, weil es sie nicht mehr gibt. Den gesamten brast auf den staat soll man immer schön auf die DDR projezieren und bloß nicht daran denken, was jetzt ist.

    Und an der vorratsdatenspeicherung ist auch wieder bloß die STASI schuld.

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  54. genova68 schreibt:

    Ich rede die aktuellen Zustände hierzulande sicher nicht schön, das ergibt schon ein flotter Blick in diesen Blog.

    Heute gibt es keinen grund mehr die DDR zu hassen, weil es sie nicht mehr gibt.

    Hassen sicher nicht, aber die Frage, warum das Arbeiterparadies so grandios scheiterte, sollte weiterhin gestellt werden. Man könnte daraus lernen.

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  55. einer von jenen schreibt:

    Sie einfach ein, dass in der BRD es dem Arbeiter wesentlich besser ging, als in der kleinbürgerlichen Stalin-DDR. Das war ja spätestens 1953 klar.

    Dass es den Leuten in der BRD vergleichsweise besser ging, wird wohl so stimmen (jetzt rein ökonomisch betrachtet – was die Meinungsfreiheit angeht, müssen wir gar nicht drüber streiten). Wobei so ein Vergleich immer nur vergleichsweise gilt. In anderen kapitalistischen Staaten – sagen wir mal: Mexiko, in der Türkei oder in Griechenland während der Militärdiktatur – ging es den Leuten wiederum vergleichsweise deutlich schlechter als in der DDR. Das ergibt am Ende kein Argument dafür, dass die DDR total super war. Analog dazu ergibt deine obige Äußerung auch kein Argument für die BRD – jedenfalls kein Argument, das besonders zwingend wäre.

    Im übrigen war das „Wirtschaftswunder“ 1973 auch schon wieder vorbei, dauerte also auch nur rund zwei Jahrzehnte. So eine Boomphase lässt sich einfach nicht ewig durchhalten, und die wirtschaftliche Entwicklung seit den 70er Jahren müsste man sich nochmal gesondert anschauen (dass die deutschen Proletarier damals keine Revolution gemacht haben – weil´s ihnen insgesamt sehr gut ging oder aus welchen Gründen auch immer – ist ja nun auch keine große Erkenntnis).

    Natürlich gab´s auch in den 70er Jahren noch Lohnsteigerungen, auch für die türkischen „Gastarbeiter“. Wobei das auch daran lag, dass die eben wenig Klassenkampf gemacht und sich gegen Hungerlöhne, beschissene Wohnverhältnisse usw. gewehrt haben. Die Frankfurter Hausbesetzerbewegung wurde z.B. ursprünglich von türkischen Familien initiiert, was heute wohl die wenigsten Leute noch wissen. Und dann gab es noch Aktionen wie diese hier: http://www.kanak-attak.de/ka/text/fordstreik.html

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  56. genova68 schreibt:

    einer von jenen,

    ja, sehe ich alles genauso. Ich wollte keine Lanze für den Kapitalismus brechen, sondern der Streit entzündete sich an dem wirtschaftlichen Aufschwung nach 1950. Ich meine, dass man den zur Kenntnis nehmen muss, wenn man Analyse betreibt. Mechthild ignoriert ihn, weil er ihr nicht ideologisch in den Kram passt. Ignorieren aber ist das Gegenteil von verstehen. Man kann das Wirtschaftswunder als einmalig betrachten, aber es war so und es trug dazu bei, dass der real existierende Sozialismus in Sachen Überzeugungsarbeit keinen Fuß mehr auf den Boden brachte.

    Die Logik des Spätkapitalismus mit seinen Zumutungen, die der Arbeiter nicht mehr mitmachen werde, war schon bei den 68ern eine fatale Fehleinschätzung.

    Ab den späten 70ern oder den 80ern wurde Keynes ad acta gelegt und die Mehrwertproduktion des Kapitals dominierte. Damals begann auch das Auseinanderdriften.

    Mich würde eher interessieren, wie der Kapitalismus es schafft, die Zumutungen nach und nach zu intensivieren, obwohl das langfristig zu seinem eigenen Schaden ist. Diese extrem kurzsichtige und für eine kleine Minderheit attraktive Politik, die von keinem vernünftigen Argument beendet werden kann, halte ich für erstaunlich.

    Neoliberale Politik führte zu 1929 und 1933, dennoch wird sie wiederholt. Es liegt wohl an den systemischen Zwängen, die, akzeptiert man sie, den Menschen vor die Hunde gehen lässt. Und die Kapitalverwertung ist nun mal wichtiger als der Menschn.

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  57. @genova

    Das scheitern der DDR ist ein thema, daß man nicht für sich betrachten kann, sondern eher im kontext des »kalten krieges«.

    Vernon A. Walters hat bereits im april 1989 zum damals neuen innenminister der BRD, Wolfgang Schäuble gesagt, daß es noch in seiner amtszeit zur »wiedervereinigung« kommen werde. Man kann also davon ausgehen, daß nicht nicht die paar hanseln auf der straße das system gestürzt hätten. Und überhaupt wurde die DDR abgeschafft, als die leute gefallen an ihrem staat fanden und durch die »runden tische« mehr mitbestimmung bekamen.

    »Arbeit« und »paradies« sind zwei angeleheiten, die einander ausschließen, weshalb der begriff »arbeiterparadies« von anfang an humbug ist. »Paradies« ist ein religiöses jenseitsversprechen, das mit einer auf das diesseits ausgerichteten betrachtung der welt nicht zusammenpaßt. Die DDR war mit sicherheit kein paradies. Aber immerhin ein ort, an dem zuerst an die versorgung der menschen gedacht wurde, wenngleich auf fragwürdige weise.

    Wirfst Du eigentlich minister Erhard ebenfalls ignoranz vor? Der hat gesagt, daß er die euphorie der leute keineswegs teile und nicht an ein »wunder« glaube. In dem punkt habe ich mit ihm glatt etwas gemeinsam.

    Die feiste bazille paffte an der zigarre und wußte genau, daß die leute in den untersten etagen verheizt wurden. Offensichtlich war der mann alles andere als bekloppt.

    Du hast geschrieben

    Es liegt wohl an den systemischen Zwängen, die, akzeptiert man sie, den Menschen vor die Hunde gehen lässt. Und die Kapitalverwertung ist nun mal wichtiger als der Menschn.

    Das stimmt. Aber verknusper doch halt mal, was Du da geschrieben hast. Das hat in der Bonner Republik zu jedem zeitpunkt gegolten. Das ist kein irrtum der »bösen« neoliberalen, sondern schlicht und ergreifend realität in den system, das allgemein für das »bessere« empfunden wird.

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  58. @ Justus

    Was ist denn meinungsfreiheit? Ein hirngespinnst! Als ich noch weit vom marxismus entfernt war und zur gewerkschaft ging und mich über die zustände in unsrerem betrieb ärgerte, sagten die älteren arbeiter mir »so eine meinung dürfen wir uns nicht leisten«. Und damit hatten sie recht. Ich wurde als »böse« eingestuft, weil ich sagte, daß unser laden nicht läuft, weil die leute unsere produkte lieben, sondern solange der chef damit gewinn macht. Und als es schlecht kam, wurde unser laden dichtgemacht.

    Wenn Du lohnabhängig bist, darfst Du nichts gegen den laden sagen, in dem Du Deinen lohn verdienen mußt.

    Die Türkischen mitmenschen haben damals oft aus purer verzweiflung häuser besetzt, weil sie die zustände, die man ihnen offiziell zubilligte nicht mehr ertrugen.

    Aber was bedeutet denn hausbesetzung?

    Daß man sich die übelsten bruchbuden aneignet. Damit verstößt man gegen das allerheiligste dieses staates: das privateigentum. Somit folgt es, daß irgendwann die staatsgewalt in gestalt von polizei vor der tür steht, man sich, wenn man seine bude behalten will, verbarrikadieren muß, und am schluß entweder im krankenhaus oder im gewahrsam landet.

    Nebenher: in der DDR galten derartige eigentumsspinnereien nicht. Leerstehende häuser oder wohnungen einfach zu nutzen, war dort legal.

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  59. einer von jenen schreibt:

    @ Mechthild: Es ist sicher zweifelhaft, wieviel diese „Meinungsfreiheit“ im Alltag taugt – spätestens, wenn du anfängst, deine Meinung laut zu äußern oder mehr noch: deinen Überzeugungen entsprechend zu handeln, kann es da natürlich Probleme geben. Meinen darfst du erstmal vieles – die Frage ist, wer seine Meinung dann durchsetzen kann und darf (wobei das Können und Dürfen sich gegenseitig bedingt, weil Macht- und Rechtsverhältnisse ziemlich nahtlos ineinander übergehen).

    Ich finde es aus Bequemlichkeitsgründen erstmal ganz okay, hier in der Blogosphäre über den Kapitalismus nörgeln oder anderweitig Propaganda machen zu können, ohne dafür gleich in den Knast zu wandern. Wobei das natürlich auch nur „vergleichsweise“ gibt, und der Vergleich heutzutage keinen wirklichen Sinn mehr ergibt – die DDR und die Stasi haben sich als Problem ja bereits erledigt.

    Aber was bedeutet denn hausbesetzung? Daß man sich die übelsten bruchbuden aneignet.

    Stimmt, die „Besetzungen“ liefen zum Teil so ab, dass die Gastarbeiter schon legal in den Bruchbuden einquartiert waren und sich dann einfach weigerten, weiter Miete zu zahlen. Ist immerhin eine Verbesserung, wenn man für miese Unterbringung nicht zusätzlich noch geschröpft wird…
    Und natürlich sind Besetzungen (so wie z.B. auch Diebstahl) ein kalkulierter Verstoß gegen die geltende Eigentumsordnung – sie setzen diese Ordnung nicht außer Kraft.

    Nebenher: in der DDR galten derartige eigentumsspinnereien nicht. Leerstehende häuser oder wohnungen einfach zu nutzen, war dort legal.

    Nee, ein Gesetzesverstoß war es dort auch. Es wurde nur i.d.R. geduldet. Es durfte in der DDR ja keine Obdachlosigkeit geben – bei einer Räumung hätte man den Leuten anderen Wohnraum zuweisen müssen, das konnte man meist nicht, und so hat man sie eben meist in den Häusern bleiben lassen.

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  60. genova68 schreibt:

    Vernon A. Walters hat bereits im april 1989 zum damals neuen innenminister der BRD, Wolfgang Schäuble gesagt, daß es noch in seiner amtszeit zur »wiedervereinigung« kommen werde. Man kann also davon ausgehen, daß nicht nicht die paar hanseln auf der straße das system gestürzt hätten.

    Oh Gott, jetzt wird es auch noch verschwörungstheoretisch. DAS hätte ich von dir nicht erwartet.

    Wunder und Paradies musst du nicht wörtlich nehmen, insofern brauchen wir das auch nicht zu diskutieren.

    Um es ein letztes mal auf den Punkt zu bringen: Du musst den Kapitalismus verstehen, wenn du ihn abschaffen willst. Und dazu gehört, dass du die Menschen verstehst, die nicht gegen ihn rebellieren. Genau das versuche ich. Und thematisiere deshalb die beispiellose Entwicklung des Massenwohlstandes nach 1950. Da führt deine ganze Theoretisiererei zu nichts, die Praxis lief anders. Eigentlich müsstest du diese vielen Menschen, die sich seinerzeit mit dem System arrangiert haben, verachten. Die fanden es tatsächlich in Ordnung, mit einem neuen Golf in den Italienurlaub zu fahren, statt Revolution zu machen. Ich glaube nicht, dass du das verstehst.

    Mich erinnert das an das Vorgehen von Robert Kurz in seinem Kapitalismus-Schwarzbuch (das ich insgesamt sehr zur Lektüre empfehlen würde). Er hatte, genau wie du, Probleme, die 1950er bis 1980er in sein Weltbild zu integrieren, da er den Massenwohlstand nicht ignorieren konnte. Was machte er also? Er stellte die Leute alle als manipuliert da, die sich nur deshalb Autos kauften, weil sie zur Arbeit fahren mussten und auf der grünen Wiese wohnten und ohne Auto und grüne Wiese es den Wirtschaftsaufschwung nicht gegeben hätte.

    Einerseits natürlich richtig: Der Autoboom war und ist grundlegend und er hat viele Nachteile. Aber man darf nicht ignorieren, dass es den allermeisten Leuten Spaß macht, ein Auto zu haben und im Grünen zu wohnen. Es musste niemand gezwungen werden.

    Du, Mechthild und Kurz und andere nehmen diese Menschen nicht ernst, erklären ihre Bedürfnisse einfach als vom Kapital gesteuert, um ihre Ausbeutung zu intensivieren und keiner merkt es außer Mechthild und Kurz. Heute sind es vermutlich die Smartphone-Nutzer, die sich ausbeuten lassen. Alles Idioten außer ich.

    Lucien Febvre spricht von einer „kapitalistischen Mentalität“, Gedanken, Gefühle, Glauben, alles ist kapitalistisch grundiert. Und das ist dann der Mensch. Da es keinen Naturzustand des Menschen gibt (auch wenn der Deutsche meint, das sei der einfache Mensch im romantischen Wald), ist er immer das, was er gerade ist. Gerne auch begeisterter Autobesitzer und Benidorm-Urlauber. Ich finde es ok.

    Dein letzter Absatz: Ja, so funktioniert Kapitalismus, aber eine ganze Zeitlang kann das sehr gut gehen, ohne allzuviele Verlierer. (Verlierer wird es immer geben, darüber muss man sich keine Illusionen machen.)

