Kurze Bemerkung zum Weltfrieden

Günter Grass hat Israel gerade vorgeworfen, den „Weltfrieden“ zu „gefährden“. Das Echo darauf war bei den führenden Journalisten eher kritisch, im Volke aber, wie man sagt, schon eher affirmativ. Ich habe das Wort Weltfrieden bis zur Grassdiskussion nie wahrgenommen. Was ist das eigentlich?

Gewöhnlich spricht man von Frieden und von Krieg als dem Gegenzustand, das reicht zur Unterscheidung. Wer vom Weltfrieden redet, will offenbar eins draufsetzen. Nun könnte man sagen, man spricht vom Weltfrieden, wenn der Frieden auf der gesamten Welt gefährdet ist, nicht nur in einer Region. Wer den Weltfrieden gefährdet, nimmt den Weltkrieg in Kauf, er ist ein Weltkriegshetzer. Weltkrieg Nummer drei also.

Dennoch klingt das Wort in meinen Augen merkwürdig, überhöht irgendwie, es hat etwas Metaphysisches, vielleicht auch etwas Esoterisches. Ein Blick auf Wikipedia fördert Interessantes zutage:

Weltfrieden ist der Ausdruck für den Idealzustand eines weltweiten Friedens, also für das Ende aller Feindseligkeiten und aller Kriege – aktuell also der andauernden Kriege und Konflikte. Er beinhaltet dauerhafte Freiheit, Gerechtigkeit und Glück für alle Menschen und Völker.

„Weltfrieden“ wird da im Weiteren als wesentlich religiös geprägt dargestellt. Das passt ins Bild.

Der jüdische Messias soll bekanntlich irgendwann den erlösenden Frieden bringen, und das verhindern also laut Grass die Juden durch ihre aktuelle Politik.

Ist es Zufall, dass Grass, Literaturnobelpreisträger und somit wohl jemand, der mit Sprache bewusst und sorgfältig umgeht, der Begriffe in einem Gedicht bewusst verwendet, Israel nicht einfach eine Gefährdung des Friedens, sondern des Weltfriedens vorwirft? Juden gefährden den Weltfrieden, sie gefährden das, was doch alle Menschen wollen: dauerhafte Freiheit, Gerechtigkeit und Glück für alle Menschen und Völker – außer den Juden natürlich. Die wollen das alles zerstören, weltweit.

Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

Gleichzeitig ist Grass natürlich nicht nur in großer Sorge um den Weltfrieden, sondern auch um Israel, dem er „verbunden“ ist. Das ist der moderne Aspekt dieses Antisemitismus: Der Jude ist nicht mehr offiziell von Grund auf böse, nein, er ist nur uneinsichtig, ihm muss geholfen werden, und zwar zu seinem eigenen Vorteil. Das ist so ein bisschen wie bei den Schwulen, die die Christen heute auch nicht mehr töten wollen, sondern nur noch behandeln. Wir wollen doch nur euer Bestes!

Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, berichtete kürzlich bei Maybrecht Illgner, dass er bei seinem Amtsantritt, 1993, viele wichtige Deutsche um ein Antrittsgespräch gebeten habe. Alle hätten ihm das gewährt, bis auf Günter Grass. Primors Nachfolger Shimon Stein sei es ebenso ergangen. Primor: „Grass hat ein Problem mit Israel.“

Georg Diez schreibt zu Grass:

Er urteilt, ohne sich einzufühlen oder hineinzudenken, er ignoriert die Umstände der Gründung Israels genauso wie die aktuellen Sorgen und Ängste vieler Israelis, er sagt, er bleibe dem Land „unkündbar verbunden“, aber das klingt bei ihm wie eine Drohung.

Es ist dieser gerade für einen Romanautor überraschende Mangel an Emphase, der so frustrierend ist.

Die Schriftstellerin Sibylle Berg nennt Grass „einen Männerdarsteller wie aus dem Bilderbuch“. Hat was. Männer, die sich permanent zur Weltlage äußern müssen, die sie nur effzient darstellen können, indem sie die Makroperspektive verabsolutieren. Das ist im Fall Grass einfacher, als sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Der merkt das nicht, seine Apologeten noch viel weniger.

Und so dichtete hier ein typischer Mann und ein alter SS-ler eine brisante Kombination. Nochmal Georg Diez:

Es kommt eben immer darauf an, wer spricht und wie er spricht. Und was er mit seinen Worten wirklich erzählt: Grass redet nur von sich, er redet nicht von seinen Ängsten, seinem Schweigen, seiner Geschichte. Das macht sein Gedicht so dumm.

Klar, Grass und Co. wollen nur das Beste. Sie kriegen es aber nicht.

