Bekenntnis eines demnächst Unpolitischen

Die Syriza hat zwölf Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses eine Koalition mit dumpfen Rechtspopulisten unter Dach und Fach, ihr neuer Außenminister zeigt eine bemerkenswerte Nähe zu dem russischen Faschisten Alexander Dugin, der neue und smarte Finanzminister hat angeblich (es finden sich keine O-Töne) antisemitische Stereotype über einen australischen Radiosender verbreitet, Tsipras spricht vom drohenden „sozialen Holocaust“ in Griechenland, die linksliberale Partei To Potami hat Tsipras eine Koalition angeboten, über die dieser nicht einmal sprechen wollte und Sahra Wagenknecht meint, Syriza habe keine andere Wahl gehabt.

Vielleicht fällt Syriza nun auf die Füße, was mir vor zwei Jahren in Athen bei einer großen linken Demo aufgefallen ist: Am Rande wurden griechische Flaggen verkauft. In einem Land, in dem die Korruption blüht und Vermögende immer noch kaum Steuern zahlen.

Wofür steht diese bekloppte Flagge?

Ich schätze, ich werde so langsam unpolitisch. Dann muss ich mich um solchen Krempel nicht mehr kümmern. Es lohnt nicht.

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58 Antworten zu Bekenntnis eines demnächst Unpolitischen

  1. genova68 schreibt:

    cooler kommentar :-)

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  2. Observator schreibt:

    „Ich schätze, ich werde so langsam unpolitisch.“ Das geht nicht, es gibt keinen Weg zurück!

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  3. Klaus Jarchow schreibt:

    Man muss ihn nicht mögen (ich mag ihn auch nicht), aber gesagt hat er nun mal das: “We see that Orthodoxy, which Mr Samaras cites in his article, his government took most of the decisions that are against the Church of Greece; cremation, civil partnerships for homosexuals, taxation just for the Orthodox religion. Buddhists, Jews, Muslims are not taxed, the Orthodox Church is taxed and in fact is at risk of losing its monastery assets,” Kammenos said.

    Was die ‚Welt‘ dann aus dieser seiner Aussage machte, dass nur der griechisch-orthodoxen Kirche neue steuerliche Auflagen gemacht würden, den anderen Religionsgemeinschaften aber nicht, das ist schon abenteuerlich. Es ist ein weiter Weg von dieser Ausage bis zum Antisemitismus.

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  4. Herr Karl schreibt:

    Der Journalist Stefan Laurin (Herausgeber des linken Blogs „Ruhrbarone“) schreibt auch für die Welt. Seine Artikel schätze ich sehr.

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  5. Klaus Jarchow schreibt:

    Tscha – die Welt leistete sich neben den üblichen Hardcore-Libertären und Steißtrommlern wie Dorothea Siems, Andrea Seibel oder Ulf Poschardt immer auch ein paar zurechnungsfähige Journalisten, um als ‚Weltblatt‘ glaubwürdig zu bleiben. Der Thomas Schmid (ehemals Mitglied beim Frankfurter ‚Revolutionären Kampf‘) oder der Alan Posener (ex-KPD-AO) schreiben auch manchmal heute noch ganz kluge Sachen.

    Das ändert aber nichts daran, dass ich die ‚Welt‘ nur mit ganz spitzen Fingern anfasse …

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  6. summacumlaudeblog schreibt:

    Die „Linke“ zusammen mit Lucke gegen das „System“, das wäre die deutsche Variante. Über soziale Analyse und den Willen, die Ergebnisse dieser Analyse in Politik umzusetzen, triumphiert spielend ein Napoleon im Westentaschenformat.

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  7. sol1 schreibt:

    ..es finden sich keine O-Töne…

    Die O-Töne finden sich hier:

    http://www.icjs-online.org/index.php?eid=702&ICJS=2394&article=655

    Ich halte den Kommentar in der Welt für einen plumpen Versuch, einen heterodoxen Ökonomen zu verunglimpfen, der momentan der gefährlichste Mann für die „Rettungsroutiniers“ in Berlin, Frankfurt und Brüssel ist.

    Da Griechenland sich schnurstracks auf einen nationalen Notstand zubewegt, ist auch die Wahl des eher unappetitlichen Koalitionspartners nachvollziehbar (lustig finde ich es, daß sie von Leuten verteidigt wird, die ansonsten gegen die „Nazis in Kiew“ toben). To Potami sähe auf dem Papier natürlich netter aus, allerdings halte ich es für möglich, daß sich dort diverse U-Boote des alten Systems tummeln, die Versuche der neuen Regierung, bessere Konditionen auszuhandeln, sabotieren würden.

    Wofür steht diese bekloppte Flagge?

    Die neun Streifen entsprechen den neun Silben des Wahlspruchs des griechischen Befreiungskrieges: Ε-λευ-θε-ρί-α ή Θά-να-τος (E-lef-the-rí-a i thá-na-tos, deutsch Freiheit oder Tod).

    https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_Griechenlands

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  8. genova68 schreibt:

    Observator,

    “Ich schätze, ich werde so langsam unpolitisch.” Das geht nicht, es gibt keinen Weg zurück!

    Doch, doch, vielleicht überlege ich es mir morgen schon anders :-)

    Klaus Jarchow,
    danke für den Link, ich hatte den Misik schon gelesen. Ich meinte aber nicht den Koalitionspartner, sondern den Syriza-Finanzminister.

    sol,
    danke für den Link! Das, was Varoufakis da sagt, sollte drin sein. Denke ich. Oder? Widerspruch?

    Die Israelis benehmen sich dort bekanntlich in der Tat daneben, die müssen sich über Groll und Aggressivität nicht wundern. Es ist eine faktische Besatzung und Unterdrückung, Palästina ist ein besetztes Land, eigentlich gar nicht existierend und die Besatzung wird immer weiter geführt. Wenn man Jersualem Richtung Osten verlässt, kommt kein Grenzschild und keine Grenze, stattdessen Kilometerangaben nach Eilat etc. Man fährt faktisch weiter durch Israel.

    Andererseits ist es dort eine schwierige Situation. Ich vermute, dass die Stimmung in Deutschland bei so einer Bedrohungslage, wie sie Israel ausgesetzt ist, extremer, vernichtender wäre. Was soll man da raten? Zumindest sehe ich einen Unterschied, ob sich ein Grieche diesbezüglich äußert oder ein Deutscher.

    Schön zu sehen, wie die Welt (und in der Folge Fleischhauer im Spiegel journalistische Standards verletzen und einfach behaupten, diese Äußerungen seien antisemitisch gewesen, ohne die Quelle zu verlinken. Sowas würde ich auch Antisemitismuskeule nennen. Es ist eine Instrumentalisierung von Juden. Der Typ aus der Welt, dieser Historiker, ist eh eine Pfeife, wie die Welt im allgemeinen, ein neoliberales Kampfblatt ohne Geist, die Ausnahmen wurden von Klaus Jarchow genannt.

