Die schwarze Zahl namens Angela Merkel

Wir alle kennen Angela Merkel seit gut 20 Jahren, seitdem ist sie im politischen Geschäft. Schon 1994 war sie Bundesministerin. Was mir kürzlich auffiel: Wir alle erinnern uns an keinen einzigen interessanten Satz dieser Frau.

Eigentlich eine Leistung: Seit 20 Jahren in den Medien dauerpräsent zu sein und nichts, aber auch wirklich gar nichts gesagt zu haben, das auch nur entfernt erwähnenswert wäre. Nur Floskeln, eine bürokratisierte Sprache, eine entindividualisierte Sprache, eine Sprache, die verschleiert, beruhigt, ablenkt, verdummt, verklärt, entmenschlicht. Das muss man erstmal hinkriegen.

Und diese Frau ist die beliebteste Politikerin Deutschlands. Sie ist der Prototyp des eigenschaftslosen Menschen, zumindest, soweit eine Politikerin als Mensch aufscheint: Keine Interessen, kein Verlangen, keine Ideen, kein Intellekt, keinen Anspruch, kein ästhetisches Empfinden, keine Leidenschaft, nichts, gar nichts. Stattdessen: schnelle Auffassungsgabe, kann sich flott in ein neues Thema einarbeiten. Ein öffentlicher Mensch, der sich perfekt angepasst hat an ein technokratisches Herrschaftssystem, in dem Glamourboys wie Guttenberg, Schröder, Wulff früher oder später ihren Neurosen erliegen. Merkel nicht. Diese protestantisch-norddeutsche Banalität verhindert jegliche Selbstüberschätzung.

Die Frau ist so belanglos, dass ich ihr gegenüber nicht einmal Widerwillen empfinde. Ich empfinde schlicht nichts. Das einzige, was man von ihr privat weiß: Sie fährt einen VW Golf. Das einzige, was mich bei ihr ein bisschen interessiert: ihre Brüste. Das einzige, was bei ihr sicher ist: ein extremer, aber eben unterschwelliger Machtwille.

Wille zur Macht, was aber nur bedeutet, dass sie sich in den vorgefundenen Strukturen so einrichtet, dass sie oben schwimmt. Ein ostdeutscher Underdog, der seine Vergangenheit vergessen musste und in einer westdeutsch-konservativ-andenconnectionmäßig etablierten Gesellschaft ausschließlich taktisch agiert. Eigentlich die perfekte Politikerin fürs neoliberale System. Sie überlässt die Herrschaft gerne dem Kapital, denn so geht das Obenschwimmen am leichtesten. Sie redet von Sachzwängen und verschleiert die Verhältnisse. Je weniger Sachzwänge es objektiv gibt, destö öfter werden sie behauptet. Eine wesentliche neoliberale Taktik.

Es ist also alles in Ordnung: Das Wahlvolk wird nicht durch Profilneurotiker wie Schröder und Fischer genervt, das Kapital wird nicht durch jemanden behindert, der sich überhaupt darüber Gedanken macht, ob es einen Gegensatz zwischen Kapital und dem Rest geben könnte. Merkel desavouiert den deutschen Neoimperialismus nicht durch Gesten des Größenwahns, das ist, verglichen mit Schröder, Bush, Putin, Berlusconi oder Sarkozy eine Leistung.

Diese Eigenschafts- und Belang- und Interesse- und Empathie- und Ideen- überhaupt Menschenlosigkeit von Angela Merkel passt gut ins Neodeutschtum: Wir erobern die Welt nicht mehr hitlerlike, mit Puls und Blut, sondern kühl kalkulierend: Mit sogenannten Exporten, die containerverpackt genauso eigenschaftslos sind wie Merkel. Wir sind stolz auf die schwarze Zahl unterm Strich und haben Angst.

Dann zeigen wir auf die mit den roten Zahlen.

Fade out

(Fotos: genova 2012)

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21 Antworten zu Die schwarze Zahl namens Angela Merkel

  1. hANNES wURST schreibt:

    Mutti ist die Beste! Und jetzt gib Ruhe, Bub!

