Vorschlag zur Güte an die Kreuzberger „Ökos“

Die taz über eine geplante Baumfällaktion am Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg:

Die BWB [Berliner Wasserbetriebe] wollen in dem zum Paul-Lincke-Ufer führenden Abschnitt der Lausitzer Straße einen neuen Regenüberlaufkanal verlegen und das Auslaufbauwerk zum Landwehrkanal vergrößern. Dafür sollen fünf Linden am Ufer gefällt werden. Auch fünf Spitzahorne und zwei Linden in der Lausitzer Straße sind von Fällung bedroht. Dafür sollen neue gepflanzt werden. Die Aktion sei ökologisch sinnvoll, weil dadurch die Wasserqualität des Landwehrkanals verbessert werde, heißt es bei den Wasserbetrieben … Bei Starkregen würde dadurch seltener mit Regen verdünntes Schmutzwasser in den Landwehrkanal fließen, weniger Fische müssten sterben.

Deswegen gab es nun eine Bürgeranhörung.

Die Diskussion geht über drei Stunden, es ist warm im Raum. Auf der Stirn der Herren auf dem Podium glitzern kleine Schweißperlen.

Ein schöner Einblick in dieses merkwürdige deutsche Pseudo-Öko-Milieu. Zwölf Bäume sollen gefällt werden, um den Kanal sauberer zu machen und es bricht ein Sturm der Entrüstung los. Zwölf Bäume – die im Anschluss an die Aktion neu gepflanzt werden – am Landwehrkanal, an dem in diesem Abschnitt schätzungsweise eine Million Bäume stehen, plus Gestrüpp.

Drei Stunden Diskussion, vorerst, für zwölf Bäume. Macht vier Bäume pro Stunde. Gut, dass die BWB nicht zwölftausend Bäume fällen wollen. Da müssten die Anwohner 167 Tage verschwitzt in einem warmen Raum sitzen. Bei einer 24/7-Anhörung, versteht sich. Deutsche Romantik trifft deutschen Idealismus.

Ein anwohnender Architekt schlug eine andere Maßnahme vor (Tunnel- statt Schachtbauweise), bei der die Bäume stehenbleiben könnten. Die BWB-Vertreter meinten, das würde „Milliarden“ kosten. Milliarden geteilt durch zwölf Bäume…

Anfang der Woche wurde im Auftrag der Wasserbetriebe in der Lausitzer Straße bei einem der Spitzahorne als bauvorbereitende Maßnahme die Krone gestutzt. Die Aktion endete, weil Anwohner sich unter die Bäume stellten … Dass bei der Fällaktion Polizeischutz angefordert werde, sei nicht ausgeschlossen.

Im Folgenden zeige ich zwölf Betonwände mit bemerkenswert deutlich strukturierten Maserungen, die durch Holz(!!!)verschalungen zustande kamen.

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Vorschlag zur Güte in der erhitzten Atmosphäre: Man könnte diese Betonwände anstelle der gefällten Bäume einzementieren, zumindest, bis die neuen Bäume da sind. Dank der Maserung müssten gerade die Ökos mit ein wenig fantastischem Aufwand sich jeweils einen Baum vorstellen können.

Beton hält auch jeder Kettensäge stand.

P.S: Solche Aktionen wie die der besorgten Anwohner bekommen spätestens dann eine eklige Komponente, wenn man weiß, dass genau dort, wo die Bäume gefällt werden, die aktuelle Gentrifizierung am gründlichsten abläuft. Wenn sich deutsche Ökos zu entscheiden hätten zwischen Bäumen und Menschen: ihre Entscheidung wäre eindeutig, vermute ich.

(Fotos: genova 2013)

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12 Antworten zu Vorschlag zur Güte an die Kreuzberger „Ökos“

  1. Chris(o) schreibt:

    Auch in Deinem „Vorschlag zur Güte“ scheint mir doch eine nicht nur geringfügige Übertreibung zu liegen.

