Philosoph Döpfner zu Gast bei Philosoph Precht

Die Überschrift könnte sich um den Eintrag ins Buch der Rekorde bewerben: als kürzester Witz der Welt. Ist aber wirklich so passiert: Der Chef des Axel-Springer-Verlages war gestern Abend zu Gast in Richard David Prechts neuer Sendung, die lustigerweise so heißt, wie er heißt, aber eine Sendereihe zu Philosophie sein soll. Ich habe exakt eine Minute und dreißig Sekunden reingeschaut und weiß Bescheid.

Döpfner sprach genauso sinnlos von Freiheit wie Gauck. Das verwundert nicht, alles andere als ein völlig sinnentleerter Freiheitsbegriff hätte verwundert. Selbst Meedia kommt zur der wesentlichen Feststellung schon in der Überschrift ihrer Sendeungskritik:

Döpfner, Precht und die Freiheit zu schwafeln

Wie kommt man in der Redaktion dieser Sendung überhaupt auf die Idee, einen Döpfner einzuladen? Ist der Verleger der Bild-Zeitung ein Philosoph? Traut man sich im GEZ-Fernsehen nicht, wenigstens einmal pro Monat etwas Anspruchsvolles zu senden, nachts um zwölf? Also einfach mit Philosophen über Philosophisches zu reden?

Die Fragen sind rhetorisch, natürlich traut man sich nicht. Dass man aber den Bild-Döpfner als Protagonist in eine einstündige Philsophiesendung einlädt, ist einer dieser doch eher seltenen Momente, in denen man ganz deutlich spürt: intellektuell, kulturell oder zivilisatorisch wurde gerade mal wieder eine Sicherung nach unten durchbrochen. Die Kette TV-Sendung → Philosophie → Döpfner ist ein kultureller Bruch. Die Pogrome in Hoyerswerda und Lichtenhagen waren solche Brüche zivilisatorischer Art, auch meine erste PI-Lektüre, also die zeitgemäße Erneuerung des Nazitums, habe ich seinerzeit so empfunden: da brechen Dämme.

Nun also der Herr Precht. Ein markantes Gesicht hat er, keine Frage. Und das reicht ja auch schon.

Nach den einsdreißig habe ich übrigens umgeschaltet: Auf 3sat lief Shaft, Blaxploitation. Kein Dammbruch.

P.S.: Dass kurz vor Precht Steinbrück sich bei Jauch in der ARD eine Stunde lang als Einzelgast von den Korruptionsvorwürfen reinwaschen darf, könnte man auch als Dammbruch bezeichnen. Das System funktioniert wie geschmiert.

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Und noch ein Update: Georg Seeßlen schreibt aktuell etwas zum Thema Bild, dass ganz gut in meine Ansichten eines Döpfners passt:

Die Bild-Zeitung bietet heute als „Kalenderspruch“: „Bist du wütend, zähle bis vier, bist du sehr wütend, fluche“. Aber gerne, liebe Bild-Zeitung, du Scheißblatt der deutschen Niedertracht mit deiner Amokfahrt der „nackten Mutter“ und „Suff-Beichte“ des Fußballers. Du Drecksblatt, mit dem sich kein anständiger Mensch den Hintern wischen würde. So recht, liebe Bild-Zeitung?

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19 Antworten zu Philosoph Döpfner zu Gast bei Philosoph Precht

  1. robertodl schreibt:

    Kurz und treffend. Guter Text.

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  2. Rick Deckard schreibt:

    Der Grund warum Herr Döpfner in die Sendung geladen wurde, war sein Buch „Die Freiheitsfälle“, in dem er sich eben mit den Themen beschäftigt, die in der Sendung gestern diskutiert wurden. Es geht in dem Buch darum, dass die Freiheit nicht mehr im Bewusstsein der Menschen verankert ist, bzw. in Vergessenheit zu geraten scheint.

    Die Pointe der Sendung bestand vermutlich darin, einen Menschen der „Wirtschaftwelt“ mit einem Geisteswissenschaftler zusammen zu bringen, um bewusst auf diese Weise Kontraste zu schaffen. Wenn zwei Philosophen sich über dieses Thema unterhalten hätten, wäre es den meisten Menschen vermutlich schwer gefallen, ihnen folgen zu können und dann wäre genau das passiert, was vermieden werden soll: Dass das Thema Philosophie noch mehr Staub ansetzt.