    Im übrigen ist es mir zu simpel, einfach vulgärmarxistisch zu argumentieren. Ich halte auch Keynes für interessant und stelle mir eigentlich immer wieder nur die Frage, ob man Kapitalismus dauerhaft zähmen kann oder nicht. Ich sehe bei so einer Aussage die üblichen Verdächtigen die Hände überm Kopf zusammenschlagen, aber mir ist es zu einfach, Marx nachzuplappern und zum xten Mal das Ende des Kapitalismus auszurufen, das doch nicht kommt, und über die bedrängten Massen zu philosophieren, die nur noch ihre Ketten haben.

    Wir sind uns in der Analyse von Kapitalismus sicher weitgehend einig (er müsste überwunden werden, je schneller, desto besser) aber du verstellst dir selbst den Blick durch Dogmatismus.

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  61. einer von jenen schreibt:

    @ genova: Mir scheint, du hängst dich selbst ein wenig an der Marxschen Geschichtsphilosophie auf, von der du weiter oben schon meintest, sie sei grandios gescheitert. Die Geschichtsphilosophie halte ich bei Marx auch für einen der Schwachpunkte (nicht nur, weil er deutlich zu optimistisch war – das ist gar nicht mal so problematisch).
    Aber die Frage „Warum machen denn diese Arbeiter nicht endlich Revolution?“ stellt sich in dieser Form ohnehin erst, wenn man davon ausgeht, dass die Arbeiter_innen letztlich überhaupt keine andere Wahl haben, als die Revolution zu machen, dass der ganze geschichtliche Prozess zwangsläufig darauf hinausläuft.
    Ich würde es eher als „Wenn>Dann“-Bedingung sehen – wenn wir aus diesem kapitalistischen System rauswollen, dann geht das nur über eine proletarische Revolution. Der Kapitalismus ist natürlich ein verdammtes Problem. Kein Mensch ist verpflichtet, dieses Problem zu lösen – aber wenn wir es nicht lösen, haben wir eben weiterhin ein Problem, as simple as that.
    Zweitens: Der Kapitalismus wird immer Armut und allerlei sonstiges Elend produzieren – und das wird immer wieder zu Konflikten führen, aus denen sich dann womöglich eine revolutionäre Situation ergibt. Aber so eine Situation muss sich auch erstmal ergeben, ansonsten ist auch das Proletariat – „revolutionäres Subjekt“ hin oder her – eben nicht besonders revolutionär.

    Noch eine Anmerkung zu diesem Punkt hier:

    Ab den späten 70ern oder den 80ern wurde Keynes ad acta gelegt und die Mehrwertproduktion des Kapitals dominierte. […] Neoliberale Politik führte zu 1929 und 1933, dennoch wird sie wiederholt.

    Zu Keynes hat Mechthild weiter oben ja schon einiges gesagt. Ich wollte noch ergänzen, dass Keynes selbst auch kein Problem mit dem Faschismus hatte – jedenfalls biederte er sich im Vorwort zur deutschen Erstausgabe seiner “Allgemeinen Theorie”, die 1936 erschien, ziemlich ungeniert an die Nazis an. Hier mal das Zitat:

    Trotzdem kann die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepaßt werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung eines gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbs und eines großen Maßes von laissez-faire erstellten Produktion. […] Obschon ich sie also mit dem Blick auf die in den angelsächsischen Ländern geltenden Verhältnisse ausgearbeitet habe, wo immer noch ein großes Maß von laissez-faire vorherrscht, bleibt sie dennoch auf Zustände anwendbar, in denen die staatliche Führung ausgeprägter ist.

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  62. @ Justus,

    nun gut, dann war besetzung in der DDR halt nur geduldet. Ich kenne einige leute, die in den 80ern einfach irgendwo eingezogen sind, jahrelang friedlich vor sich hingewohnt haben und erst probleme bekamen, als der laden kapitalistisch bewirtschaftet wurde.

    Ob es eine wirkliche verbesserung ist, anstatt miete zu zahlen, sich verteidigungsstrategien ausdenken zu müssen für den fall, daß eines tages die bullen vor der tür stehen, sei dahingestellt. Das mag für erlebnisorientierte menschen eine interessante option sein, ich zumindest stelle mir unter einem angenehmen leben etwas anderes vor. Und wie Du schon richtig bemerkt hast ändert es eben nichts dran, daß die auch die einfachsten menschlichen bedürfnisse nur zum zuge kommen, wenn kaufkraft dahinter steckt.

    »Meinen« darf man auch in Saudiland. Vor einigen monaten las ich, daß in einer anonymen umfrage fast ein viertel der Saudis angaben, von religion nicht übermäßig viel zu halten, darunter waren sogar erstaunlich viele atheisten, bloggen hingegen darf man das dort nicht. Dann gibt es haue.

    »Nörgelei« trifft das, was hierzulande an meinungsfreiheit erlaubt ist. Dem staat ist es egal, ob die leute meckern, die müssen ohnehin fressen, was auf den tisch kommt.

    Ein bekanntes beispiel, was passiert, wenn man offen über die zustände bei seinem arbeitgeber schreibt, dürfte die Inge Hannemann sein. An sich kann fast jeder, der schon mal irgendwo gearbeitet hat, etwas über mißstände in der arbeitswelt schreiben. Unterschlagene löhne, mangelhafter arbeitsschutz, arbeitszeiten, die gegen die gesetze verstoßen und was einem auch sonst noch alles an gemeinheiten im arbeitsalltag begegnen mag.

    Im internet liest man davon wenig. Es ist kein staatlicher zwang darüber nicht zu reden. Allerdings ist es wahrscheinlich die lebensgrundlage zu verlieren, wenn man das tut. Das ist perfide. Die leute dürfen (theoretisch) offen über ihre probleme reden und können nicht, weil sie abhängig sind.

    Schlauer kann man menschen nicht zum schweigen verurteilen. Die faschisten haben es in vielen fällen nicht wesentlich anders gemacht.

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  63. @ genova,

    Vermutlich ist der herr Schäuble ein verschwörungstheoretiker. Was ich über Vernon A. Walters schrieb, habe ich weder von Ken Jebsen noch von Alexander Benesch noch einfach selbst ausgedacht, sondern von herrn Schäuble selbst. Hat er im mai 2009 im interview mit dem nd geäußert.

    Altkanzler Kohl hat nur noch spott für die montagsdemos übrig und meint, daß es eine irrige annahme sei, daß »der heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen sei und habe die Welt verändert« oder »es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, daß das auf der Straße entschieden wurde. […] der Rauschebart, der sich durch die Geschichte lügt, daß es eine Schande ist.«

    Interessanterweise sagt Egon Krenz zu dem thema etwas ähnliches. Zum zitat der ehemaligen ministerpräsidentin Thüringens, Christine Lieberknecht »daß wir ohne Gewalt mit Kerzen und Gebeten eine Diktatur bezwungen haben, bleibt ein Wunder der Geschichte« äußerte er sich in einem interview mit Frank Schumann (edition ost) wie folgt: »Wunder kennt auch die Geschichte nicht. Der Gedanke, daß Kerzen die Sozialistischen Staaten Europas bezwangen, mag ja schön klingen und nachträglich auch das Selbstbewußtsein einiger Akteure stärken. Aber: Es war wohl eher die Niederlage der UdSSR im Kalten Krieg mit den USA. Die Sowjetunion hat sich totrüsten lassen.«

    Im selben interview sagte er in bezug auf die USA: »Die deutsche Einheit war nicht das Hauptziel. Sie war eine Zwischenstation auf dem Wege, einzige Supermacht zu werden. Wer Details wissen möchte, sollte lesen, was US-Stratege Zbigniew Brzezinski dazu veröffentlicht hat. In diesem Kontext sind einige Bewertungen über die Herbstereignisse von 1989 in Europa und Deutschland wohl nicht aufrechtzuerhalten.«

    Offenbar haben sich die alten knöppe aus ost und west unabhängig von politischen ansichten verschworen, nicht an wunder zu glauben. Frechheit!

    Daß es mit dem wohlstand vieler in der sogenannten »wirtschaftswunderzeit« nicht so übermäßig weit her war, kann man nicht bloß in reportagen von Meinhof oder Wallraff nachlesen, das kam damals sogar in der schlagermusik vor, beispielsweise bei Udo Jürgens. Der hat in den frühen 70ern davon gesungen, daß die reichen ihren wohlstand einzäunen und die armen mit leeren händen dastehen, und daß er das land nicht lieben könne, wenn der staat milliarden für rüstung ausgibt, während die zukunft vieler kinder trübe aussieht, weil lehrer fehlen und lauter so ein zeug. Das war natürlich eine sehr bürgerliche klage an den staat, die etwas von »beschwer Dich bei Deinem kaiser über Deinen kaiser« hatte, aber irgendwas muß dem doch aufgefallen sein, daß er auf so etwas überhaupt gekommen ist.

    Der Robert Kurz war mir immer zu langweilig. Und zu verknöselt. Der hat also behauptet, die leute wären manipuliert, weil sie ein auto wollen? Das ist natürlich quatsch, das sehe ich völlig anders: die leute sehen, daß es das gibt, man bräuchte es, weil es einen nutzwert hat.

    Die leute zu verurteilen, weil sie auch etwas haben wollen, geht eher in richtung konsumkritik, die mit Marx nicht besonders gut zusammenpaßt. Das ist schäbig. Wo die früchte der arbeit genossen werden können, soll der mensch sich bescheiden. Das ist eine bescheidene idee, ganz egal, was die leute wollen. Das problem an der sache sind die produktionsverhältnisse. Autos gibt es nicht, weil irgendwer die bräuchte. Sondern weil man mit dem bedürfnis kaufkraft abschöpfen kann. Um bei Deinem bild mit der grünen wiese zu bleiben: wenn einer auf der grünen wiese hockt, dringend ein auto bräuchte aber kein geld hat, kommt keiner der sagt »guter mann, ich sehe, Dir mangelt es an mobilitätsmöglichkeit, hier hast Du ein auto!«. Der kommt halt nicht dran, weil das bedürfnis, das nicht mit zahlungsfähigkeit einhergeht, unbeachtet bleibt. Die zweite schöne sache im kapitalismus: wenn wenigstens die, die ein auto bezahlen können, eins haben, herrscht nicht glück und zufriedenheit, sondern krise. Das gilt für jedes beliebige ding, das man kaufen kann.

    Ich glaube, daß Du mich hier mit einem in einen topf wirfst, über den ich wenig weiß und dessen meinung ich, soweit ich weiß, selten geteilt habe. Was das mit dem »naturzustand« soll, verstehe ich nicht. An der »natürlichkeit« ist man bei Keynes mit sicherheit näher als bei Marx. Keynes bezog sich stark auf Gesell, welcher die idee einer »natürlichen wirtschaftsordnung« vertrat. Der hat viel komisches zeug über konkurrenz, natürliche auslese und durchsetzungskraft des stärkeren geschrieben. Und das wurde später von den faschisten konsequent zu ende gedacht. Das tolle nachkriegswirtschaftsprogramm geht zum teil auf Lautenbach zurück, einem Gesellianer, der kein problem darin sah, mit faschisten zusammen zu arbeiten und im reichswirtschaftsministerium einen hohen posten hatte.

    All das ist mit kommunismus unvereinbar. Mich wundert es ein bißchen, daß Du nach kommunismus fragst und eigentlich keynsianismus meinst, was willst Du eigentlich? Kommunisten lehnen Keynes aus den gründen, die ich zur genüge genannt habe, ab. Hingegen wirst Du in der NPD viele »nette« leute finden, die diese ansätze richtig toll finden, solange ohne ausländer (das ist keine dreiste behauptung von mir, kannst Du im internet gern überprüfen). Also solche randgruppen, über deren elend ich berichtet habe und welches Du als »verschmerzbar« erachtet hast.

    Man kann den kapitalismus nicht »zähmen«, weil jede »zähmung« den gegebenheiten widerspricht. Ja, es hat gewisse soziale fortschritte gegeben. Verbesserungen in der medizinischen versorgung, kuren auch für arbeiter, studienmöglichkeit für arbeitslose. Warum ist das denn abgeschafft worden? Weil es unrentabel war. Es ging nicht darum, die lebensmöglichkeiten der menschen zu verbessern, man hat die damals noch gebraucht. Und im ernstfall sollten die ihr land gegen die bösen kommunisten verteidigen.

    Nein, wir sind uns in der analyse keineswegs einig. Analyse des systems ist eben nicht, daß es abgeschafft gehört, aus welchen gründen auch immer. Analyse bedeutet, sich anzuschauen, wo eigentlich die probleme liegen und wo denn ständig leute unter die räder geraten. Für mich sind das tragödien, für Dich bagatellen, die verschmerzbar wären.

    Wenn Du mit begriffen wie »vulgärmarxismus« rumhuberst, beeindruckt mich das übrigens gar nicht. Du fängst mir gegenüber mit VT an und endest mit VM.

    Schlagwörterei. Und ich sehe leider nicht, daß Du das mit anderem als phrasischem unterfüttern könntest.

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  64. hANNES wURST schreibt:

    Diese Diskussion hat sich ordentlich festgefahren. Ich schlage vor, zu wichtigeren Themen überzugehen, z.B. „Wann ist ein Mann ein Mann?“.

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  65. Nö, lieber wann ist die wurst ’ne wurst.

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  66. hANNES wURST schreibt:

    Touché, meine Liebe

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  67. Deine liebe bin ich gang gewiß nicht.

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  68. hANNES wURST schreibt:

    Das ist doch nur so eine Redeweise, ich bin ja auch gar kein Franzose.

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  69. Wie? Du bist kein Franzose? Wofür verschwende ich hier meine zeit?

