Wie sich der linke Flügel der SPD eine erneuerte Demokratie vorstellt

Die Details sind es ja oft, die einem den Blick aufs Ganze ermöglichen. Ein Detail ist die kürzlich getroffene Aussage von Andrea Nahles, sie erhoffe sich von Joachim Gauck die „Erneuerung“ der Demokratie.

Es ist nun erstmal atemberaubend, wenn jemand von einer einzelnen Person die Erneuerung von Demokratie fordert, also von etwas, das nur gemeinsam gestaltet werden kann, weil sonst der Gegenstand der Betrachtung, nämlich die Demokratie, sich auflöst wie Nebel in der Sonne. Demokratie in einem Land mit 80 Millionen Menschen von exakt einem Menschen „erneuern“ zu lassen, ist in etwa so effektiv, wie das Tier namens Freiheit im Zoo auszustellen.

Wäre Nahles eine Hausfrau aus der Provinz, die eine solch absurde Bemerkung in ein Mikrofon spricht, das ihr von einem Journalisten in der Fußgängerzone unter die Nase gehalten wird, es wäre verzeihlich; besser: es wäre egal. Andrea Nahles ist aber leider Generalsekretärin der SPD. Noch besser: Sie zählt dort zum linken Flügel.

In den späten 60er und in den 70er Jahren sind viele Menschen der SPD beigetreten, weil man dort „mehr Demokratie wagen“ wollte. Unabhängig davon, was dabei wirklich herauskam: Der Ansatz war eben nicht der, dass man von einem Heiland/Führer/Kaiser/Bundespräsident erwartete, er werde es schon richten, sondern dass dies als gemeinschaftliche Aufgabe begriffen wurde.

Dieses Geschäft soll nach Auffassung der SPD-Linken also ausgerechnet Joachim Gauck betreiben. Mahlzeit. Selbst die Süddeutsche schreibt nun, dass…

„sein Freiheitsbegriff existentialistisch angelegt ist und vor den gewaltigen politischen Gestaltungsproblemen vollkommen hilflos dasteht. Wenn ihm ein verkümmerter Sinn für soziale Gerechtigkeit vorgeworfen wird, hat dies seine Berechtigung… Er ist ein Freiheitsapostel, kein Freiheitsgestalter.“

Mit einem seit DDR-Zeiten nicht renovierten Freiheitsbegriff soll der Gute jetzt also die Demokratie erneuern. Linke Sozialdemokraten suchen ihr Heil in einem regressiven Apostel, von dem man beispielsweise weiß, dass der die Proteste gegen Stuttgart 21, also einem genuin demokratischen Vorgang, als „Vorgartenverteidigung“ denunzierte.

Wie gesagt, Details erlauben manchmal den präzisen Blick aus Ganze. In diesem Fall auf die politische Korruptheit der SPD-Führung. Aber das ist ja nichts Neues. Deshalb: Punkt.

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109 Antworten zu Wie sich der linke Flügel der SPD eine erneuerte Demokratie vorstellt

  1. hanneswurst schreibt:

    Auch Putin wünsch sich eine „Erneuerung der Demokratie“: http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/russland-putin-fordert-eine-erneuerung-der-demokratie_aid_711135.html

    Tja die Nahles, bei der ist irgendetwas schiefgelaufen. Ich weiß nicht genau was, aber irgendwie erinnert sie mich an Horst Mahler, faszinierend die Frau. Ich würde Sie mal dem „Neo-Spießertum“ zurechnen, und damit passt eine Befürwortung Gaucks doch sehr zu ihr, denn den kann man wohl einen neo-spießigen Besser-Ossi nennen. Nicht unbedingt für das, was er getan hat (wer weiß das schon genau), aber für das, wofür er steht.

    Glossar

    „Neo-Spießer“ (nach hANNES wURST, nicht nach taz): Personen, die den Lebensstil ihrer Mitmenschen kritisieren und angreifen, weil sie sich persönlich stets als Angehörige einer „Oberen Mittelschicht“ sehen, und befürchten, dass das Verhalten und die Entwicklung ihrer Mitmenschen diesen (lediglich subjektiv empfundenen) Stand in der Gesellschaft gefährden. Oft steht die politische Denke des Neo-Spießers seinen eigenen Interessen im Wege, denn tatsächlich ist der Neo-Spießer weniger privilegiert als er selber denkt, was dazu führt, dass er bereitwillig demokratische Werte gegen ökonomische Werte eintauscht, wovon aber in Wahrheit nur eine kleine Oberschicht profitiert. Der Neo-Spießer zeichnet sich jedoch durch einen starken Glauben daran aus, dass er „alles richtig“ macht.

    „Besser-Ossi“: Ehemaliger Bürger der DDR, der auch zu Zeiten der DDR schon „alles richtig“ gemacht hat.

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  2. genova68 schreibt:

    Dass Putin sich eine Erneuerung der Demokratie wünscht, muss wohl tiefenpsychologisch betrachtet werden. So, wie wenn ein Porschefahrer sich ein Tempolimit wünscht.

    Bei Kritik und Kunst gefunden, sehr lesenswert, ein Brief von Gerhard Rein, Ex-Redakteur für Kirche und Gesellschaft beim Süddeutschen Rundfunk:

    Klicke, um auf Gerhard_Rein.pdf zuzugreifen

    Gauck wurde der Geschwister-Scholl-Preis verliehen, ein an sich schon bemerkenswerter Vorgang.

    Vielleicht könnte man Gauck auch in Verbindung bringen mit der (Ex-)These von Fukuyama, wonach 1989 das Ende der Geschichte gekommen sei. Das hat ja auch was heilsgeschichtliches, der Kommunismus ist besiegt, der Kapitalismus hat gesiegt und jetzt kommt der ewige Weltfrieden, an dem man gefälligst nur im Detail ein wenig herumkritisieren dürfe, aber auf keinen Fall substanziell. Gauck scheint auch hier vor 20 Jahren stehen geblieben zu sein.

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  3. Jakub Sobelsohn schreibt:

    Den ewigen Weltfrieden werden unsere Freunde beim gegenseitigen Hochschaukeln in Riad, Jerusalem und Teheran und anderswo schon zu verhindern wissen…

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  4. InitiativGruppe schreibt:

    Nur, um dem Urteil über Nahles eine politische Facette hinzuzufügen:

    In der Politik sagt man manches nicht deshalb, weil es stimmt, sondern weil man möchte, dass es so kommt, oder weil man möchte, dass andere es so sehen. Man sagt etwas, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen.

    Gauck ist – bei vielen im Volk – populär. Also hängt man sich geschickt an die Popularität an .- und tut das mit einem Gedanken oder einer Programmatik, wie man sie selber verfolgt; etwa: Erneuerung der Demokratie.

    Es kommt da nicht auf die politologischen Feinheiten an.

    Wenn einer den Begriff Freiheit hört, denkt er sich sowieso nur das, was er sich persönlich und naiv drunter vorstellt, und verallgemeinert das ebenso naiv auf die andern.

    Nahles versucht, etwas Wasser auf ihre Mühle zu leiten. Ein ganz normaler Vorgang in der Welt der Politik.

    Es gibt Situationen, da mach ich das auch so.
    Sogar als Lehrer, der mit seinen Migrantenschülern über Deutschland spricht und debattiert und dabei, wie man so schön und beinahe schon klischeehaft sagt, sie dort abzuholen versucht, wo sie tatsächlich stehen.

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  5. landbewohner schreibt:

    hanneswurst
    danke für die wunderbare definition des neospiessers

    passt wunderbar zur nahles.
    allerdings habe ich bei der dame ausser blödem grinsen noch keine bemerkenswerte andere äusserung finden können.

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  6. Jakub Sobelsohn schreibt:

    Oha, hier ist ja tatsächlich mal jemand im Forum der etwas von Politik (ich rede jetzt nicht von Politikwissenschaft) versteht.
    Alle anderen schwallern munter vor sich hin.

    Die Linke hat mit der Nominierung von Nazijägerin Klarsfeld (von der Stop-The-Bomb-Fraktion) mal wieder den Vogel abgeschossen.
    Stasijäger und Nazijäger:-) Treffen sich zwei Jäger: Beide tot.

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  7. genova68 schreibt:

    Warum soll es verwerflich sein, Material von der Stasi über Kiesinger angenommen zu haben?

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  8. summacumlaude schreibt:

    Rathenow beruft sich u.a. auf Aussagen von „Stasi-Offizieren“!!! Interessant. Genau dieses Berufen auf Stasi-Offiziere sollte ja die Kritik bezüglich Gaucks Stasi-Geschichte unglaubwürdig sein lassen. Hat ja bloß ein Stasi-Offizier behauptet, hieß es dazu.
    Es wird immer evidenter, dass die Interpretation von Stasi-Kontakten – so oder so – jeweils auf ideologisch-politischer Basis erfolgte und erfolgt. Einen aufklärerischen Impetus kann ich immer weniger erkennen.

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  9. genova68 schreibt:

    Gauck hat sich anlässlich seiner Vorstellung vor der grünen Bundestagsfraktion eindeutig von Sarazzin distanziert und bedauert seine früheren Aussagen dazu, steht heute in der Berliner Zeitung. Dumm ist er nicht.

    Krasse Geschichte auch, wie Trittin bei Maibrecht Illgner der Chefredakteurin der taz über den Mund fuhr („Schweinejournalismus“). Trittin ist mittlerweile ein ähnlich unangenehmer Wendehals wie Fischer. Die Grünen scheinen die perfekte Partei für solche Leute zu sein. Man kann behaupten, was man will, weil eh allen alles egal ist, außer AKWs und Klimakatastrophe.

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  10. Jakub Sobelsohn schreibt:

    @summacumlaude

    wenn dann vollständig zitieren: „Stasi-Offizieren UND auf Stasiakten“

    @genova68
    weil diese „Berichte“ von der Stasi geschickt frisiert und aufgebauscht worden sind. Beispiel
    http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Oberl%C3%A4nder#R.C3.BCcktritt

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  11. genova68 schreibt:

    @genova68
    weil diese “Berichte” von der Stasi geschickt frisiert und aufgebauscht worden sind.

    Kann sein, muss aber nicht. Das Material entgegenzunehmen, ist eine Selbstverständlichkeit. Dessen Bewertung steht auf einem anderen Blatt. Jeder Historiker macht das so.

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  12. Jakub Sobelsohn schreibt:

    http://www.sueddeutsche.de/politik/linke-stellt-praesidentschaftskandidatin-vor-frau-klarsfeld-jagt-nach-anerkennung-1.1296789

    „Das macht sie offenbar auch jetzt nicht. Sie will Anerkennung, höchste Anerkennung. Mehr eigentlich nicht. In Frankreich unterstützt die Deutsch-Französin Klarsfeld Staatspräsident Nicolas Sarkozy in dessen Wiederwahlkampagne. „Er hat mich schon zweimal ausgezeichnet“, sagt sie, als reiche das als Begründung.“

    ROFL Schade dass heute der 1. März ist und nicht der 1.April :-)
    Wie hat Gysi eigentlich Oskarchen dazu gebracht diese Frau durchzuwinken?
    Btw. ihr Sohn Arno ist Berater von Sarkozy.

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  13. genova68 schreibt:

    Eigentlich geht es hier um Gauck.

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  14. Jakub Sobelsohn schreibt:

    Richtig, Klarsfeld aber toppt durch solche Statements den „eitlen Gauckler“ und „Kandidat der kalten Herzen“ (Gesine Lötzsch) noch um Längen.
    Zumal Klarsfeld und ihre Famiglia am Rockzipfel von „Sinti-und-Roma“-Abschiebler Sarkozy hängen. Vor diesem Hintergrund ist jede Kritik an Gauck in Bezug auf sein Statement „Sarrazin hat Mut gezeigt“ reiner Hohn.
    Jeder blamiert sich halt so gut er kann und die LINKE hat den Aprilscherztag somit um einen Monat vorverlegt. Die Luft draußen ist ja auch schon frühlingshaft, da kann so etwas schon mal passieren :-)

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  15. genova68 schreibt:

    Deine Maßstäbe von „toppen“ sind lediglich deine subjektiven. Und Hohn ist an der hier geübten Kritik an Gauck überhaupt nichts.

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  16. Jakobiner schreibt:

    1)Der wirkliche Linksflügel der SPD hat sich doch schon längst zur Linkspartei verabschiedet. Dieser Linksflügel der SPD ist ein verrotteter Kadaver, der frisst, was ihm der Seeheimer Kreis zu fressen gibt.Wahrscheinlich wird nach 2013 sowieso eine Grosse Koalition von Merkel/Steinbrück kommen und eine Agenda 2020 durchgezogen–und Gauck wird die passende Ruckrede für die Agenda 2020 halten.
    2) Klarsfeld ist nicht nur Nazigegnerin, sondern auch aktive Unterstützerin von „Stop the Bomb“ und entsprechender Kriegshetze gegen den Iran.Damit ist sie die Kanidatin von BAK Schalom innerhalb der Linkspartei.

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  17. genova68 schreibt:

    1) Kann man wohl ganz pragmatisch so sehen.
    2) Du überschätzt den Einfluss dieser drei Hanseln vom BAK Schalom. Ich glaube, die Frage, wer Kandidat wird, ist in diesem Fall nicht so wichtig, es lohnt keine lange Auseinandersetzung. Dass du hier so entschieden gegen Stop the bomb auftrittst, wundert mich angesichts deiner harten Auseinandersetzungen mit Fatima Oezoguz.

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  18. Jakobiner schreibt:

    Dazu wundert mich das bei der Zicke Nahles überhaupt nicht: Wer unter einem Basta-Kanzler und Alpharüden wie Schröder gedient und sich zuungunsten Oskar Lafontaines hochgebuckelt hat, dem ist eben auch ein Führer in Sachen Demokratierenaissance lieb.In letzter Zeit und ihrem Buch versucht sich Nahles ja auch dezidiert als bekennende Katholikin zu outen–mal sehen, ob sie der deutschen Bevölkerung neben Schröder, Gauck dann auch noch den Papst als grosse Führergestalt anempfehlen will.Wir sind Schröder, wir sind Papst, wir sind Gauck!!!

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  19. Jakobiner schreibt:

    Man kann auch ein Gegner der islamoautoritären Diktatur im Iran sein, Fatima Özuguz widerprechen und mit ihr Feind sein, aber muss deshalb immer noch nicht Kriege gegen den Iran befürworten.

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  20. summacumlaude schreibt:

    @ Jakub Sobelsohn: Auch bei Gauck gibt es „verdächtige“ Akteneinträge, z.B. von Hauptmann Terpe. Das ist ja auch immer wieder Thema gewesen, wird m.E. allerdings überschätzt. Wichtig ist mir nur die deutlich unterschiedliche Bewertung seiner und anderer Leute Akteneinträge. Das sticht ins Auge.
    Gauck war eben ein Pfarrer, in dessen Leben das Wort Kompromis sehr wohl vorkam, nur dass er hinterher von Kompromissen nichts mehr wissen wollte. Die Fakten diesbezüglich sind eindeutig. In der Summe keine unehrenhafte Biographie, aber eben nicht die Biographie eines Fundamentaloppositionellen. Fragt sich, warum er sich ständig – nein nicht selbst dazu erklärt, sondern viel schlimmer: Sich dazu erklären lässt. V.a. von westdeutschen konservativen Eliten. Diese benötigen ihn und seine gefakete reine Widerstands-Biographie offenbar als Projektionsraum für ihre apolitischen, rückwärtsgewendeten Sehnsüchte. Da wird noch einmal der kalte Krieg gewonnen. Das, lieber Freund, wird man ja wohl erwähnen dürfen, ohne sogleich als Fürsprecher der Herren IM „Notar“, Sekretär“ oder „Heiner“ gelten zu müssen.
    zuletzt: Wer oder was hat Gauck eigentlich daran gehindert, anlässlich des Geschwister-Scholl-Preises sich hinzustellen und auf das offenkundige Mißverständnis dieser Preisverleihung hinzuweisen? Das wäre wirklich mal befreiend gewesen, wo er doch das Wort Freiheit sonst immer so groß im Mund führt.