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  2. hANNES wURST schreibt:

    Wie ich gerade lese sieht es so aus, als wenn Neo-Eisenfaust Steinbrück zum Kanlerkandidaten der SPD erkoren würde. Wenn der gewinnt wirst Du Dir Mama Angela noch zurückwünschen.

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  3. genova68 schreibt:

    Da wäre eine Medienanalyse sinnvoll: Wie der neoliberale Mainstream den Steinbrück zuerst über Jahre penetrant nach oben geschrieben und hat und der Wunsch des Kapitals jetzt in Erfüllung geht. Gut möglich, dass das Kapital sich nun rotgrün wünscht, die können neoliberale Politik bekanntlich am besten in die Praxis umsetzen. Wenn das nicht klappt, kommt die große Koalition wieder. Also alles in Ordnung.

    So funktioniert modernisierte Demokratie. Merkel hat dafür sicher Verständnis.

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  4. landbewohner schreibt:

    daß das merkel deutschlands beliebteste politikerin ist behaupten unsere „qualitätsmedien“ und dubiose kafeesatzleser. das volk kann da ganz anderer meinung sein.
    zu genova
    da es für rosa-oliv derzeit nicht gerade gut aussieht, dürften merkel und steinbrück das ideale gespann fürs kapital sein.

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  5. genova68 schreibt:

    Zum letzten Absatz: ja.

    Zum ersten: Seriöse Umfragen belegen das, das sind keine dubiosen Kaffeesatzleser. Die Frage wäre eher, wie sich „das Volk“ diese Meinung bildet. Da sind wir dann wieder bei den Medien.

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  6. Yunus schreibt:

    Na, Steinbrück hat doch einen tolles Wirtshauscharme: Immer feste druff! Mit der Kavallerie in die Schweiz. (Wurde die Konstanzer Feuerwehr aufgelöst?)
    Merkel hat glaube ich mal gesagt: „Es wäre falsch jetzt nicht das Richtige zu tun.“

    Ansonsten mein Tipp;
    FDP wählen!!! Da alle anderen versteckt neoliberal agieren und alles immer in warme und wohlwollende Worte packen wählt man am besten gleich das Original.

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  7. hanneswurst schreibt:

    Sehr guter Hinweis, Yunus. Konjunkturprogramme stoppen, den Markt deregulieren, dazu ordentlich rumpoltern und ein Selbstbewusstsein an den Tag legen, das angesichts der nicht vorhandenen eigenen Sachkenntnis einfach erstaunlich ist – anders als Finanzminister Steinbrück hätte Möllemann es auch nicht gemacht. Und der hätte wenigstens gewusst, wo die Reißleine ist. Einen Euro-Rettungsschirm hätte es mit Möllemann nicht gegeben. Es gibt eben zwei Arten von Politikern: die, die den Aufschlag nicht scheuen und die, die ihn nicht kommen sehen. Dazwischen gibt es nur Engela Angela, die uns als ätherisches Wesen ein Weilchen lang aufatmen ließ. Das wissen die Leute instinktiv und deswegen bleibt sie Kanzlerin, Angela wird nicht rausgemoppt wie damals Kohl, sondern sie wird in Ihren kommenden Amtsperioden immer weiser, luftiger, ja transzendent werden und eines Tages entschlafen und ein aus ihr neu geborenes Deutschland hinterlassen, das den 17. Juli als Nationalfeiertag begeht.

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  8. Motherhead schreibt:

    Aber der Kampf gegen die Steuerflucht war doch ein sehr löblicher Akt Steinbrücks! Oder wie wollt ihr soziale Gerechtigkeit finanziert bekommen, wenn man nicht die Bestverdiener am Sack packt?

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  9. Yunus schreibt:

    @Motherhead

    Als Urbild des Deutschen im Ausland passt er wunderbar:
    Arrogant, große Schnauze und keine Manieren. Das Gequatsche Steinbrücks in Bezug auf die Steuerflucht war einfach nur billiger Populismus, die Gesetze dafür müssen ganz woanders gemacht werden.

    @Hanneswurst

    Mutti wird bleiben, keine Angst ;-)

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  10. hanneswurst schreibt:

    Stimmt, mother, in der Hinsicht liegt die SPD vollkommen richtig. Übrigens kenne ich eine super Trick: mit dem alten Opel Astra, nicht mit dem Porsche in die Schweiz fahren, um Geld abzuholen. Astrafahrer und Astratrinker sind der Steuerhinterziehung völlig unverdächtig.