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  70. genova68 schreibt:

    Mechthild,
    deine Walters-Geschichte ist natürlich eine Verschwörungstheorie, zumal du sie nicht belegst. Walters hat lediglich gesagt, dass ihn die Entwicklung nicht verwunderte, weil er das erwartete, nachdem Gorbatschow an die Macht gekommen war. Er sah keinen Rückhalt mehr für die SED. Dennoch waren es die Hanseln, die auf die Straße gingen, die zum Sturz führten.

    Deine O-Töne solltest du mit Quellenangaben belegen, sonst ist es nur eine weitere Story, von denen das Internet voll ist.

    Dein Herumreiten auf Wundern führt zu nichts. Dein Problem ist: Du hättest gerne die DDR samt SED-Herrschaft behalten und bist sauer, weil das nicht geklappt hat. Jetzt bastelst du nachträglich Verschwörungtheorien zusammen, nachdem der Ami an allem Schuld ist. Kennt man ja.

    Zum Wirtschaftswunder ist alles gesagt: Nimm zur Kenntnis, dass es in der Masse der größte und breiteste wirtschaftliche Aufschwung in der Geschichte der Menschheit war. Du kannst das aus rein ideologischen Gründen nicht akzeptieren.

    Aber generell ist diese Debatte auch von persönlicher Sozialisation geprägt. Ich bin ein Kind der westdeutschen Mittelklasse ohne Geldsorgen (damals) mit Neubauhaus und drei Urlauben im Jahr und Partizipation ständigem mehr und mehr. Da fällt es mir schwer, das alles zu ignorieren und vom Massenelend in der BRD zu reden, das es nicht gab. Ich habe ein sozialisationsbedingtes Urvertrauen ins herrschende System, weswegen ich auch Keynes mit Sympathie begegne.

    Die Situation heute ist eine andere. Aber darum geht es gerade nicht.

    Brezezinsiki wird überschätzt, da seine Prognosen und Analysen ständig als Befehle eines Übermächtigen an die US-Politik missversanden werden. Übrigens auch ein typisches Thema von Verschwörern.

    Machen wir es so: Ich konzentriere mich künftig auf die wertvollen Teile deiner Beitrag, oder auf das, was ich davon wertvoll halte, davon gibt es ja einiges. Streitereien in Blogs sind sinnlos und vor allem Zeitverschwendung. Das weiß ich schon seit fünf Jahren, vergesse es aber hin und wieder.

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  71. einer von jenen schreibt:

    @ Mechthild:

    »Meinen« darf man auch in Saudiland. Vor einigen monaten las ich, daß in einer anonymen umfrage fast ein viertel der Saudis angaben, von religion nicht übermäßig viel zu halten, darunter waren sogar erstaunlich viele atheisten, bloggen hingegen darf man das dort nicht.

    Klar, das bloße „Meinen“ kann der Staat auch gar nicht wirkungsvoll verbieten – wie es in diesem (ziemlich blöden) Volkslied heißt: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?“ etc. pp. Im Unterschied zu Saudi-Arabien gibt es deutschen Grundgesetz aber auch ein Recht auf freie Meinungsäußerung, was zumindest fürs Bloggen gewisse Vorteile mit sich bringt.

    Wenn du schreibst, dass es mit dieser „freien Meinungsäußerung“ auch nicht weit her ist, hast du natürlich recht. Allerdings wollte ich mit meinem letzten Post noch auf einen anderen Punkt hinaus: Es verschleiert einfach die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, wenn man nicht von Interessen, sondern nur von Meinungen spricht.

    Das suggeriert eine Gleichbehandlung und Gleichberechtigung, die es so schlichtweg nicht gibt, weil da von der realen Durchsetzung der jeweiligen Interessen großzügig abstrahiert wird und alles auf reine „Meinung“ runtergebrochen wird. Aber wenn die Bundesregierung „meint“, es sei eine gute Idee, z.B. Afghanistan zu bombardieren, und ich dagegen „meine“, dass das eine total beschissene Idee ist, dann gibt es da keine Symmetrie, keine Gleichheit, selbst wenn ich meine Meinung frei äußern kann. Es gibt keine Gleichheit, weil ich nur eine Meinung äußere, während die Bundesregierung tatsächlich die Armee losschickt, um Afghanistan zu bombardieren.
    Ist natürlich nur ein Beispiel, andere Anwendungsfälle kann sich jede_r selbst hinzudenken…

    Ansonsten haben die Gegenstandpunkt-Leute hier und da einiges Sinnvolles zum Thema geschrieben. Hier mal ein entsprechender Link: http://www.gegenstandpunkt.de/radio/2006/ga060320.htm

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  72. @ Justus,
    otschin charascho, sehr gut, richtig. Offenbar siehst Du das ähnlich. Gescheiter link, übrigens. :o)

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  73. @ genova

    wenn das massenwohlstand ist, daß es menschen mit eigenheimen gibt, die es sich leisten können mehrfach im jahr in urlaub zu fahren und einige autos in der garage haben, dann gibt es den heute immer noch. Daran hat sich in den letzten vierzig jahren wirklich gar nichts geändert. Für etwas wie massentourismus reicht es völlig, wenn sich ein drittel der leute dreimal im jahr urlaub leisten kann. Können sich alle drüber freuen, denn im durchschnitt sind alle einmal pro jahr auf reisen gewesen. Wenn man so auf die welt schaut, muß sich ehrlich niemand beschweren.

    Wenn Du darauf hinauswillst, daß der Zbigniew Brzezinski bei den »Bilderbergern« rumhängt, muß ich zubeben, daß ich das eben gerade erst ergoogelt habe. Das ist für mich überhaupt nicht von interesse. Daß der mann überschätzt wäre, denkt unsere derzeitige kriegsministerIn offensichtlich nicht. Ich glaube, daß die vermutlich hier im staat ein klein wenig mehr zu melden hat als Du.

    Zwischendurch mal zur erinnerung: das hier ist eine diskussion und nicht meine doktorarbeit. Aber quäl Dich bitte nicht auch noch damit, zu lesen was ich schrieb. Zu Schäuble und Krenz habe ich geschrieben, wo ich es her habe. Das hier ist keine wissenschaftliche arbeit, also muß das so reichen. Und zu Kohl liefere ich die quelle gern nach: das ist aus den Kohlprotokollen von Schwan. Du trittst mit einem anspruchsdenken an mich heran, daß ich hier wissenschaftlich korrektes zeug abliefern soll. Wo hast denn Du hier exakte quellen genannt? Ich halte das für eine diskussion nicht unbedingt für förderlich und habe dennoch mehr quellenangaben geliefert als Du.

    Vielleicht wäre es das beste, wenn Du Dich darauf konzentrieren würdest meine beiträge gar nicht zu lesen, weil Du da das rausliest, was Du rauslesen willst und mir dann allerhand merkwürdige dinge unterstellst, auf die einer, der das gelesen hätte, was da steht, gar nicht gekommen wäre. Vielleicht, weil Du in das, was da steht, gleich etwas hineininterpretieren möchtest, das da nicht steht. Und das ist leider nicht immer schlau.

    Im übrigen beteilige ich mich seit inzwischen 18 jahren an diskussionen im internet und habe das oft spannend gefunden. Wenn Du das für »zeitverschwendung« hältst, dann könntest Du Dein blog im grunde dichtmachen. Wofür denn das ganze? Damit hier alle lobhudeln, wie recht Du hast? Streit wird viel zu negativ bewertet. Gut, ein »ehekrach« bei dem sich die beteiligten nur beleidigungen an den kopf werfen, ist mit sicherheit nichts, wonach man sich sehnt. Wenn es allerdings um unterschiedliche ansichten in einer diskussion geht, kann das durchaus interessant sein.

    ***
    Mal so unter uns: ich habe ganz bestimmt nichts dagegen, wenn menschen ein gutes leben haben und sich ein paar sachen leisten können. Eine kindheit im wohlstand ist wahrscheinlich angenehmer als eine ohne.

    Aber hast Du Dir damals die leute angeschaut, die es nicht so gut hatten? Und Dich gefragt, weshalb die zu nichts kommen? Tut mir leid, mit »persönlicher sozialisation« ist das nicht zu entschuldigen. Das ist dann eher die faulheit, über den eigenen tellerrand zu schauen, ist auch am bequemsten.

    Du schreibst, daß Ihr damals keine geldsorgen hattet. Darf ich daraus schließen, daß es Dir jetzt nicht mehr ganz so gut geht? Schade. Daß das nicht mehr so schön ist, wie zu der zeit als Du relativ sorglos leben konntest, hat die selben ursachen wie das schlechte leben der arbeiter damals.

    Darüber wirst Du bei Keynes eher nichts finden.

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  74. genova68 schreibt:

    „wenn das massenwohlstand ist, daß es menschen mit eigenheimen gibt, die es sich leisten können mehrfach im jahr in urlaub zu fahren und einige autos in der garage haben, dann gibt es den heute immer noch. “

    Exakt. Auch wenn ich mich wiederhole: Ich sage nur, dass man das nicht unterschätzen darf.

    Streit wird zu negativ bewertet, stimmt. Aber meine Erfahrung im Internet ist, dass sie zu nichts führen, zu keiner Erkenntniserweiterung. Deshalb lasse ich das seit langem bleiben, eigentlich. Du beschwerst dich ja darüber, dass ich dich falsch lese. Ein typisches Fehlurteil. Jeder liest, wie er will, und Diskussionen sind real schon kompliziert. Schriftlich ist es aussichtslos, sich über Gegensätze hinweg zu verständigen. Deshalb diskutiere ich nur noch mit Leuten, die meiner Meinung sind.

    Wenn ich als Kind oder Jugendlicher Leute aus Asi-Siedlungen sah, dachte ich nicht weiter drüber nach, außer dass die irgendwie weiter unten waren, das lernte man so. Aber man hatte mit diesen Leuten nichts zu tun, man wurde und wird ja schon mit zehn Jahren sortiert, ab dann ist man unter sich. Außerdem hauten die einem vielleicht aufs Maul, wer wusste das schon.

    Ich kann in der Tat den Lebensstandard meiner Jugend nicht halten, das geht alles nur deutlich abgespeckt. Hat aber alles seine Gründe, was man für erstrebenswert hält und was nicht. Ich hätte auch BWL studieren können und versuchen, auf dem Abteilungsleiterlevel mitzuspielen. Hat mich aber nie interessiert. Neues Haus mit Garten etc. finde ich auch nicht wichtig.

    Sozialisationserfahrungen solltest du nicht abtun. Wer das tut, hat sie vermutlich noch nicht aufgearbeitet. Ich mache das ständig und komme täglich zu interessanten Ergebnissen. Deshalb schreibe ich auch so interessantes Zeug hier im Blog.

    Mein DDR-Bild ist ein wenig diffus, sicher, ich bin auch da geprägt von alljährlichen Verwandschaftsbesuchen in diesem merkwürdigen Staat, den ich als Kind immer lustig fand, die komischen Autos und die schmutzigen, kaputten Städte, die leeren Regale. Das devote Kleinbürgertum im Osten fand ich aber schon mit zwölf grauenhaft. Was sich die Leute an Gängelung bieten ließen, fand ich extrem. Die meisten Widerständigen waren schon im Westen, schätze ich. Diese Auszehrung ist ja auch heute massiv zu spüren.

    Aber nochmal zum Streit: Ich finde es ganz cool, wie du argumentierst, auch wenn sich mir da teilweise die Nackenhaare sträuben. Ich glaube aber, dass ich hier nichts mehr Neues bringen kann.

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  75. Ist ja niedlich, wie Du betonst, aus hehren gründen kein BWL studiert zu haben. Betriebswirt zu werden, ist keine garantie, daß man karriere macht, sondern die möglichkeit, daß man könnte, wenn man sich in der konkurrenz durchsetzt. Klar, eine handvoll BWLer macht karriere und verdient sehr viel geld. Die meisten nicht, weil es zu jeder ordentlichen konkurrenz gehört, daß es verlierer gibt und meist viele.

    In der taz liest man so klagen wie »obwohl es so viele gut ausgebildete gibt, wie nie zuvor, sinken die löhne«. Es muß jedoch nicht obwohl heißen, sondern deswegen. Die figuren, die es bloß auf das »abteilungsleiterlevel« schaffen, werden meist hart getreten – und zwar von beiden seiten. Man muß die nicht bemitleiden. Es gibt es originellere möglichkeiten, wenig spaß im leben zu haben.

    Ich kann mich daran erinnern, daß in Frankreich in den 80er jahren fast alle erbärmliche rostlauben fuhren, es den meisten leuten ansonsten relativ gut zu gehen schien. In jener zeit verschlug es mich auch mehrfach in die mutterstadt des kapitalismus: Manchester/Salford.

    Da war es richtig übel. Sicher, dort hätte ich auch rumlaufen können und den eindruck haben, daß es den leuten dort richtig prima geht. An den hauptstraßen waren schöne häuser und läden, wo es wirklich alles gab, sogar sachen, die ich noch nie gesehen hatte, wie limonade aus Pakistan und allerhand zeug aus dem ehemaligen »empire« von dem ich bis heute nicht weiß, wofür man das eigentlich braucht. Ich bin aber auch in die seitenstraßen gelaufen und nach wenigen metern wurde es richtig finster.

    Da waren miese dreckshütten und widerwärtige gassen, auf denen bergeweise müll rumlag. Bei derartigen streifzügen durch die stadt, hatte ich gelegentlich richtig angst, weil ich fürchtete, daß die leute sehen, daß ich da nicht hingehöre und mich niederschlagen und ausrauben. Ja, die haben tatsächlich gesehen, daß ich da nicht hingehöre, ausgeraubt wurde ich nie, stattdessen wurde ich mehrfach zum tee eingeladen.

