Das Massaker von Norwegen und die deutschen Brüder im Geiste

Interessant, was der norwegische Attentäter Anders Breivik in den vergangenen Jahren in diversen Blogs, bei facebook und sonstwo im Netz publiziert hat. Er bezeichnete sich als Protestant, aber die heutige evangelische Kirche als „Witz“, weil deren Priester „für Palästina marschieren“ und ihre Kirchen „wie minimalistische Einkaufszentren aussehen“. Und: „Das einzige, was die evangelische Kirche retten kann, ist eine Rückkehr zu ihren Grundlagen.“Auge um Auge, Zahn um Zahn, meint er wohl. Spiegel-Online sieht bei Breivik einen „christlich-fundamentalistischen Standpunkt“.

Weiter schreibt er:

„Für mich ist es sehr heuchlerisch, Muslime zu behandeln, als  unterschieden sie sich von Nazis und Marxisten. Sie sind alle Anhänger von Hass-Ideologien.“

Breivik sieht sich außerdem als „Rechtsnationalen“, als „Multi-Kulti-Hasser“ und er ist gegen „Kulturmarxismus“. Vieles davon schrieb Breivik auf dem norwegischen Blog document.no, der größten norwegischen „anti-Islam, anti-immigration and pro-Israel website“. Auf einem anderen Blog sympathisierte er mit dem niederländischen Rechtspopulisten Gert Wilders. Breivik war von 1999 bis 2006 Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei.

Na, an was erinnern diese Beschreibung und die Zitate Breiviks? Klar, an die glorreichen Kameraden von pi-news, dem antiislamischen, rassistischen und vorgeblich israelfreundlichen Blog des Kölner Sportlehrers Stephan Herre. Der schließt sich den Aussagen Breiviks an. Der Blog bemerkt: „Was er schreibt sind großenteils Dinge, die auch in diesem Forum stehen könnten.“

Die Verbindungen sind offensichtlich, aber nicht nur das. Auch die Morde Breiviks stehen in Einklang mit der PI-Logik. Wer vom „Geburten-Dschihad“ spricht, von der Scharia, die kommen wird, von dem nicht überbrückbaren Gegensatz von Okzident und Orient, von „wir oder die“; wer eine islamische Bedrohung an die Wand malt, die dazu führen wird, dass in wenigen Jahren alle Frauen in Deutschland mit einer Burka rumlaufen müssen, impliziert die Tat. Die Botschaft des publizistischen Dauerfeuers ist klar: Entweder wir wehren uns oder wir gehen in Dekadenz unter. Der Bürgerkrieg kommt. Und danach Nürnberg II.

Zu weit hergeholt? Von wegen: Bei PI wird gerne die Waffenfreigabe für „Bürger“ gefordert und die passenden Kaliber diskutiert. Der „Hass auf alle Musels“ und „Schleiereulen“ gehört zum täglichen Repertoire. Fundamentalistische Christen werden gerne zitiert. Die vertreten ja „unsere“ Werte. Wer sich sowas täglich durchliest und einschlägig deformiert ist, für den kann Widerstand zur Pflicht werden. Es ist ja für die gute Sache. Und folgerichtig bemerkt ein Kommentator, dass seit dem Attentat in Norwegen „sicher schon Hunderte Opfer islamischer Anschläge“ wurden.

Ein anderer PI-User bringt das klar zur Sprache:

„Von seiner (Breiviks) Warte aus hat er wahrscheinlich rational gehandelt. Islamisierung ist mit friedlichen Mitteln nicht mehr aufzuhalten, also wende ich Gewalt an und zwar nicht gegen die Symptome (Moslems), sondern gegen die Ursache ( linksgrüner multikulti sozi Wahn).“

Der PI-Sud ist die Grundlage für eine Geisteshaltung, die Norwegen möglich machte. Es geht da nicht um „Islamkritik“, es geht um Hass. PI selbst ist das angesichts von 90 Toten wohl auch eine Nummer zu heftig. Die „Redaktion“ schreibt:

„Dieser Beitrag soll darum auch eine sachliche Analyse und kein Reinwaschen von Eigenverantwortung sein … Wir dürfen uns vor lauter Auf-andere-mit-dem Finger-Zeigen nicht unserer Eigenverantwortung entziehen. Wir stehen in der Verantwortung für unser Handeln und Denken.“

Eigenverantwortung, aha. Doch erwartbar kommt keine Analyse zur Eigenverantwortung, sondern lediglich die Aussage, die Tat sei „das Werk eines einzigen Mannes“, eines Irren, gewesen. Er handelte wohl gesellschaftlich im luftleeren Raum. Wie könnte denn „Eigenverantwortung“ angesichts des Blutbads aussehen?