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  3. Lablunder schreibt:

    Irgendwas Inhaltliches fällt Dir nicht ein? Wer behauptet denn, dass die Sendung eine Philosophiesendung ist? Du legst dichtest da irgendwelche Labels herbei, wie Du gerade lustig bist – Hauptsache, es reicht zur Abfuhr, ohne auf Inhalte einzugehen. Bravo! Precht ist Germanist, Philosoph und Kunstgeschichtler – zumindest das „Germanist“ paßt zu einem Medienkonzern, den Döpfner vertritt.

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  4. Yunus schreibt:

    Naja, der Tag kann lang werden und die Dammbrüche können sich vervielfältigen. Einfach mal im muslimmarkt stöbern und den ganzen antijüdischen weltverschwörungsmist in sich hineinsaugen… Und dazu „when the levee breaks“ von Led Zeppelin hören.

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  5. Lablunder schreibt:

    Hier übrigens ein Beispiel einer konstruktiven Rezension der Sendung:
    http://www.lomax-deckard.de/article-precht-und-dopfner-gefahrliche-freiheit-110988891.html
    Kann sich jeder selber ein Bild machen, ohne Zensurbevormundung…

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  6. genova68 schreibt:

    Lablunder,
    inhaltliches fällt mir wenig ein, ich habe ja nur 1.30 lang geguckt. Das reicht aber, ich muss ja auch nicht täglich die Bild lesen, um mir eine Meinung dazu zu bilden. Es gibt gewisse Situationen, da reicht ein wenig Lebenserfahrung. Beispielsweise, wenn Döpfner ein Buch über Freiheit schreibt (bzw. schreiben lässt). Und wenn die Sendung mit Philosophie nichts zu tun haben soll, ok, wusste ich nicht, die wurde zumindest als Nachfolgesendung zu Sloterdijk betrachtet. Wenn es sich also um eine PR-Show zugunsten von Arschlöchern handelt: dann ist die Sendung sicher gelungen.

    Rick Deckard,
    nicht jeder, der ein Buch schreibt, ist in der Lage, etwas Sinnvolles zum Thema zu sagen. Freiheit ist ein so extrem schillernder, undefinierter Begriff, dass es wesentlich ist, wer zu dem Thema Stellung nimmt. Einen extrem mächtigen Verleger extrem mieser Zeitungen darf man nicht so PR-mäßig davonkommen lassen. Und Bücher LASSEN solche Leute schreiben.

    Döpfner hätte man zum Thema Freiheit zwingend zu Hierarchien im Journalismus befragen müssen, zu Verlagsmacht, zu Taktiken der Bild-Zeitung, zu den Freiheiten der Opfer dieser Art von Journalismus, zu den spezifischen Freiheiten eines Multimillionärs, zum Freiheitsbegriff in Zeiten von Hartz IV und Niedriglohnsektor, zum Freiheitsbegriff einer immer stärker neoliberal designten Sprache und vieles mehr. Das würde mir alles aus dem Stand einfallen. Sein Verhältnis zu Friede Springer, wie er die um den Finger gewickelt hat, welche Freiheiten dabei daran glauben mussten, wäre auch ein Thema.

    In der Sendung ist (laut Rezensionen) nichts davon passiert, es wurde ausschließlich geplappert, das schreibst du auch in deiner Rezension. Was du interessant findest, ist in Wahrheit belanglos. Du könntest das selbst feststellen, wenn du dich selbst kritischer fragen würdest, was du denn ernsthaft mitgenommen hast aus der Sendung. Du schreibst aber lediglich in Frasen, in nichtssagenden Sätzen. Das wird einem gerne als guter Journalismus verkauft, weil es leicht lesbar ist. Es ist aber schlechter Journalismus und beim Lesen wird einem schlecht.

    Ich glaube aber, du bist entwicklungsfähig. Streng dich an, das wird schon.

    Wenn zwei Philosophen sich über dieses Thema unterhalten hätten, wäre es den meisten Menschen vermutlich schwer gefallen, ihnen folgen zu können und dann wäre genau das passiert, was vermieden werden soll: Dass das Thema Philosophie noch mehr Staub ansetzt.