    Ich wurde gefragt, wo ich denn herkomme. Ich traute mich kaum, denen zu erzählen, daß ich ausgerechnet aus Deutschland bin und mir ein bißchen die stadt anschauen möchte. Die freuten sich, daß jemand von so weit herkommt, um sich ihre verkackte gegend anzuschauen und baten mich ins »haus«. Ich dachte meinerseits, daß ich sie ja nun ausrauben könnte, ich habe aber nie etwas gesehen, das man hätte klauen können. Und dann gab es schwarztee, der aber nichts mit dem getränk zu tun hatte, das besitzer von geschmacknerven so nennen, sondern eine ekelhafte plempe, die man nur trinkt, wenn man ganz schlecht dran ist. Dann erzählten die ein bißchen was aus ihrem leben und haben sich gefreut, daß es menschen gibt, die von sehr weit herkommen und sich mit der musikszene der stadt auskennen.

    Den leuten, bei denen ich wohnte, habe ich von all dem nichts erzählt. Die hatten selbstverständlich Thatcher gewählt und fanden, daß diese menschen aus jenen bezirken asozial wären und nichts besseres verdient hätten, mit dem nackten arsch in der scheiße zu sitzen (fomulierung von denen übernommen).

    Als ich zum 1989 zu ersten mal in der DDR war, hatte ich, nach allem, was ich aus dem westlichen ausland kannte, das schlimmste befürchet. Spontan schaute ich bei einem (brief)freund vorbei und wurde genötigt, zum abendbrot zu bleiben. Gastfreundschaft wie in Manchester. Und ich wußte nicht, was ich essen sollte. Nicht, weil nichts auf dem tisch gestanden hätte, sondern weil die auswahl so groß war, daß ich gar nicht wußte, was ich zuerst probieren könnte. Und das brot war gut, man hätte es auch ohne alles essen können. Angeblich sollen zu jener zeit fleisch- und wurstwaren in der DDR knapp gewesen sein. Davon habe ich nichts gesehen. Aber wahrscheinlich nur, weil die leutchen ihrem nicht angekündigten gast aus dem westen alles, was es im ganzen land gab, vorsetzten.

    Ein guter freund von mir, der 1990 von sozialhilfe lebte, fuhr mit dem rad vor der volkskammerwahl in die DDR. Der lebte in einer verschimmelten kellerwohnung und sah diesen komischen kleinen staat mit ganz anderen augen. Die leute wollten ihm natürlich nicht glauben, wie er im »reichen westen« lebt, und daß er mit jedem von ihnen sofort getauscht hätte.

    Die berühmten leeren regale. Neulich, als ich im supermarkt noch etwas gemüse für das wochenende kaufen wollte, gab es da nichts mehr. Nicht mal ein verschrumpeltes radieschen. Neben mir standen zwei Polen und lästerten. »Da sind wir nun in den »goldenen westen« gekommen und dann sowas. Bei uns gab es in den 80ern wenigstens noch immer kartoffeln« (sinngemäß übersetzt, mein Polnisch ist nicht so gut, daß ich jedes wort verstehe. Worum es geht, verstehe ich hingegen meist schon).

    Meine DDRsozialisierten freunde meinen dazu, daß sie von den leeren regalen doch etwas hätten merken müssen. Die finden es komisch, daß ihnen dauernd von wessis erzählt wird, wie unfrei sie gelebt hätten, und daß es nichts gegeben hätte. Die regen sich höchstens drüber auf, daß der sekt oder das halbe pfund westkaffee im DELI so teuer war.

    Was die »devote kleinbürgerei« betraf, unterschied sich die DDR kaum von der BRD. Man sollte den staat bejubeln und mitmachen. Und wer das nicht mitmachte, bekam probleme und zwar gar nicht wenig. Ich würde nicht ausschließen, daß Du so jemanden zumindest via internet kennst. Diese person hatte ärger, obgleich sie nie mit terroristen sympathisierte, nie ein haus besetzte, nie klaute und sich auch sonst, bis auf die kleinen widrigkeiten, die sonst jeder im leben ab und zu begeht, immer an die gesetze gehalten hat.

    Daß Du hier nichts neues bringst, weiß ich übrigens schon länger als einen monat.

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  76. genova68 schreibt:

    Du bist echt ne Pflanze. Die Polen-Geschichte ist die beste. Diese beiden Polen sind also im Jahr 2015 über den goldenen Westen enttäuscht, weil dort die Regal leer sind. Klar, was sonst.

    Die Polen hatten in den 80ern bekanntlich fast nichts mehr in den Regalen, Naomi Kleins Schock-Strategie empfiehlt sich da als Lektüre. Schlimmer ist es nur wo? Genau: Im aktuellen Deutschland.

    Woher kommt dieser extreme Dogmatismus? Sozialisation? Du bis in gewisser Weise ein interessantes Untersuchungsobjekt. Aber du kommst sympathisch rüber, das ist ja die Hauptsache.

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  77. hANNES wURST schreibt:

    genova: Das mit den leeren Regalen hast Du falsch verstanden. Es geht darum, dass das Empfinden von Wohlstand relativ und situativ ist und als Mittel der politischen Diffamierung benutzt wird (was die Polen im Beispiel scherzhaft zugespitzt haben). Der Kapitalismus funktioniert gut, wenn alle denken er funktioniere gut, und zwar so gut, dass moralische Bedenken ihr Gewicht verlieren.

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  78. genova68 schreibt:

    Scherzhafte Zuspitzung funktioniert bei dem Beitrag von Mechthild genausowenig wie in der Bildzeitung. Der Beitrag ist von vorne bis hinten falsch. Schlechte Versorgungslage in der DDR? Nur Westpropaganda. Schlechte Autos? Die der Franzosen waren schlechter.

    Auf dem Niveau suche ich nicht nach scherzhafter Zuspitzung, auch wenn natürlich klar ist, dass das eine sein sollte.

    Als Realsatire kann man es durchgehen lassen.

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  79. hANNES wURST schreibt:

    Ich war 1984 mit der Schulklasse in Ost-Berlin, das war sicher das Aushängeschild des Ostens und ich muss schon sagen, im goldenen Westen gab es dennoch Sachen und der am Alex servierte Schwarzwälder Kirschbecher schmeckte wie eine Mischung aus Verpackungsmüll und Taubenfüßen. Wir haben eine kirchliche Jugendgruppe besucht, einige haben uns ganz offen erzählt, wie scheiße alles ist und dass sie rübermachen wollten. Es gab aber auch differenziertere Meinungen – bis hin zu den Leuten, die die Mauer tatsächlich als Schutz betrachteten. Der Einkommensunterschied zwischen einer Kassiererin und einem Ingenieur belief sich auf ungefähr 50%. Man kann nicht wissen, was aus dem „sozialistischen Experiment DDR“ geworden wäre, wenn die DDR nicht die Hauptlast der Reparation getragen hätte und vom Westen embargoisiert worden wäre. (Apropos Embargo: angenommen, die USA würden unter einem massiven Embargo leiden – wie lange würde es wohl dauern, bis ein Embargo als unmoralisch klassifiziert und schließlich als Kriegsgrund angesehen würde?)

    Jedenfalls war es schwierig, die 20 DM Zwangsumtausch zum Kurs 1:1 loszuwerden und immerhin betrug der Durchschnittsverdienst in der DDR auch um die 1000 Ostmark. Ich habe einen ganzen Stapel Klaviernoten gekauft, darunter eine gute (in der DDR verfasste) Jazzschule.

    Das alles soll nicht von dem faktischen Verbrechen „Mauer“ ablenken und auch keine Stasimethoden gut heißen. Dennoch meine ich, dass die DDR ein schlechtes Beispiel für die Fehlleistungen des Sozialismus ist.

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  80. genova68 schreibt:

    Ja, die DDR ist ein schlechtes Beispiel für die Fehlleistungen des Sozialismus, weil es keiner war. Ich möchte die Sozialismuskonzeption sehen, die diesem Scheißstaat entsprochen hätte. Im Grunde arbeiteten die Stalinisten mit dem Westen diesbezüglich gut zusammen. Beide behaupteten, das sei Sozialismus oder Kommunismus gewesen, beiden passte es jeweils in ihr Konzept. Authentische Sozialisten wurden von der Stasi abgeholt.

    Mein Opa wollte einmal nicht wählen gehen und wurde kurz vor Schließung der Wahllokale im Dorf von einem Bonzen abgeholt und zwar Wahl gezwungen. Mit nein stimmen durfte man nur theoretisch, man war danach erledigt, weil man dann mit seinem Wahlzettel quer durchs Wahllokal laufen musste und den Zettel anderswo einwerfen. Jeder sah, dass man dagegen gestimmt hatte. Deshalb auch die 99,7 Prozentergebnisse.

    Es ist ein Schlag ins Gesicht vieler, was Mechthild da oben zusammenphantasiert über das Schlaraffenland DDR, in dem es 89 alles gab. Es ist erfundenes dummes Zeug. Ähnlich durchgeknallt argumentierten damals im Westen nur noch die Betonköpfe der KPD inklusive SDAJ, alle von der DDR bezahlt.

    Ich war seit Anfang der 70er jedes Jahr in der DDR auf Verwandschaftsbesuch, manchmal nur drei Tage, manchmal sechs Wochen (meine Mutter war aus der DDR geflohen). Die Stasi war präsent, wenn ich in eine Schule ging, nur aus Neugier kurz ins Foyer, da kamen die angerannt. Man wurde als Wessi ja sofort erkannt, an der Kleidung, vermute ich. Oder wenn ich Kontakt mit meinem Cousin hatte, den ich nicht haben durfte, weil sein Vater, mein Onkel, in der Partei war und einen guten Posten hatte. Westkontakt mit der Schwester oder dem Neffen (also mir) war dadurch komplett untersagt, kein Brief, nichts. Wir waren 14, trafen uns heimlich, und er hatte Angst vor der Stasi, wenn sich ein fremder Mann näherte. (Ich wusste nicht mal, dass ein BND existierte.) Das war so präsent wie die leeren Regale, die kaputten Straßen, die billigen Plattenbauten, die zerfallenden Städte, die dreckige Luft usw. Wer das nicht sah, hatte ein ideologisches Problem. Demnach haben sich die vielen Ossis, die auf die Straße gingen, alle getäuscht. Nur Mechthild nicht. Fleisch- und Wurstwaren sowie Bier waren übrigens drei der wenigen Produkte, die es immer gab. Die vielen erstklassigen Produkte, die in der DDR hergestellt wurden, gingen in den Westexport.

    Der Devisenmarkt bewertete die Ostmark übrigens im Verhältnis eins zu fünf zur Westmark. Für 20 DM musste man also 100 Ostmark hinblättern, das war der Kurs, den die DDR auch offiziell akzeptieren musste. So gesehen bekam ein Arbeiter 200 DM für rund 160 Monatsstunden Arbeit, auch die, die Produkte für den Westen herstellten. Das würde ich Ausbeutung nennen.

    Ostberlin war das Schaufenster der DDR, vor allem unter Honecker. Ich habe viele Verwandschaftsdiskussionen erlebt, wo sich die Ossis nicht einig waren. Die aus Ostberlin berichteten von diversen Waren, die es weiter unten, Zwickau, Karl-Marx-Stadt und anderswo, nicht gab. „Ihr habt das alles, wir haben das nicht“, hieß es. Tolle Solidarität.

    Sicher gab es mehr Solidarität, weil man sich gegenseitig helfen musste, schon alleine deswegen, weil es keinen Baumarkt gab, in dem man etwas für sein Haus hätte kaufen können. Die Solidarität hörte aber schon auf, wenn man neue Nachbarn bekam und nicht wusste, ob man da ein klein wenig Regimekritik anbringen durfte oder ob dann am nächsten Tag die Stasi vor der Tür stand. Und die Solidarität war auch keine, wenn Verkäuferinnen und Parteibonzen sich bei einer begehrten Ladung erstmal selbst eindeckten.

    Zugute halten kann ich der DDR, dass ich mit dem Zwangsumtausch einige dicke MEW-Schinken kaufen konnte wie auch mehrere Tucholsky-Ausgaben und eine Platte von Silly bis heute sehr hörenswert finde. Immerhin.

    Das alles ist natürlich kein Plädoyer für den Kapitalismus.

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  81. @ Genova

    noch mal zu Deinem beitag vom 29. März 2015 um 15:02

    Puncto sozialisation. Sicher, das soziale umfeld, in dem man aufwächst, hat einfluß auf das weitere leben. Der mensch ist jedoch kein »Lorenzsches Gänschen«, das in der zeit nach dem schlüpfen geprägt wird und dann nicht anders kann. Jeder mensch verfügt über verstand und kann entscheiden, was er tut und was er läßt. Wenn, nur mal so als beispiel, oppa, omma, mamma, pappa alle rassisten waren, resultiert daraus nicht, daß man zwangläufig selbst einer werden muß. Für einen erwachsenen ist es keine entschuldigung, daß man halt in einem rassistischen umfeld aufgewachsen sei, so erzogen wurde und deshalb nicht anders könne. So einer will glauben, daß er der herrenrasse angehöre und die anderen untermenschen wären. Er kann sich genauso gut überlegen, daß es blödsinn ist, menschen nach farbe und herkunft zu sortieren. Wenn er das läßt, dann ist das seine entscheidung.

    Genauso ist niemand, der in einem netten eigenheim aufgewachsen ist, lebenslänglich gezwungen, auf die leute aus den »asi-gegenden« (aha, so etwas gab es in den »goldenen 70ern« im wunderland BRD also doch, erstaunlich!) herunterzuschauen. Man kann sich auch fragen, warum eigentlich nicht alle so schön leben. Es mag übrigens sogar stimmen, daß man von denen eher haue kriegt, als von leuten aus besseren gegenden. Und warum? Weil sie nicht völlig bescheuert sind. Die merken nämlich, daß sie erfolglos sind. Wie sortiert wird, hast Du oben selbst beschrieben. Aber auf einem gebiet können die es dem »klassenstreber«, diesem fatzke, der ohnehin nicht mit ihnen redet, es schon zeigen und dann wird halt die fresse mit ’ner zahnlücke verziert. In einem schulsystem, das darauf ausgerichtet ist, kinder für den arbeitsmarkt zu selektieren, muß man sich nicht wundern, daß die verlierer sich auf andere weise erfolgserlebnisse verschaffen. Daß sie deshalb zu schlägern werden, ist auch wieder keine zwangsläufigkeit, aber eine möglichkeit, für die sie sich entscheiden können.