    Die Frage ist dabei halt immer, warum ausgerechnet auf Israel rumgehackt wird und alle möglichen anderen Konflikte auf der Welt ignoriert werden. Die Frage wäre also, warum ein Grieche mit australischem Pass in einem australischen Radio überhaupt Israel thematisiert.

    Ich saß mal an eine knappe Stunde an der Grenze zwischen Ramallah und Jerusalem fest, in einem Käfig mit vielen anderen, eine dort normale Grenzprodzedur. Das war das einzige Mal in meinem Leben, in dem ich ein Gefühl von Platzangst bekam. Und nachdem die meinen EU-Pass gesehen hatten, war ich draußen. Die anderen nicht.

    Und, Karl,
    der Laurin ist sicher teilweise lesenswert, aber er ist auf einem Auge blind. Du wirst von dem nie etwas israelkritisches hören, insofern kann ich den nur bedingt ernst nehmen. Der gehört zu der verrückten Fraktion mit Lizas Welt und SoE. Wer in diesem Konflikt einseitig ist, hat sich automatisch disqualifiziert. Ein Dogmatiker. Und einen sehr guten Kommentar von mir hat er vor einer Weile bei den ruhrbaronen nicht freigeschaltet. Das spricht Bände :-)

    Zu To Potami, das mindeste wären Gespräche gewesen. Zwölf Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Koaltion: nö.

    Zudem: Der neue Verteidigungsminister ist von Anel. Der griechische Verteidigungshaushalt betrug 2013 2,3 Prozent vom BIP, Deutschland 1,3 Prozent, Italien 1,2 Prozent, Spanien: 0,9 Prozent. Mich würde es wundern, wenn dort nun gespart werden kann mit dem Anel-Mann. Eine Geldquelle wäre damit schon versiegt.

    Mit so einer Scheißpartei so schnell zu koalieren, nun ja, sagen wir, wir kennen uns mit den griechischen Verhältnissen nicht aus.

    Wie auch immer: Dieser Querfrontmüll ist unangenehm, ob mit oder ohne Antisemitismus. Ich bezweifle, dass daraus irgendwas vernünftiges entstehen kann. Du kannst in der Koalition mit so einer Partei dich nur schlecht von Menschenfeindlichkeit distanzieren, und dann wars das eben. Zumal Griechenland vermutlich die Hände gebunden sind. Und Tsipras hat, interessanterweise im Duett mit Zizek, der Querfront schon vor Jahren das Wort geredet. Ich erwarte da nichts Gutes.

    Wir hier müssten der Merkel aufs Maul hauen, das wäre eigentlich unser Job.

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  9. Lemmy Caution schreibt:

    Politik ist sowieso zu einem gewaltigen Teil blödes Theater.
    Demokratie ist halt kein dolles System, sondern alternative Systeme wie Monarchie, Anarchie, Diktatur des Proletariats oder Militär-Diktatur wären noch schlechter.
    Ich wünsch dem jedenfalls das Beste.
    Dani Rodrik hat die Wahl begrüsst. Der ist Jude und Türke.
    Sobald ich das perpher mitbekommen hab, wäre die Alternative eine Koalition mit der neuen Papandreou Partei. Da kann ich irgendwie die Entscheidung für die Ultranationalisten nachvollziehen.
    Schaun wir mal. Alles fließt. Das muss nicht bös enden.

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  10. genova68 schreibt:

    „Demokratie ist halt kein dolles System, sondern alternative Systeme wie Monarchie, Anarchie, Diktatur des Proletariats oder Militär-Diktatur wären noch schlechter.“

    Das kleinere Übel und etwas Gutes gibt es nicht? Das ist doch recht grundpessimistisch.

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  11. Mia San Mia schreibt:

    Gut ist, dass nun neue Kräfte mit dem Ausfegen beginnen.
    Der Wahl der ANEL ist ein notwendiger Brückenschlag ins bürgerliche Lager.

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  12. El_Mocho schreibt:

    „Das kleinere Übel und etwas Gutes gibt es nicht?“

    Angesichts der durchweg schlechteren Alternativen ist das Übel vielleicht doch recht klein. Immerhin setzen hunderttausende Menschen alles in Bewegung, um vom größeren Übel zum kleineren Übel zu gelangen und dort zu bleiben.

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  13. Klaus Jarchow schreibt:

    ‚Die‘ Demokratie gibt es genausowenig wie es ‚die‘ Juden oder ‚die‘ Linke gibt. In den USA, einem demokratischen Land, musst du heute schon ein paar Millionen einwerben, um überhaupt auf eine relevante Führungsposition zu gelangen – mit allen Abhängigkeiten, die sich daraus danach ergeben. Und manche glauben ja heute noch, dass der Putin mitsamt seiner Oligarchenbande ein ‚lupenreiner Demokrat‘ sei. In Nigeria kannst regelmäßig ‚demokratisch‘ wählen, und landest immer mit beiden Beinen in der Korruption. In Griechenland haben sich ganz demokratisch seit der Militärdiktatur immer zwei Familien die Macht unter sich aufgeteilt. Negativbeispiele zuhauf …

    Die Frage ist also immer, was das Volk aus der Demokratie macht, und wie die Frage der Moral oder Gerechtigkeit dort gelöst ist – ob utilitaristisch (Glück der Mehrheit, und wenn die Minderheit verreckt), libertär (lass den lieben Markt nur machen), kantianisch (Freiheit besteht aus den Pflichten deines inneren Imperativs), nach John Rawls (‚Unterschiedsprinzip‘, wonach nur solche Ungleichheiten erlaubt sind, die sich zum Vorteil der am wenigsten Begünstigten auswirken) oder aristotelisch (alles bestimmt sich teleologisch von übergeordneten Zwecken her).

    Zur Zeit haben wir in den meisten Ländern entweder gewählte Utilitaristen oder Libertäre an der Macht, und die Unterschiede verlaufen nicht entlang von Parteigrenzen. Trotzdem, wenn das Volk blöd wählt, ist das kein Grund, die Demokratie für blöd zu halten.

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  14. genova68 schreibt:

    apropos Demokratie:

    Dieses Thema hier ist immer noch aktuell, seit 50 Jahren. Kaum zu glauben:

    http://www.tagesschau.de/europawahl/hintergruende/wanderzirkus-europaparlament100.html

    Würde man solch eine Geschichte aus einem afrikanischen Bananenstaat hören, würde es passen. Es ist ein interessantes Beispiel für die Allmacht von Bürokratie in der Moderne. Es scheint kein Kraut dagegen gewachsen zu sein. Wir haben nun mal Regeln und Gesetze.

    So wie kürzlich eine Österreicherin 100 Euro zahlen musste, weil sie zwei Sekunden vor Umschalten auf grün mit dem Rad passierte.

    Hat auch etwas mit Orwell zu tun und der Angst, irgendwer könnte sich frei regeln außerhalb des staatlich festgelegten.