    Man sollte auch einer Minderheit die Möglichkeit geben, TV zu gucken. Für die Mehrheit gibt es ja Günter Jauch, da können sicher alle folgen. Und das „Thema Philosophie“ setzte bei „Precht“ sicher Staub an: Es kam gar nicht vor.

    Generell vermute ich: Precht ist karrierebewusst, da schadet es nicht, sich mit dem mächtigsten Verleger Deutschlands gut zu stellen. Jener hat nun bei diesem etwas gut.

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  7. Lablunder schreibt:

    Ich muss hier auch nicht ganze Artikel lesen, wie ich sehe. Die ersten Zeilen genügen, um zu wissen, wie man sich hier mit Verkürzung, Ausklammern, Einschränkung des Blickfeldes ein Weltbild auf Basis unzureichender und schiefer Prämissen zurechtstutzt.

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  8. genova68 schreibt:

    Doch, doch, meine Artikel vollständig zu lesen ist sinnvoll. Ich heiße ja nicht Döpfner.

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  9. Yunus schreibt:

    Außer wenn sie mit Zitaten von extrem konservativen islamvereinsmeiern eingeleitet werden. Hier wird ja schließlich auch nicht Hugo Müller-Vogg wohlwollend zitiert, oder?

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  10. Bersarin schreibt:

    @ Lablunder, Posting vom 9. Oktober 2012 um 00:05
    Nein, Lablunder, beim Text von Rick Deckard kann man sich kein angemessenes Bild machen. Weder inhaltlich, was seinen Schulaufsatz-Stil betrifft, noch äußerlich. Oder findest Du es erquicklich, einen Text von mehr als zwei Sätzen in Kursive zu lesen? Was Hitler mit Polen gemach hat, das tut Deckard typographisch mit Texten. Um‘s mal zu überspitzen. Die Kursive ist eine Hervorhebung, um bestimmte Passagen oder Begriffe ins Licht zu setzen. Wo aber einer alles hervorhebt, da ist nichts mehr hervorgehoben.

    (Von der langweiligen Schreibe Deckards schweigen wir mal schön.)

    Auch mein Blog ist typographisch eher mau, aber es gibt so ein paar Grundregeln, die sollten Bloggerin und Blogger beachten. Und stimmt es mit der Tpyographie, dann klappt es beim nächsten Mal auch mit der Freiheit – und sei es auch nur die Imago derselben.

    Ach ja, und wer etwas Philosophisches zur Freiheit lesen möchte, der sei auf das Buch von Axel Honneth verwiesen: „Das Recht der Freiheit“.

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  11. genova68 schreibt:

    Je länger ich darüber nachdenke, desto skandalöser empfinde ich es, dass die ausgerechnet den Döpfner eingeladen haben, also in seiner Funktion als extrem mächtiger und extrem reicher Mensch. Der gehört in beiden Funktionen zu den obersten hundert, schätzungsweise, und der redet im TV über Freiheit. Mal ab von ausgebildeten Philosophen ist der Begriff doch immer vor allem subjektiv. Die alleinerziehende Niedriglohnmutter oder die Schwarze in Hoyerswerda hat nun mal einen völlig anderen Freiheitsbegriff als Döpfner. Und politisch dient Döpfners Geplapper über den Begriff vermutlich nur der weiteren Zurichtung der sozialen Gesellschaft. Mit Steuersenkungen und den bösen Ausländern, die alles viel billiger produzieren als wir, kann man im Moment der deutschen Bärenstärke und des lächerlchen Zustands der FDP nicht punkten. Aber das Kapital muss da irgendwie weiter machen, von der Agenda 2020 wird ja derzeit gerne geredet. Da kommt so ein Begriff wie Freiheit ganz passend, weil der mit der weitergehenden neoliberalen Umformung der Gesellschaft kompatibel ist.

    Was sagst du denn zu dieser Sendung, Bersarin? Eigentlich wärest du doch derjenige, den sowas empört.