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  21. Jakobiner schreibt:

    1)Gauck–ein Kompromissler, kein Fundamentaloppositioneller–das trifft es gut.Deswegen sollte er auch aufhören denunziatorisch in Gysis und Wagenknechts Stasiakten rumzubohren, da vielleicht auch noch selbiges über ihn gefunden wird.Vielleicht sogar der Faux pais über den Gauckbehördler Gauck als Bundespräsident selbst stolpern könnte

    2) Wenn Nahles einen Bastakanzler wie Schröder angebetet hat, der Putin einen „lupnreinen Demokraten“ nannte, ist ja wohl offensichtlich welches Demokratieverständniss Nahles hat.

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  22. Jakobiner schreibt:

    Diese ganzen angeblich Stasiresitsenten ostdeutschen, protestantischen Politiker wie Gauck und Merkel , diese gar so sauber gehaltenen Propganadabiographien von den Widertsandskämpfern sollten doch wirklich nicht die Illusion fördern, dass man in solch einem System sauber bleibt. Da hat jeder Dreck am Stecken. Und warten wir mal ab, ob Merkels protesantischer Vater oder sie selbst niemals bei der Stasi während ihrer FDJ-Zeit gepetzt haben.

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  23. genova68 schreibt:

    summacumlaude,
    danke für die klaren Worte. Wenn es die westdeutschen konservativen Eliten sind, die Gauck wollen, dann ist es kein weiter Schritt, darunter von Geis bis Trittin so ziemlich alles zu subsumieren. Da stehen wir also.

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  24. Nihilist schreibt:

    da lob ich mir Marcel Reich-Ranicki, der den Mut hatte einen Preis abzulehnen.

    Solche Worte, ich nehme die Auszeichnung nicht an, bei den falschen Lobeshymnen über Gauck von Gauck, das wäre ehrlich gewesen.

    Aber wo findet sich bei den Großkopferten noch ein aufrichtiger ehrlicher Mensch?

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  25. InitiativGruppe schreibt:

    Was ich Gauck nicht so leicht verzeihe, ist das:
    NZZ: Jetzt hat Bundespräsident Wulff zum Tag der deutschen Einheit gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Hätten Sie das in dieser Funktion so auch gesagt?

    Gauck: Also, das ist ein Problem der Wortwahl. Ich weiß was er meint, und ich denke, dass er in dieser Beschreibung etwas, was irgendwann einmal sein wird, vorgezogen hat. Denn wir würden uns eigentlich nicht helfen, wenn wir Fremdheit und Distanziertheit übersehen würden in der guten Absicht, ein einladendes Land zu sein. Diese gute Absicht ist ja lobenswert, aber wir haben doch ganz andere Traditionen, und die Menschen in Europa, das sehen wir allüberall, nicht nur in Deutschland, sind allergisch, wenn sie das Gefühl haben, dass was auf dem Boden der europäischen Aufklärung und auch auf dem religiösen Boden Europas gewachsen ist, wenn das überfremdet wird, um einen Begriff zu verwenden, der in Deutschland verpönt ist, aber ich verwende ihn hier ganz bewusst, denn ich habe in, sagen wir, älteren Zivilgesellschaften als Deutschland es ist, etwa in den städtischen Milieus von Rotterdam und Amsterdam oder Kopenhagen, wo wirklich die Menschen unverdächtig sind, Rassisten zu sein, dieses tiefe Unbehagen alteingesessener Europäer gegenüber dieser Form von, ja, plötzlicher Koexistenz, aber nicht mit einem System, mit dem wir jederzeit auf einer Wellenlänge kommunizieren, sondern, darum macht sich das am Islam fest, da entsteht eine Debatte mit voraufgeklärten Politikvertretern, das ist weniger politisch, aber es ist vor der Aufklärung, was in Teilen unserer Moscheen hier verbreitet wird, und auch der Ansatz des Islam ist nicht durch eine Reformation gegangen , wie in Europa, und auch nicht durch eine europäische Aufklärung, und deshalb jetzt einen Zustand zu beschreiben, als wäre dieser kulturelle Schritt innerhalb der muslimischen Welt schon vollzogen, das täuscht uns über diese Fremdheit, die nach wie vor existiert, hinweg.
    http://www.publikative.org/2012/02/21/voll-im-kontext-gauck-und-die-uberfremdung/

    Überfremdung war irgendwann einmal das Unwort des Jahres.

    Eine Reformation wünsche ich dem Islam um Gottes willen auch nicht; eine Phase der Aufklärung schon, das ist was anderes (beinahe das Gegenteil). Eine Phase der Aufklärung würde ich aber auch der deutschen Bevölkerung wünschen – es ist nur eine Minderheit, die aufgeklärt zu denken in der Lage ist.

    Natürlich darf man in Deutschland so denken, wie Gauck das in seiner Äußerung tut, ich lege es außerdem auch nicht auf die Goldwaage. Als Bundespräsident wünsche ich mir so jemanden allerdings nicht, ich würde ihm – säße ich in der Bundesversammlung – meine Stimme nicht geben.

    Auch nicht Beate Klarsfeld. Soweit hat mich Sobelsohn überzeugt.

    Ich würde wohl Georg Schramm auf meinen Zettel schreiben, also ungültig wählen. Da wär dann mal ein wirklich FREMDER Präsident.

    Was Gauck angeht, so geb ich ihm als Präsident eine Chance. Auch im Alter lernt man manchmal noch dazu. Schauen wir also mal.

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  26. genova schreibt:

    Aha, danke für den Hinweis zu „Reformation“ statt „Aufklärung“.

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  27. genova68 schreibt:

    Aha, danke für den Hinweis auf „Reformation“ und „Aufklärung“. Wäre mir durch die Lappen gegangen.

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  28. Jakobiner schreibt:

    Gauck wird jetzt auch noch von Seiten der taz die Holocaustrelativierung vorgworfen, u.a. dass er die Singularität des Holocaust infrage stellt.In der ZEIT dieser Woche ist ein hervorragender Artikel von Götz Aly, der diesen Vorwürfen widerspricht und ihren Protagonisten ein selbstgerechtes Verhältnis zur deutschen Geschichte vorwirft.

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  29. Jakobiner schreibt:

    Dazu: Reformation des Islam, das ist ja gerade der Wahhabismus und Deobandislam gewesen. Diese Puritaner des Islam haben Luthers Eifer da in den Schatten gestellt.

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  30. Jakobiner schreibt:

    Lesetip zur Schlammschlacht um Gaucks Holocaustäusserungen unter:

    http://www.taz.de/!88277/

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  31. Jakobiner schreibt:

    Noch das Zitat von Gauck über den Holocaust:

    „Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocausts. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist. Offensichtlich suchen bestimmte Milieus postreligiöser Gesellschaften nach der Dimension der Absolutheit, nach dem Element des Erschauerns vor dem Unsagbaren. Da dem Nichtreligiösen das Summum Bonum – Gott – fehlt, tritt an dessen Stelle das absolute Böse, das den Betrachter erschauern lässt.

    Das ist paradoxerweise ein psychischer Gewinn, der zudem noch einen weiteren Vorteil hat: Wer das Koordinatensystem religiöser Sinngebung verloren hat und unter einer gewissen Orientierungslosigkeit der Moderne litt, der gewann mit der Orientierung auf den Holocaust so etwas wie einen negativen Tiefpunkt (…) Würde der Holocaust aber in einer unheiligen Sakralität auf eine quasireligiöse Ebene entschwinden, wäre er vom Betrachter nur noch zu verdammen und zu verfluchen, nicht aber zu analysieren, zu erkennen und zu beschreiben. Wir würden nicht begreifen.“

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  32. Jakobiner schreibt:

    Was da zumindestens rausklingt ist die Arroganz eines Pfaffen und Religiösen, die den Holocaust als Ersatzreligion der Nichtreligiösen deutet:nur der religiöse Mensch hat die Analysefähigkeit aufgrund seiner Wertorientierung. Der Holocaust als Produkt der Gottlosigkeit und nur die Religiösen sind fähig ein realistisches Bild davon zu haben.

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  33. hanneswurst schreibt:

    In dieser Sache möchte ich Gaucks Position verteidigen: Die Betonung der angeblichen Singularität des Holocaust birgt die Gefahr, dass davon ausgegangen wird, dass sich ein solcher Völkermord nicht wiederholen kann. Da Völkermorde beinahe zur Tagesordnung gehören, ist dies eine schädliche Haltung. Auch versperrt die Annahme der Singularität eine ernsthafte Ursachenforschung. Der Holocaust wird sozusagen als ein Ausrutscher ins Reich des Bösen (Religionsbezug) missdeutet, was sowohl durchaus menschliche Verantwortung verschwimmen lässt als auch eine gewisse ebenfalls religiös deutbare „Machtlosigkeit gegenüber einem höheren Phänomen“ andeutet, die wiederum impliziert, dass die Menschheit sich gegen so etwas ungeheuerliches wie den Holocaust nicht wehren kann.

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  34. genova68 schreibt:

    Ich würde Gauck ja noch am ehesten zugute halten, dass er sich zu so etwas wie einem produktiven Querdenker entwickeln könnte, nicht im handelsüblichen Sinn des Begriffs, dass man rechte Positionen ausspricht und sich dann als Tabubrecher feiern lässt, sondern dass er einer gewissen Aufgeregtheit des politischen Betriebs, der gerne in Schubladen sortiert, entgegentritt, weil er nicht zur politischen Klasse im engeren Sinn gehört.

    Auschwitz wird in der Gedenkkultur teilweise dahingehend überhöht, dass es zur Routine verkommen kann und sich jeder über das „Unfassbare, Entsetzliche, nicht Aussprechbare“ empört, ohne dass da noch Füllung drin ist. Bei Gauck kommt das aber alles zumindest missverständlich rüber, zumal, wenn man seine Haltung zur Totalitarismustheorie kennt. Da ist dann SED = NSdAP.

    Und das, was da in der taz von Gauck zitiert wird, halte ich schon für starken Tobak. Wer nicht religiös ist, dem bietet sich Auschwitz als Ersatz an. Alleine die Meinung, dass Religiöse das absolut Gute suchen und Nicht-Religiöse das Gegenteil dessen – was ist das denn für eine Scheiße? Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass Gaucks intellektuelles Niveau maßlos überschätzt wird. Das ist in weiten Teilen Stammtisch, nur besser formuliert.

    Es ist auch merkwürdig, wie viele Publizisten bei Gauck eine Milde walten lassen, die nicht angemessen ist. Stephan Hebel – eigentlich ein ganz fitter Kopf – kritisiert heute in der Berliner Zeitung, dass Gauck die Gefahr entfesselter Märkte „noch nicht ausreichend erkannt hat“ und sein Freiheitsbegriff in der DDR steckengeblieben ist. Stimmt (wobei das „noch“ allzu optimistisch ist). Aber das bringt Hebel nicht dazu, Gauck abzulehnen, sondern ihn stattdessen euphorisch zu feiern. Ein nominierter Kandidat erzählt Blödsinn, aber das wird sicher noch.

    Man hat fast das Gefühl, Hebel wird zu einem solchen Blödsinn gezwungen.

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  35. genova68 schreibt:

    Hannes,
    die Singularität des Holocaust hat Gauck nicht bestritten und er wird auch nicht so vermessen sein, das zu tun. Dabei geht es nicht um die Frage, ob er sich wiederholen kann (klar kann er, wer könnte das für immer ausschließen), sondern darum, ob er mit anderen Völkermorden der Geschichte gleichgesetzt werden kann.

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  36. Jakobiner schreibt:

    „Singularität des Holocaust“–daran glaube ich auch nicht. Pol Pots Kambodscha, Ruandas Völkermord, (der Völkermord an den Armeniern) oder Stalins Kulakenvernichtung sind da durchaus vergleichbare Beispiele.
    Aber derart exzessive Völkermorde gab es eben auch sehr begrenzt und hier war Deutschland unter den Nazis schon ein internationaler Vorreiter bei diesen wenigen Megatyrannen.Was mich aber immer erschreckt, ist die Leiden des 2.Weltkrieges auf den Holocaust zu rduzieren. 6 Millionen Juden wurden vergast UND genauso 60 Millionen Menschen industriell auf den Schlachtfedlern ermordet, darunter 20 Millionen Russen.Der Holocaust wird als Verbrechen gesehen, aber der Krieg nicht so sehr, obwohl dabei wesentlich mehr Menschen vernichtet wurden–da hat man den Eindruck, das wird immer noch so als Gentlemen´s Schlacht unter tapferen und ehrlichen Soldaten gesehen, eine Art Volkssport.Was mich immer wieder wütend macht: Viele dieser Weltkriegsveteranen reden von sich gar nicht selbst als Opfern der Nazidiktatur ,sondern eben als normale Soldaten und damit hat es sich. Dass sie gezwungen wurden von der Arbeitsfront auf die Völerschlachtfront zu wechseln, weckt da mehr nostaligischen Romatizismus, denn Abscheu vor dem Naziregime.Der Holocaust wird emnetsprechend als ausländische Feindpropganda zwecks ewiger Reprationsforderungen an Israel gesehen, während der Weltkireg eher als des deutschen Soldaten selbstverständliche Sache angesehen wird und säuberlich von dem Holocaust getrennt gesehen wird.Dass nicht nur die Juden, sondern auch der Grossteil der deutschen Bevölkerung Geissel Hitlers war, wird dabei ignoriert. Seltsamerweise sehen sich die Veteranen des 2. Weltkrieges, wie auch viele ältere Deutsche gar nicht als Opfer Hitlers.

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  37. Jakobiner schreibt:

    Ich rede dabei jetzt von den Deutschen, die nicht in der NSDAP, der SS oder SA waren.

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  38. genova68 schreibt:

    Oje, jetzt wird ja ein neues Fass aufgemacht. Wenn man die Singularitätsthese des Holocaust bestreitet, sollte man, gerade in Deutschland, sich gut informieren. Die These behauptet ja nun nicht, dass es keine andere Völkermorde gibt, sondern dass der Holocaust mit einer nie dagewesenen Präszision und Effektivität auf industrieller Basis geplant und durchgeführt wurde, ohne Emotion. Dass es sechs und nicht sechzig Millionen ermordete Juden und Angehöriger anderer Gruppen gab, lag einzig an den Alliierten, die den Krieg beendeten. Insofern ist Gulag, Pol Pot, Ruanda etc. nun gerade nicht gleichzusetzen. Vergleichbar ist natürlich alles.

    Es wurde übrigens, nur mal nebenbei, nicht sechs Millionen vergast, sondern 1,5 Millionen, glaub ich. Es wurden insgesamt sechs Millionen Juden ermordet.

    Dass der 2. WK nicht als Verbrechen gesehen wurde – da bräuchte man Beispiele, wer das macht.