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10 Antworten zu Kurze Bemerkung zum Weltfrieden

  1. hanneswurst schreibt:

    Du versuchst offenbar, es noch schlimmer zu treiben als die Schar von reaktionären Korinthenkackern, die emsig bemüht sind jede Kritik an Israel zu absorbieren, indem sie Grass verhöhnen. Am Text selber bist Du diesmal nur geblieben, indem Du den Terminus „Weltfrieden“ (ist das nicht das Gegenteil von „Weltkrieg“?) herauspickst und dazu wilde Assoziationen ergoogelst. Dann nimmst Du Dir ein paar „Augenzeugenberichte“ vor und stellst sie als Beleg dafür hin, dass Grass offensichtlich aus seinen Problemen ein Israel-Problem gemacht hat. Dabei kennst Du die tatsächlichen Beweggründe dafür, dass Grass Primor und Stein keine Audienz gewährt hat, überhaupt nicht. Dann nimmst Du Georg Diez als Zeugen Deiner Anklage, der ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ist und einfach einer von den zahlreichen neuen Grass-Kritikern. Zitiere doch einfach noch die anderen tausend Grass-Kritiker, fang mit Zitaten von Broder und Reich-Ranicki an, Du kriegst das Blog schon voll.

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  2. genova68 schreibt:

    Mich mit Broder in ein Boot zu setzen ist wirklich eine Frechheit. Es würde kentern.
    Vorschlag zur Güte: Klicke den „Gefällt mir“-Button an und die Sache ist für mich erledigt.

    Nichts zu danken
    genova

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  3. Nihilist schreibt:

    Weltfrieden – den gibt es nur, wenn die Menschheit Abschied vom Planeten Erde genomnen hat. Die Natur braucht uns nicht. Tiere führen keinen Krieg.

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  4. genova68 schreibt:

    Ogott, bitte nicht schon wieder die Schiene. Geh in den Zoo.

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  5. hanneswurst schreibt:

    @ganove: Das ist mit Abstand die unsäglichste Frechheit die mir im Internet bisher widerfahren ist. Ich werde Dein Blog jetzt noch viel kritischer verfolgen müssen, vielleicht auch die Behörenden einschalten (Gesundheitsamt).

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  6. Nihilist schreibt:

    Ach genova, es sind doch nun einmal die Menschen die den Weltfrieden gefährden. Das haben bisher alle Kriege gezeigt.

    Du solltest die einmal die Rede von Schramm bei der Verleihung des Grimme-Preis anhören, über das meistverkaufte Buch, das in keiner Bestsellerliste auftaucht. Die Fundamentalisten in den USA, Israel, und sonstwo. Die wollen unbedingt sofort ins Paradies, das nach dem Armageddon kommen soll. Fundis aller Religionen ziehen am gleichen Strick. Wer nicht den Glauben dieser Fundis teilt ist in deren Augen ein Ungläubiger.

    Der „Neandertaler“ oder „Urmensch“ im Menschen ist immer noch vorhanden. Früher Schwedentrunk, heute Waterboarding und Elektrofolter, Todesstrafe mit Strom, Giftspritze, Gas, Erschiessen … und du glaubst an noch die Vernunft der Menschheit? Für SO naiv hab ich dich immer noch nicht gehalten.

    Erinnert mich an die Frage eines Reporters, ob die Partnerin Bo Derek wirklich eine „10 – Die Traumfrau“ sei. Sicher, soll er geantwortet haben, auf einer Skala von 1 bis 10 war sie eine glatte 1.

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  7. genova68 schreibt:

    Die Behörenden einzuschalten geht eindeutig zu weit. Womöglich hören die noch mit.

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  8. InitiativGruppe schreibt:

    Gleichzeitig ist Grass natürlich nicht nur in großer Sorge um den Weltfrieden, sondern auch um Israel, dem er “verbunden” ist. Das ist der moderne Aspekt dieses Antisemitismus: Der Jude ist nicht mehr offiziell von Grund auf böse, nein, er ist nur uneinsichtig, ihm muss geholfen werden, und zwar zu seinem eigenen Vorteil.

    Grass spricht kritisch von Israel, genova hört und liest und denkt und fühlt dabei nur: Juden, Juden, Juden.

    Wer hat hier eigentlich ein Problem mit „den“ Juden? Grass jedenfalls nicht.

    Apropos Weltfrieden. Schon mal nachgedacht über die Eskalationsmöglichkeiten eines Angriffskriegs gegen den Iran?

    Mancher große Krieg hat klein anfangen, und der mit dem Iran hätte ein gewisses Potential dafür … Aber das ist ja Außenpolitik, und die ist nur für Machos, so hab ich von dir mal gelesen, sinngemäß.

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  9. genova68 schreibt:

    Ig,
    vergleiche mal deine Herangehensweise an die Türkei bei dir im Blog. Da wird differenziert, da werden verschiedene Perspektiven eingenommen und so fort. Bei Israel ist es nur ein Gebashe, Staatsterrorismus, ethnische Säuberungen etc. Alles extrem einseitig und oberflächlich, und das ausgerechnet bei dem Gebilde, bei dem man am genauesten hingucken müsste.

    Ich weiß für dieses Verhalten keine Antwort. Du kapierst in deiner Antwort schon wieder nicht, dass es nicht um die Debatte über den Konfklikt I-I geht, sondern um das Gedicht, um Grass und um die Deutschen. Ich drösele den Begriff Weltfrieden auf und du kommst ohne Umschweife wieder auf die israelische Aggression.

    Ich schlage vor,wir beenden die Debatte hier, mir wird es zu nervig, immer wieder dasselbe schreiben zu müssen.

    Ich mache hier übrigens die gleiche Erfahrung wie in diesen Debatten vor zwei Jahren. Wer sich beim Thema Nahostkonflikt um Vernunft bemüht, wird von allen angegriffen.

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