    In gewisser Weise leben wir heute viel totalitärer als das jemals in der Geschichte der Fall war.

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  15. sol1 schreibt:

    Die Frage ist dabei halt immer, warum ausgerechnet auf Israel rumgehackt wird und alle möglichen anderen Konflikte auf der Welt ignoriert werden. Die Frage wäre also, warum ein Grieche mit australischem Pass in einem australischen Radio überhaupt Israel thematisiert.

    Varoufakis hat dazu ausführlich Stellung bezogen in seinem Blog:

    Antisemitism’s handmaidens

    Auch das hat der Welt-Schreiberling offenbar bewußt unterschlagen, da er den übergeordneten Eintrag verlinkt hat.

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  16. sol1 schreibt:

    Mich würde es wundern, wenn dort nun gespart werden kann mit dem Anel-Mann.

    Der wird die finanziellen Vorgaben von Syriza umsetzen müssen, wenn er seinen Posten behalten will.

    Mit so einer Scheißpartei so schnell zu koalieren, nun ja, sagen wir, wir kennen uns mit den griechischen Verhältnissen nicht aus.

    „Aus der Sicht von Syriza war die Koalition mit den Rechten sehr vernünftig“, analysiert Politikexperte Loulis, „denn alles, was Kammenos wollte, war ein Ministerium für sich, und ein paar zweitrangige Positionen für seine Kader. Also warum nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der keine Probleme macht? Dabei schickt Syriza-Führer Alexis Tsipras auch eine wichtige Botschaft an die Griechen: Schaut, ich kann sogar mit einem Rechtsradikalen kooperieren.“

    http://kurier.at/politik/ausland/griechenland-spargegner-am-regierungsruder/110.519.338

    Wir sollten nicht vergessen, daß es in Griechenland von 1946 bis 1949 einen Bürgerkrieg zwischen kommunistischen Rebellen und einer konservativen Regierung gab und von 1967 bis 1974 eine Militärdiktatur. Das sind historische Altlasen, die womöglich noch größer sind als etwa die in Spanien.

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  17. Klaus Jarchow schreibt:

    Die israelische Demokratie hat gewissermaßen ein ‚Front-National-Problem‘. Das heißt dort nur anders, nämlich Schas-Partei (neben anderen religiös verrannten Splitterparteien). Der ziemlich weltliche Bibi Netanjahu kungelt deshalb mit den radikalen Talmudisten, weil er halt gern Presidente ist. Die Folge ist, dass eine Groß-Israel-Politik betrieben wird, und zwar allemal auf Kosten der dort lebenden Palästinenser. Das Ziel ist ein Israel in den Grenzen von ‚Anno Moses‘, und die eingeborene Palästinenser-Bevölkerung soll gefälligst sehen, wo sie bleibt. Ihnen hat Gott ja nie ein gelobtes Land versprochen. Der Unterschied zwischen den Putinisten und diesen Talmudisten ist daher ziemlich marginal …

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  18. Klaus Jarchow schreibt:

    @ sol1: Du vergisst, dass es dort noch eine wesentlich stärkere und offen faschistische Kraft gibt, die ‚goldenen Morgenröte‘. Der Pakt mit Kammenos stopft gewissermaßen diesen Faschisten das Maul, die bei einer rein linken Regierung wohl außer Rand und Band geraten wären. Denn ‚Härten‘ wird auch die Syriza durchziehen müssen, à la Robin Hood nur den Reichen zu nehmen, das wird nicht genügen.

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  19. sol1 schreibt:

    Du vergisst, dass es dort noch eine wesentlich stärkere und offen faschistische Kraft gibt, die ‘goldenen Morgenröte’…

    …die obendrein gute Verbindungen zur Polizei und zum alten politischen Establishment hat:

    Dass der braune Mob lange Zeit nahezu ungestört wüten konnte, lag aber auch an der engen Verquickung mit staatlichen Ordnungskräften und der Politik. So rief Parteisprecher Kasidiaris gern in der Regierungskanzlei an, wenn er Rat brauchte. Von dem Generalsekretär der Regierung, Takis Baltakos, einer Art Staatsminister, holte sich der Neonazi schon mal Tipps zum Abstimmungsverhalten seiner Fraktion bei heiklen Themen. Bei ihm fand er auch Beistand, seit die Staatsanwälte gegen die Morgenröte ermitteln.

    (…)

    Große Sympathie genießen die Rechten auch bei den Sicherheitskräften. In speziellen Wahllokalen für die Polizei lagen ihre Ergebnisse deutlich über dem Landesdurchschnitt, zum Teil bekamen sie über 20 Prozent. Viele Beamte waren Mitglieder der Partei und zogen sich in ihrer Freizeit die Kluft der Sturmtruppen über.

    In einer Dokumentation der Direktion für Interne Ermittlungen, die der Staatsanwaltschaft übergeben wurde, wird das enge Zusammenspiel von Polizei und Extremisten in 130 Fällen festgehalten. Die Beispiele zeigen, dass sich demnach vielerorts Polizisten systematisch weigerten, Anzeigen von Ausländern aufzunehmen – und dafür von der Morgenröte manchmal sogar bezahlt wurden. Wie sie Flüchtlinge rassistisch beschimpften, bei Überfällen wegschauten oder sich nach Dienstschluss daran beteiligten. Im Gefängnis von Amygdaleza habe ein Beamter im Namen der Morgenröte auf ausländische Häftlinge eingeprügelt. Die Liste dieser und ähnlicher Taten, die dem ebenfalls vorliegt, ist lang und erschütternd.

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130093009.html

    Wie Georg Diez in seiner letzten Kolumne geschrieben hat – Politik ist kein Ponyhof.

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  20. sol1 schreibt:

    ZEIT ONLINE: Alexis Tsipras hat gleich nach der Wahl ein Denkmal für den Widerstand gegen Nazi-Deutschland besucht. Auch das ist als Provokation verstanden worden. Ebenfalls ein Missverständnis?

    Varoufakis: Bei uns ist die Partei Goldene Morgenröte zur drittstärksten Kraft im Parlament aufgestiegen. Das sind keine Neonazis, das sind Nazis. Wir müssen sie bekämpfen, immer und überall. An dem Denkmal Rosen niederzulegen, war eine Botschaft an die Nazis in meinem Land. Es war kein Signal in Richtung Deutschlands.

    http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/yanis-varoufakis-griechenland-finanzminister-inhalt-interview/komplettansicht

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  21. summacumlaudeblog schreibt:

    Interessant zu sehen, wie hier mit tartuffehaften, „dialektischen“ Wendungen eine solche Links-Rechts Koalition „begründet“ – ich vermute eher vor sich selbst gerechtfertigt wird. All die Verharmloser eines Zusammengehens mit Wutbürger-Rechts halten bitte dann auch das Maul, wenn die CDU mit der AfD zusammen geht. Aber klar, das ist dann natürlich ganz etwas anderes.
    Das ist eines der wesentlichen Gründe für immerwährendes linkes Scheitern: Haltlose Entscheidungen aus dem Zentralrat werden mit ungeheuerlichsten dialektischen Begründungen dann doch für „notwendig“ erklärt, damit der dialektische Geschichtsverlauf sich erfülle. Die Nähe dieser Argumentationsstruktur zum Beispiel zur Katholischen Kirche und zur dogmatischen Theologie ist evident. Beim Hitler-Stalin-Pakt war es nicht anders.