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  39. hanneswurst schreibt:

    Ich hätte den Begriff „Singularität“ nicht verwenden sollen. Für den einen betont der Begriff die ohne Zweifel vorhandenen speziellen Merkmale des Holocaust, für andere (zum Beispiel für die vergleichende Völkermordforschung) ist der Begriff ein Hindernis bei der Erforschung typischer Merkmale von Völkermorden. Verleitet hat mich das Gauck-Zitat. Gauck spricht von der Betonung einer Einzigartigkeit, die zu einer Entweltlichung führt. Darin gebe ich ihm ebenso Recht wie in der Beobachtung, dass der Holocaust als Tiefpunkt eines moralischen Koordinatensystems missbraucht wird.

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  40. Jakobiner schreibt:

    Ich redete von 60 Millionen Kriegsttoten. Beispiele, dass der Krieg nicht als Verbrechen gesehen wird, gibt es Sand am Meer. In den vielen Gesprächen , die ich mit WK-2-Veteranen hatte, romantisierten sehr viele ihre Kriegserlebnisse (atemberaubende Landschaftsbeschreibungen , wie den Sonnenaufgang am Woronesch vom Wehrmachtspanzer aus zu beobachten oder eben ala Jünger als Stahlgewitter, in dem sich der wahre Krieger und Mann beweist).Zudem: Noch nie „Landser“ oder „Steiner, das Eiserne Kreuz“ gelesen?

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  41. genova68 schreibt:

    Jakobiner,
    ja, diese WK2-Verherrlichung gibt es, die gibt es wohl nach jedem Krieg. Wie Veteranen den Krieg sehen, ist erstmal deren Sache, die waren dabei und müssen das verarbeiten. Ich habe ein Problem damit, wenn wir Nachgeborenen uns da allwissend oder moralisch überlegen fühlen. Aber der Punkt ist ja, dass aus gutem Grund ein klarer Trennstrich gezogen wird zwischen einem Krieg und dem Holocaust.

    Hannes,
    die Singularitätsthese ist ja eine, mit der wir aufgewachsen sind und die es immer zu verteidigen galt gegen Relativierer, die dann auch die Nazis mit Stalin relativieren, da war ja Nolte seinerzeit der erste Höhepunkt dieser Bewegung. Singularität heißt aber mitnichten, dass man nichts vergleichen könne. Der Vergleich ist in der Geschichtswissenschaft ein seit vielen Jahren etablierter Zweig, der ja gerade das Erkennen von Unterschieden erst möglich macht. Erst der Vergleich hat die „Völkermordforschung“ zu der Singularitätsthese gebracht.

    Vergleichen kann ich alles. Im Deutschen wird da gerne „vergleichen“ mit „gleichsetzen“ verwechselt. Würde mich mal interessieren, ob das in anderen Sprachen genauso passiert.

    Das mit der Entweltlichung stimmt ja, wobei ich Gauck nicht gerade als geeignet halte, das Thema zu referieren, weil er, wie gezeigt, völlig unkritisch Hitler und Stalin gleichsetzt. Das mit dem „Missbrauch des Holocaust als Tiefpunkt im moralischen Koordinatensystem“ verstehe ich nicht. Wer macht das? Wie wirkt sich das aus? Soll man die Skala nach unten hin offen lassen?

    Generell: Ein Punkt, der bei der Beurteilung von Gauck vielleicht zu kurz kommt, ist seine ausgeprägte Egozentrik. Der Mann salbadert gerne, ein Vortrag von ihm, eine Lesung ist meist eine Folge von Plattitüden, die nur dann ausbleiben, wenn er auf Konkretes in der DDR zu sprechen kommt. Ich finde es kaum fassbar, dass ein halbwegs zivilisiert wirkendes Publikum da stundenlang interessiert zuhören kann.

    Diese Egozentrik führt wohl auch dazu, dass er sich nun angekommen fühlt im westdeutschen Konservativismus, also da, wo er in seinen Träumen schon immer sein wollte. Alles halb so wild, weil biographisch nachvollziehbar. Aber als Bundespräsident 2012 halt daneben und lediglich Zeichen für die politische Regression hierzulande.

    Zur Egozentrik interessant ein Interview mit Tschiche, einem oppositionellen Pfarrer aus der DDR. Auszug:

    Er ist von Hause aus ein konservativer Mann, er ist wie unsere Angela. Er betrachtet die Bundesrepublik als alternativlos. Aber alternativlos, das sage ich Ihnen, ist nur der liebe Gott. Aber wo Menschen leben und arbeiten, gibt es Alternativen. Gauck sagt auch: Ich bin endlich dort angekommen, wo ich immer hinwollte. Aber ein Bundespräsident müsste fragen: Wie geht es morgen weiter?

    http://www.freitag.de/politik/1209-der-anti-gauck

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  42. Jakobiner schreibt:

    1) Wenn Veteranen der jüngeren Generation vom Krieg als besseren Abenteuer, Mutprobe für den wahren Mann und Blitzkriegtoruismus erzählen, finde ich das keineswegs „ihre Sache“.Sie sind durchaus verantwortlich, welches Bild vom Krieg gezeichnet wird.

    2)“Aber der Punkt ist ja, dass aus gutem Grund ein klarer Trennstrich gezogen wird zwischen einem Krieg und dem Holocaust.“
    Diesen Trennstrich halte ich für falsch–in beiden Fällen handelt es sich um industriellen Massenmord.Der Holocauts: 6 Muillionen Totet Juden, der Weltkrieg 60 Millionen tote Menschen. Warum sollte man da unterscheiden? Mensch ist Mensch!!!Seltsam, dass auch linke Menschen diesen Trennstrich akzeptieren.

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  43. hanneswurst schreibt:

    In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Mittlerweile auch, hinter die feindlichen Linien zu fliegen und Zivilisten zu töten. Das ist moralisch degeneriert – aber Praxis. Der Holocaust war jedoch kein Kriegsakt, sondern Massenmord aus niedrigsten Motiven. Es ist nun mal üblich – nicht nur in der Moraltheorie sondern auch vor dem Gesetz – nicht ein Menschenleben mit einem Menschenleben aufzuwiegen, sondern Situationen und Motive in die Beurteilung einzubeziehen, so wie ein Raubmord auch anders bewertet wird als eine Tötung aus Notwehr.

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  44. Jakobiner schreibt:

    Was für ein Gewäsch: Ist der Krieg ein Massenmord aus „höheren Motiven“–so kann ich auch den Holocaust sehen: Die Nazis haben die Juden ja nicht aus niedrigen ökonomischen Motiven ermordet, sondern aus einem höher gestellten Ziel–dem der Rassereinheit im sozialdarwinistischen Kampf der Völker untereinander.Wenn man also der Ansicht ist, es ist ein höheres Motiv, dann ist Massenmord erlaubt?Pol Pot wollte auch nur den Kambodschaner auf Rousseus Edlen Wilden erhöhen–war Kambodscha deswegen kein Massenmord–trotz der höheren Ziele Pol Pots? Mir wird übel!!! Es scheint ein Tabu unter Linken–ausgerechnet!!- Krieg eben als indutsriellen Massenmord zu sehen. Was sollen diese fadenscheinigen Relativierungen und Differenzierungen anderes, als den Krieg dann dch durch die Hintertür wieder zu rechtfertigen?

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  45. Jakobiner schreibt:

    Nach dem Motto: Kriege gehören nun einmal zur Menschheitsgeschichte und sind deswegen natürlich.Dasslebe könnte man aber genauso von Völkermorden und Genoziden sagen. Bist du dir eigentlich bewusst, was für einen reaktionären Scheiss du hier vertittst, Hanneswurst?

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  46. summacumlaude schreibt:

    Die Trennung zwischen dem nationalsozialistischem Massenmord einerseits und dem nazionalsozialistischem Weltanschauungskreuzzug andererseits ist künstlich, die Motivation nach allem was ich weiß ähnlich weltanschaulich unterfüttert. Die Maschine, die den Krieg führte, und diejenige, die die Vernichtung betrieb, frass dasselbe Öl. Auch personell gab es Überschneidungen. Hierzu bitte auch den Kommissarbefehl reflektieren. Und als Heinrich Himmler vor ca. 250 Vertretern der Wehrmacht/Marine am 25.01.1944 in Posen über die sog. Endlösung referierte, klatschten fünf nicht…(Quelle Kunrath von Hammerstein „Spähtrupp“). Die saubere Wehrmacht, die schmutzige SS, das stimmt so nicht. Spätestens die Wehrmachtausstellung sollte solche faulen Zähne gezogen haben.
    Darüber sollte man sich doch nicht in die Haare kriegen.

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  47. summacumlaude schreibt:

    Tschullijung wegen demmmmm doppeltemmmm Dativ-M (außer mir sinn allehohl). Inhaltlich bleibts aber dabei.

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  48. genova68 schreibt:

    Mein Gott, hier geht´s ja drunter und drüber.

    HannesWurst, das hast du schön erfasst, dein Philosophiestudium hat sich ja doch gelohnt.

    Jakobiner und summacumlaude,

    auf welche Art und Weise ihr diesen Trennstrich aufheben wollt, ist abenteuerlich. HannesWurst hat das Wesentliche gesagt. Dass die Wehrmacht in den Holocaust miteingebunden war, hebt doch nicht die Trennung der Phänomene auf, nur die Beteiligten machten beides. Mit der Logik ist schon die Tasse Kaffee, die der Wehrmachtssoldat morgens trank, ein Verbrechen.

    Es ist mir rätselhaft, dass man keinen Unterschied mehr sieht zwischen der Bombardierung einer englischen Stadt, die dazu diente, mürbe zu machen, in einer kriegerischen Auseinandersetzung Punkte zu machen, oder ob man Millionen Menschen ermordet aus einer kaputten Ideologie heraus und dazu einen gigantischen Apparat aufbaut.

    Ihr seid gerade dabei, den Holocaust mit jedem besseren Krieg der Geschichte gleichzusetzen.

    Und Jakobiner, du könntest dich in der Tat mäßigen.

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  49. summacumlaude schreibt:

    Nanana, ich argumentiere nicht aus Begriffen heraus, sondern mit geschichtlichen Fakten. Die sind eindeutig und haben nun wahrlich nichts mit einer Verharmlosung des nationalsozialistischen, deutschen Völkermords zu tun – das muß ich mir nun wirklich verbitten.

    Der Krieg im Osten war als weltanschaulicher Vernichtungskrieg geplant, da gibt es gar nichts zu diskutieren (Arno Meyer „Der Krieg als Kreuzzug“ Rowohlt-Verlag, schon seit 25 Jahren bekannt). Die Trennung hier die saubere Wehrmacht, dort die schmutzige SS ist eine der großen Lebenslügen der frühen Bundesrepublik. Das stimmt einfach nicht. Dieser Feldzug war eben nicht wie „jeder bessere Krieg der Geschichte“, sondern er gehörte zu dem Vernichtungssystem der Nazis dinglich hinzu. Er war eine notwendige, wenn auch alleine nicht hinreichende Bedingung des Völkermordes, und wir müssen davon ausgehen, dass der einfache Frontsoldat sehr wohl wußte, was hinter den Linien passierte. Und: Schon in der ersten Kriegstagen gab es aus der Truppe heraus „spontane Aktionen“ gegen Juden, die dann natürlich nicht geahndet wurden.

    Sag mal was zum Kommissarbefehl.

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  50. Nihilist schreibt:

    Hier wird inzwischen das Theme weit verfehlt. Sorry.

    Demokratie hat nichts mit Links, Rechts, Mitte oder sonstwas zu tun. Demokratie ist wie die Menschenrechte nicht einteilbar. Entweder sie gilt für alle im gleichen Maße, oder sie ist keine Demokratie. Mit den Menschenrechten ist es auch so.

    Da kann man noch so sehr einen schöngefärbten (-geredeten) Deckmantel drüberhängen.

    Leider bin ich Pessimist, oder besser pessimistischer Optimist. Noch besser, realistischer Humanist.

    So ist nun einmal keine Demokratie auf Dauer möglich. Nichts ist auf Dauer möglich. Baut eine Sandburg in die Brandung … und wartet einen Augenblick … so ist es auch mit der Demokratie.

    Die Sandburg muss, wenn sie erhalten werden soll, geschützt werden. So auch die Demokratie. Ohne Schutz wird sie von irgend einer Seite zerstört werden. Ob durch die Tyrannei des Kapitals, oder von Extremisten, oder von naiven Dummköpfen, die glauben, es ginge ohne eigenen Einsatz und das Wahlrecht sei ein Überbleibsel, weil es verboten würde, wenn sich durch Wahlen etwas ändern könnte.

    .Lange her, da hat mal jemand erklärt, man solle das Arbeitslosengeld wieder in Bar auszahlen, einmal die Woche, am Freitag oder Montag. dann würden alle Erwerbslosen SEHEN wie viele es am eigenen Ort sind. Dort würde MITEINANDER geredet werden.

    Aber schon im „alten Rom“ war den Herrschern klar, wenn die Sklaven sehen, wie viele sie sind, und wie wenige die Unterdrücker …

    Schlaft weiter. Wenn ihr Schläfer Glück habt, werdet ihr nicht mehr Aufwachen und sehen, wie die letzten Reste der Papierdemokratie zerstört werden.

    Immer wieder gerne genommen: Generalstreik. Ach, der ist ja verboten, da würde sicher ein Richter … so wie den Streik bei den Vorfeldlotsen … tja, Bahnsteigkarten gibts nicht mehr.

    So bleibt nur noch der „Glaube“ als letztes Mittel. Reicht ja, wenn man so tut als glaube man. Also, legen wir gemeinsam eine Woche oder mehr des „Beten und Fasten“ ein. Alle Räder stehen still, wenn der Demokrat es will.

    Und wovon träume ich Nachts? Nun, gelegentliche Al(p/b)träume kommen schon mal vorbei. Ein riesiger Platz, in Sichtweite kein erkennbares Merkmal, ich sitze in der MItte und mir ist klar, ich müsste in eine Richtung aufbrechen. Aber vor lauter möglichen Richtungen wage ich nicht aufzustehen und loszugehen. Ich könnte die falsche Richtung wählen. Dann wache ich meistens auf. dann setze ich mich an den PC und geh ins Internet. So entstehen meine Beiträge manchmal zu den unmöglichsten Zeiten. Hat ja auch was.

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  51. Jakobiner schreibt:

    „Es ist mir rätselhaft, dass man keinen Unterschied mehr sieht zwischen der Bombardierung einer englischen Stadt, die dazu diente, mürbe zu machen, in einer kriegerischen Auseinandersetzung Punkte zu machen, oder ob man Millionen Menschen ermordet aus einer kaputten Ideologie heraus und dazu einen gigantischen Apparat aufbaut.

    Ihr seid gerade dabei, den Holocaust mit jedem besseren Krieg der Geschichte gleichzusetzen.“

    Der 2. Weltkrieg kostete 20 Millionen Russen das Leben, insgesamt 60 Millionen Menschen–ohne Holocaust.Soll man diese Grössenordnungen einfach ignorieren? Wo ist der Unterschied? Du, Genova und Hanneswurst scheint Krieg ja wirklich für ein Kavaliersdelikt und ein Gentlemen´s Game zu halten, wo die Soldaten nur Kaffee trinken und vielleicht einmal eine englische Stadt bombadieren.

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  52. genova68 schreibt:

    Jakobiner, hör mal auf mit deinen dreisten Unterstellungen. Worin der Unterschied liegt, habe ich nun mehrfach gesagt, Hanneswurst ebenso. Es geht nicht einfach um die Zahl der Ermordeten, sondern um die Voraussetzungen, die Art des Mordesn, die Interessenlage dahinter etc.

    summacumlaude,
    mich erstaunt deine Haltung hier, da ich von dir bislang nur Reflektiertes gelesen habe. Dass du hier mit dem Begriff „Fakten“ kommst, finde ich auch merkwürdig. Es geht natürlich um Perspektiven, um Deutungen, sonst kommt man bei dem Thema nicht weiter.