    Falls man dann doch mal mit dem Porsche nach Zermatt möchte, kann man sich die zweite Autobahnvignette durch Umettiketierung sparen, wenn man die Windschutzscheibe im Astra vor Anbringung der Vignette (österr. „Pickerl“) mit einem Fettlöser präpariert hat (ich verwende dafür Alio Classic).

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  11. unter all den schlimmsten alternativlosen Alter-Nativen ist Mutti in der Tat noch die Beste … *seufz*

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  12. hanneswurst schreibt:

    Wenn die SPD einen Funken Restintelligenz oder Hannelore nur ein Quentchen mehr Kraft hätte, dann wäre wohl klar, wer Angela Paroli bieten könnte.

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  13. Jakobiner schreibt:

    So zu tun, als wüsste Merkel nicht was sie wolle, halte ich für falsch. Man schaue auf ihre Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)–da hat sie doch sehr ausführlich dargelegt, welche Wirtschafts- und Europapolitik sie beabsichtigt.Die Geschichte des nächsten Jahrzehnts steht ohnehin fest: Grosse Koalition unter Merkel als Kanzlerin und Steinbrück, eine erneute neoliberale Agenda 2020 und Änderung der deutschen Verfassung mit 2/3- Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.
    Zudem sollte man sehen, dass Merkel aus konservativen Kreisen die „Sozialdemokratisierung“ der CDU vorgeworfen wird, weil sie die Partei zu einer moderneren, urbaneren Partei machen möchte. Umgekehrt ist aber die Sozialdemokratisierung der CDU nicht so schwer, da sich die SPD ja auch immer weiter neoliberalsiert–und vor allem unter Steinbrück. Dass Schmidt, Schröder und SPIEGEL ihn unterstützen und gleich drei lobende Biographien über Steinbrück aus der konservativen Ecke zeitgerecht auf den Buchmarkt lanciert werden (von jeweils einem FOCUS-, WELT und FAZ- Autor) zeigt, wie kaltgestellt der sogenannte linke Flügel der SPD ist.
    Zumal: Die Linkspartei werden nie als Koalitioonspartner genannt–damit ist die neoliberale Agenda ohne Abstriche feststehend.

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  14. Jakobiner schreibt:

    Die kommende Agenda 2020 wird damit argumentieren, dass wir im Rahmen der europäischen Solidarität nicht nur Sparprogramme und Strukturreformen von den Südländern fordern können, sondern diese selbst auch bei „uns“ durchführen müssen, damit die Lissabon-Agenda
    realisiert werden kann, um die EU zur dynamischsten Wirtschaftsmacht der Welt zu machen.Das hat Merkel vor dem BDI als Ziel erklärt, vor allem dass man die Lohnstückkosten in Europa nach unten anpassen müsse und dann düfte sie mit Steinbrück das Ganze nach 2013 durchziehen.

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  15. Jakobiner schreibt:

    Genova kritisiert die konkrete Charaktermaske Merkels, aber legt nicht den Fokus auf das Programm Merkels. Sie hat doch in all ihren Reden recht deutlich erklärt, was sie will.Statt darauf einzugehen, kommt nur geschmäcklerische Kritik an der Erscheinung. Wie kann ich mich noch erinnern an all jene Kritziker Kohls, die ihn wegen seiner Körperform als Birne, wegen seiner Herkuft als kleinbürgerlich, provinziell, antiintellektuell und dumpf beschrieben.Statt das Programm Kohl zu kritiseren, hat man sich wie jetzt bei Merkel auf die Kritik von Äusserlichkeiten verlagert.Fehlt nur noch, dass wir jetzt über eine Diskussion ihres Lifestyles und ihrer Gaderobe reinkommen anstatt die Lissabonagenda und die kommende Agenda 2020, die Merkel und Steinbrück durchziehen wollen zu kritisieren und anzugreifen.