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  12. Vergesst Ihr nicht, daß es sich um Unterhaltung handelt? Ausserdem im tsättdeeff der erste „private“ Sender von der tsedeuh. Precht ist ein Hampelmann, und kein Filosof – der Schlotterdeich ist genau so eine Labermaschine.
    Am schönsten füllte den leeren Signifikanten „Freiheit“ Sie:
    http://www.dailymotion.com/video/xhlw2_me-and-bobby-mcgee_music

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  13. Bersarin schreibt:

    Diese Sendung mit Döpfner habe ich nicht gesehen, weil ich kaum Fernsehen gucke. (Wahrscheinlich wäre ich sogar sehr ärgerlich gewesen, wenn ich mir das angeguckt hätte.) Ich habe allerdings noch nie das Philosophische Quartett geschaut, weil ich da keinerlei Erkenntnisgewinn sehe – ausgenommen ich betrachte das aus mediensoziologischen Gründen unter einem Metagesichtspunkt: Beobachter zweiter Ordnung. Allein, es reicht die Zeit des Lebens nicht hin, all diese Projekte in Angriff zu nehmen.

    Döpfners Gefasel von Freiheit ist – wie auch das Salbadern Gaucks – aus eben diesen Gründen interessant: Welche Ideologie ist gerade auf dem Vormarsch, auf dem Markt und soll dem (Medien-)Volk eingeimpft werden? In diesem Falle, dem Zuschauer mit der Halbbildung, dem sogenannten Kulturinteressierten. Es sind diese Sendungen im Grunde allesamt PR-Veranstaltungen, um aufs Bestehende zu vereidigen, damit der verabreichte Dreck aus der Hand gefressen und auch noch gelobt wird. Daß Fernsehen auch Qualtität liefern könnte, ist nicht gewollt. Nicht einmal mehr zur Gespensterstunde.

    Der Begriff der Freiheit ist einerseits von der Seite des Subjektiven zu sehen, und zwar in seinen unterschiedlich auftretenden Gestalten (eben Döpfner und die Frau an der Kasse bei Lidl; die arrivierte Mittelschicht und die, welche nicht ganz so gut mitkommen). Andererseits wohnt ihm ein objektiver Gehalt inne, denn der Begriff klebt nicht bloß an der Empirie..

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  14. genova68 schreibt:

    Es sind diese Sendungen im Grunde allesamt PR-Veranstaltungen, um aufs Bestehende zu vereidigen, damit der verabreichte Dreck aus der Hand gefressen und auch noch gelobt wird.

    Ja. Wobei ich nicht unbedingt mit den Halbgebildeten argumentieren würde, der durch Adorno so runtergeputzt wurde. Es könnte doch eher um schlicht Interessierte ohne professionelle Bildung in diesem Bereich gehen. Es sind doch eher die Verblendungszusammenhänge, die da zum Tragen kommen.

    Es hat wohl auch etwas mit Eitelkeit zu tun. Döpfner könnte ja zufrieden sein mit seinem beruflichen Erfolg. Ist er aber nicht, er will unbedingt als Intellektueller gelten und lässt deshalb Bücher schreiben und sich in Sendungen einladen. So wie Till Schweiger unbedingt vom Feuilleton gelobt werden will.

    Döpfner ist da in seinem Anliegen jedenfalls erfolgreichr als Schweiger.

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  15. Bersarin schreibt:

    Das Thema Eitelkeiten lassen ich mal beiseite, weil ich mich darin leider nicht gut auskenne.

    Aber für alle Prediger der Freiheit sei dieses hier gegeben – ich habe es bereits irgendwo, irgendwie, irgendwann mal auf meinen Blog gepostet:

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  16. genova68 schreibt:

    Vielen Dank für den Kreisler, das ist ganz hervorragend. Kreisler veranschaulicht in 1.52 den ganzen Komplex von Freiheit und Ökonomie. Vor dem Hintergrund wird die Precht-Döpfner-Konstellation noch scheinheiliger, als sie ohnehin ist. In einer ernstzunehmenden Gesellschaft wären diese beiden Typen der Lächerlichkeit preisgegeben.

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  17. Benjamin schreibt:

    Hier nochmal was zu Döpfners und Gaucks Idee von Freiheit für die wir endlich wieder kämpfen sollen:

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  18. Jakobiner schreibt:

    Na dann warten wir einmal bis Precht neben Wagner in der BILD-Zeitung seine eigene Kolumne bekommt.Auch so könnte man Philosophie popularisieren.Aber bevor Precht in BILD kommt, holt er sich lieber BILD zu Precht–das wirkt souveräner.

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  19. iscribo schreibt:

    Es gibt noch kürzere Witze, z.B. ehrlicher Politiker.

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