    Der Krieg im Osten war ein weltanschaulicher Vernichtungskrieg, ja. Deshalb kann man Gemeinsamkeiten dieser Kriegsführung mit dem Holocaust finden. Der Holocaust spielte sich nicht nur in Auschwitz ab. Da sind wir uns ja sicher völlig einig.

    Dennoch ist es ein Unterschied, ob ich im Osten als Soldat gekämpft habe oder in Auschwitz aktiv war. Ob ich am Massenmord an Juden konkret beteiligt war oder nicht. Es geht hier auch nicht darum, die Wehrmacht reinzuwaschen. Natürlich war die Wehrmacht scheiße und ich würde generell keinen dieser Hampelmänner verteidigen, auch nicht meine Opas. Soldaten sind bekanntlich eh scheiße.

    Es gibt auch einen großen Unterschied zwischen „spontanen Aktionen gegen Juden“ und dem Holocaust! Meine Güte. Dann kannst du auch Palästinensern in der Westbank Holocaust vorwerfen. Es geht einzig um das, was ich schon mehrfach geschrieben habe:

    Man muss unterscheiden zwischen Tätern und Taten.

    Ich bin wirklich einigermaßen entsetzt, dass das keine allgemein anerkannte Haltung mehr ist und hoffe noch auf ein sprachliches Missverständnis.

    Das könnte gegeben sein, wenn ich mir dein, summacumlaude, erstes Posting zu dem Thema anschaue:

    „Die Trennung zwischen dem nationalsozialistischem Massenmord einerseits und dem nazionalsozialistischem Weltanschauungskreuzzug“

    Es ging hier um die Singularität des Holocaust. Nationalsozialistischer Massenmord trifft es nicht wirklich.

    Ist aber auch egal, das hat hier eh nix mehr mit Nahles, Gauck und der SPD zu tun.

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  53. summacumlaude schreibt:

    Und mir ging darum, dass Ihr hier mit einem „normalen Krieg“ argumentiert habt; aber das war das Unternehmen Barbarossa eben nicht. Neben diesem Weltanschauungskrieg hatte die Vernichtung der europäischen Juden übrigens auch die Aktion T4 als einen weiteren Vorläufer. Diese Verbindungen sind zu ziehen wenn man verstehen will, wie eine ganze Gesellschaft sich radikalisierte, auf einen plündernden Trip kam, gewissermaßen in einen Blutsrausch verfiel. Fakten sind es allerdings, dass zwischen 1939 und 1942 (Wannsee!!!) sehr wohl die Wehrmacht bei dem beginnenden Genozid mitmachte (Orginalzitat aus einem Feldpostbrief: „..bei den Judenaktionen gab es immer was zu holen…“). Dann radikalisierte sich der Massenmord und war mit marodierenden Truppen/Sondereinheiten alleine nicht mehr zu bewerkstelligen.

    In einem S C H U L L E H R B U C H für Geschichte aus den 50er Jahren steht übrigens über den deutschen Judenmord: „Dieses Vernichtungswerk wurde mit größter Heimlichkeit betrieben. Ein amerikanischer Richter stellte bei den Nürnberger Prozessen fest: “ Die Aussagen derer, die an der fürchterlichen planmäßigen Massenausrottung beteiligt waren, zeigen mit großer Wahrscheinlichkeit, daß nicht mehr als 100 Personen (sic!) im ganzen von der Sache überhaupt unterrichtet waren.““
    Das nimmt man fassungslos zu Kenntnis, so ein Wahnsinn wurde (und wird!?!) bereitwillig geglaubt. Wohlfeiler kann man die Schuld kaum entsorgen… zu den 100 Leuten gehörte ich nicht. Ich war nur Soldat. Kein Nazi, nirgends.

    Schließlich: Es gab vor 30 Jahren schon die Dikussion zwischen den „Intentionalisten“ und den „Funktionalisten“; die ging etwa so: Gab es einen Plan Hitlers und einen endgültigen Vernichtungsbefehl ganz außerhalb des übrigen Kriegsgeschehens oder radikalisierte sich der Judenmord, der seit dem September 1939 an und hinter der Front im Osten schon begann, nur und wurde dann in „geordnete“ Bahnen gelenkt (seit der Wannsee-Konferenz)? So die Frage, die ja Ähnlichkeit mit unserer Diskussion hat. Browning (der Browning des Polizeibattalions) führt in der Diskussion aus, dass höchst wahrscheinlich der Entschluß zum Mord im Sommer 1941 von Hitler an Himmler und Heydrich übermittelt wurde, im Zeichen des ersten Siegesrausches, so Browning. Zeitlich deckungsgleich mit dem Unternehmen Barbarossa…. Dokumentiert ist das übrigens im Fischer-Band Nr. 4380 der zu Recht berühmten „schwarzen Reihe“, herausgegeben von Jäckel und Rohwer. Browning selbst sah sich allerdings als „Funktionalist“….
    Wie gesagt, die Diskussion ist alt, nur: Niemand ist damals auf die Idee gekommen, dem jeweils eine andere Meinung vertretenden Kollegen eine „Holocaust-Leugnung“ oder auch nur „Relativierung“ zu unterstellen. Da wäre ich sehr vorsichtig, solche Vorwürfe brauchen sich dann auf, v.a. wenn sie zu Unrecht erhoben werden. Und werden dann nicht mehr gehört, wenn dieses Hören notwendig wird.

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  54. genova68 schreibt:

    summacumlaude,
    wir sind uns ja in der Sache einig, und wenn man sich den Verlauf der Diskussion hier anschaut, dann ging die los mit der Bemerkung Jakobiners:

    “Singularität des Holocaust”–daran glaube ich auch nicht. Pol Pots Kambodscha, Ruandas Völkermord, (der Völkermord an den Armeniern) oder Stalins Kulakenvernichtung sind da durchaus vergleichbare Beispiele.

    Diese These finde ich, wie gesagt, gefährlich und zeugt von massiver Unkenntnis, das IST eine Relativierung. Ruanda ist dann gleichwertig mit Auschwitz (da „vergleichbar“ umgangssprachlich fast immer als „gleichsetzen“ gemeint ist). Das vertrittst du auch nicht, nehme ich an.

    Barbarossa war kein „normaler“ Krieg, ok, das war in Teilen schon Holocaust, es ging ja nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen Slawen, die Untermenschen, da gibt es doch gar keinen Dissens zwischen uns. Was du ansonsten schreibst, ja, sicher auch da Zustimmung, es wussten mehr als 100 Leute Bescheid, die Deutschen profitierten in weiten Teilen vom Krieg, niemandem ging es bis 45 im Schnitt besser als den Deutschen, jajaja. Ich weiß nur nicht, was das mit der Jakobiner-These zu tun hat. Das sind alles wichtige „Fakten“, wichtige Umstände, die der Erklärung dienen, die ganz normalen Deutschen und der Holocaust etc. Das wäre ja gerade Gauck in einem positiven Sinn verstanden: Keine Entweltlichung, sondern historische Analyse. Aber deswegen bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

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  55. Jakobiner schreibt:

    1)Also, ich sehe nicht, wo die Relativierung leigen soll, wenn man feststellt, dass 60 Millionen Kriegstote ebenso einen industriellen Massenmord darstellen. Genauso könnte ich von einer gefährlichen Reltavierung des Krieges durch euch sprechen.
    2)Interessant das Gespräch zwischen Gauck und der Linkspartei. Sarah Wagenknecht hat klargestellt, dass in den meisten Feldern Uneinigkeit herrscht und Gauck auch seinen Freiheitsbegriff nicht bereit ist zugunsten sozialer Gerechtigkeit umzudenken.Die Kanidatin Klarsfeld von der Linken wird bisher nur von den Grünen zum Gesprächen empfangen. SPD, FDP, CDU/CSU mauern da beharrlich und dreist arrogant.Die Ausgrenzung der Linken und ihrer Kanidatin scheint Blockparteienkonsens!!!

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  56. Jakobiner schreibt:

    „Ruanda ist dann gleichwertig mit Auschwitz“

    Genau,das ist es, Was ist daran falsch? Man sollte nicht zwischen Juden und Afrikanern unterscheiden–Mensch bleibt Mensch. Mir kommt diese Singularitätsthese so langsam vor wie ein unterschwelliger links-deutscher Stolz für etwas angeblich Einzigartiges Verantwortung zu übernehmen und sich aufzuspielen.

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  57. Jakobiner schreibt:

    „Jakobiner, hör mal auf mit deinen dreisten Unterstellungen. Worin der Unterschied liegt, habe ich nun mehrfach gesagt, Hanneswurst ebenso. Es geht nicht einfach um die Zahl der Ermordeten, sondern um die Voraussetzungen, die Art des Mordesn, die Interessenlage dahinter etc.“

    Ja und wo ist jetzt der Unterschied zwischen Deutschland und Ruanda? Die Arier als Herrenvolk hier, die Hutus da, die Juden als Untermenschen und die Tutsis da.Die Art des Mordens ist mehr eine geschmäcklerische Stilkritik, denn es ist ja wohl völlig egal, ob ich in einem industriellen Komplex umgebracht werde oder aber eben mangels anderer Mittel mit Machete, Spitzhacke und AK-47. Die Art des Mordens ist noch wirklich nicht der Punkt, sondern das Morden.Die Interessenslage: Eine deutsche Bourgeosie unterstützte Hitler gegen eine mögliche rote und jüdische Gefahr und die ruandische Hutudominierte Bourgeosie, Frankreich, Mobutu und Belgien sahen diese halt in einer etwaigen Machtübernahme durch die Tutsis.

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  58. Jakobiner schreibt:

    Maos Grosser Sprung nach vorne war zwar nicht dazu intendiert, einen Massenmord zu vollbringen, sondern die landwirtschaftliche und Stahlproduktion zu erhöhen–in bester Absicht–dennoch bleiben 50-60 Millionen verhungerte Chinesen zurück. Pol Pot wollte ienen Agrarkommunismus nach Rousseau, da er die dekadenten Städte entvölkern wollte und sie alle zu Wehrbauern umerziehen wollte—dennoch blieben 2-3 Millionen ermordete und verhungerte Kambodschaner zurück. Soll man diese Unmenschlichkeiten derart differenzieren, dass sie nicht mehr als Unmenschlichkeiten gesehen oder gegeneinander abgewogen und verrechnet werden? Mir scheinen Philosophiestudenten in dieser Hinsicht wie Geschichtslehrer anfälliger zu sein.

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  59. Jakobiner schreibt:

    Der Unterschied zischen uns ist eben der:
    Ihr geht von der Intention aus–ich vom Resultat.Die Gefahr dabei: Massenmorde können auch mit guten Intentionen erfolgen–und selbst Hitler hatte aus seiner Sicht eine „gute Intention“. Er war Sozialdarwinist und wollte eben das Überleben des besten Volkes.Ich gehe eher von der Prämisse aus: Die Resultate zählen, nicht die Intentionen.Wenn Stalin und Mao ihre Länder industrialiseren wollten, so war das Ergebnis doch ein millionenfacher Mord an der Bevölkerung, was keine kapitalistsiche Industrialisierung je so hervorgebracht hat. Wie sagte Oscar Wilde mal; Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Will sagen: All jene Weltenveränderer wollten nur das beste, aber die Resultate waren eben zigmillionenfacher Mord und Völkermord.Von daher sollte man Geschichtsbetrachtungen eher von den Resultaten und nicht von den Intentionen vornehmen. Und da schneidet Nachkriegseuropa eben mit am besten ab. Das ist mein Modelll!!

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  60. InitiativGruppe schreibt:

    Singulär.

    Ich hab damit folgende Probleme:

    1. ist jedes Verbrechen irgendwie singulär – für denjenigen, der es begeht, für denjenigen, der ihm zum Opfer fällt, sowie gegebenenfalls noch für die Menschen im direkten Umfeld, die direkten Zeugen, die indirekt Betroffenen, die Helfer und die Leidtragenden.

    2. Der Holocaust ist FÜR MICH singulär, weil WIR ihn begangen und zu verantworten haben. Das ist der zentrale Unterschied gegenüber Gulag, KillingFields, Rwanda – für MICH. (Vielleicht auch für UNS. Aber dieses UNS lehnen radikale Individualisten natürlich ab.)

    Ich kann jede Menge technischer bzw. sachlicher Unterschiede zwischen den verschiedenen Genoziden en detail feststellen und dann einer aktuellen politischen Bewertung unterwerfen. Da kann man sich im einzelnen streiten. Eine unanfechtbare existenzielle Singularität des Holocaust ist nur für Deutsche und Juden gegeben.

    Unsere Vorfahren haben u. a. Gas verwendet. Die Hutus Macheten. – Ich kann da keinen Unterschied von der Art erkennen, dass man eine kategorische, dann metaphysisch aufgeblähte Dimension des Unterschieds einführen müsste, etwa industriell vs. handwerklich. Der Unterschied ist da, aber bedeutet er so viel?

    Auch was die Gründe angeht, ergeben sich interessante Unterschiede. Aber dafür gilt, soweit ich sehe, ähnliches. Das eine ist so schlimm wie das andere. Für die Menschen in Rwanda war/ist der Völkermord des Jahres 1994 in Rwanda unendlich viel schlimmer als der Völkermord der Jahre 1941-45 in Zentraleuropa.

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  61. Jakobiner schreibt:

    Zu Leo Brux:

    „2. Der Holocaust ist FÜR MICH singulär, weil WIR ihn begangen und zu verantworten haben. Das ist der zentrale Unterschied gegenüber Gulag, KillingFields, Rwanda – für MICH. (Vielleicht auch für UNS. Aber dieses UNS lehnen radikale Individualisten natürlich ab.)“

    Da sind wir wieder beim altbekannten Punkt.Besser du würdest schreiben: Für mich als Deutscher ist der Holocaust singulär, da ich mich nicht um die besondere Verantwortung als Kollektiv drücken will.Aber man muss nicht unbedingt Individualist sein, um dies anders zu sehen. Schon wenn man sich als Weltbürger sieht, wird man die Singularitätsthese angreifen, da Völkermord eben auch schon bei der UNO weltgemeinschaftlicher definiert wird und die UNO im Holocaust kein einzigartiges Geschehniss sieht, sondern man eben vom Menschsein und den Menschenrechten allgemein ausgeht und keine besonderen nationalen Unterscheidungen aufmacht, um eben der Universalität der Menschenrechte Rchnung zu tragen.Wenn man jedoch bekennnender deutscher Kollektivist, Relativist und Opportunist ist, sieht man das zwangsläuffig anders.Die Betrachtung des Holocaust nach seiner Singularität ändert sich halt je nachdem ob man sich primär als Deutscher oder eben als Weltbürger sieht.