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  22. genova68 schreibt:

    Der Besuch des Anti-Nazidenkmals von Tsipras war natürlich ein Signal an Deutschland, wenn gleichzeitig Reparationsforderungen erhoben werden. Es ist typisch für Politiker, zuerst vorzupreschen, Signale zu senden und danach zu relativieren.

    Der rechte Verteidigungsminister wird vermutlicht nicht einer Halbierung seines Etats zustimmen. Er ist Minister.

    Ansonsten würde mich interessieren, wie linke Griechen das sehen. Umfragen o.ä.

    P.S.: In Bezug auf den Radiobeitrag von Varoufakis würde ich meinen Beitrag von oben ergänzen, dass er erstens bedenklicherweise von israelischem „Sadismus“ spricht, zweitens ein gewisses Verständnis für palästinensische Bombenattentate zeigt und drittens die besondere geographische und politische Situation Israels außer Acht lässt. Der schnelle und komplette Rückzug Israels aus der Westbank wäre vermutlich der Anfang vom Ende Israels.

    Es ist alles zweischneidig.

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  23. sol1 schreibt:

    Haltlose Entscheidungen aus dem Zentralrat…

    Weder ich noch (soweit ich weiß) Klaus Jarchow waren jemals Mitglied einer Partei mit einem Zentralrat.

    Ich bin noch nicht einmal ein Fan von Syriza – aber ich bewundere jenen Mann, dessen höchst lesenswertes Buch mir vor gut zwei Jahren in die Hände fiel und der vor vier Wochen seinen Einstieg in die Politik so begründete:

    Regular readers of this blog are familiar with my efforts to come up with a sensible, modest proposal for resolving the euro crisis. Such proposals have no chance, I have now understood, until and unless they are tabled at the Eurogroup, in Econfin at the EU summit.

    This is the reason that when Alexis Tsipras honoured me with the offer to run for an Athens parliamentary seat, and with a view to play a role in Greece’s negotiation with Berlin, Frankfurt and Brussels, I could not but accept.

    My greatest fear, now that I have tossed my hat in the ring, is that I may turn into a politician. As an antidote to that virus I intend to write my resignation letter and keep it in my inside pocket, ready to submit it the moment I sense signs of losing the commitment to speak truth to power.

    Why I am running for a parliamentary seat on SYRIZA’s ticket

    Bislang schlägt er sich wacker. Gnade uns Gott, wenn seine Bestrebungen, Europa vom verderblichen Austeritätskurs abzubringen, scheitern. Dann werden nämlich Chrysi Avgi und Konsorten triumphieren.

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  24. sol1 schreibt:

    Ansonsten würde mich interessieren, wie linke Griechen das sehen. Umfragen o.ä.

    Nach einer Umfrage des Instituts Metron Analysis im Auftrag der eher konservativen Zeitung Parapolitika sind 56% der Befragten mit dem Wahlergebnis zufrieden und nur 18% unzufrieden. Ebenfalls 56% sehen die Koalition mit der Anel positiv, negativ äußern sich hier 35%. Deren Vorsitzender Kammenos hatte übrigens vor der Wahl eine eindeutige Koalitionsaussage zugunsten Syriza gemacht im Gegensatz zu der neuen Partei To Potami, die sich alle Optionen offengehalten hatte. 60% Zustimmung erzielt der neue Finanzminister Varoufakis, 11% lehnen ihn ab. Die Ernennung von Kammenos zum Verteidigungsminister wird von 36% abgelehnt aber doch von einer knappen Mehrheit von 51% der Befragten gutgeheissen, deutlich mehr als dem Wahlergebnis seiner Partei entspraeche. (…) Noch besser für Tsipras sieht das Ergebnis einer telefonischen Umfrage (1007 Teilnehmer in ganz Griechenland, 27. bis 29.1.2015) von Public Issue für die linke Aygi aus : 70% glauben, dass Tsipras es als Ministerpräsident „schaffen wird“ im einzelnen haben 95% der Syriza-Waehler aber auch 35% der Wähler der ND Vertrauen in den neuen Ministerpräsidenten.

    http://norberthaering.de/index.php/de/newsblog2/27-german/news/242-brief-schulz-umfragen#1-weiterlesen

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  25. summacumlaudeblog schreibt:

    Die Dialektik hat den Hitler-Stalin-Pakt nicht verhindert, aber sehr wohl geholfen, ihn zu „begründen“. Freilich: Natürlich Dialektik in Anführungszeichen (wie man bei mir ja auch nachlesen kann).

    Dieselben tartuffehaften Wendungen der Tuis (Brecht!!!!!) sehe ich bei der „Begründung“ am Werk, die dafür sorgt, uns am linken Lagerfeuer das Links-Rechts-Bündnis der verrückten Wutbürger schmackhaft zu machen. Ich wenigstens mache da nicht mit. Deswegen auch mein zugegebenermaßen gemeiner Hinweis auf die CDU und Merkel und auf ein denkbares Bündnis mit der AfD. Die läppische Zurkenntnisnahme dieses Skandal-Bündnisses bei so vielen Linken aber macht mich schon sprachlos.Es passt nur leider in die jahrzehntelange politische Erfahrung.

    Der Begriff Parteilichkeit, der einstmals Parteinahme mit den Unterdrückten bedeutete, wurde schnell bedeutungsumgewandelt und meinte dann Parteitreue! Was Solidarität war, was dem gesellschaftlichen Fortschritt diente, das bestimmte das ZK und wer von dieser Linie abwich, war ein Renegad und erlitt übles. Dieselben Mechanismen sehe ich wieder am Werk. Die Unterstützung dieses Bündnisses ist derzeit Linie der „LInken“ und wenn darüber diskutiert werden soll wie z.B. hier, taumelt das Thema auf einmal Richtung Korruption in der Demokratie (was ja niemand bestreitet:nur war das gerade nicht Thema. Sondern Korruption der Linken!!!). Das nenne ich eine tartuffehafte Wendung, ein Nebelkerzenabfeuern, ein manipuliertes Sprechen oder eben „Dialektik“ (in Anführungszeichen).

    Ich bleibe dabei: Das Denken in den Spurrillen der „Parteilinie“ hat Parteinahme unmöglich gemacht. Und dieses Denken greift auch hier und soll eine Diskussion unmöglich machen. Und: Es ist eines DER Faktoren, die für immerwährendes Scheitern linker Ansätze verantwortlich sind.