    Mal so nebenher: ich bin auch in einem neubaueigenheim aufgewachsen. Wahrscheinlich nicht so komfortabel wie Du, urlaub gab es nicht so oft. Neubauten sind also offensichtlich kein hindernis, sich für die lebensverhältnisse anderer menschen zu interessieren. Du schreibst ab und zu über architektur, was gelegentlich interessant ist. Aber für wen soll denn gebaut werden? Die leute wohnen doch nicht in potthäßlichen häusern, weil ihnen der sinn danach steht, sondern weil sie sich nichts besseres leisten können – und das auch nicht grundlos. Du vergießt ab und zu sogar ein tränchen über die gentrifizierung. Du schreibst über auswirkungen, deren ursachen Du weitgehend ignorierst.

    Ich habe den eindruck, daß Du manchmal in eine art »westalgie« verfällst. Die »alte« BRD ist hinüber und die kommt nicht zurück. Ebensowenig wie die DDR wiederkommt.

    Es gibt keinen katalog von wirtschaftsmodellen, in dem man sich eins aussuchen könnte und wenn man für kommunismus ist, zwangsläufig realsozialismus wie in der DDR rauskommt und wenn man sich für kapitalismus (kosename »marktwirtschaft«) entscheidet, kommt BRD raus, die, wenn man die zwangsläufigkeiten, die der kapitalimus mit sich bringt, per gesetz verbietet, ganz toll sein könnte.

    zum beitrag 1. April 2015 um 10:57 und zu 1. April 18:18

    Der Hannes hat größtenteils richtig erkannt, worauf ich hinaus wollte. Ich habe nur eine kleine begebenheit aus dem alltag im jahr 2015 erzählt. Ich habe übrigens nicht erzählt, was ich gedacht habe, sondern was die beiden Polen dazu gesagt haben. Das ist etwas anderes. Faule witze, die von Polen über den nicht vorhandenen inhalt Deutscher regale gemacht werden, gehören verboten!

    Klar, wären die jungs nicht zum discounter gegangen, sondern ins KaDeWe, hätte da wahrscheinlich noch genug rumgelegen. Das problem sind hier in der regel nicht leere regale, sondern leere portemonnaies. Und in dem punkt unterscheidet sich ein Deutscher nicht von einem Äthiopier: ohne ausreichend geld, gibt es nicht einmal das lebensnotwendige.

    Äthiopien und andere Afrikanische staaten exportieren gemüse nach Deutschland. Weil mit den hiesigen armen eher ein geschäft zu machen ist, als mit den dortigen, selbst wenn die hälfte der ware auf dem weg hierher verfault. Die leute, die dort zur kapitalvermehrung nicht gebraucht werden, werden dann eben auf null-diät gesetzt.

    Das ist unser schöner wohlstand im globalisierten kapitalismus: nach ca. 250 jahren industrieller entwicklung und kapitalistischen fortschritts verhungert alle drei sekunden ein mensch (das sind nicht alles Nordkoreaner, wenn das so wäre, wären die in ca. drei jahren ausgestorben), aber zum glück selten vor der eigenen haustür. Und nicht, weil es nicht möglich wäre, alle vernünftig zu versorgen, sondern weil wir in einem wirtschaftssystem leben, das nicht auf die versorgung der menschen mit irgendwas ausgerichtet ist.

    Zur DDR nur noch so viel: Wie ich oben bereits schrieb, sprachen die machthaber der DDR nicht von kommunismus, sie nannten es realsozialismus, die wußten, daß das komische konstrukt, dem sie vorstanden, wenig mit kommunismus zu tun hatte. Wie ich ebenfalls bereits schrieb, gibt es die DDR nicht mehr, weshalb es wenig lohnt, sich übermäßig drüber aufzuregen. Der staat, in dem wir leben, hat übrigens nicht nur einen geheimdienst, sondern den BND, den Verfassungsschutz (für den bund und für jedes bundesland einen) und den MAD, könnte sein, daß ich noch einen vergessen habe.

    Georg Heym, der weiter oben auch schon erwähnt wurde, schrieb in seiner autobiographie »Nachruf« darüber, wie er eines januarmorgens im jahre 1978 im schnee eine kladde fand. Die hatte ein MfSmann vor seinem haus verloren. Der text ist im buch abgedruckt. Dazu äußert er sich: »Trotzdem: eine Geheimpolizei, die Tarnnamen nicht etwa den eigenen Spitzeln gibt, sondern den Leuten, die sie bespitzeln läßt, und die Buch führt über Mülltonnenbesuche und Schreibfehler auf dem Postamt, und die zum Schluß noch ihre eigene Kladde verliert samt zugehörigen Photos und Dokumenten, eine solche Geheimpolizei wirkt fast schon wieder sympathisch. Nur gehört sie eher ins Kasperletheater als vor das Haus eines Schriftstellers.«

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  82. Garfield schreibt:

    »Trotzdem: eine Geheimpolizei, die Tarnnamen nicht etwa den eigenen Spitzeln gibt, sondern den Leuten, die sie bespitzeln läßt, und die Buch führt über Mülltonnenbesuche und Schreibfehler auf dem Postamt, und die zum Schluß noch ihre eigene Kladde verliert samt zugehörigen Photos und Dokumenten, eine solche Geheimpolizei wirkt fast schon wieder sympathisch. Nur gehört sie eher ins Kasperletheater als vor das Haus eines Schriftstellers.«

    …auch ne interessante Auffassung. MMN sind solche Verniedlichungen aber eher gefährlich.
    Tarnnamen hatten auch IMs & deren Führer; daß die Bespitzelten/ „operativen Fälle“ (oder wie das im Fachjargon hieß) nicht auf Klarnamen getauft wurden, war wohl auch weniger „Persönlichkeitsrechten“ geschuldet.

    die Sache mit dem Ausweis mag ja ganz lustig sein – nach ner PK hatte ich zwischen meinen Sachen (Portemonnaie etc) auch schon mal den Dienstausweis eines Bundespolizisten in der Hand, kann halt passieren – aber was das mit Sympathie zu tun hat…?
    Daß auch Beamte nur Menschen sind, ist ja eigtl nicht ungewöhnlich – trotzdem reicht ein Fax, und nach Schuld, „Gerechtigkeit“ & ähnlichem Firlefanz (oder gar „Sympathie“) wird nicht mehr gefragt – Befehl ist Befehl. Auch wenn er nicht an die Wand gestellt wird, der Job wiegt dann doch deutlich mehr als die Rücksicht auf irgendein Lebens-Schicksal.

    Ob Heym diese Anekdote nach 2 Jahren Iso-Haft in Bautzen auch noch so „fast sympathisch“ gefunden hätte…?

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  83. Hallo Garfield,

    Deine frage könnte Dir nur herr Heym selbst beantworten.

    In Bautzen haben auch kommunisten gesessen, wie Peter Sodann, die dann aber nicht rübermachten. Die obrigkeit der DDR wußte damals nicht, wer freund und wer feind ist. Die BRD hingegen wußte damals schon, wer feind war. Wenn Du als gewerkschafter zu jener zeit auf die idee kamst, in die DDR zu reisen, hattest Du recht gute chancen, eingelocht zu werden – und nicht in der DDR.

    Besonders gut scheinst Du nicht gelesen zu haben. Es ging nicht um einen ausweis, sondern um etwas anderes.

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  84. genova68 schreibt:

    Mechthild,

    Jeder mensch verfügt über verstand und kann entscheiden, was er tut und was er läßt…. Wenn er das läßt, dann ist das seine entscheidung.

    Naja, so einfach ist das nicht beim Menschen. Ich erwähnte Punkte aus meiner Sozialisation, um gerade zu sagen, dass es keine reinen Entscheidungen gibt. Ich kann mich nicht einfach umkehren. Wenn ich in einem rassistischen Umfeld aufwachse, dann kriege ich das vermutlich nie mehr ganz raus. Ich kann versuchen, mir das klarzumachen, aber viel mehr nicht. Ein Ex-Kindersoldat wird zu einer Waffe immer ein anderes Verhältnis haben als eines aus dem Yoga-Kurs im Prenzlauer Berg.

    Westalgie gibt es sicherlich bei mir, eben wegen Sozialisation. Wobei ich da den Keynes funktionieren sah, das ist für mich das wesentliche. Plus natürlich die liberale Gesellschaft, im Gegensatz zur rechten, dikatorischen Gesellschaft in der DDR.

    Realsozialismus: War das nicht eher eine Möglichkeit, sich von anderen Sozialismuskonzeptionen abzusetzen? Wurde damit nicht die Realität in der DDR eher legitimiert? Beispielsweise der positive Bezug zum Nationalsstaat?

    George Heym? Ich glaube, du meinst Stefan Heym. Das sehe ich ähnlich wie Garfield.

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  85. Ich wollte nur mal sehen, ob Du das liest (bezüglich Heym).

    Ist übrigens sehr nett von Dir, daß Du den »HoGeSa-«und »x-gida-« figuren so ein schönes entschuldigunsschreiben verfaßt hast.

    Unsere altvorderen haben vor ca. 75 jahren das größte massenmorden der menschheit angezettelt, weil sie sich für die herrenrasse hielten und da kriegt man den rassismus halt nicht raus, weil die gänslein nun mal einem führer nachtrotteln müssen.

    Der heutige rassismus kommt jedoch nicht von Adolf Hitler, der die leute zum rassismus umerzogen hätte. Die leute sind ihm damals gefolgt, weil sie es plausibel fanden, daß jemand schuld an ihrem elend sei. Und die schuldigen waren die, die zum volk nicht dazugehören. Der rassismus kommt nicht von extrem rechts, sondern aus der mitte der gesellschaft. Ich will dazu nicht weiter ausholen. Der Gärtner hat es in seinem »Kritischen Ostersonntagsfrühstück auf den punkt gebracht:

    »Ob Neger oder asozial: / Was nicht wir selbst sind, kann uns mal.
    Man möchte ausspucken. Sommermärchen, my ass.«

    Mir ist selbstverständlich klar, daß jemand, der etwas anderes möchte, als das, was es bisher gab, nur dogmatiker sein kann. Also einer der der unfähig ist, selbst zu denken. Hingegen ist, wer zu dem bereits da gewesenen seiner kindheit zurückmöchte ein kritischer feingeist.

    John Maynard Keynes wußte, daß seine ideen für die kurz- bis mittelfristige krisenbewältigung sind. Er war ein liberaler, der gegen ende des lebens für sein wirken für den staat geadelt wurde. Mit kommunismus hatte der mann zeitlebens eher nichts zu tun.

    Ich glaube, Du hast oben die falsche frage gestellt. Du hättest fragen müssen: »wann ist ein liberaler ein anständiger liberaler

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  86. Garfield schreibt:

    Besonders gut scheinst Du nicht gelesen zu haben. Es ging nicht um einen ausweis, sondern um etwas anderes.

    dann weiß ich nicht um was es dir ging.

    wenn er damit ausdrüken wollte, daß die Stasi nicht professionell war oder da nur Deppen arbeiten – naja…
    Ich mache da nebenbei auch keinen Unterschied zw Ost & West; Befehlsempfänger ist Befehlsempfänger, nicht mehr und nicht weniger.
    Der Punkt ist auch: der Typ mit der Staatsgewalt kann sich Wohlwollen & so „sympathische“ menschliche Fehler ohne weiteres leisten – umgekehrt sieht’s da schon anders aus.

    Wenn man da Zuschreibungen wie „Sympathie“ ins Spiel bringt, würde ich erstmal auf Stockholm-Syndrom tippen.

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  87. genova68 schreibt:

    Ist übrigens sehr nett von Dir, daß Du den »HoGeSa-«und »x-gida-« figuren so ein schönes entschuldigunsschreiben verfaßt hast.

    Welches Entschuldigungsschreiben?

    Rassismus: Der Satz dieses Gärtners bringt es gut auf den Punkt, aber auch das hat natürlich mit Hitler zu tun. Allgemeiner: mit Geschichte. Die Deutschen halten sich immer noch für das beste Volk der Welt, unterschwellig. Das is die Basis für den Rassismus, für das Griechenbashing etc. Auch den Italienern wird zwar Lebensart attestiert, aber gut kochen ist halt doch eher was für Frauen, das ist Beiwerk. Wir bauen dafür die besseren Autos.

    Das alles ist ohne kollektives Gedächtnis, die mittels Sozialisation weitertransportiert wird, nicht denkbar. Unser Nationalbezug beruht auf Abwehrkämpfen gegenüber den Franzosen, und daraus folgend, Auschwitz. Das ist nicht tilgbar, nur bewusstzumachen.

    Keynes war kein Kommunist, sicher. Soll man ihm das zum Vorwurf machen?

    Keynes und mittelfristige Krisenbewältigung: Das war sicher nicht sein Ansatz, er ging davon aus, dass er die Krisen des Kapitalismus durch staatliche Intervention abfedern kann. Aber er meinte nicht, dass das nur mittelfristig funktionieren könne und langfristig der Kapitalismus abgelöst werde. Falsch ich da falsch liege, möge man mich korrigieren.