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  62. Jakobiner schreibt:

    “2. Der Holocaust ist FÜR MICH singulär, weil WIR ihn begangen und zu verantworten haben“

    Und mit diesem WIR habe ich eben auch meine Probleme. Ich bin zwar dafür, dass die BRD als Rechtsnachfolger des 3. Reichs da zu ihrer Verantwortung steht, aber die Schuld kann man eben nur indu#ividuell vornehmen, je nachdem, was die jeweiligen Deutschen konklret dazu beigetragen haben. Dazu sehe ich „UNS“, d.h. den Grossteil der Deutschen selber mehr als Opfer des Hitlerregimes.Wenn man den Deutschen ewig sagt: IHR seid schuld am Holocaust, fördert man nur eine kollektive Ablehnhaltung oder eben eine taktische Distanzierung, die aber nicht ehrlich gemeint ist. Wenn man jedoch sagen würde: Die emisten Deutschen und die Juden waren Opfer des Hitlerregimes, die einen in Gaskammern, die anderen in KZs oder als Kanonenfutter im industriellen Massenmord des Krieges, würde man eher eine Germeinsamkeit zwischen Deutschen und Juden herstellen als mit der alleinigen Herausstellung des Holocaust und dem Vertreten der Singularitätsthese.

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  63. Jakobiner schreibt:

    „“2. Der Holocaust ist FÜR MICH singulär, weil WIR ihn begangen und zu verantworten haben”“

    Und jede/r Jugendliche würde sich zurecht fragen: Warum soll ICH den Holocaust begangen haben? Nicht einmal der Zentralrat der Juden sagt dies, spricht davon, dass die heutigen jungen Deutschen eben nichts damit zu tun haben, nur die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass „sowas“ nicht mehr in Zukunft geschieht–und mit „sowas“ sollte man eben nicht nur vom Holocaust, sondern auch vom Krieg sprechen!!! Mit deiner Quasi-Kollektivschuld nimmst du hier Unschuldige in eine nationale Haftung, in eine neue Schicksalsgemeinschaft und das wird eher zu berechtigten Trotzreaktionen führen.Ich fände es besser, wenn man Jugendliche fragt: Wollt ihr einen neuen Holcaust und selbst als Kanonenfutter in einem neuen Krieg? Wollt ihr solch eine grausame Diktatur wie unter Hitler?
    Die Antwort dürfte recht eindeutig ausfallen, zumal sie am igeninteresse ansetzt und nicht an kollektiven Schuldzuweisungen.

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  64. Jakobiner schreibt:

    Und vielleicht sollte man mit diesen moralisierenden Kategorien von Schuld und Verantwortung aufhören und eher am EIGENINTERESSE ansetzen? Welcher heutige Deutsche oder deutsche Hugendliche hat ein Eigeninteresse daran, dass der Holocaust, die Diktatur und der Massenmord des Weltkrieges wiederholt wird, wenn er nicht selbst als Schlachtopfer dienen will?

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  65. Nihilist schreibt:

    @Jakobiner 16:35

    Wer Interesse daran hat? Die Möchtegerntäter. Die inzwischen alles „Nichtdeutsche“ verfolgen. Die Strippenzieher, die um ihre Pfründe bangen, wenn es wirklich einmal eine gerechte Verteilung geben sollte.

    Diese gerechte Verteilung wurde übrigens gefordert – rio agenda 21 präambel –

    1.1 Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Wir erleben eine zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere Armut, immer mehr Hunger, Krankheit und Analphabetentum sowie eine fortschreitende Schädigung der Ökosysteme, von denen unser Wohlergehen abhängt. Durch eine Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre stärkere Beachtung kann es uns jedoch gelingen, die Deckung der Grundbedürfnisse, die Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen, einen größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. Das vermag keine Nation allein zu erreichen, während es uns gemeinsam gelingen kann: in einer globalen Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.

    1.2 Diese globale Partnerschaft muß sich auf die Einleitung der Resolution 44/228 der Generalversammlung vom 22. Dezember 1989 stützen, die verabschiedet wurde, als die Nationen der Welt eine Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung forderten; sie muß auch von der Erkenntnis getragen sein, in Umwelt- und Entwicklungsfragen einen ausgewogenen und integrierten Ansatz zu verfolgen.

    1.3 In der Agenda 21 werden die dringlichsten Fragen von heute angesprochen, während gleichzeitig versucht wird, die Welt auf die Herausforderungen des nächsten Jahrhunderts vorzubereiten. Die Agenda 21 ist Ausdruck eines globalen Konsenses und einer politischen Verpflichtung auf höchster Ebene zur Zusammenarbeit im Bereich von Entwicklung und Umwelt. Ihre erfolgreiche Umsetzung ist in erster Linie Aufgabe der Regierungen. Eine entscheidende Voraussetzung dafür sind politische Konzepte, Pläne, Leitsätze und Prozesse auf nationaler Ebene. Die auf nationaler Ebene unternommenen Anstrengungen sind durch eine internationale Zusammenarbeit zu unterstützen und zu ergänzen. Hierbei fällt dem System der Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle zu. Auch andere internationale, regionale und subregionale Organisationen und Einrichtungen sind aufgefordert, sich daran zu beteiligen. Außerdem muß für eine möglichst umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und eine tatkräftige Mithilfe der nichtstaatlichen Organisationen (NRO) und anderer Gruppen Sorge getragen werden.

    1.4 Die entwicklungs- und umweltpolitischen Ziele der Agenda 21 setzen einen erheblichen Zustrom neuer und zusätzlicher Finanzmittel in die Entwicklungsländer voraus, damit die Mehrkosten der Maßnahmen gedeckt werden können, die von diesen Ländern zur Bewältigung globaler Umweltprobleme und zur Beschleunigung einer nachhaltigen Entwicklung ergriffen werden müssen. Außerdem werden weitere Finanzmittel benötigt, um die Kapazitäten der internationalen Einrichtungen zur Umsetzung der Agenda 21 auszubauen. Überschlägige Schätzungen der Größenordnung der anfallenden Kosten sind in den einzelnen Programmbereichen zu finden. Allerdings müssen diese von den zuständigen Durchführungsorganen und -organisationen erst noch geprüft und genauer spezifiziert werden.

    1.5 Bei der Umsetzung der in der Agenda 21 aufgeführten verschiedenen Programmbereiche gebührt den besonderen Gegebenheiten, die in den im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen zum Tragen kommen, besondere Beachtung. Es muß auch anerkannt werden, daß sich diese Länder bei der Umstellung ihrer Wirtschaftssysteme noch nie dagewesenen Herausforderungen stellen müssen, in manchen Fällen unter Rahmenbedingungen, die von erheblichen sozialen und politischen Spannungen geprägt sind.

    1.6 Die einzelnen Programmbereiche der Agenda 21 werden im Form einer Ausgangsbasis sowie bestimmter Ziele, Maßnahmen und Instrumente zur Umsetzung konkretisiert. Die Agenda 21 ist ein dynamisches Programm. Sie wird von den einzelnen Beteiligten im Einklang mit den Gegebenheiten, Möglichkeiten und Prioritäten der einzelnen Länder und Regionen sowie unter umfassender Berücksichtigung aller in der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung enthaltenen Grundsätze umgesetzt. Sie kann sich im Laufe der Zeit angesichts veränderter Bedürfnisse und Umstände fortentwickeln. Dieser Prozeß stellt den Beginn einer neuen globalen Partnerschaft dar, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.

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  66. Nihilist schreibt:

    @ Jakobiner

    Und die EU-Entwicklung versucht auch diesen Weg zu verhindern. Hin zm Diktat des Kapitals, Bruch des Grundgesetzes, ignorieren der unveränderlichen Grundrechte.

    Was bleibt? Artikel 20 (4) – und wenn die Bürger sich eines Tages an dieses Recht erinnern und umsetzen wollen, dann wird es auch in Deutschland Homs geben.

    Da muss man die „Wandlitzer Typen“ loben, die eben letztendlich nicht mehr ein Blutbad angerichtet, sondern kapituliert haben. Meine Befürchtung, der neue Gauckler hätte diese Probleme nicht, da haben ja nur Menschen den Anspruch auf Freiheit wenn sie sich diese Freiheit kaufen können.

    Tja, ich hab kein MG, mit dem ich, wie Franz Josef Degenhard es besungen hat:

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  67. Jakobiner schreibt:

    ZU Nihilst;

    1)Wie würde Genova sagen: Jetzt machst du ein neues Fass auf.
    Deine Ausführungen haben jetzt eigentlich NICHTS mit unserer Singularitätsdebatte zu tun.Du beziehst dich auch nicht drauf.

    2) Die Agenda 21–noch nie davon gehört–wer hat sie denn unterschrieben oder konzipiert? Für mich sind das eher hehre Absichtserklärungen der UNO, die sowieso nie umgesetzt werden. Oder hoffst du auf eine Weltregierung, die das umsetzt? Naja,. Degenhardt, war schon immer ein schlechter Liedermacher, auch wenn er in linken Kreisen so hochgelobt wurde.

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  68. Nihilist schreibt:

    @ Jakobiner

    SIE fragten, wer Interesse daran hätte. Darauf habe ich geantwortet.

    Und wenn Sie den Liedtext nicht verstehen wollen, sagt das auch so einiges über Ihre Denkweise aus.

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  69. genova68 schreibt:

    Jakobiner, vielleicht kannst du ja mal versuchen, ein Statement in EINEM Kommentar unterzubringen, nicht gleich in fünf. Das wirkt so dominant und es ist unübersichtlich.

    Ansonsten: Den Unterschied zwischen Ruanda und Auschwitz habe ich aus meiner Sicht nun mehrfach klargemacht. Man sollte den Unterschied zwischen dem Holocaust (einem minutiös und zweckrational und auf industrieller Basis und gegen die eigenen Kriegsinteressen gerichteten geplanten Massenmord, der jegliche Emotion ausschaltete und auszuschalten versuchte) und dem Massenmord in Ruanda nicht übersehen (da geht übrigens auch um kolonialgeschichtliche Aspekte).

    Mit einer Aussage wie „Mensch ist Mensch“ kann man sicher in einer progressiven Kirchengruppe Zustimmung erheischen, aber als Grundlage einer historischen Analyse taugt das nicht. Darum geht es ja hier, um die Einordnung. Die Vergleiche mit den Millionen verhungerter Kambodschaner sind ebenfalls unsäglich. Am besten kommt man jetzt noch mit den verhungernden Kindern in Afrika, das ist dann auch Auschwitz. Laut PETA ist ja selbst ein Tierschlachthof Auschwitz.

    Das passiert wohl, wenn man nur auf das guckt, was rauskommt. Dann interessieren einen ja Gründe ganz offiziell nicht.

    Du verhedderst dich zwangsläufig auch übelst in deinen komischen Konstruktionen. Jetzt hatte Hitler plötzlich auch „gute Intentionen“. Dass er selbst das, was er machte, in Ordnung fand, ja, eine tolle Erkenntnis.

    Der Holocaust im „Dritten Reich“ war kein klar abgegrenztes Phänomen, weder personell noch, was die konkreten Ereignisse angeht, Stichwort Barbarossa. Darauf können wir uns mit summacumlaude wohl einigen. Alles andere ist Kraut und Rüben.

    IG,
    mit Verlaub, aber bei der historischen Analyse zählt der einzelne Ruandeser nicht. Da muss man sich schon Zusammenhänge und Strukturen angucken. Und ich halte es für einen substanziellen Unterschied, ob ich rational den Massenmord mit Gas plane, auf breiter Front die Voraussetzungen dafür schaffe, oder ob Menschen mit Macheten aufeinander losgehen. Letzteres erzeugt so eine Art Blutrausch, letzteres hat bei den wissenden Deutschen Achselzucken erzeugt.

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  70. tom schreibt:

    Der Jakobiner hat recht.
    Ja aber womit den?
    In der Unterscheidung zwischen Schuld und Verantwortung.

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  71. Jakobiner schreibt:

    „Und ich halte es für einen substanziellen Unterschied, ob ich rational den Massenmord mit Gas plane, auf breiter Front die Voraussetzungen dafür schaffe, oder ob Menschen mit Macheten aufeinander losgehen. Letzteres erzeugt so eine Art Blutrausch, letzteres hat bei den wissenden Deutschen Achselzucken erzeugt.“

    rstens hat die Hutu-Regierung planvoll Todeslisten ihrer Gegner aufgestellt und diese zuerst zielmässig liquidiert; zweitens sind solche ethnischen Eskalationen sehr wohl planvoll inszeniert.Man vertraut ab einem point-of no return eben auf eine Esklationsdynamik, die sich dann auch einstellt, aber das ist durchaus eingeplant.Das Bild vom Machteschwingenden-Blutrausch-Neger entspricht dann mehr dem eurozentrischen Geschmack.Der Neger, ein irrationales Tier auch..Dr, Grimzmek-ermitteln sie!!!

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  72. genova68 schreibt:

    Jakobiner, du zitierst einen Satz von mir, der keinen Sinn ergibt, was natürlich mein Fehler ist. Das zweite „letzteres“ muss „ersteres“ heißen.

    Du behauptest jetzt also, die Völkermord in Ruanda sei mit demselben kaltschnäutzigen Effizienzdenken und demselben (oder einem vergleichbaren) logistischen und operativen Aufwand betrieben worden. Das sind dann solche Behauptungen, die mir immer wieder zeigen, warum ich solche Diskussionen meide: Da wird m.E. deutlich über den eigenen Wissenshorizont hinaus argumentiert. Das überlassen wir dann besser den Fachleuten.

    Und das Ding mit dem Eurozentrismus: Vom Gedanke her interessant, dass man dem einfachen Wilden einen rationalen Massenmord nicht zutraut und deshalb dazu neigt, ihn als auf emotionaler Basis geschehen zu interpretieren. Ich glaube aber nicht, dass ich das gemacht habe.

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  73. Jakobiner schreibt:

    Noch zu Ruanda–hier ist das ZEIT Dossier zu Afrika im März 1998 lesenswert, das zeigt, dass hier auch Frankreich und Belgien sehr zielgerichtet das Hutu-Regime unterstützten, um die von den USA unterstützte Tutsiopposition mit allen Mitteln niederzuringen–Zitat:

    „Sicher ist:Noch im April 1994, als das Große Morden begann, wurde Jerome Biamunpaka, der Außenminsiter des Huturegimes, diskret im Elysee empfangen.Über die Drehscheibe Goma lieferte Paris bis zum bittren Ende Waffen an die Khmer Noir in Ruanda. Präsident Mitterand bestand bis zuletzt darauf, das entfesselte Hutu-Regime in Kigali zu unterstützen“.

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  74. Jakobiner schreibt:

    Bei den von Pars gelieferten und von der Hutu-Regierung nachgefragten Waffen handelte es sich keinesfalls um Macheten.Die Hutu-Regierung gab ihren Waffenbedarf für die zu liquidierende Menge an Tuitsis an und bekam sie auch geliefert.Jetzt kannst du natürlich sagen: Die ZEIT-Leute sind keine Fachmänner/frauen? Wen würdest du denn dann als Fachexperten ansehen?

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  75. genova68 schreibt:

    Was soll uns das alles sagen? Es geht ja immer noch um die unselige Frage, ob Ruanda auf der gleichen Stufe steht wie der Holocaust.

    http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda

    Wer das liest, kann die Frage unmöglich bejahen. Alleine die Tatsache, dass die Hutus,die Täter, zuvor ins Ausland fliehen mussten. Wenn du historisch halbwegs sauber argumentierst, kannst du die Unterschiede nicht übersehen. Selbst nach deiner merkwürdigen Logik müsste der Völkermord in Ruanda ca. ein Achtel so schlimm sein wie der Holocaust, es kamen da nämlich 800.000 Menschen ums Leben.

    Oder willst du sagen, dass in Wahrheit die Franzosen schuld sind? Das wird dann hier so langsam Hohmann-like.