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  26. genova68 schreibt:

    summa,
    ich würde dir zustimmen, allerdings übergehst du die aktuelle Situation in Griechenland, die, soweit wir das hier mitkriegen, für Hunderttausende oder Millionen absolut desolat ist. Wenn du nun konkret von Griechen, die seit Jahren kein Geld mehr bekommen, nach einer Verbesserung ihrer Situation gefragt wirst, müsstest du deine Kritik um eine konstruktive Variante ergänzen. Wie soll Tsipras mit seiner Fast-Mehrheit umgehen?

    Das hat auch mit der Haltung von Leuten wie Adorno zu tun. Theoretisch alles richtig, aber Veränderung in der Praxis wird damit weitgehend unmöglich gemacht. Es gibt kein richtiges Leben im falschen ist schnell gesagt, wenn man einen Lehrstuhl und wöchentliche Radiosendungen hat, wo radikale Kritik möglich ist. Es perfektioniert die theroetische Emanzipation und verhindert die praktische – oder kann sie verhindern.

    Aber, wie gesagt, das aktuelle Bündnis ist vor allem deshalb übel, weil es viel zu schnell verabschiedet wurde. Tspiras unterstützt nun Nationalisten.

    sol,
    danke für die Umfragehinweise. Querfront ist dort offenbar beliebt. Mir wird eher übel. Es erinnert an die reaktionären Teile der Linkspartei, an die DDR-Nostalgiker, an die Dikaturaffinen, an die Fremdarbeiter-Logik von Lafontaine, an die Antisemiten bei der Linken.

    Gut möglich, dass die Griechen Minderwertigkeitskomplexe haben, weil ihnen die Geschichte zu große Schuhe mitgegeben hat.

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  27. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaudeblog: Ausgerechnet Hitler und Stalin hier als ‚Dialektiker‘ einzuführen, das ist schon ein starkes Stück. Das waren schlicht aufgeblasene Lügner, wie heute Putin. Wenn du schon den großen Dialektiker Bert Brecht anführst, dann lies mal den Kaukasischen Kreidekreis oder den Guten Menschen von Sezuan, da erlebst du Dialektik live.

    Und Tsipras kann man vieles vorwerfen, mangelnde Parteinahme für die ‚Unterdrückten‘ sicherlich nicht. Ob er scheitern wird, ist eine ganz andere Frage … bisher ist dort vieles Symbolpolitik (Wiedereinstellung der Putzfrauen, Verzicht auf Dienstwagen etc.). Zum Knacken kommt es dann, wenn er die Machtbasen der alten Eliten schleifen muss (Finanzverwaltung, Bodenrecht, Sozialabgaben, möglicherweise Lastenausgleich etc.).

    Übrigens, welche ‚Parteilinie‘ dort bei Syriza greifen soll, diesem desolaten Zweckbündnis aus allen denkbaren Linksversprengten, das würde mich auch mal interessieren. Von jedem ‚Politbüro‘ sind die meilenweit entfernt.

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  28. Klaus Jarchow schreibt:

    @ Genova: Adorno war ja eher für die ‚Negative Dialektik‘ zuständig. Ein großer Kulturpessimist, dem schon die Hutschnur platzte, wenn er Jazzmusik hörte. Alles kulturelle Verfallszeichen für ihn – ein Oswald Spengler für Linke.

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  29. genova68 schreibt:

    Klaus,
    sorry, aber von solch einem Quatsch muss ich mich natürlich auch distanzieren. Ehrlich gesagt verrät dein Kommentar mehr über dich, als dir lieb sein kann. Meine Güte, wie viele ordinäre Vulgärlinke gibt es eigentlich? Ich habe jetzt keine Zeit.

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  30. Klaus Jarchow schreibt:

    @ genova: Ach ja? „In der Zeitschrift Europäische Revue glossierte [Adorno] das von den Nationalsozialisten durchgesetzte Verbot des „Negerjazz“ dahingehend, dass das Dekret nachträglich bestätige, was sich musikalisch bereits vollzogen habe. Auch lobte er 1934 Männerchöre, die vertonte Gedichte von Hitlers Jugendführer Baldur von Schirach sangen.“ Kulturell gesehen also konservativ bis auf die Knochen, fast ein ‚Banause‘. Soziologisch gesehen – insbesondere seine ‚Studien über den autoritären Charakter‘ – natürlich ein helles Licht. Dazu dürfte aber auch Horkheimer beigetragen haben.

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  31. genova68 schreibt:

    Du greifst den diesbezüglich einzigen wunden Punkt bei Adorno heraus und wirfst ihm vor, dass er als Jude 1934, kurz bevor er emigrierte, sich so verhalten hat. Das ist nicht fair.

    Auch den Begriff des Negers in diesem Zusammenhang gegen ihn zu verwenden, ist ahistorisch und unfair.

    Er hat sich musikwissenschaftlich völlig nachvollziehbar gegen den Vorkriegsjazz ausgesprochen und ihm die Avantgardeposition abgesprochen, die ihm von anderen angedichtet worden war. Das hat nichts mit Konservativismus zu tun.

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  32. summacumlaudeblog schreibt:

    Es ist doch nun klar, dass ich die „Linke“ hier in D und deren Parteiliniensprachregelung meinte. Fehlen Argumente wie bei Herrn Jarchow, dann werden eben Falschbehauptungen aufgestellt. Niemand hat hier Hitler und Stalin als Dialektiker bezeichnet; Bitte genauer lesen! Sehr wohl wurde aber seinerzeit von intellektuellen Linken der Pakt mit Hilfe der Parteilinien-Dialektik „begründet“. Diese Parteilinien-Dialektik konnte alles und auch dessen Gegenteil „begründen“. Das Werk von Tuis. Sie sind der Grund für das desolate Scheitern des Sozialismus und an deren Untaten werden wir noch Jahrzehnte zu knabbern haben.

    Immer schön zu sehen was passiert, wenn man linke, kritische Methoden auf die linke Bewegung selbst anwendet (das ist übrigens echte Dialektik!!!) und: Fündig wird! Wie etwa beim Begriff „autoritärer Charakter“, Der gesamte real existierende Sozialismus ist voll davon.

    Zuletzt: Die Behauptung der Alternativlosigkeit dieses Bündnisses weckt bei mir Erinnerungen. Politik ist alternativlos, soso. Wer sagte das noch einmal?

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  33. Klaus Jarchow schreibt:

    @ genova: Das ist keineswegs der ‚einzige‘ wunde Punkt. Er hat faktisch die einzige wesentliche Innovation seiner Zeit in der Musik verpennt und sich stattdessen auf Schönberg kapriziert. Und die Äußerung über den ‚Jazz‘ steht auch keineswegs allein, das ist eine Konstante, wenn auch vielleicht ohne das oben angeführte Attribut des ‚Negers‘.