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  2. genova68 schreibt:

    Ausgeschlossen.

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  3. genova68 schreibt:

    Wen es interessiert, hier ist der Blog der Baumschützer:

    Nicht blau statt grün, blau und grün!

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  4. Chris(o) schreibt:

    Nun ja, ich denke, es ging den „Widersprechenden“ um vieles, unter anderem auch um Bäume.

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  5. Sabine schreibt:

    Der polemische „Vorschlag zur Güte an die Kreuzberger “Ökos”“ liegt auf einer Linie mit der BILD – Berichterstattung über die Sache.

    Man merkt deutlich, dass der Autor nicht verstanden hat, dass es eben nicht nur um die Fällung von 5 bzw. 12 Bäumen geht. Offenbar war er auch nicht auf der Veranstaltung am 8. Mai in der Regenbogenfabrik, wo ein versierter Anwohner den Wasserbetrieben einen Änderungsvorschlag der AnwohnerInnen vorgestellt hat.

    Es geht auch um die fehlende, rechtzeitige Bürgerbeteiligung durch die Wasserbetriebe, die 2,5 Mio. Euro verbauen wollen mit einer Bauart, die den Anwohnerinnen und Anwohnern nicht passt. Weil sie weder zielführend ist (das Kanalwasser wird nicht ausreichend sauber) und die belastung durch Emissionen und Lärm ist viel zu hoch.

    Erst informieren – dann schreiben.

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  6. genova68 schreibt:

    Sabine,

    nein, ich war nicht auf der Veranstaltung am 8. Mai, ich wohne auch nicht da am Ufer, sondern in 61. Aber ich habe in meinem Artikel auf den „versierten Anwohner“ und seinen Änderungsvorschlag hingewiesen. Laut Tagesspiegel und BWB kostet dieser Änderungsvorschlag zwischen einer und vier Milliarden Euro. Danke, dass du selbst schreibst, dass der bisherige Ansatz der BWB 2,5 Millionen kostet. Es stehen also gemittelte 2,5 Milliarden gegen 2,5 Millionen. Für Euch lustige Anwohnerökos ist das offenbar kein gravierender Unterschied, es „passt“ euch halt nicht.

    Man könnte jetzt ja 2,5 Milliarden Mehrkosten durch zwölf Bäume teilen…

    Die fehlende rechtzeitige Bürgerbeteiligung mag ein Kritikpunkt sein, aber wenn dadurch die Situation entsteht, dass solch „versierte Änderungsvorschläge“ diskutiert werden müssen, kann ich die BWB verstehen. Es geht ja eigentlich um eine rein technische Angelegenheit, die durch Leute wie euch ideologisch aufgeblasen wird.

    Das mit dem Lärm ist ein lustiges Argument. Klar, es muss eine Straße aufgerissen werden. Unzumutbarer Lärm, was sonst…

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  7. Lara schreibt:

    @ genova68
    Regel Nummer eins:
    Glaube nicht alles, was die Berliner Wasserbetriebe sagen.
    – Nach 5 Jahren Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“ wissen wir, dass es selten stimmt, was von den offiziellen Stellen an Infos rausgegeben wird.

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  8. Lui schreibt:

    Autor: „Wenn sich deutsche Ökos zu entscheiden hätten zwischen Bäumen und Menschen: ihre Entscheidung wäre eindeutig, vermute ich.“

    Vielleicht solltest du dich mal persöbnlich mit den von dir offenbar so gehassten „Ökos“ unterhalten, damit du mal ein realistisches Bild dieser engagierten Leute kriegst.

    Ein realistisches Bild, kein BILD – Bild.

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  9. genova68 schreibt:

    Ja, ich bin in der Tat bei dieser Geschichte nicht vollständig informiert. Das ist mein Defizit, und wenn ihr seid fünf Jahren euch engagiert, dann erkenne ich das erstmal an.