    Stasi: Ja, es ist natürlich eine Verharmlosung dieses Terrors, wenn man die nur als Deppen hinstellt, die nichts auf die Reihe bekamen. Das ist zum Teil zwar richtig, sonst wäre der Staat 89 nicht so sang- und klanglos untergegangen. Allerdings empfehle ich beispielsweise ein Besuch im Folterstasigefängnis Hohenschönhausen, um die Relationen in den Griff zu kriegen.

    Mechthild, du kommst mir wirklich vor wie KPDler in den 80ern. Die waren auch auf einem Auge blind. Du bist offensichtlich nicht in der Lage, die Stasi zu kritisieren, ohne gleich irgendwas Böses aus dem Westen zu finden.

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  88. Über Keynes könnte ich noch das eine oder andere sagen. Ist mir hier zu doof.

    Ich schreib hier nichts mehr.

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  89. Garfield schreibt:

    Nachtrag, nur zur Vollständigkeit:

    ich hab nix gg die Staatsgewalt, im Gegenteil – ich bin froh daß es sie gibt; und einige Punks/Anarchisten/… die sagen „ich lös meine Probleme lieber selbst, ich brauch keine Polizei“ sind in meinen Augen reine Dummschwätzer, denn jeder profitiert von der Polizei, auch ohne daß er sie erst rufen muß.

    Aber ich weiß was ich von denen (ganz egal ob Stasi/ BfV/ Kripo/ Justiz/ …) zu halten hab – sowas wie „Sympathie“ (ebenso das Ggt*) zu attestieren, ist da ziemlich fehl am Platz

    Um’s mal so zu sagen: wenn ich am Ende doch auf dem Schafott lande, ist die Freundlichkeit des Henkers auch geschenkt – bzw umgekehrt: auch wenn der Beamte mich nicht mag, er läßt mich trotzdem laufen wenn’s angewiesen wird.
    Reine Befehlsempfänger – einer Justiz, die auch beim besten Willen eher mit nem Basar als „Gerechtigkeit“ vergleichbar ist.

    *) auch wenn die mir zugegeben weniger sympathisch sind, milde gesagt – aber das ist persönlich & hat mit Rationalität weniger zu tun

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  90. Garfield schreibt:

    – edit –
    *sowas wie “Sympathie” (ebenso das Ggt*) zu attestieren, ist da MMN ziemlich fehl am Platz

    …weil Sympathie/ Moral/ etc bei deren Handeln keine Role spielen.

    Gerade bei Geheimdiensten wird die Absurdität dieser „Rechts“organe aber besonders deutlich:
    der Doppelagent ist ein Held & wird gefeiert – für die exakt selbe Handlung wird er aber an die Wand gestellt/ LL eingesperrt, wenn sie der Gegenseite gedient hat

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  91. genova68 schreibt:

    Garfield,

    du schreibst einerseits, dass du nichts gegen die Staatsgewalt hast und andererseits:

    Aber ich weiß was ich von denen (ganz egal ob Stasi/ BfV/ Kripo/ Justiz/ …) zu halten hab – sowas wie “Sympathie” (ebenso das Ggt*) zu attestieren, ist da ziemlich fehl am Platz

    Sympathie oder nicht, Kripo und Justiz sollen rechtsstaatlich funktionieren.

    Spricht denn der NSU für oder gegen den Verfassungschutz oder nur gegen ihn im aktuellen Zustand?

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  92. Garfield schreibt:

    >> Sympathie oder nicht, Kripo und Justiz sollen rechtsstaatlich funktionieren.

    was ist denn „rechtsstaatlich“, damit geht’s doch schon los. Was in der DDR passierte, war alles „rechtmäßig“…

    und wenn man sich ansieht, wofür man in der BRD teilweise im Knast landet… sogar wenn Justiz i-wie „rechtmäßig“ aufgebaut ist – dann geht’s damit weiter, daß i-ein Fuzzy in Robe wie am Fließband den Stab über Menschen bricht, die er nicht mal kennt. Mit dem Kapitel „Haft“ fang ich lieber gar nicht erst an…

    >> Spricht denn der NSU für oder gegen den Verfassungschutz oder nur gegen ihn im aktuellen Zustand?

    gute Frage. Beim NSU liegt soviel im Dunkeln, ich maße mir da ehrlichgesagt nicht mehr an durchzublicken.
    Einzelne Bundesländer brauchen MMN jedenfalls keinen eigenen VS; wg der Machtkonzentration ist eine Trennung von Auslands- / Inlands-Nachrichtendienst MMN aber schon sinnvoll.

    Am besten vermutlich komplett niederbrennen & neubauen – und sogar dann wird schwierig, denn das „auf dem rechten Auge blind“-Symptom zieht sich ja durch alle möglichen Polizeikreise

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  93. hardy schreibt:

    ah, schön.

    ich liebe diskusionen, in denen alle so tun können, als hätten sie was duchdacht ;-)

    also, ich war mal maoist. so um 1972 rum. da war ich 16 oder so. ich hatte diese kleine maobibel, die hatte mir in der bonner innenstadt jemand an einem stand geschenkt. kpdml. coole jungs. tolles buch. „fisch im wasser“, wow, standen echt dolle sachen drin (schade, daß man schrift nicht mit sprachsound unterlegen kann, ich hätte hier gerne den klang von robert w. kemper, wenn er über den fund der wannseeakten spricht …).

    an der revolution (sprich der erstürmung des bonner rathauses) konnte ich leider nicht teilnehmen, ich war klosterzögling bei den redemptoristen (lustigerweise zur selben zeit wie michael kühnen, aber der war externer, leider nie kennengelernt, den kerl, der war da in der prima kurz vor’m abi und ich in der sekunda) und durfte nur sonntags raus. also bin ich in die JU eingetreten und hab wahlkampf für barzel gegen brandt gemacht und mich bei ner brauereibesichtigung volllaufen lassen. mann, ich wusste voll bescheid.

    wenn ich also hier lese, wer was ist, muss ich kichern. jeder empfindet sich als was, findet ein paar grundideen gut und füllt den rest mit dem auf, was er sich so vorstellt. um wirklich was zu „sein“ oder zu „werden“ braucht man ganz ganz ganz viel zeit. und die, herrschaften, ich bitte euch, die verbringen wir im netz mit dem erzählen, was wir sind … gucken uns noch einen porno an … eine staffel „the walking dead“ … schmökern in der zeitung herum … hören eine schöne platte … unser blick streift die gesamtausgabe der marxchen werke, die wir mal, weil wir geld zu viel hatten, uns gegönnt haben und die jetzt zustaubt … gucken noch mal auf #ckbook, wer gerade online ist und erzählen dem, „ja, ich bin marxist“.

    aber, das wollte ich eigentlich nicht erzählen. ich wollte sagen: ich finde GEZ klasse und wer sie abschaffen will: nur aus meinen toten kalten händen. im ÖR, konkret in „hörpanorma geschichte“, einem panorama aus den besten beiträgen des (damals noch() SWF habe ich sie nämlich zum ersten mal gehört, die stimme von r.w.kemper, die von otto strasser, der von seiner ersten begegnung mit hitler erzählt

    die von willi bleicher, wenn er über carl von ossietzky redet … meine liste ist lang, ah da ist paul assal und sein „halt stand rotes madrid“ … wenn irgendjemand auf die idee kommen sollte, diese letzte burg dr bildung den schweinen von der „freien“ presse in den rachen zu werfen, weil er zu blöd ist, was neben dem ganzen scheiss in der ARD/ZDF eben an juwelen tageintagaus im radio läuft und nur einfach, weil er seine eigene blödheit zelebrieren will, der wird mich als elser kennen lernen (btw tolles hörspiel gerade von breinersdorfer auf sendung von deiner GEZ bezahlt …)

    echt, ich habe keine ahnung, was das ist, ein marxist. will ich auch gar nicht sein. dazu gehören? wozu? ich lebe in einer kultur, die mir nicht passt und mach mir meine eigene, irgendwo auf einer langen linie zwischen der stoa, dem dào und montaigne.

    und batman.

    wer einen stempel braucht oder einen judenstern … nur zu. geht mich nix an. soll doch jeder seiner umwelt vormachen, was er sei, wonach ihm der sinn steht.

    ich kaufe nichts an der haustür von abgebrochenen politologiestudenten, die an ihrem wesen unbedingt die welt genesen lassen wollen, ich weiss ja wo das endet: dachau. pol pots killing fields. sibirien.

    nein danke, ich brauch das geld für die GEZ

    ich hoffe, das hat genug verwirrt und jeder, der ein argument sucht, ist dran irre geworden beim drivebyreading ohne die zeichen in den zeichen zu erkennen. ;-)

    ach ja: CDU/korrupt. in den achtzigern saß ich mal mit einem freund in er JU versammlung und habe dort den „lafontaine“ gemacht, also 3 1/2 minuten geredet und gesagt: in der zeit, die ich gerade geredet hab‘ sind die atomraketen an de grenze und jetzt muss bei uns oder denen einer den knopf drücken. die waren ganz entsetzt und sofort gegen die nachrüstung mit mittelstreckenraketen. das hatte denen ja keiner eklärt. die waren jungCDUler und hatten sich den rest auch so zusammengereimt.

    nein, auf „die“ CDU lasse ich mir nix kommen. die tun ja, wie jeder, auch nur so als ob mit ein bißchen mehr freiraum, sich die taschen zu füllen. macht in kölle wahrscheinlich jeder von der SPD. menschen halt …

    grüße aus der garage

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  94. hardy schreibt:

    ich war so frei, den kommentar als blogpost schön cross & quer zu verwerten und habe ihn bei mir mit ein paar userfreundlichen links angereichert.

    http://hinterwaldwelt.blogspot.de/2015/04/rosinante-rides-exportabel.html

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  95. hardy schreibt:

    @garfield

    [..] Beim NSU liegt soviel im Dunkeln,
    [..] ich maße mir da ehrlich gesagt
    [..] nicht mehr an durchzublicken.

    ich befürchte, wenn wir eines tages wissen werden, was wirklich passiert ist, werden wir den erklärungen zum wort „verschwörungstheorie“ den begriff „noch nicht validierte arbeitsthese“ hinzufügen müssen.

    das wird natürlich – wie beim oktoberfestattentat – so lange dauern, bis es kein schwein mehr interessiert und alle, die man für ihr persönliches fehlverhalten an den wickel kriegen müsste, längst tot sind.

    ob man von deren verhalten auf den apparat als solchen zurückschliessen kann, kann ich nicht beurteilen, „geheimdienst“ heisst ja, daß dinge „geheim“ bleiben auch denen gegenüber, die da sonst so arbeiten und wie viele „verfassungsschützer“ böcke im garten sind, wer will das wissen?

    ich weiss es auch nicht, aber ich kann mir eben eine menge vorstellen.

    [..] niederbrennen

    ach was, den kopf abschlagen und die ganzen leute, die bis dahin als „querulanten“ galten an die spitze setzen ;-)

    das nur, damit ich hier nicht als „troll“ durchgehe, aber beim stichwort GEZ werde ich halt fuchsig.

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  96. genova68 schreibt:

    jeder empfindet sich als was, findet ein paar grundideen gut und füllt den rest mit dem auf, was er sich so vorstellt.

    Das nennt man Leben :-)

    Das mit Mao ist ganz interessant, denn ich als 68 geborener kann mit Mao nichts mehr anfangen. Der war ein paar Jahre später Lichtjahre entfernt. Jemand, der hier keinerlei Langzeitwirkung hatte.

    Aber wenn du mit der Maobibel herumgerannt bist, dann kannst du uns – es geht hier ja auch um Stalin – sagen, wie du mit der Tatsache umgegangen bist, dass er indirekter Massenmörder war. Ich meine das ohne jede Häme. Habt ihr das hingenommen, war das notwendiger Teil der Revolution, wusstet ihr nichts davon? Es ist eine weitere zentrale Frage für Linke, die sich schon mehr als einmal die Hände mit Blut beschmiert hat.

    Ähnliches sieht man heute noch in der Verehrung Kubas oder der aktuellen Entwicklung in Venezuela. Das Thema ist nach wie vor aktuell.

    Aber ich meine diese Fragen nicht als Schuldvorwurf, sondern als Aufklärung.

    (Hardy, du kannst gerne am Ende des Threads weiterposten, sonst wird es unübersichtlich.)

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  97. hardy schreibt:

    [..] kann mit Mao nichts mehr anfangen.

    das war ja im grunde als „parabel“ gedacht, deshalb habe ich ja die sache mit der JU/barzel und die mit michael kühnen nachgeschoben. wo man landet, ist eine frage, wo man gerade eben ist und wer einem „familie“ ist, wenn man rebelliert. ich hätte auch in anderer konstellation ein nazi werden können.

    zu mao: der „witz“ ist, daß die chinesen, mit denen ich das glück habe, tee trinken zu dürfen, das lustig finden. die sind genau so weit weg davon wie du. gestern abend, bei einem guten „garen“ pu’erh haben wir (in der runde ein kluges mitglied der KPC) das seidenstrassenprojekt diskutiert, die rasante technologische entwicklung, wie bei denen apps in den alltag einziehen, man alles mit seinem perso bezahlen kann … und daß man, wenn man zwei jahre weg war und zurück kommt, so was von „out“ ist.

    ich glaube, der versteht sich auch als „marxist“. aber halt als einer, der verstanden hat, daß man den vogel fliegen lassen können muss und ihn nicht in einen käfig steckt.

    darüber, daß ich meine letzte demo nach dem massaker auf den tianmen für eine ausgemachte dummheit halte und so zynisch bin, „meine leute“ als geopfert zu akzptieren, weil heute chinesen nahrungstechnisch im überfluss schwelgen können, statt sich in den 90ern in einen bürgerkrieg gegenseitig vernichtet zu haben, herrscht einverständnis.

    und mao können wir als jemand sehen,d er in seiner zeit die dinge getan hat, die in seiner zeit eben gedacht wurden. die nachwelt hat es ja einfach wir wissen immer alles besser und haben moralische urteile. für sie ist er der mann, der china befreit hat, jemand, der grausame fehler gemacht hat, aber ich kann keinen groll erkennen.