    Mir geht es nicht um eine Verharmlosung von Ruanda oder eine Reinwaschung Frankreichs, die in den letzten paar hundert Jahren mit Kolonien, Algerien etc. unglaublich viel Scheiße verzapft haben, da hängen alle sogenannten zivilisierten Länder mit drin. Es ging hier lediglich um die Frage nach der Singularität des Holocaust und der Kriterien, die man dafür aufstellt. Ich habe dazu einige Kriterien genannt. All das, was du hier über Ruanda erzählst, überzeugt nicht. Dass Frankreich Waffen lieferte und in Ruanda nicht eingriff, ist mit der Dimension des Holocaust schlicht nicht gleichzusetzen.

    Zur Singularitätsthese gehört auch das Wissen darum, dass man bei sechs Millionen nur aufhörte, weil man dazu gezwungen wurde. Ansonsten wären es auch 60 oder 600 Millionen geworden, inklusive Slawen und was weiß ich wem.

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  76. Jakobiner schreibt:

    Wir müssen hier mal eines klarstellen; Der Holocaust war ein riesiges Verbrechen und die Nazis wohl auch die übelsten Verbrecher. Aber du musst auch mal sehen, dass 6 Millionen ermordete Hutu-Oppositionelle und Tutsis einen wesentichen Anteil der Bevölkerung ausmachte.Meinetwegen bleib´bei deiner Singularitätsthese, da du ja auch nicht die Unmenschlichkeit des Ruandischen Völkermordes abstreitest. Aber es war eben nicht so einmalig. Und mich interessiert mehr die Verhinderung moderner und kommender Völkermorde als die nicht mehr gutzumachnende Verhinderung des Holocaust vor 60 Jahren.Wenn dir Aktualitätsbezug nicht passt, dann kann ich auch nichts dafür.Und dass FRabkreich den Khmer Noir die Waffen lieferte und sie ordentlich unterstützte, ist eben auch ein Milleniumsverbrechen, auch wenn man dies als guter Europäer nicht hören will.

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  77. InitiativGruppe schreibt:

    Genova,
    ist es nicht ein notwendiger Hinweis, dass JEDER Mensch, wenn er was tut, dafür Gründe hat, und diese in aller Regel für GUTE Gründe hält? Eben auch Hitler. Mir scheint, man kann den Holocaust nicht verstehen, wenn man nicht versteht, dass diejenigen, die ihn verbrochen haben, überzeugt davon waren, dass sie gute Gründe hatten. Eben das ist auf der geistigen Ebene das Ungeheuerliche.

    Der Effekt einer solchen Erkenntnis ist ebenso heilsam wie ungemütlich: Ich kann mich dann selber nicht mehr damit begnügen, dass ich GLAUBE, gute Gründe für etwas zu haben. Ich brauche schon noch ein bisschen mehr … und eine letzte Sicherheit bekomme ich nicht.

    Diese Einsicht, dass auch mein größter Feind in seinem wütenden Kampf gegen mich sich voll gerechtfertigt fühlt, und zwar genauso wie ich mich gerechtfertigt fühle, diese Einsicht ist nicht grade populär … Indem mir das sowohl logisch wie emotional klar wird, wird mir auch mein bösester Feind wieder zum Menschen. Und ich verstehe, was Jesus gemeint hat, als er formuliert hat: Liebe deine Feinde!

    Vergleichen wir den Völkermord im Osten mit dem Völkermord in Rwanda, finden wir natürlich Unterschiede. Ich kann aber nicht sehen, wieso diese Unterschiede eine Art mystischer oder metaphysischer oder sonstwie überhöhter Singularität oder Unvergleichbarkeit herstellen könnten.

    Ich finde die direktere Art des Abschlachtens im Falle von Rwanda bzw. die direkten Erschießungen im eroberten Osten vor dem Einsatz von Gas (die betreffen auch wohl ungefähr 2 Millionen Menschen) nicht weniger übel als die eher anonyme, distanzierte, industrielle Form mit den Gaskammern.

    Mir scheint auch, Genova, dass du im Falle Rwanda die Systematik und die Vorplanung unterschätzt. Die 800.000 Opfer sind außerdem das Resultat von nur 100 Tagen – der Tagesdurchschnitt in Rwanda war also höher als der im vom Reich besetzten Osten. Der Völkermord in Rwanda war insofern noch „effizienter“ als der deutsche an den Juden.

    Von Singularität spreche ich ja auch. Nur eben in einem anderen Sinne. Für uns Deutsche ist der Holocaust singulär, weil WIR ihn begangen haben. Für die Juden ist er singulär, weil SIE die Opfer waren.

    Ich wüsste nicht, wie man einen Tutsi überzeugen könnte, der Holocaust sei singulär in einem absoluten Sinne, der Völkermord in Rwanda hingegen sei nur einer unter mehreren.

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  78. genova68 schreibt:

    Eine merkwürdige Diskussion hier. Dass Hitler von seinem Tun überzeugt war, hat schlicht nichts mit dem Thema zu tun. Breivik war von seinem Tun auch überzeugt, was soll ich mit dieser Aussage denn anfangen?

    Mich wundert deine Herangehensweise an das Thema, IG. Ob du Ruanda „nicht weniger übel“ findest als Auschwitz, ist deine Privatmeinung. Das ist ja völlig in Ordnung, aber wenn ich mich mit der Singularitätsthese auseinandersetze, muss ich doch zumindest ansatzweise wissenschaftlich argumentieren. Es ist der Blick von oben drauf, der hier fehlt. Ich muss da auch keinen Tutsi überzeugen, das würde ja bedeuten, dass irgendein Tutsi, irgendein Individuum, solche historischen Einordnungen vornimmt. Es geht auch nicht um das Leid des Individuums, dann würde es ja völlig grotesk.

    Aus Wikipedia über die Gründe für den Völkermord:

    „Es gibt in der Literatur über den Völkermord in Ruanda keinen Konsens, was die Ursachen der Gewalt angeht. Es lassen sich drei große Erklärungsmuster unterscheiden.[163] Das erste betrachtet den Völkermord als eine Maßnahme, zu dem eine in ihrer politischen Macht existenziell herausgeforderte Gruppe – das „kleine Haus“ (akazu) – griff, um den drohenden Machtverlust abzuwenden. Der Völkermord erscheint damit als Manipulation einer Elite.[164] Ein zweiter Erklärungsansatz bezieht sich auf die natürlichen Ressourcen Ruandas, die sich vor dem Völkermord immer rascher und dramatischer verknappten. Landknappheit, weitgehend fehlende Existenzgrundlagen außerhalb der Landwirtschaft, zugleich hohe Geburtenraten und letztlich eine „Überbevölkerung“ seien die entscheidenden Antriebskräfte der Völkermord-Gewalt gewesen.[165] Ein drittes Erklärungsmuster rückt Annahmen über kulturelle Eigenheiten Ruandas und angeblich charakteristische sozialpsychologische Eigenschaften seiner Bewohner in den Mittelpunkt. Ruander seien es gewohnt gewesen, Befehlen fraglos zu folgen. Ein regelrechter Hang zum Gehorsam sei weit verbreitet. Dieser charakteristische Zug habe die Einbindung von Hunderttausenden als Täter möglich gemacht.[166]“

    http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda#Deutungen_und_Debatten

    Man sich sich nicht einig. Es ist aber offensichtlich, dass es zum Judenmord entscheidende Unterschiede gibt. Es gab beim Holocaust keinen einzigen Grund, der ökonomisch oder sonstwie nachzuvollziehen wäre. Und die Ausführung des Mordens ist der entscheidende Unterschied. Vielleicht könnte man die These aufstellen, dass Ruanda in einer anderen Perspektive singulär ist, aber das ist dann wieder ein anderes Thema.

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  79. Jakub Sobelsohn schreibt:

    Um mal wieder auf den vorweggenommenen Aprilscherz Klarsfeld zurückzukommen. Carla Bruni wäre ja fast mal ihre Schwiegertochter geworden :-) , bei ihrem Sohnemann Arno, einen ganz Strammen:

    http://www.welt.de/politik/ausland/article13918417/Arno-Klarsfeld-empfiehlt-Mauer-gegen-Einwanderung.html

    Ich weiß nicht was die Linke zu diesem krassen Eigentor bewogen hat, jede, auch berechtigte Kritik an Gauck wird somit eine Lachnummer…

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  80. genova68 schreibt:

    Du plädierst also für Sippenhaft.

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  81. InitiativGruppe schreibt:

    Genova,
    du nimmst – sozusagen – die Nazis und die Gründe, die sie für den Völkermord an den Juden hatten, nicht ernst genug. Du tust so, als ob sie eigentlich KEINE Gründe gehabt hätten, bzw. als ob etwa die Hutus „bessere“ (im Sinne von „nachvollziehbarere“) Gründe gehabt hätten.

    Ich sehe ja doch die Unterschiede in der „Begründung“ der Völkermorde, sowie die Unterschiede in den Mordmethoden, ich sehe all die materiellen, politischen, geistigen Unterschiede.

    Warum sollte die (scheinbare!) „Grundlosigkeit“ des Holocaust dieses Ereignis besonders herausheben? Nur weil wir heute (!) größere Probleme haben, die spezifischen Gründe zu verstehen, die zum Holocaust geführt haben, und es uns leichter fällt, die Gründe der Hutus zu verstehen?

    Ein strammer Nazi hat bedingungslos an das geglaubt, was „Der ewige Jude“ zum Beispiel als Film transportiert hat, oder was in „Mein Kampf“ über die Juden zu lesen war. Man muss – auch damals – schon ziemlich irre gewesen sein, um solches Zeug glauben zu können, aber viele haben es eben geglaubt. Und damit war es – für sie – real. Die Gefahr, die von den Juden ausging, war für sie so real, wie die Gefahr, die nach Meinung vieler Hutu von den Tutsi ausging. Oder die Gefahr, die nach Meinung von Breivik von den Muslimen und ihren westlichen „Steigbügelhaltern“ ausgeht.

    (Oder die Gefahr, die nach meiner Meinung von US-amerikanischen Kamikaze-Politikern ausgeht, bzw. von Israels Radikalisierung. – Wie REAL ist die Gefahr WIRKLICH? Was sind die in kritischer Analyse begründbaren URSACHEN? Wie ÜBERPRÜFE ich meine Meinung auf ihren Realitätsgehalt? Was lässt sich ggfs. gegen die Gefahr sinnvoll TUN? — In den selbstkritischen Aspekten dieser Fragen unterscheide ich mich dann substanziell von den Fanatikern.)

    Ich denke, ich befinde mich mit meinen Überlegungen auf der objektiven Ebene. Ich meine erkennen zu können, dass auf der objektiven Ebene jeder Völkermord seinen besonderen Zuschnitt hat, dass dies aber nicht bedeutet, dass man zum Beispiel sagen kann: Da ist einerseits der Holocaust, da sind andererseits die anderen Völkermorde.

    Und wie gesagt, auf der subjektiven Ebene IST FÜR UNS DEUTSCHE und ist für die Juden der Holocaust natürlich singulär – insofern WIR die Täter und die Opfer sind.

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  82. genova68 schreibt:

    Ich antworte demnächst mal, IG, das ist so zeitaufwändig.

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  83. Jakobiner schreibt:

    Erstens tut Genova so, als gäbe es nur bei Ruanda verschiedene Theorien über die Gründe und nicht auch beim Holocaust.Schon der Streit zwischen Intentionalisten und anderen Theorien zeigt dies.Zweitens ist IG zuzustimmen, dass man auch die vielleicht schwernachvollziehbare Sichtweise der Täter als ernstzunehmenden Grund berücksichtigen muss.
    Alles eine Frage der Perzeption: Die Nazis wie auch die mit ihnen verbündeten Japaner gingen von der Grundannahme aus, dass die Juden die Welt beherrschten–beides nach der Lektüre der Protokolle der Weisen von Zion.Sie kamen aber zu unterschiedichen Schlussfolgerungen: Die Nazis wollten alle Juden auslöschen, die Japaner sich mit ihnen verbünden. Das führte dazu, dass Japan z.B. die Exiljuden in China vor den Nazis schützte und antisemitsichen Ausrottungsavancen gegenüber resistent war.Aber sind diese Theorien, die zum Holocaust führten wirklich so unnachvollziehbar? Als Lesetip:
    http://www.global-review.info/2011/04/25/die-grosse-verschworung-von-den-protoklolen-der-weisen-von-zion-uber-ludendorff-zu-naomi-klein/

    Auch heute sind doch viele Leute der Anischt, dass die Juden das Finanzkapital und die Wall Street kontrollieren und somit die USA oder andere dass Israel die USA kontrollieren würden (der Schwanz, der mit dem Hund wackelt–USrael).
    Als Lesetip dazu noch: „Die Grosse Verschwörung–von den Protokollen der Weisen von Zion bis zu Naomi Klein“–siehe Global Review

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  84. Jakobiner schreibt:

    Der nächste Kronzeuge gegen die Singularitätsthese: Henrik M. Broder.
    Wenngleich ich mich in den Motiven unterscheide und da auch die von Genovas beschworene Gefahr einer Relativierung der Singularitätsthese sehe:
    Ein weiterer neuer Buchtitel auf der Leipzger Buchmesse ist Henryk M. Broders neues Buch „Vergesst Auschwitz“. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich habe Henry M. Broder vor einigen Tagen in einer Talkshow gesehen. Dabei wurde er auf sein Buch “Vergesst Auschwitz” angesprochen. Worum geht es ihm: Er ist gegen die Singularitätsthese, will einen aktuellen Bezug zu heute. Den sieht er im Iran und dessen Atomwaffenpropgramm, dass den neuen Holocaust vorbereiten würde.Seine These daher: Die richtige Lehre aus Auschwitz ist das neue Auschwitz (Atomkrieg des Iran gegen Israel) zu verhindern und einen Krieg gegen den Iran anzufangen.Für mich hört sich das so an: Ihr Deutschen könnt eure historische Schuld wettmachen, wenn ihr aktuell im Falle eines Irankrieges auf Seiten Israels eingreift.

    Broder ist unberechenbar—er hat auch Rupert Neudeck als Schmock der Woche auf seiner Webseite, weil der sich mal über seine Behandlung bei einer Israelreise durch Sicherheitskräfte beschwerte und dabei das Wort “Sonderbehandlung” benutzte, was Broder wiederum zu SS-Assoziationen nutzte.Aber vielleicht ist es auch nicht so unberechenbar: Denn Neudeck hat ja die Grünhelme, eine zivile Hilfsorganisation von christlichen und muslimischen Entwicklungshelfern aufgestellt, die gegen den Clash of Civilization arbeiten und beide Kulturen eher zusammenbringen wollen. Für Broder ein rotes Tuch scheinbar! Aber wenn man auf seine Webseite schaut, aktualisiert er diese gar nicht mehr, aber Neueck bleibt immer noch seit Jahren der “Schmock der Woche”!!! Mal sehen, ob Broders Buch auch die von ihm gewünschte Diskussion in Deutschland auslöst oder eher als Randerscheinung abgeheftet wird.

    Neu daran ist, dass die Singularitätsthese inzwischen eben auch von jüdischer Seite angegriffen wird, wenngleich aus recht durchsichtigen Motiven!!