    Ich könnte noch weitermachen – gern auch mit dem berühmten Satz aus den ‚Minima Moralia‘, dass es kein richtiges Leben im falschen gäbe, den die meisten ja mit Adorno verbinden. Mit ein wenig ’negativer‘ Dialektik und einer Prise Logik lässt sich daraus vom Quietismus bis zur zynischen Mitmacherei bei jeder Schweinerei so ziemlich alles ableiten. Es gibt dann eben nichts Richtiges im Falschen, also kann man – wegen der ‚herrschenden Bedingungen‘ – auch gar nichts Richtiges tun. Das ist Defaitismus in Wortgestalt, ein Satz wie ein Hexeneinmaleins. Denn, wenn es kein ‚richtiges Leben‘ gibt, wegen der falschen Umstände, dann ist es letztlich auch völlig egal, was man macht. Und wenn man diesen Satz dann gaaanz anders und summacumlaude-mäßig interpretieren wollte, dann müsste man schon ein gehöriges Maß an „Dialektik“ (in Anführungsstrichen) aufwenden, wie es die Adörnchen jeder Couleur ja durchaus tun.

    Selbst die Moral bei Adorno, dort, wo er mal ‚positiv‘ wird, die beschränkt sich im Kern darauf, dass niemand hungern solle und niemand gefoltert werden dürfe. Auch dafür gäbe es vermutlich Zustimmung von Strache bis Kipping … der Mann ist gut für die Gedankengymnastik im Proseminar, aber sonst?

    Kurzum: Adorno, ein ‚Linker‘? Ich weiß ja nicht, dazu fehlt ihm jede Potenz, an den Verhältnissen zu rütteln. Er vertraute auf das sanfte Wirken seiner Theorie – auch das so eine Selbstüberschätzung – obwohl er doch die ‚Dialektik der Aufklärung‘ zusammen mit Horkheimer verfasste, wo er das Scheitern solcher Strategien beschrieb …

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  34. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaudeblog: Diese ‚Parteilinien-Dialektik‘ führte bloß dazu, dass nach dem Hitler-Stalin-Pakt die selbstdenkenden Linken in Scharen eine restlos herabgekommene Partei verließen. Nach dem Ungarn-Aufstand kam dann ein zweiter Schub dazu – lies da zum Exempel mal Edward P. Thompson (‚The Poverty auf Theory‘) und seine Abrechnung mit den linientreuen ‚Pseudo-Dialektikern‘ wie Louis Althusser dort. Bei Thompson bleiben deine ‚Unterdrückten‘ nämlich immer ein ‚Subjekt der Geschichte‘, allerdings fern jeder linientreuen Theorie. Und darauf kommt es letztlich an …

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  35. summacumlaudeblog schreibt:

    Es geht um den Unterschied zwischen Parteilichkeit und Parteilinie! Gegen Parteilichkeit für die Subjekte der Geschichte hat hier niemand etwas einzuwenden, gegen das Denken der Linientreue, das den Sozialismus für Jahrzehnte evtl. auch für immer zerstört hat sehr wohl. Und ich registriere bei den Bulletins der Partei der „Linken“ zu den Ereignissen in Griechenland ein vorauseilende Rechtfertigung dieses „Bündnisses“, das sehr wohl mit dem Begriff Linie und der Parteiliniendialektik korrespondiert. Aber was rede ich, ich merke schon: Herr Jarchow bleibt auf Linie (nicht ganz Ernst gemeint!)!

    Mein Denken kommt übrigens nur sekundär aus Frankfurt (und das ist ja auch weiß Gott keine Schande!!!), primär war der elitär geprägte S. Freud in meinem Kopf spazieren. Grüße!

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  36. summacumlaudeblog schreibt:

    Ach Klaus gerade Deine Antwort auf genova gelesen: Adornos rein negativer Ansatz einer Dialektik – sei sie nun mit oder ohne Anführungszeichen – finde ich marginal in Bezug zu der Frage, vor der Linke wie Du immer kneifen. Es ist eine der Jahrhunderfragen des 20-ten: Warum ist der real existierende Sozialismus dermaßen desolat gescheitert? Von ähnlicher Wichtigkeit ist die ebenfalls bis heute nicht erschöpfend beantwortete Frage, wie der 30. Januar 1933 überhaupt passieren konnte? Wer diese beiden Fragen beantworten kann, kann das 20te Jahrhundert erklären. Eine solche Antwort kommt aber bestimmt nicht aus irgendeinem Politbüro.

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  37. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaudeblog: Ich komme eben von der englischen ‚New Left‘ her, die deutsche Linke dagegen von der ‚Old Left‘ (‚die Partei, die Partei …‘). Die Ausbildung von Kadern, also einer geschulten Theoretiker- und Führerstruktur, die allemal besser weiß als die Massen, was die Massen ‚eigentlich‘ wollen, hat ganz wesentlich zum Scheitern des so genannten ‚real existierenden Sozialismus‘ beigetragen. Weil der eben kein Sozialismus war, sondern die Karrierenschmiede einer neuen Oligarchie mit erblich-feudalen Zügen, dazu noch eine mit schlechtem Geschmack. Das wiederum weiß ich, weil ich gleich nach der Wende in Schwerin mal im Erich-Mielke-Zimmer übernachten durfte. Das blanke ästhetische Grauen … wie auch ‚Erichs Lampenladen‘.

    Und wenn in Griechenland die Putzfrauen meinen, dass es widersinnig ist, wenn ihre Aufgaben ‚privatisiert‘ würden, wenn dann die neue private Firma den alten Auftraggebern einen wesentlich höheren Tarif in Rechnung stellt, zugleich die Putzfrauen dort aber plötzlich zwei Euro weniger in der Stunde verdienen, dann haben nun mal die Putzfrauen recht, und nicht die Troika. Die Troika ist eine ideologisch gelenkte Privatisierungsinstitution … nichts sonst. Mit Ökonomie oder gar einer Lösung der Schuldenkrise haben die rein gar nichts am Hut.

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  38. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaude: Noch eins, wenn ‚die Linke‘ das Bündnis der Syriza mit den Rechten als ‚linientreu‘ interpretieren könnte, dann müsste sie jetzt wohl nicht solch akrobatisch-dialektische Verrenkungen vollführen … ;-)

    Was die Syriza-Bewegung für die einfachen Menschen in Griechenland bedeutet, werden wir in den nächsten Wochen erleben. Wenn sie nicht zuvor schon geschreddert wird, und das dann bestimmt nicht von ‚den Rechten‘ dort in der Koalition.

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  39. summacumlaudeblog schreibt:

    @Klaus Jarchow Vier Zitate aus diesem Thread, zwei von Dir, zwei von mir. Und wo ist nun der Streit?