    [..] wie du mit der Tatsache umgegangen bist,
    [..] dass er indirekter Massenmörder war.

    einfache antwort: ich hab’s nicht gewusst. und wenn ich es gewusst hätte, hätte ich so reagiert wie die putinadepten dieser tage: ich hätte es für feindliche propaganda gehalten und geleugnet. warum sollte ich mich da klüger darstellen, als ich es eben war.

    heute habe ich eine menge dinge, die ich dazu denken kann. mich interessiert auch weniger das moralische urteil als der prozess als solcher, der in die „kulturrevolution“ führt – mao bemerkt, daß er die macht über die partei verliert, ruft die jugend auf und die folgt … und vernichtet seine gegner und mit ihnen alles an verstand, was zu greifen ist. analog dazu pol pot, auch er bemächtigt sich der dummheit und enthusiasmus junger menschen, stellt sie über die weisheit der alten und vernichtet so die intelligenzia. ich sehe da auch die parallele zu adolf, hie wie da die selbe strategie.

    es ist doch sinnlos, über das morden selbstzu richten, macht doch keinen mehr lebendig. wichtiger ist es, den prozess dahin zu verstehen. weil nur, wenn wir den verstehen, könnten wir auch theoretisch verhindern, daß es noch mal passiert. statt dessen dämonisieren wir und … als ergebnis starren alle auf das biest und bemerken nicht, daß das biest in uns haust.

    [..] Verehrung Kubas

    also ih gehöre zu denen, die sich jedes jahr über den geburtstag von fidel freuen, weil er schlicht alles überlebt hat und das war ja eine menge. vieles von dem, was in kuba passiert ist das ergebnis dessen, wie man mit dem land umgegangen ist. es ist ein leichtes zu sagen: sooo bööööse und dabei auszublenden, daß das immer interaktionen (ich rede hier keinem „wahataboutism“ das wort) sind. manchmal bedingen sich eben gegner, das passiert so lange, bis jemand (wie obama letzte woche) die kette bricht.

    [..] venzuela

    also ich habe damals diese wunderbare zdf doku gesehen „the revolution will not be tlevised“, in der el presidente zu den putschisten geht und sagt: „hier bin ich, bringt mich um und lebt mit den konsequenzen“. coooool. aber, seufz, er selbst und sein nachfolger verspielen sein erbe

    [..] Das Thema ist nach wie vor aktuell.

    ich sehe halt keine konzentrationslager und keine industrielle vernichtung einer „rasse“ in venezuela und so lange das nicht so ist, halte ich mich als deutscher a bißerl zurück mit moralischen urteilen.

    laß mich noch kurz was zu der verortung seiner selbst sagen, weil es mir im kopf rumschwirrt. manchmal frage ich mich ja „haben die eigentlich nie ‚quadrophenia‘ gesehen?“ das zauberwort ist „peer-group“ und wie man sich löst. die peer group dient ja dazu, die eigenen dinge, oder die, die man dafür hält, weil man nichts anderes kennt, sozusagen fmiliär zu beschützen.

    der „mod“ in dem film ist eben ein „mod“. er könnte auch ein „rocker“ sein. er findet sting coooool, weil der so toll tanzt. und entdeckt ihn am ende als „bellboy“, sprich kofferträger in einem hotel. uncooool. und – und das ist der punkt – löst sich aus der peer group.

    diesen schritt scheinen manche, die seit mehr als einem jahr bestimmte themen diskutieren, einfach nicht gehen zu können. sie bleiben „unreif“ und werden nicht „erwachsen“. für sie ist der kern das „wir“ gefühl .. nicht verstehend, daß sie das auf einen level mit den kindern pol pots, maos oder hitlers setzt. die masse, in der man stark ist.

    bloß nichts selbst denken.

    war jetzt ein bißchen lang und ich hätte noch gerne von dem roten tee geschwärmt oder die diskussion über die seidenstraße ausgebreitet, aber vielleicht reicht ja diese schöne karte. mir gefällt besonders, was nach istanbul kommt

    davor ist eine ganze lange strecke iran. darüber kann man ja mal nachdenken, wenn man die ergebnisse der letzten woche reflektiert.

    die frage hingegen, ob jemand marxist ist, naja … wer ist seiner jugend kein kommunist war, hat kein herz. wer noch einer ist, wenn er alt ist, ist ein dummkopf. ;-)

    keine korrektur, ich muss langsam mal ins bett.

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  98. hardy schreibt:

    ich hoffe, ich muss den witz in der karte nicht erklären,

    aber zur sicherheit: april, april, vlad. aber okay, du darfst mitspielen.

    hier der dazugehörige artikel

    http://www.nzz.ch/international/china-zeichnet-die-weltkarte-neu-1.18516024

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  99. André schreibt:

    @hardy
    „…hätte ich so reagiert wie die putinadepten dieser tage:
    ich hätte es für feindliche propaganda gehalten und geleugnet“

    Ich schätze deine Ehrlichkeit und deine Fähigkeit zur Selbstkritik!

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  100. Garfield schreibt:

    >> [..] niederbrennen

    ach was, den kopf abschlagen und die ganzen leute, die bis dahin als “querulanten” galten an die spitze setzen ;-)

    war nicht wörtlich gemeint, aber ab nem bestimmten Punkt ändert sich nur durch den Austausch von Präsidenten oder Abteilungsleitern halt nix mehr.
    bei unserer Geschichte hat ein Inlandsgeheimdienst MMN schon ne gewisse Berechtigung; und wie gesagt, daß nicht alles vom Kanzleramt allein bestimmt wird, ist zumindest theoretisch auch von Vorteil… wie das in der Praxis läuft ist natürlich wieder ein Kapitel für sich.

    >> wenn wir eines tages wissen werden, was wirklich passiert ist, …

    ich bin da weniger optimistisch ;)

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  101. hardy schreibt:

    @garfield

    [..] Austausch von Präsidenten oder Abteilungsleitern

    ich meinte schon die ganze führungsriege bis in die dritte ebene ;-)

    [..] ich bin da weniger optimistisch ;)

    ich verstehe das mal als ironische bemerkung ;-)

    ich weiss nicht, wie alt du bist und welchen zeitraum du überblickst.

    ich sehe ganz dramatische unterschiede zu einem anschlag der 1980 stattfand in einem umfeld, in dem strauß kalif an stelle des kalifen werden wollte – und vor allem sehe ich eine immer noch tief in nationalsozialistischen strukturen und denkweisen verwurzelte gesellschaft, die sich dessen nicht bewusst ist. da gab es eine menge leute, die was zu verlieren hatte … und nur wenige „jäger“, eigentlich nur diesen einen, der bis heute durchgehalten hat … der GEZ ick hör dir trappsen … für den BR … also die (kreiiiisch) bayern arbeitete.

    ich sehe keinen in der „freien“ presse …

    heute gibt es mehr jöger, weniger altnazis in ämtern … hey, ich bin mal optimistisch und sage statt 35 jahre nur 18 voraus ;-)

    @andré

    du bist nicht für ironie bekannt, also nehme ich es mal so, wie’s da steht.

    was hätte ich zu gewinnen, wenn ich nicht zugeben würde, daß ich in einem kino (juso kintopp, ich glaube es lief entweder „deep throat“ oder „die drei tage des condor“) an der kasse stand, jemand reinkam, rief „sie haben den buback erschossen!“ und alle, inclusive mir, jubelten.

    aber ich hätte was zu verlieren, so was wie selbstrespekt, wenn ich nicht sagen würde: „ich schäme mich für meine dummheit“.

    ich denke mal, in ein paar jahrzehnten, wenn wir keinen krieg hatten oder den, der vielleicht kommt, überlebt haben, werden einige ihr geschreibsel in den notorischen kommentarspalten auch mit scham betrachten, weil sie verstanden haben werden, wem sie da den pürzel gelutscht haben.

    bißchen was zu hören gefällig?

    „wir wollen keinen krieg führen, wir wollen einen verhindern …“

    [audio src="http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2015/04/07/drk_20150407_0649_79c83f25.mp3" /]

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  102. Garfield schreibt:

    >> [..] ich bin da weniger optimistisch ;)

    ich verstehe das mal als ironische bemerkung ;-)

    ich weiss nicht, wie alt du bist und welchen zeitraum du überblickst.

    ich bin 35, soweit hab ich das meiste natürlich nicht (wirklich) erlebt.

    gerade wo du das Oktoberfest-Attentat nennst – da ist bis heute mehr Spekulation als alles andere, juristisch wurde da im Grunde gar nix aufgearbeitet; der einzige Zeuge hat sich ja „glücklicherweise“ direkt nach seiner Bereitschaft zur Aussage erhängt & der übernehmende Bundesanwalt sofort die Akten geschlossen

    >> und vor allem sehe ich eine immer noch tief in nationalsozialistischen strukturen und denkweisen verwurzelte gesellschaft, die sich dessen nicht bewusst ist. da gab es eine menge leute, die was zu verlieren hatte […]
    heute gibt es mehr jöger, weniger altnazis in ämtern

    Heute gibt’s weniger Altnazis – dafür aber jede Menge Neue, gerade im Gewand von „Islam-/ Migrations-Kritikern“ usw…
    Beim Oktoberfestattentat spielten MMN v.A. die Verbindungen zu NATO & ‚tiefem Staat‘ eine Rolle – daß die Ausführenden Nazis waren war MMN nur Mittel zum Zweck, a la „gesinnungstechnisch zuverlässig“ im Rahmen des Auftrags…

    Speziell beim NSU bin ich mir auch nicht so sicher, ob es da ausschließlich um rechte Ideologie bzw deren Anhänger beim VS oder Polizei geht … aber wie gesagt.

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  103. Garfield schreibt:

    was anderes:

    >> darüber, daß ich meine letzte demo nach dem massaker auf den tianmen für eine ausgemachte dummheit halte und so zynisch bin, “meine leute” als geopfert zu akzptieren, weil heute chinesen nahrungstechnisch im überfluss schwelgen können, statt sich in den 90ern in einen bürgerkrieg gegenseitig vernichtet zu haben, herrscht einverständnis.

    mW hat die angesprochene Entwicklung China aber auch viele Nachteile beschert, z.B. eine große Armutsschere inkl. sozialen Unruhen beschert; während es weiterhin teils [gesundheitlich] miserable Produktionsbedingungen & Kinderarbeit gibt.

    hat diese Entwicklung nicht v.A. ne privilegierte Kaste zu Lasten einer „Minderheit“ geschaffen…?

    ansonsten würd ich China auch nicht grad das Land der Glückseligkeit nennen; fast alle Punkte, die z.B. bei RUS kritisiert werden, übertrifft das Land z.T. haushoch:
    Demokratie (RUS ist auch de facto demokratischer, nicht nur als China sondern auch die USA btw) // Justiz (ausgesetzte Todesstrafe vs öffentl. Massenhinrichtungen) // Imperialismus (s. z.B. dein Link; Philippinen, Vietnam, Indien…) // Meinungsfreiheit & Zensur (in RUS kommen vllt Killer wenn man Kadyrow beleidigt & Putin hält sich seine Oligarchen gefügig, sonst ist Kritik aber möglich – in China werden dagegen nicht nur Reg-Kritiker weggesperrt, das Land hält regelmäßig den Rekord inhaftierter Reporter, die Online-Überwachung & das Blockieren internationaler Sites…)

    Agesehn von „protokollarischen“ Mahnungen, „Menschenrechte blablabla“ – als Handelspartner auf (Über-)Augenhöhe interessiert Merkel sowas natürlich weniger…
    ein gutes Beispiel für den Titel wär China aber schon, „wann ist ein Kommunist [noch] ein Kommunist“

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  104. hardy schreibt:

    [..] das meiste natürlich nicht (wirklich) erlebt

    garfield, bitte im auge behalten, daß ich seit 30 jahren programmierer bin und fragen sachlich meine, um zu verstehen. man kann man nämlich froh sein, einen haufen mist erst gar nicht erlebt zu haben und dieses „so was wie euch hätte man früher vergast!“ verpasst haben – oder das strauß’sche „ratten und schmeissfliegen“ ;-)

    also ohne das gefühl, ungeziefer zu sein, das vernichtet werden muss.

    ich weiss nicht, ob du „der blinde fleck“ in (oops. ÖR/GEZ …) der ARD gesehen hast. das ist zwei jahre nach dem interview mit ströbele und die sache ist wieder eröffnet. die namen derer, die vertuscht haben, sind bekannt (leider die meisten tot), aber es wird wieder ermittelt und daher auch mein 35 jahre.

    oder die attentate in italien, bologna, die loge p2, „gladio“ … womit wir bei deinem „deep state“ wären. natürlich vermute ich wie du wahrscheinlich auch, daß es der „deep state“ ist, der hier ganz bewusst sich ein paar jungs „hält“, um zum rechten zeitpunkt terror zu schüren. daß es leute in geheimdiensten gibt, die ein spiel spielen. das habe ich auch in richtung RAF, der ja mal meine ganze sympathie galt gedacht. es war halt so, daß man – damals jung – beim mord an benno ohnesorg und dem anschlag auf dutschke das gefühl zu haben, die „elterngeneration“ lasse auf ihre kinder schiessen und – nach dem verdikt von schmidt, jeder junge mann zwischen 17 und 30 solle in den nächsten monaten mal in den lauf einer MP blicken, die machtverhältnisse klar verstanden haben.

    es ist das eine, darüber zu reden … und das andere nachts am waldrand, gerade eine tüte durchgezogen, die pistole eines jungen, arg ängstlichen polizisten in deine richtung zielen zu sehen. wenn ich das erzähle, ist das für dich eine erzählung, für mich eine schockierende erfahrung und ein moment größter angst.