    Aber offenbar ist niemand richtig informiert, wenn ich mir anschaue, was auf Eurem Blog geschrieben wird. Anouschka Guttzeit schreibt zu dem von dem Anwohner favorisierten Verfahren:

    „Seine Planung soll außerdem noch Steuergelder einsparen.“

    2,5 Milliarden Mehrkosten oder weniger als 2,5 Millionen? Vielleicht bräuchte man erstmal zuverlässige Informationen. Wobei ich mir schwerlich vorstellen kann, dass die BWB von 2,5 Milliarden reden, wenn da überhaupt nichts dran ist.

    Engagement an sich ist kein Wert, es kommt darauf an, wofür.

    Ich finde es halt grundsätzlich lächerlich, sich wegen ein paar Bäume so ins Zeug zu legen. Es steht hier doch alles voll mit Bäumen, außerdem sollen die fünf bzw. zwölf Bäume ja ersetzt werden. Es ist schön am Kanal mit den vielen Bäumen, keine Frage. Aber es werden von tausenden fünf gefällt, danach ersetzt. Das wars. Meine Güte.

    So ein kleiner, neuer Baum ist doch auch was nettes. Mir persönlich viel sympathischer.

    Ich finde das auch eine merkwürdige Initiative, wenn ich die Gentrifizierung in der Gegend angucke. Deshalb der Satz mit den Bäumen und den Menschen.

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  10. besucher schreibt:

    Wenn es so stimmt wie Du es hier beschreibst dann sind die grünangehauchten Gentrifizierer definitiv ein Produkt ihrer eigenen Dekadenz: Diesen Leuten geht es einfach zu gut. Und die Medien haben sie auch noch auf ihrer Seite. Gab es einen Aufschrei zu Bangladesch? Nein. Aber es gab schon zig Aufschreie gegen Wiesenhof und Co.

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  11. Spaziergänger schreibt:

    Wer die hier diskriminierten „Ökos“ kennt, weiß, dass sie nichts mit Gentrifizierern zu tun haben. Sie sind weder Investoren, noch Makler o.ä.

    Ihr solltet euch wirklich mal ernsthaft mit dem Thema befassen. Anstatt hier nur billigstes, stumpfes Öko-Bashig zu betreiben.

    Der Änderungsvorschlag der AnwohnerInnen an die Wasserbetriebe wird jetzt von der Senatsverwaltung geprüft.

    Die AnwohnerInnen fordern, dass die ganze (finanzielle) Planung der Wasserbetriebe transparent gemacht wird. Dass die Zahlen und Kostenschätzungen der Wasserbetriebe stimmen ist längst nicht sicher. Die Sache wird am Donnerstag Thema im Abgeordnetenhaus sein.

    Übrigens: Die Medien sind leider beileibe nicht auf der Seite der BaumschützerInnen, die auch eine bessere Baukonzeption bezüglich der Verbesserung der Gewässerqualität im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie fordern.

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  12. genova68 schreibt:

    Ich betreibe kein Öko-Bashing. Ich setze euch Ökos in Anführungszeichen, weil ihr mit Natur und deren Bewahrung nichts zu tun habt. Ihr betreibt vermutlich eine Vermenschlichung von Bäumen, deshalb kümmert ihr euch so enthusiastisch um jeden einzelnen.

    Transparenz, ja, sicher, das ist ja immer gut, aber mittlerweile eine etwas wohlfeile Forderung. Wie exakt die Zahlen auch immer sind: Dass die Differenz zwischen 2,5 Millionen und 2,5 Milliarden noch entscheidend verringert wird, ist nicht anzunehmen.

    Übrigens merkwürdig, dass die Baumschützer hier alle mit Proxy auftreten und gefakte, aber sehr ähnliche Mailadressen angeben. Da scheint es jemand nötig zu haben.

    Hier ist ein anderer Aspekt der Geschichte. Bäume können ganz schön nerven:

    „Vielleicht Pappeln“

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