    „wenn ‘die Linke’ das Bündnis der Syriza mit den Rechten als ‘linientreu’ interpretieren könnte, dann müsste sie jetzt wohl nicht solch akrobatisch-dialektische Verrenkungen vollführen … ;-)“

    „Was Solidarität war, was dem gesellschaftlichen Fortschritt diente, das bestimmte das ZK und wer von dieser Linie abwich, war ein Renegad und erlitt übles. Dieselben Mechanismen sehe ich wieder am Werk. “

    „Die Ausbildung von Kadern, also einer geschulten Theoretiker- und Führerstruktur, die allemal besser weiß als die Massen, was die Massen ‘eigentlich’ wollen, hat ganz wesentlich zum Scheitern des so genannten ‘real existierenden Sozialismus’ beigetragen. “

    „Diese Parteilinien-Dialektik konnte alles und auch dessen Gegenteil “begründen”. Das Werk von Tuis. Sie sind der Grund für das desolate Scheitern des Sozialismus und an deren Untaten werden wir noch Jahrzehnte zu knabbern haben.“

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  40. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaudeblog: Hatten wir Streit? Der Dissens bestand darin, wie die Koalition einer linken Partei mit einer rechten Splitterpartei (der Partei ‚des Militärs‘) in Griechenland zu bewerten sei. Nicht aber im Urteil über den versunkenen Real-Sozialismus.

    Da gilt eher meine alte Theorie, die leider nicht nachträglich zu verifizieren ist: Es wäre für die Welt besser gewesen, die alliierten Armeen wären 1919 bis Moskau und Petersburg durchmarschiert, denn da hatten die Bolschewiki bereits alle Gruppen rebellierend gegen sich, in deren Namen sie angeblich angetreten waren, nämlich Arbeiter, Bauern und Soldaten …

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  41. besucher schreibt:

    Wolfgang Gehrcke von der Linkspartei hat vorgeschlagen dass Putin am 8.Mai im Bundestag sprechen solle. Vielliecht wartet er noch die nächste Bundestagswahl ab dann kann er zusammen mit einem Gauland-AfDler den Vorschlag einbringen.

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  42. genova68 schreibt:

    Klaus,
    zu deinem Adorno-Kommentar aus Zeitmangel nur kurz:
    Adornos Ansatz verhindert zumindest die Entstehung dessen von links, was sogenannte Linke seit einem guten Jahrhundert an laufenden Band geschafft haben: Massenmord, Lynchjustiz, Diktaturen, Unrechtssysteme, Terror… Du kannst die Liste sicher verlängern.

    Mir wird schon schlecht, wenn ich „Cuba Sí“ in der Linkspartei sehe. Eine Verharmlosung einer Diktatur, wie in seligen SED-Zeiten. Und die Verbindung von Teilen der Linken mit dem Friedenswinter, das ist alles schon im Ansatz stalinistisch. Dazu die vielen rechten Lafontaine-Fans. Wagenknecht kippt auch schnell weg, wie ich oben in dem Artikel schreibe. Das sind ganz deutliche Warnsignale, dass es ein zuwenig an Adorno gibt, nicht ein zuviel.

    Insofern hat es mehr als ein Geschmäckle, wenn ein Zauderer so runtergeputzt wird. Dein Hass auf Adorno hängt damit zusammen, vermute ich. Dieser Depp, der uns am losmarschieren hindert.

    Ich verstehe deine Kritik dennoch zum Teil, zumal er selbst als Abgesicherter leicht Reden hatte, aber mir sind Zweifler tausendmal lieber als die Stalinisten dieser Welt. Die vorschnelle Legitimierung der griechischen Koalition geht in diese Richtung. Der Zweck heiligt angeblich die Mittel. Nur blöd, dass damit der Zweck abhanden kommen kann. Oder gar früher oder später zwangsläufig abhanden kommt. Dazu kommt in Griechenland übler Nationalismus, von links.

    Davon ab: Ich verstehe das eher so, dass die Dialektik der Aufklärung verstanden und beherzigt werden muss, wenn man überhaupt irgendwas zum Positiven ändern will. Das ist natürlich kompliziert und nur jenseits von Parolen möglich und keinesfalls gradlinig. Nachvollziehbar, dass die im System Depravierten, um im Jargon zu bleiben, darauf keine Lust haben, im eigentlichen Wortsinn, zu angstrengend.

    Das ändert aber nichts an den realen Verhältnissen.

    Du übernimmst mit deiner Kritik an Adorno unbewusst die Logik des Kapitals: Je schneller, desto besser. Eine an sich gute Idee wie facebook oder google wird früher oder später zur Hölle, weil es keine Bremse gibt, weil innovative Leute wie Zuckerberg nicht am Abdrehen gehindert werden. Das Selbstreflexive fehlt dem Kapitalismus genauso wie den ordinären Linken.

    Adorno fruchtbar machen wäre: sein teilweise unerträgliches formales Geschwurbel kritisieren, seine Leerstelle in seiner ästhetischen Theorie, also das was man Lust oder groove oder Arschwackeln nennen könnte, und den praktischen Ansatz fokussieren. Aber eben mit, keinesfalls gegen ihn. Sonst, siehe oben: Stalin.

    Einen schönen Tag wünsche ich.

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  43. Klaus Jarchow schreibt:

    @ genova: Adorno lässt sich nicht aktiv wenden, auch nicht abstrahiert von seinem Geschwurbel. Das ist der Hauptpunkt meiner Kritik: Ein akademischer Hauptseminars-Philosoph, ohne handlungsleitende Relevanz. Ihn ‚praktisch zu machen‘ kann nicht gelingen …

    Deshalb halte ich mich – wie schon gesagt – u.a. eher an Edward P. Thompson. Dessen Ansatz, die Arbeiterklasse – whatever that is today – zum Subjekt zu machen, ist viel fruchtbarer. Und ein ‚Stalinismus‘ resultiert daraus auch niemals, eher im Gegenteil. Der Kerl war immerhin der Motor der englischen Friedensbewegung, wie auch der ‚Oral History‘ – und dazu der größte ‚Anti-Stalinist‘ der europäischen Linken. Lies mal die ‚Moral Economy‘ oder ‚The Making‘. Es ist ein Vergnügen. Der Mann konnte nicht nur denken, sondern auch gut schreiben … ersatzweise taugen für die heutige Situation sicher auch John Rawls oder Michael J. Sandel (‚Gerechtigkeit‘) etwas.

    Linkssein heißt weiterhin und zuallererst, von ‚denen unten‘ her denken zu lernen. Die oben haben allemal stets genug Lohnschreiber …

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  44. besucher schreibt:

    Warum hat SYRIZA mit ANEL koaliert? Möglicherweise weil die russische Option auch eine Rolle spielt in der griechischen Krise.