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  85. Jakobiner schreibt:

    Man sollte vor allem einmal diese Trennbarriere: DIE Deutschen die Täter, DIE Juden die Opfer durchbrechen. Faktisch wurden Millionen von Juden, Oppositionellen und deutschen FRontsoldaten in diese Verncihtungsmaschinerie geschicht. Der deustche Frontsoldat hat als Opfer mehr mit dem Holocaust-Juden zu tun als mit seinem deutschen Vorgesetzten und dieser Mssenmörderbande.Brodrs Buch ist auch mal eine gute Abrechnung mit diesem Gedenkantifaschismus, wo Büsten, Stolpersteine,Denkmäler, etc, aufgestellt werden. Den mittelälterlichen und jungen Deutschen sollte man aber eher ihr Eigeninteresse vorhalten: Hast du Lust und Interesse in einer Diktatur zu leben oder als Kanonenfutter eingesetzt zu werden, aber eben nicht immer die weigen indirekten Schuldzuweisungen: Dein Grossvater war im WK 2 und du bist für immer verantwortlich dafür!!

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  86. Jakobiner schreibt:

    Broders „Vergesst Auschwitz“ wird wahrscheinlich eine berechtigte Kritik an dem symbolischen Antifaschismus der neueren Republik sein. Wie gesagt: Ich würde mich auch nicht vor einer Widerstandskämpferstatue niederbeugen und sie anbeten als stellvertretenden guten Antifaschisten für uns alle. Das sind Unterordnungsrituale, die sich die mittelälterlichen und jungen Deutschen nicht mehr gefallen lassen. Gedenkstätten–okay–da kann man den Naziterror ja mal vorführen.Ich bin mehr der Ansicht, man sollte die jungen Deutschen weniger vom Standpunkt der Moral abholen, sondern vom Standpunkt des Eigeninteresses–kurz: Willist du in einer Diktatur leben, bist du dir klar, was eine Dikatur bedeutet, willst du Kanonenfutter in einem nationalistischen Kireg werden?Man muss den jungen Deutschen klarmachen, dass nicht nur die politischen Oppositionellen und Juden die Vernichtungsmasse waren, sondern eben auch die meisten Deutschen Opfer eines industrialisietren Massenmord namens Krieg und als Soldat
    da selbst Opfer wurden.Man muss einmal diese barrire überwinden: Hier die Täter, die Deutschen und dort die Opfer, die Juden. Faktisch wurden Millionen deutsche Soldaten UND Juden in diesem Krieg umgebracht!!

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  87. Scheel schreibt:

    Vergesst es. Die FDP wird untergehen, und gut ist. Dieser Froschartige Boatpeopleman ist echt eine Nullnummer . 18-16 ist 2.Und Tschüß

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  88. Scheel schreibt:

    Normalerweise heißt es doch der dumme August und nicht Jokob?

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  89. Nihilist schreibt:

    Soldaten sind immer TÄTER! Niemals Opfer.

    Opfer sind Zivilisten.

    Soldaten sehn sich alle gleich, lebendig und als Leich – sang Biermann einst.

    Nur tote soldaten sind gute Soldaten, oder etwa nicht? Denn dann haben sie ihren Job bis zum Ende ausgeübt. Makaber?

    Als ich beim Bund war, habe ich gelobt, die Freiheit zu verteidigen, nicht aber in andere Länder einzufallen. Und die Freiheit kann nur an den eigenen Grenzen verteidigt werden. Nicht am Hindukusch.

    Und einen Link:

    NEIN – das ist das notwendige Wort das Soldaten einüben sollten.

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  90. genova68 schreibt:

    Wo soll ich jetzt anfangen? Vielleicht hier: Jakobiner, deine Beiträge sind abenteuerlich, du stehst offenbar mächtig unter Dampf. Was sollen diese ellenlangen Dispute, die mit dem Thema kaum noch etwas zu tun haben? Und wenn dann noch sowas bei rauskommt: Wir sind alle Opfer, Wehrmachtssoldaten und ermordete Juden, alles das gleiche, nur Hitler und ein paar böse Nazis sind schuld, und das nach den ganzen Forschungen über die Rolle der Wehrmacht beim Holocaust und überhaupt in Anbetracht des Aspektes, dass niemand vom Himmel fällt. Du vertrittst einen dümmlichen neurechten Ansatz oder auch einen alten. Die letzten 20, 30 Jahre haben genug Literatur zum Thema vorgebracht, wie die NS-Gesellschaft funktionierte, durch Mitmachen, Wegschauen, Wissen, Passivverhalten, Profitieren, Arschkriechen. Aber alles nur Opfer wie die vergasten Juden.

    Natürlich ist jeder Tote ein Opfer, selbst Hitler war Opfer seiner Politik. Aber das sind doch keine Ansätze, mit denen man irgendwas erklären kann. Wer sich ständig als großer Welterklärer aufschwingt, wie du das tust, muss da mehr bringen. Es geht um Strukturen. (Aber wer mal flott behauptet, Naomi Klein sei eine Verschwörungstheoretikerin, ist eh merkwürdig gepolt.)

    Und was du da sonst noch schreibst, ist übles reaktionäres Zeug.

    Vor einer Widerstandskämpferstatue verbeugen ist also ein Unterordnungsritual. Wohl nur für den, der Widerstandskämpfer verabscheut.

    Stolpersteine werden von dir gegen das „Eigeninteresse der jungen Deutschen“ in Stellung gebracht.. Die jungen Deutschen lassen sich also Stolpersteine nicht mehr gefallen. Das könnte von der NPD kommen.

    Vielleicht liegt es ja im Eigeninteresse der jungen Deutschen, ganz demokratisch irgendwo den nächsen Massenmord zu begehen. Das ist dann ok, ist ja nur Eigeninteresse.

    Und dann natürlich noch so eine Art individuelle Kollektivschuldthese. Wer gibt mir Schuld, weil mein Opa Soldat war? Kein Mensch, sowas erzählen auch nur Nazis. Der arme geknechtete Deutsche im Jahr 2012, ach Gottchen.

    IG, ich schreibe noch was zu dir. Aber nicht jetzt.

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  91. Nihilist schreibt:

    Nun ja, Jakobiner hat fast den richtigen Nick – Jakobiner waren diktatorisch gepolt. Er könnte sich besser Robespierre nennen – dann klappts auch mit der Guillutine.

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  92. InitiativGruppe schreibt:

    genova,
    wir müssen hier keine Endlosdiskussion führen.

    Deine Argumentation hat mich angeregt zu meinen eigenen – anders laufenden – Überlegungen. So mag ich es. Ein bisschen Reibung ist öfters mal nötig, damit ich herausfinde, was ich eigentlich selber denke. Du hast deinen Standpunkt gut durchdacht und formuliert, so war’s für mich eine gute Herausforderung.

    Wenn du eine weitere Runde gehen möchtest – ich bin neugierig und gespannt. Es passiert nicht so oft, dass man mal über dieses heikle Thema zugleich kontrovers, intensiv und sachlich diskutieren kann.

    Jakobiner ist manchmal recht anstrengend.
    Über mich hat er sich so gräßlich geärgert, dass er mich in den Unterleib getreten hat, woraufhin ich ihn rausgeschmissen habe.
    Insofern bin ich wohl schuld daran, dass jetzt du die Last hast.

    Hier gibt er sich immerhin recht sachlich, und das eine oder andere ließe sich auch anregend diskutieren.
    Er müsste es nur etwas sparsamer angehen – man weiß oft gar nicht, wo man anfangen soll, so viel postet er.

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  93. genova68 schreibt:

    IG,
    mich hat das jetzt selbst interessiert, der Völkermord in Ruanda. Der Wikipedia-Artikel dazu ist ausführlich und scheint informativ und ausgewogen.

    Zu deinem Kommentar vom 14. März, 12 Uhr:

    Du machst hier das, was du gerne machst, nämlich die Perspektive des anderen einzunehmen. Das finde ich ja grundsätzlich löblich, denn nur so kann man überhaupt verstehen. Und man kann sich selbst in die Nazis versetzen und ihre Judenaversion. Es sollte dann aber klar werden, dass all diese Gründe Blödsinn waren, es war nichts dran an der Weltverschwörung, das muss ich wohl nicht ausführen.

    In Ruanda war der Hintergrund ein völlig anderer. Ein paar Auszüge aus Wikipedia:

    Im Reich von Rwabugiri (König von Ruanda in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts.) entwickelte sich der Begriff „Tutsi“ mehr und mehr zu einem Synonym für Angehörige der herrschenden Schicht eines sich herausbildenden Zentralstaats, während der Terminus „Hutu“ zum Namen für die Gruppe der Beherrschten wurde…

    Mit Beginn ihrer Kolonialherrschaft (1899–1919) interpretierten die Deutschen die abgestuften Sozialbeziehungen in Ruanda auf der Basis der rassistischen, in Europa entwickelten Hamitentheorie. Sie gingen davon aus, die Tutsi seien vor Jahrhunderten in das Gebiet der Afrikanischen Großen Seen eingewanderte Niloten, die kaukasischen und damit europäischen Völkern verwandt seien. Dies begründe ihre Herrschaft über die als weniger hoch stehend wahrgenommenen „negriden“ Ethnien Zentralafrikas, zu denen in den Augen der Deutschen die Hutu gehörten. Die Kolonialherren banden die Tutsi als lokale Machtträger in das System ihrer indirekten Herrschaft ein…

    Die Belgier setzten (ab 1919) die indirekte Herrschaft fort. Auch sie hielten die ungleiche Machtverteilung zwischen Hutu und Tutsi für das Ergebnis einer rassischen Überlegenheit der Tutsi…

    Zu den folgenreichsten Administrativmaßnahmen der Belgier gehörte 1933/34 die Ausstellung von Ausweispapieren im Gefolge einer Volkszählung. Diese Dokumente fixierten die ethnische Zugehörigkeit jedes Einzelnen, war er nun Twa, Hutu oder Tutsi. Die ethnische Zuordnung aller Ruander war fortan in Verwaltungsregistern festgeschrieben. Die Unterscheidung der Menschen nach sozialem Status und wirtschaftlichen Aktivitäten wurde biologisiert und damit zu einer nach Rassen…

    In der Zwischenkriegszeit förderte die Katholische Kirche in ihren Missionsschulen die Tutsi stärker als die Hutu. Diese schulische Ausbildung bot den Tutsi die Perspektive, in die Landesverwaltung einzutreten, denn der Unterricht in Französisch bereitete sie darauf vor…

    Angesichts der absehbaren Dekolonisation Ruandas radikalisierte sich die politische Debatte in den 1950er Jahren. Entlang der „ethnischen“ Grenzen bildeten sich politische Parteien…

    Im Oktober 1972 richtete sich erneut eine massive Welle der Gewalt gegen die ruandischen Tutsi. Präsident Kayibanda griff nicht ein, um seine Macht, die von extremistischen Hutu infrage gestellt wurde, nicht zu gefährden – diese forderten im Angesicht von ausgedehnten Massakern an Hutu im Nachbarland Burundi, bei denen rund 100.000 bis 150.000 Hutu umgebracht wurden, Vergeltungsmaßnahmen gegen Tutsi…

    Mitte der 1980er Jahre geriet Ruanda in eine Staatskrise. Die Wirtschaft des Landes litt unter dem rasanten Verfall des Kaffeepreises – 75 Prozent aller Exporte basierten auf der Kaffeeproduktion. Verschärfend wirkten das durch die verbesserte medizinische Versorgung beschleunigte Bevölkerungswachstum und die damit verbundene zunehmende Knappheit an Landressourcen. Der Mangel an industriellen Arbeitsplätzen – mehr als 90 Prozent der Menschen lebten von Landbau – sorgte für eine Zuspitzung der Wirtschaftskrise…

    http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda

    Man hatte in Ruanda also offfenbar einen faktischen Unterschied zwischen Hutu und Tutsi. Und zwar weil die nach ihrer sozialen Stellung eingeteilt wurden und dann wurde das Ganze ethnisch aufgeladen, also diese soziale Schichtung unumkehrbar gemacht. Dann kamen die Deutschen und förderten diese Sichtweise erwatungsgemäß. Schließlich führte die Kolonialzeit dazu, dass die Führungsschicht des Landes aus Nicht-Einheimischen bestand, eine weitere Begünstigung von Bluttaten nach Abzug der Kolonialmächte (vgl. Angola, Mocambique etc.)

    Wir haben in Ruanda also in Ansätzen rassistische Zustände seit dem König, was die Kolonialmächte zementierten.

    All das sind fundamental andere Voraussetzungen als in Deutschland. Dazu kommt die fundamental unterschiedliche Herangehensweise des konkreten Mordens. Wie du, IG, selbst schreibst, muss man ziemlich irre gewesen sein, um die Nazi-Geschichten über Juden zu glauben. Das ist auch ein Unterschied zu Ruanda, wo die konkreten ungerechten Verhältnisse wohl spürbar waren. DASS die Deutschen die Märchen glaubten und dass es strukturell bis um Holocaust kam, also ohne jeden Grund eine maximale Vernichtung zu erreichen, halte ich in der Tat für in der Geschichte beispiellos und deshalb singulär – neben den anderen, schon genannten Gründen wie der industrielle Aspekt, die extreme Zweckrationalität und die völlig emotionslose Skrupellosigkeit.

    Das sind die entscheidenden Punkte bei der Singularitätsthese, um nichts anderes ging es hier.

    Einem ruandesischen Angehörigen eines Opfers damit zu kommen, ist daneben, sicher. Aber es geht hier doch um den Versuch der wissenschaftlichen Einordnung. Und da spielt das von mir gesagt eben eine Rolle.

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  94. genova68 schreibt:

    Noch was dazu:

    Im Wikipedia-Artikel „Hutu“ wird das Thema präzisiert und leicht anders dargestellt:

    Die Hutu sind eine soziale Gruppe (Kaste) in Ostafrika und stellen in Ruanda und Burundi die Bevölkerungsmehrheit. Etwa 85 Prozent der Ruander und der Burundier gelten als Hutu.

    In vorkolonialer Zeit gab es in Ruanda und Burundi ein Nebeneinander der sozialen Gruppen der Tutsi, Hutu und Twa, deren Sozialstruktur sich in dieser Rangfolge über den sozialen Status ergab. Während die Tutsi überwiegend Viehzüchter waren und die Twa als Jäger und Sammler lebten, betrieben die Hutu vornehmlich Landwirtschaft und stellten die Mehrheit der Bevölkerung. Eine vertikale Durchlässigkeit zwischen den sozialen Gruppen war gegeben; beispielsweise durch den Erwerb von Vieh war sozialer Aufstieg möglich. Alle drei Gruppen sprechen Kinyarwanda.

    Erst während der Kolonialherrschaft Deutschlands (bis 1916) und des Völkerbundsmandats Belgiens (ab 1923) über Ruanda wurde der Zugehörigkeit von Menschen zu den Gruppen der Hutu, Tutsi oder Twa eine ethnische Bedeutung zugeschrieben. Die Einteilung in (vermeintliche) Ethnien und das Bilden einer herrschenden Volksgruppe als Oberschicht dienten den Kolonialherren zur Organisation der Kolonialverwaltung im Sinne der von Deutschen und Belgiern praktizierten indirekten Herrschaft…

    Im damals vorherrschenden rassistischen Denkmodell wurden die ethnischen Gruppen auch anhand ihrer Phänotypologie unterschieden, wobei diese hier auf die bereits bestehenden sozialen Gruppen übertragen wurden. Die sozial untergeordneten Hutu wurden als negride, „unterwürfige Rasse“ klassifiziert, die Tutsi als überlegene „Rasse mit natürlichen Herrscherqualitäten“…

    „Das durch koloniale Maßnahmen geschaffene System «ethnisierter» sozialer Gruppen […] [hat sich bis heute zu einem] vielen als zentraler, «natürlich» gegebener Identifikationspunkt [entwickelt].“[1]

    Diesem Denkmodell folgend wurden Tutsi seit Beginn der Kolonisation von den Machthabern in Schlüsselpositionen eingesetzt und gefördert. Nach dem Ende der Kolonialherrschaft wurden jedoch die Bevölkerungsmehrheit der Hutu zur herrschenden Gruppe. Diese historische Entwicklung ist eine der mittelbaren Ursachen für ethnische Konflikte in beispielsweise Ruanda

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hutu

    Aus dieser Diskriminierung der Hutu wuchs offenbar eine Bewegung heran, die den Spieß umdrehte und eine Diskriminierung der Tutsi (die schon immer zahlenmäßig in der Minderheit waren) propagiert, die im Genozid gipfelte.