    [..] die Ausführenden Nazis waren war MMN nur Mittel zum Zweck

    ich glaube, man stellt sich das immer falsch vor, wie das so läuft:

    der „tiefe staat“ steuert diese leute nicht, er läßt sie gewähren oder protegiert sie – und schubst sie nur gelegentlich in eine bestimmte richtung.

    die „wehrsportgruppe hoffmann“ spielte btw. in just jenem wald, in dem ich die tüte geraucht und den „bullen“ gesehen habe, eine truppe von „irren“ wie strauss meinte … und wenn wir damals gegen die NPD in völklngen etwa auf die strasse gingen, wurden _wir_ vom verfassungsschutz geknippst und nicht _die_.

    so ähnlich ist es ja heute auch, wenn du gegen nazis aktiv bist, musst du deine eignung beweisen, wenn du förderung erhalten willst. wenn in deinem dorf ein heim niederbrennt, gibt es keine hundertschaft, die die wohnungen durchkämmt, dann wird öffentlich gebarmt und ein verbot der NPD beantragt – statt daß die politiker in den spiegel gucken und sich fragen, wer hier wirklich den boden bereitet hat.

    wir sind sehr OT, aber – wenn wir den bezug wieder kriegen wollen – wie gesagt: daß jemand ein „marxist“ wird oder ein „nazi“ ist eine frage des zufalls und der peer group, beide haben ihre staatlichen beschützer und unterscheiden sich im kern nur wenig, was ihre innere verfasstheit angeht oder dieses beiden zugrunde liegende „rudeldenken“.

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  105. hardy schreibt:

    [..] hat diese Entwicklung nicht v.A. ne privilegierte
    [..] Kaste zu Lasten einer “Minderheit” geschaffen…?

    ich habe da, zu meinem großen glück & vor allem entzücken, menschen in der garage sitzen, die die kleinen dinge erzählen, aus denen sich auf das „große“ schliessen läßt. also so etwas wie „früher hatten wir ja auch genug zu essen, aber heute leben wir im überfluss“. natürlich gibt es bei einem volk in dieser große ungleichgewichte und natürlich haben nicht alle teil an diesem überfluss … so ist das ja auch bei uns. und wenn wir die relationen sehen, die geschichte, die entwicklung, dann können wir nicht mit stolzgeschwellter brust durch die gegend laufen.

    die sind da, wo wir in den 60ern waren. „wirtschaftswunder“. damals waren die bayern ein hungriges und armes bergvölkchen ;-)

    ich habe, ich weiss nicht, ob du das gelesen hast, für einen chinesischen freund seine masterarbeit über „brecht, den kaukasischen kreidekreis und die chinesischen philosophien“ redigiert und an langen abenden gerade den letzten themenkreis (dào, konfuzianismus und mohismus) besprochen. glücklicherweise hat mich (achtung, ÖR/GEZ alarm) ruth kirchner sehr gut auf diese gespräche vorbereitet, ich verstehe also ein klitzekleines bißchen was davon, das „fremde“ auch als „fremd“ zu begreifen und, daß es ein fehler ist, unser denken mit dem eines chinesen zu verwechseln.

    konfuzianismus betrachtet den einzelnen als teil von etwas, das ziel ist harmonie im ameisenhaufen. der mohismus fügt die note des „tue dinge, die anderen nützen“ hinzu, nimmt also das „unterordnen“ ein wenig raus und erklärt, wozu der ameisenhaufen als solcher gut ist.

    wir sind kein ameisenhaufen – eher ein ziemlicher „sauhaufen“, in dem jeder seine extrawurst haben will. uns ist doch das gesamt schnuppe und wenn, dann kommen solche ideen in form eines „marxismus“ oder „faschismus“ – aber leider nie in dem gewande eines strebens nach harmonie.

    uns gruselt ja schon bei dem gedanken nach „harmonie“ … weil wir es nicht wirklich verstehen, wovon die rede ist. wir denken, das ist etwas von oben verordnetes, der konfuzianismus eine theorie, die es „denen da oben“ erlaubt, die „da unten“ zu „schuriegeln“ (sagt man das noch?). das ist ein vollkommenes mißverständnis, das etwas über uns aussagt – und rein gar nix über „die chinesen“. die streben danach, mit sich selbst in harmonie zu sein und so von unten nach oben auch harmonie zu erzeugen.

    der „kaiser“ oder die „partei“ übt sich eher in der kunst des „dào“, des „nicht tuns“ oder des „unterlassens“. je weniger er eingreift, um so besser. man muss an der stelle wirklich begreifen, daß es das „getane“ und das „unterlassene“ gibt und seinen blick auf letzteres richten.

    natürlich reguliert die partei, aber sie unterläßt eben auch.

    [..] „wann ist ein Kommunist [noch] ein Kommunist”

    ihr marxismus ist zu einer mischung von dào, konfuzianismus und – vor allem – mohismus (im sinne von gegenseitigem nutzen) mutiert. versuch mal, das mit deren augen zu sehen und nicht mit unseren.

    in unserer welt kämpfen zwei prinzipien gegeneinander: die aufklärung und die voraufklärung, also die sehnsucht nach einer welt, in der die dinge eine „natürliche ordnung“ haben, die in wirklichkeit zwangsherrschaft über andere ist.

    der gedanke des ausgleichs, des miteinander – so würde ich das zur aufgeklärten ideologie verkommene christentum, das wir „marxismus“ zu nennen pflegen – verstehen: als „voraufklärung“ im gewande der aufklärung, weil wir einfach nicht vom oben und unten lassen können. nur, daß uns eben der marxismus statt des „blutrechts“ (von g*tt da installiert) die chance bietet, selbst mal „da oben“ zu sein und die anderen herumschubsen zu können.

    sorry für die länge, liegen mir halt sehr am herzen die themen.

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  106. hANNES wURST schreibt:

    Oh mein Gott, sie haben Mechthild getötet. – Ihr Schweine!

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  107. hardy schreibt:

    ach ja, nur um nicht missverstanden zu werden, während wir die woche die seidenstrasse diskutierten, war auf meinem bildschirm dieses photo zu sehen

    das ich an dem tag auf meinem „teemenschen“-tumblr gepostet hatte. mir geht es nicht um die haltung einer partei, mich beeindruckt eher die geste des „lass uns den tee / den reis miteinander teilen“ als die zur faust geballte hand am ende eines ausgestreckten arms,

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  108. genova68 schreibt:

    Ich schließe mich André an :-)

    Venezuela und Kuba: Da kann man sicher viel Gutes erkennen, was das Engagement gegen Kapitalismus angeht, keine Frage. Aber mittlerweile ist Venezuela wohl weit von einem Vorzeigemodell entfernt und über Kuba las ich kürzlich im SZ-Magazin den Bericht eines deutschen Studenten in Kuba. Er studierte dort Philosophie und meinte, es gebe keinerlei Diskussionen über den status quo, es gibt keine Meinungsfreiheit, kritische Fragen dürften nicht diskutiert werden, alle versuchten nur, an Dollars zu kommen, um halbwegs erträglich zu leben. Wer ein Zimmer untervermietet, kann im Gefängnis landen etc.

    Es ist leider eine Spur, die sich durch die meisten Versuche einer menschlicheren Gesellschaft zieht.

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  109. Garfield schreibt:

    hardy
    >> ich habe da, zu meinem großen glück & vor allem entzücken, menschen in der garage sitzen, die die kleinen dinge erzählen, aus denen sich auf das “große” schliessen läßt. also so etwas wie “früher hatten wir ja auch genug zu essen, aber heute leben wir im überfluss”. natürlich gibt es bei einem volk in dieser große ungleichgewichte und natürlich haben nicht alle teil an diesem überfluss … so ist das ja auch bei uns. und wenn wir die relationen sehen, die geschichte, die entwicklung, dann können wir nicht mit stolzgeschwellter brust durch die gegend laufen.

    ich hab weniger Bekannte aus dem „Fernen Osten“, bis auf Leute die dort arbeiten, soweit kann ich mich natürlich nur an das halten was in Medien geschrieben wird… demnach ist es dort aber schon ein bißchen krasser, deshalb auch „Minderheit“ in Anführungsstrichen.
    GINI ist natürlich auch so ne Sache (hier btw ein interessanter Text dazu)… laut Yasheng Huang / „MIT Sloan“ hat sich die Zahl der Analphabeten und Armen seit 2000 immerhin verdoppelt (beides ca. 110 Mio)

    genova
    >> du schreibst einerseits, dass du nichts gegen die Staatsgewalt hast und andererseits: […]

    hört sich vllt bißchen infantil an, deshalb nochmal zur Klarstellung: natürlich hab ich nix gg die, ich will ja nicht in Somalia leben…
    Wenn der Rechtsweg erschöpft ist & du in ein Krisengebiet abgeschoben werden sollst, wirst du aber wohl vergeblich an Mitgefühl o.Ä. appellieren.
    Moral ist einfach ne komplett andere Baustelle.

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  110. hardy schreibt:

    @genova

    für mich ist die nachrichtenlage in richtung kuba eher dünner und aus venezuela höre ich auch eher weniger. wenn ich darüber nachdenke, denke ich auch weniger über ein „engagement gegen den kapitalismus“ nach, als darüber, wie sich das leben der leute dort konkret gestaltet, haben sie hunger, sind sie medizinisch gut versorgt, bedrängt das system den einzelnen und wenn ja, wie. oder „warum ist das so?“ in sachen kuba habe ich vieles gesehen, wo sich ein system gezwungenermassen verhalten musste, in venezuela haben die, die den versuch gewagt haben, einiges schlicht ohne not vermasselt.

    ich bin ja auch kein „marxist“ und „gegen den kapitalismus“, ich mag ihn in seiner „rheinischen variante“, mit der ich groß geworden bin und die dann in ab den 80ern durch diese „neoliberale raubtiervariante“ verdrängt wurde. jüngere kennen nur noch diese sicht der dinge und ich kann schon verstehen, woher dieser ärger kommt.

    mich hat er leidlich ernährt und mir die gelegenheit gegeben, die dinge so zu machen, wie ich das wollte, ohne dass ein ordnendes kollektiv über meinen raum bestimmen konnte.was wiederum nicht heisst, daß ich die kritik an seinen auswüchsen nicht vollumfassend teile.

    @garfield

    ich hab ja den link auf ruth kirchner gesetzt: beste quelle von allen, den blick auf die leute gerichtet, in der lage den unterschied begreifbar zu machen.ich weigere mich, irgendwas in den MSM zu lesen, weil in allem diese hybris des „an unserem wesen“ mitschwingt. es wird immer unter der oberfläche eine „Hunnenrede“ gehalten. wenn zahlen und fakten präsentiert werden, dann immer in dieser absicht und mit diesem subtext. hier ist wirklich das ohr der weg und ruth kirchner eine gute erzählerin. als ich „meiner ersten chinesin“ (bitte das kichern mithören) begegnete, saßen wir im auto und haben über bo xilai gesprochen, nicht weil seine frau da gerade in der bredouille war, sondern über das, wofür er stand: die maoistische seite. und wir haben über meine „maobibel“ und meinen „maoismus“ der 70er gekichert. danke, ruth kirchner (jetzt habe ich den namen hoffentlich wirklich oft genug gedroppt …)

    ganz allgemein: man sollte (ich habe) die lektüre der MSM komplett aufgeben und lieber den DLF hören. den bezahlen wir, erster bezahlen deren anzeigenkunden. der berichtet 5 minuten über ein thema (oder 20, wenn ich mal den hintergrund politik gegen 18:40 ins spiel bringen darf), das TV nur 30 sekunden

    noch mal der hinweis auf meinen „eigentlichen“ blog, der klick auf das „playlist“ neben dem datum füllt den player mit dem, was ich gehört habe und „anrate“,

    http://www.tv3.de/medienverlag/news-aus-radio-und-presse.html

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  111. Lemmy Caution schreibt:

    Ich würde Adam Smith als einen weniger bedeutenden Denker ansehen, wenn Lateinamerika in meiner allgemeinen Wahrnehmung *nicht* eine so wichtige Rolle einnehmen würde. Dort schaffen es Regierungen immer wieder die Signalwirkung der relativen Preise für die Knappheit der verschiedenen Ressourcen ausser Kraft zu setzen. Und dann gnade den jeweiligen Mitgliedern der Gesellschaft Gott.
    Gleichzeitig handelt es sich natürlich auch um die Region mit den ausgeprägtesten Gegensätzen in den Lebensverhältnissen zwischen den sozialen Gruppen.

    Mein Problem mit den Regierungen gerade Kubas und Venezuelas besteht darin, dass die so aggressiv versuchen anderen ihre Interpretation der Realität aufzuoktroyieren. Und ich halte deren Interpretation der Realität darüber hinaus für ausgesprochen dumm, gierig und scheinheilig.

    Der Grund warum in lateinamerikastreifenden Debatten in Deutschland ausgerechnet Kuba und Venezuela eine so herausgehobene Rolle spielen ist für mich sehr traurig: Diese Regierungen geben einfach am meisten Geld für ausländische Propagandisten aus. Die Regierungen in Bolivien und Ecuador waren aus meiner Sicht interessanter, aber Werbung wirkt halt selbst wenn ihr sie teilweise durchschaut.

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  112. genova68 schreibt:

    Lemmy,
    das Thema Bolivien hatten wir vor einer Weile ja mal hier. Stimmt schon, das geht hierzulande unter, obwohl es mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Falls dir dazu etwas einfällt, kannst du es gerne hier loswerden:

    60 Prozent für Morales: Darauf eine Tasse Cocatee

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