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-02/russland-griechenland-verbindung-alexander-dugin-konstantin-malofeev-panos-kammenos

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  45. Garfield schreibt:

    ob Sahra Wagenknecht hinten abkippt kann ich nicht beurteilen, dafür kenne ich die griechischen Verhältnisse zu wenig, die letzten Wochen hatte ich auch kaum Zeit mich da näher zu informieren.

    nur zum Thema Adorno: da muß ich Klaus völlig zustimmen.
    Ich wette, 80% der linken Zielgruppe kennen den Mann bestenfalls vom Namen – falls überhaupt… das ist was für Akademiker, die Genossen „Proletarier“ erreicht man damit aber kaum.
    Leider wird das beim Schicksal der Linken (nicht PdL) wohl die Ironie an sich bleiben, wär jetzt aber ne eigene Baustelle

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  46. Lemmy Caution schreibt:

    In meiner kleinen Welt sieht das so aus:
    Bewegungen, die sich gedrängt sehen, in ihrer Gesellschaft etwas tiefgreifend zu ändern – Syriza gehört dazu – müssen radikale Positionen hart vertreten, um den Wandel überhaupt auf die Straße zu bringen. Einmal an der Macht kann sich daraus leicht eine Art fortschreidende Starrheit entwickeln. Das ist einer der wichtigen Punkte, die mich am Chavismo so faszinieren.
    Gelangen andere im Ursprung vielleicht eher reformistische als revolutionäre Bewegungen an die Macht, unterliegen die einer Gefahr der zu hohen Kompromissbereitschaft mit den Trägern des status quo. Die chilenische post-pin8tistische Concertación ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Kurz gesprochen lässt sich die Meinung vertreten, dass sie das Werk der Chicago Boys quasi vollendeten. Die neue mitte links Koalition Nueva Mayoria sehe ich als eine Mutation der Concertación in Richtung größerer Entschlossenheit zur Konfrontation mit der bestehenden Ordnung. Ein bischen. Aber das führt sowieso zu weit.

    Es geht hier nicht um Wertung, nur um zwei entgegengesetzte Pole der Dynamik von auf Änderung ausgerichtete politische Bewegungen ab dem Tag, an dem sie Regierungsverantwortung tragen.

    Tiefgreifender politischer Wandel ist extrem schwierig und mit vielen Unfällen verbunden. Es gibt ein starkes Beharrungsmoment der alten Ordnung, natürlich auch in den Revolutionären selbst. Und dann erweisen sich eine Menge der ausgedachten Plänen zur Umsetzung der Veränderung als so nicht durchführbar.

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  47. Lemmy Caution schreibt:

    Angesichts der Herausforderung vor denen Syriza steht, halte ich die Koalition mit einer sagen wir gemässigt ultranationalistischen Kraft als Nebenthema.

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  48. sol1 schreibt:

    Warum hat SYRIZA mit ANEL koaliert? Möglicherweise weil die russische Option auch eine Rolle spielt in der griechischen Krise.

    Diese Option hat Varoufakis kategorisch ausgeschlossen:

    ZEIT ONLINE: Werden Sie Russland um Hilfe bitten?

    Varoufakis: Darauf kann ich eine klare Antwort geben: Das steht nicht zur Debatte. Wir werden niemals in Moskau um Finanzhilfe nachsuchen.

    http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/yanis-varoufakis-griechenland-finanzminister-inhalt-interview/komplettansicht

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  49. sol1 schreibt:

    Misik hat sich nun der Vorwürfe gegen Varoufakis angenommen:

    http://misik.at/2015/02/wie-die-springer-presse-yanis-varoufakis-zum-judenfeind-macht/

    Lustig zu sehen, wie Ulf Poschardt im Kommentarbereich rumeiert…

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  50. Klaus Jarchow schreibt:

    Oha, wenn Springers Posh sich mit einem derart langen Riemen unbezahlt in einem Blog verewigt, dann fühlt sich unser ‚Hat-die-Haare-schön‘ wohl wirklich angepisst. Widerlegungen sehen trotzdem anders aus.

    Der gute Mann hat die große Regel all jener vergessen, die – wie er – journalistisch gern mal aus der Hüfte schießen: ‚Don’t argue with Misik‘ …

    ;-)

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  51. summacumlaudeblog schreibt:

    Hallo Klaus, ja wir hatten ein Dissens keinen echten Streit – und ich muß dabei bleiben: Die Hurtigkeit des Links-Rechts-Bündnisses und die rechtfertigenden Statements der „großen Vorsitzenden“ erinnern mich (und wenn ich es richtig verstanden habe auch genova) an die beschriebenen Schauprozeß-Mechanismen der sozialistischen Einheitsparteien. Jemand gibt die Linie vor, dann steigen alle gleichzungig ein und wer dazu konträr steht ist undialektischer Vertreter der Reaktion und scheidet aus. Aber evtl. hat Bloggerkollege Ché auch nur Rechjt mit seiner Haltung: „Warten wir es doch einfach mal ab.“

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  52. Klaus Jarchow schreibt:

    @ summacumlaude: Querfront-Tendenzen gibt es unübersehbar, ich nenne nur mal Dieter Dehm oder Katja Kipping. Auch ein Ken Jebsen spielte ja früher mal als Linksaußen.

    Schauprozesse sind als Vergleich allerdings neben der Spur. Das Wesen der Schauprozesse unter Stalin bestand ja darin, dass linientreue Kommunisten sich auf einmal öffentlich als fiese Trotzkisten oder gar als Schlangenbrut des Imperialismus zu bezeichnen hatten. Und zwar, nachdem man ihnen zuvor auf übelste Weise die Psyche gebrochen hatte. Diejenigen, auf die du zielst, die machen das aber ganz freiwillig. Das sind blanke Opportunisten, wo nicht noch Schlimmeres …

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  53. summacumlaudeblog schreibt:

    Naja es ging mir um die Äquivalenz der Mechanismen, die da wirken. Koalitionen, die noch einen Tag zuvor als Beweis für schlimmste Reaktion gegolten hätten, werden mittenmal begründet mit Worten, die wie reinste Harfenklänge aus den revolutionären Resonanzkörpern heraus schwingen; gerade so als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Kein Zögern, kein Innehalten, keiner, der Stop sagt. Das frappiert mich.

    Taktisch-politisch gesprochen: Es ging doch nur um wenige Stimmen zur Regierungsmehrheit, die hätte man doch auch von ein paar versprengten, „linken“ Sozen bekommen. Statt dessen die Protagonisten von 1967. Unfassbar eigentlich.

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  54. Klaus Jarchow schreibt:

    Ich nehme als Pragmatiker mal an, die gab’s dort gerade ganz preiswert und pflegeleicht auf der politischen Resterampe … die Koalition platzen lassen, können sie auch nicht. Syriza liegt in Griechenland inzwischen bei über 60 Prozent Zustimmung. ;-)

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  55. genova68 schreibt:

    Kipping ist Querfront und Jebsen war mal linksaußen? Merkwürdige Zuschreibungen.

    Deinen Rant gegen Adorno, nun ja. Man muss ja nicht Adorno gegen Thompson ausspielen. Nicht nötig. Und diese Handlungsanleitungen gibt es, wie gesagt, genug. Die führen schnell zu Stalin und die Art und Weise, wie in der Linkspartei derzeit Querfront gespielt wird und wie Wagenknecht die ANEL rechtfertigt, zeigt, dass dieses Phänomen keineswegs überwunden ist.

    Linke sind nur im Verbund mit irgendwas Liberalem genießbar. Ansonsten kommt der Terror. Tugendterror von mir aus.

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