    Es ist auch bezeichnend, dass selbst mitten in Afrika die durchgeknallten Deutschen mit ihrem Herrenmenschenwahn die Politik diktierten.

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  95. InitiativGruppe schreibt:

    Die Darstellung der Hutu/Tutsi-Verhältnisse in Wikipedia halte ich für schlüssig.
    Schlüssig ist auch, wenn du feststellst: Da ist ein interessanter Unterschied zum extremen Antisemitismus etwa in Deutschland, wie er am Ende zum Holocaust geführt hat.

    Soweit sind wir uns also einig.

    Nicht ganz so einig sind wir uns in einer Hinsicht, die sich mir ergibt, insoweit ich mich die rabiaten deutschen Antisemiten hineinversetzen kann.

    Juden waren in Europa die sichtbare Avantgarde der modernen Entwicklungen – ein wesentlicher Teil davon, in mancherlei Hinsicht die Speerpitze der Modernisierung. Juden waren extrem „überrepräsentiert“, wenn es um neue Formen des Handels ging (Beispiel Kaufhäuser), wenn es ums Banking ging (in München gab es ca. 50 Banken, über die Hälfte davon war in „jüdischen“ Händen), in der Journalistik, unter den Rechtsanwälten, Ärzten, Universitätsprofessoren, Forschern, Stars in Kunst und Unterhaltung …

    Weniger als 1 Prozent der Bevölkerung, aber so auffallend modern und erfolgreich, so penetrant, dass man glauben konnte, sie seien ein Viertel oder so.

    Aus meiner Sicht natürlich eine bewunderswerte Sache, diese „jüdische“ Stärke. Ich hätte, so wie ich bin, damals auch gesagt, dass das doch wunderbar ist für uns, dass Talent und Moderne nichts Negatives sind, im Gegenteil. Im übrigen interessiert mich der individuelle Mensch so viel mehr als irgend eine Gruppenidentität, dass ich das Antisemitismus-Spiel sowieso nicht mitmachen könnte. (Drum schreib ich „Juden“ gern in Anführungszeichen. Jude zu sein ist kein primäres Merkmal eines Menschen.)

    Aber für viele war diese unglaublich starke Präsenz von „Juden“ (als Mitglieder einer ethnisch identifizierbaren Gruppe) unheimlich und gefährlich. Für die kleinen Geschäftsleute in München, die massenhaft Kunden an die großen „jüdischen“ Kaufhäuser verloren haben, waren diese „Juden“ eine Katastrophe, zum Beispiel.

    Dass es sich hier um eine Verschwörung handelt, das lag vielen Leuten nahe. Und wenn man mal im Kleinen damit anfängt, dann lässt sich das erweitern: Wer hat uns die Niederlage im 1. Weltkrieg beigebracht? Wer bedroht uns via Bolschewismus (fast alle führenden Gestalten der Münchner Räterepublik waren Juden)? Undsoweiter.

    Ich kann mir den ganz „normalen“ alltäglichen Antisemiten vorstellen, der im Ernst glaubt, es gebe die jüdische Weltverschwörung, und sie äußere sich in den Großbanken und im Bolschewismus, und sie stecke den Leuten im Blut. Das ist Normalität und Verrücktheit zugleich.

    Nicht viel anders als der Irrsinn in Rwanda. Man wehrt sich gegen eine überlegene, nach eigenem Gefühl übermäßig dominante Gruppe von Menschen.

    Schon richtig, genova, die „Tutsi“ waren auf eine andere, sozusagen realere Art überlegen. Das ist ein Unterschied, den man beachten sollte. Man wird bei jedem Völkermord solche substanziellen Unterschiede finden – die ihn dann eben singulär machen.

    Ich finde, genau die Beschreibung des Völkermords in Rwanda, die du via Wikipedia lieferst, macht auch diesen Völkermord singulär, im Sinne von einmalig. Das aber ist eine „kleine“, nicht-metaphysische Einmaligkeit, nicht die Art von überhöhender Singularität, die ich immer mitschwingen höre, wenn nur der Holocaust singulär sein soll, aber keiner der anderen Völkermorde.

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  96. genova68 schreibt:

    Die Tutsi waren auf eine realere Art überlegen, das ist der Unterschied. Und dann eben, wie gesagt, die industrielle Art der Massenvernichtung in einem nicht vorstellbaren Umfang, inklusive derjenigen Millionen Juden, die noch an die Reihe gekommen wären, inklusive aller Slawen, aller Schwarzen etc. Lassen wir die Dimensionen da nicht außen vor.

    Es geht nicht um substanzielle Unterschiede generell, die alles singulär machen, das ist banal. Jede Handlung, jeder Tag ist singulär, aber diese Art von Singularität ist hier nicht gemeint.

    Generell danke für deinen Beitrag, IG, dieses Sich-Hineinversetzen in die damalige Zeit macht ja erst den Wert des historischen Blicks aus. Wobei bei deiner Perspektive dann doch der grundsätzliche Antisemitismus der damaligen Zeit zu kurz kommt. Die Juden waren so assimiliert wie nie zuvor, dennoch (oder deswegen) kam es zur Katastrophe. Es ist letztlich egal, wie viele Banken die hatten, man wollte sie als Sündenbock. Es gab, zumal in Berlin, auch viele arme Juden, denen man wiederum vorwerfen konnte, sie lägen den Deutschen auf der Tasche. Und wenn es gar noch mehr gegeben hätte, die äußerlich als Juden erkennbar gewesen wären, wäre das der nächste Grund für Ablehnung gewesen.

    Ich würde da psychologischer rangehen. Das ist so ähnlich wie der lustige Stürzenberger von PI. Seine Ergüsse inhaltlich zu diskutieren ist sinnlos, weil der Typ so eine Art Psychopath ist. Der hat sich, wohl aus Gründen der Selbstentlastung, auf Moslems als Feindbild eingeschossen. Seine Argumentation rational nachzuvollziehen, ist leicht möglich, führt aber zu nichts. Analog dazu kommt bei dir der psychopathische Charakter vieler Deutscher (Minderwertigkeitskomplex, Militarismus, Sündenbockmentalität, die Moderne als Form der Entfremdung, radikale Umwälzungen in der Gesellschaft und im eigenen Leben) in der WR zu kurz, um das mal so drastisch zu formulieren.

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  97. InitiativGruppe schreibt:

    Dass das – deinem Eindruck nach – zu kurz kommt bei mir, liegt wohl daran, dass ich offen und direkt meinen Respekt zeige vor diesen kranken Erscheinungen. Obwohl sie auch in meinen Augen wirklich krank sind.

    Krankheit ist kein moralisches Vergehen oder moralisches Versagen.

    Ein Unterschied zwischen uns liegt, so meine ich, darin, dass ich mich selber auch als „angekränkelt“ sehe, also, mir sind die menschlichen Perversionen alle nicht fremd, ich finde sie in mir selber als Möglichkeit angelegt.

    Da dies nicht dazu führt, dass ich die „Pschopathen“ nicht auch – wenn sich die Situation böte und die Notwendigkeit nahe läge – umbringen würde, um Unheil von anderen Menschen abzuwenden, wirst du mir hoffentlich mein menschliches Verständnis für das Menschlich-Unmenschliche verzeihen.

    Das mit der Singularität des Holocaust lassen wir jetzt mal ein wenig ruhen. Wenn ich mit etwas Zeitabstand neu drüber nachdenken werde, könnte sich an meiner Sicht schon wieder etwas verändert haben. Es gibt in solchen Dingen in meinem Kopf nur Zwischenstände, keine abschließenden Urteile.

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  98. genova68 schreibt:

    Die Diskussion über die Singularität ist im Kern vielleicht wirklich sinnlos, das denke ich mir jetzt auch. Der Grund für diese Diskussion liegt wohl eher in der Befürchtung der Verharmlosung, siehe die Prager Erklärung, die auch Gauck unterschrieben hat, da wird sozusagen ein in Westdeutschland mühsam erarbeiteter reflektierter Standpunkt aufgegeben.

    Leute wie dieser Stürzenberger sind natürlich faszinierend, ein gefundenes Fressen für jeden Psychologen und auch interessant, weil er, wie du das schreibst, den eigenen Abgrund, der in jedem lauert, offenbar macht. Weil bei dem irgendwas ausgeschaltet ist, was da normalerweise regulierend eingreift. Es ist die Mischung aus eigener Angst (vor Abstieg, Verlust, Einsamkeit etc.), die dann auf andere projeziert wird, das ist in der Wissenschaft ganz gut dargelegt, glaube ich.

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  99. Jakobiner schreibt:

    1) Finde ich es ein bisschen daneben, sofort in die NPDecke gerückt zu werden, wenn man mal die Tätervolkthese infrage stellt.

    2)“ZU IG: “
    Jakobiner ist manchmal recht anstrengend.
    Über mich hat er sich so gräßlich geärgert, dass er mich in den Unterleib getreten hat, woraufhin ich ihn rausgeschmissen habe.
    Insofern bin ich wohl schuld daran, dass jetzt du die Last hast.“

    Naja, „Last“ sieht wohl anders aus, wenn ich mir eure engagierte Diskussion über Ruanda, den Holocaust und die Singularitätsthese ansehe,die ich angeregt habe und über die dann beide ihr ellenlang referiert. Zumal kann ich dieses ewige Rumreiten auf die angebliche Unterleibsverletzung von Leo Brux nicht mehr anhören, die ihn ja scheinbar an einem recht sensiblen Nerv getroffen hat, den ich nicht so vermutet hätte.Ich dachte immer der kann was einstecken und steckt solch eine Lappalie leicht weg.Ich hege ohnehin den Verdacht, dass ich da rauskatapultiert wurde, da ich Fatima Özuguz zu sehr widersprochen habe.

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  100. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:

    Dazu finde ich es ein wenig billig zu meinem Artikel über Verschwörtungsdenken auf Global Review nur den streitbaren Punkt der Naomi Klein herauszupicken, zum Rest gar nichts zu sagen, wie auch IGs Auslassungen zur damaligen Stellung der Juden in Deutschland als Avantgarde der Moderne und der Perzeption der deutschen Bevölkerung als irrelevant abzutun.Das soll dann angeblich „wissenschaftlich“ sein!

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  101. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:
    „Der Grund für diese Diskussion liegt wohl eher in der Befürchtung der Verharmlosung, siehe die Prager Erklärung, die auch Gauck unterschrieben hat, da wird sozusagen ein in Westdeutschland mühsam erarbeiteter reflektierter Standpunkt aufgegeben.“
    Der Grund für diese Diskussion hat die „Last“ Jakobiner geliefert, als er darauf hinwies, dass Gauck inziwschen auch Holocaustrelativierung vorgewirfen wird.Daran hat sich dann die angebliche off-topic-Diskussion entwicklet, aus der ihr jetzt beide ermattet herausgeht.Leider hat Genova noch nicht erklärt, was die Prager Erklärung ist, die Gauck unterschrieben hat und inwieweit da angeblich mühsam erarbeite westdeutsche Standards bezüglich der deutschen Vergangenheitsbewältigung aufgegeben werden.

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  102. Jakobiner schreibt:

    Zu IG:

    „Das mit der Singularität des Holocaust lassen wir jetzt mal ein wenig ruhen. Wenn ich mit etwas Zeitabstand neu drüber nachdenken werde, könnte sich an meiner Sicht schon wieder etwas verändert haben. Es gibt in solchen Dingen in meinem Kopf nur Zwischenstände, keine abschließenden Urteile.“

    Das ist dasselbe Gefasel und Rumlavieren, wie man es von Grünen kennt, selbiges bei IG auch zum Guggenheimprojekt. Von Ambiguitätsdenken faseln, keinen Standpunkt letztendlich beziehen wollen, nie abschließende Urteile fällen, sich eben alles offen lassen und sich dann im Ernstfall doch wieder auf die Seite von Kapital und Herrschenden stellen.So kenne ich eben die Grünen.

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  103. genova68 schreibt:

    Jakobiner,
    ich bin jetzt in der Tat zu ermattet, um hier über den Holocaust weiter zu diskutieren. Ich habe, gerade zu deinen Auslassungen zum Thema, alles gesagt, was ich sagen wollte. Und deine Verschwörungstheorien auf Global Review (schön übrigens, dass du zugibst, dass du der Verfasser bist) kann ja dort diskutieren, wer das möchte.

    Du hast das Talent, Diskussionen unendlich zu erweitern, aber es kommt irgendwann nichts mehr bei raus.

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  104. Jakobiner schreibt:

    Wenn ichts rauskam, lag es ja wohl zwischen dir und Leo Brux–jeder hat sich da einmal ermattet zurückgelegt.Wie dem auch sei:
    Dann ruhen sie sich mal aus Genova oder antworten sie mal etwas später dazu., ich habe ohnehin den Eindruck, dass sie mit diesem Blog etwas überfordert sind, wenn mal eine Diskussion losbricht und ich mir das beharrliche Durchstehvermögen von Leo Brux ansehe, der scheinbar nichts anderes mehr zu tun hat als zu bloggen–sowohl auf „seinem“Blog wie auch auf anderen..Aber dafür ist er eben die bezahlte allzuverlässlcihe Allzweckwaffe der Münchner Grünen.Vielleicht ist er aber auch nur ein Team und gibt sich als allseits beschlagenes Individum aus.

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  105. genova68 schreibt:

    Ja, ich ruhe mich jetzt aus. Auf Wiedersehen.

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  106. Jakobiner schreibt:

    Zu Genova:

    1) Das ist gut: Brux oder dieses IG-Team ermattet sie und Jakobiner soll dann schuld dran sein.

    2) Zur „Prager Erklärung“ (noch nie davon gehört!!!), die Gauck unterschrieben haben soll, haben sie immer noch nichts gesagt. Weder als Artikel noch inhaltlich, sondern nur mit dem Verweis, den irgendwie alle verstehen sollen, um dann die Diskussion abzuwürgen.Was ist die Prager Erklärung und inwieweit ist sie eine Relativierung des Holocaust?.

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  107. genova68 schreibt:

    Jakobiner, einfach mal googeln. Und jetzt geh bitte woanders hin, trink ein Bier, du drehst schon wieder am Rad.

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  108. Jakobiner schreibt:

    Habe ich gegoogelt, aber da ist die Prager Erklärung nicht abgedruckt, nur der Verweis: Havel und Gauck haben „sie“ unterschrieben.So what?Was die Prager Erklärung ist, bleibt fraglich, kann man nur aufgrund der Kritiken daran erahnen–warum ist da nicht der Origianltext auf Google? Als Vorschlag: Mach die Prager Erklärung doch mal als Artikel und erkläre, was wir daran so schlimm dran finden sollen. Aber lass´dir Zeit und relx jetzt auch mal.Und ich werde deinen Vorschlag aufnehmen: Jetzt lehn´ich mich auch mal zurück und trink ein Bier..

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