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  16. Jakobiner schreibt:

    Mal wieder hat mich Genovas Artikel dazu bewegt, einen eigenen über Merkel auf meinem Blog zu verfassen–nachlesbar unter:

    http://www.global-review.info/2012/10/02/grosse-koalition-unter-merkel-steinbruck-die-lissabonagenda-der-eu-die-anderung-der-deutschen-verfassung-und-die-agenda-2020/

    Mein Plädoyer: Kritisiert nicht die Charaktermaske, sondern das Programm–unabhängig in welcher Erscheinungsform es euch begegnet!!!

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  17. hanneswurst schreibt:

    @Jakobiner: Sie erklären recht anschaulich in Ihrem Blog, dessen aktuellsten Artikel Sie hier im Kommentarteil komplett rezitiert haben, was ich verstehen kann denn Ihr Blog ist technisch eine Katastrophe (zum Beispiel ist es mir nicht gelungen, einen Kommentar einzustellen), dass die Merkel Kritik substantieller sein sollte bzw. dass ihr bisher alle Substanz fehlt. Dafür meinen Applaus. Leider lassen Sie es dann aber aus, tatsächlich substantielle Kritik einzubringen. Sie erwähnen die Sparpolitik und die Lissabonagenda, Sie meinen wahrscheinlich eine programmatische Unterordnung des Bürgerkomforts zugunsten wirtschaftlicher Interessen. Das ist eine sicherlich nicht ganz weit hergeholte Annahme, jedoch sind Ihre Belege (ich schreibe nur über diesen einen Blogartikel) dürftig. Sie verweisen auf eine Rede vor dem BDI (auf dessen Podium wir doch alle schon einmal Durchhalteparolen ausgegeben haben), können aber sicherlich nicht erwarten, dass jeder diese Rede kennt oder sie richtig einzuordnen weiß. Auf diese Weise bringen Sie zumindest mich nicht von meiner innigen Merkel-Liebe ab (die allerdings auch mit sachlichen Argumenten kaum noch angreifbar ist). Wenn Sie sich schon die Mühe machen, sprachlich so gelungen über Politik zu schreiben, dann würde ich mir inhaltlich kohäsivere Ausführungen mit loserer Kopplung wünschen.

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  18. Motherhead schreibt:

    Du warst ja schon in den Kohl verknallt.
    Scheinst eine Vorliebe für Elefanten im Porzellanladen zu haben. Zufall?

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  19. genova68 schreibt:

    Mir ging es in dem Artikel nicht um das Programm, sondern den Menschen und von dem wieder den einen Aspekt.

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  20. Motherhead schreibt:

    Hab das @hanneswurst vergessen.
    Bin noch ein New Kid on the Blog.

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  21. Jakobiner schreibt:

    Zu Hanneswurst:
    Wenn ich jetzt allein die Inhaltsangabe der Lissabonagenda, die Merkel-Steinbrück revitalisieren wollen, liefern wollte, macht das schon 2-3 Seiten aus.
    Die Agenda 2020 wird jetzt schon einmal –auch schon namentlich–in den Mund genommen, konkrete Unterlagen dazu gibt es nicht–aber es ist zu erwarten, dass sie eine verschärfte Agenda 2010 sein wird.Da lassen Merkel-Steinbrück die Katze sicherlich nicht vor 2013 aus dem Sack.
    Bei der weiteren ökonomische und politische Integration, ist es schwer zu sagen, welche konkrete Form sie annehmen wird. Schäuble hat dazu im SPIEGEL-Interview einige Grundlinien entworfen–aber das wird erst noch Verhandlungssache. Sicher ist aber, dass hierfür die deutsche Verfassung geändert werden muss. Lissabonagenda,Agenda 2020, EU-Integration und Änderung der deutschen Verfassung sind die 4 grossen Projekte, die Merkel-Steinbrück vorhaben.Wenn ich also nicht ellenlange Zitate und Zusammenfassungen bringe, so soll dies auch der Lesbarkeit des Textes dienen.

    Zur technischen Seite meines Blogs: Da hast du recht, aber mein Blogadministrator sitzt in München, ich bin technisch eine Niete und die Kommentarfunktion haben wir eingeschränkt, da zwar viele Kommentare kamen, aber meist nur 2-3 Sätze , dazu jede Menge Spams, Pingbacks und Trackbacks–darauf haben wir verzichtet und uns geeinigt den Blog lieber als e-mailtagebuch fortzusetzen.

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