Und selbst diese vagen Erklärungen der „Redaktion“ gehen den meisten Lesern schon zu weit: User „Mastro Cecco“ beispielsweise schreibt:

„Die Regierungen haben doch auf diesen Anschlag lange gewartet und gehofft, er möge möglichst bald kommen, damit sie allen Kritikern von Masseneinwanderung, Islamisieurung und Migrantengewalt den endgültigen “Todesstoß” verpassen können! …

DAS dürfen wir uns nicht gefallen lassen!

JETZT erst recht!!!“

Weitere bezeichnende Reaktionen der PI-Leserschaft zum Attentat von Norwegen finden sich im Blog Lindwurm.

Es geht noch besser. Pro Deutschland, ein Ableger der Rechtsradikalen von Pro Köln, stellt angesichts des Massakers in Norwegen die Frage: „Heute Oslo – morgen Berlin?“ und dreht im dazugehörigen Artikel den Spieß um:

Auch in Berlin ist es ja bereits zur akzeptierten Normalität geworden, dass jede Nacht Autos angezündet werden, dass die Polizei um Leib und Leben fürchten muß, und dass sich viele Bürger in bestimmte Stadtviertel gar nicht mehr getrauen.

Es sind also böse Linke und böse Muslime, gegen die es jetzt vorzugehen gilt. Es gilt, das Feindbild aufrechtzuerhalten, egal, wie zwanghaft dieses Vorhaben daherkommt. Wer offiziell für „Grundgesetz und Menschenrechte“ kämpft, kann wohl psychologisch nicht anders. Folgerichtig titelte PI am Freitag Abend noch, bar jeder (auch grammatikalischer) Erkenntnis:

„Warum bombt Islam ausgerechnet in Norwegen?“

Die Suppe köchelt. Es geht bei PI (täglich rund 50.000 Leser) und anderen Nazis 2.0 ja nicht um Islamkritik. Die wird, soweit ich das sehe, am effektivsten noch von kritischen Muslimen selbst praktiziert. Es geht um die Dauerproduktion von Hass. Hass auf Linke, Grüne, Schwule, Moslems, Türken, Araber, Afrikaner, alle, die sich für die Produktion von Hass anbieten.

Wohin das führen kann, haben wir jetzt gesehen.

Zitatquellen, soweit nicht anders gekennzeichnet: Spiegel-Online und pi-news. Zu pi-news außerdem das hier.

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77 Antworten zu Das Massaker von Norwegen und die deutschen Brüder im Geiste

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  2. genova68 schreibt:

    Wie man Stimmung gegen bestimmte Gruppen schafft, zeigt sich aktuell im Fall der „Aspekte“-Sendung mit Sarrazin. Im Vorfeld der Ausstrahlung berichteten mehrere Springer-Blätter (Bild, Welt), dass eine „grölende Gruppe“ Sarrazin aus einem türkischen Lokal in Kreuzberg vertrieben habe. Im Aspekte-Beitrag sind es exakt zwei Leute, ein Pärchen, das sich vor dem Lokal gegen Sarrazin wendet, rein verbal. Sarrazin nennt den Mann einen „widerlichen Linksfaschisten“ und die Frau „strohdumm“. Ansonsten interessiert sich niemand für Sarrazin.

    Auf dem anschließend besuchten Wochenmarkt in Kreuzberg doziert Sarrazin, dass Polen „weniger aggressiv“ als Türken sind, was ein anwesender Pole okay findet. Er freut sich wahrscheinlich, dass er auf der Biologisten-Leiter von Sarrazin über den Türken steht (wenn auch selbstverständlich unter den Deutschen).

    So geht diskriminierende Berichterstattung. Wie viele Menschen gucken Aspekte? Wie viele lesen die Bild?

    Interessanter Artikel dazu in der FAZ und was Sarrazin noch so gesagt hat:

    http://www.faz.net/artikel/C30673/thilo-sarrazin-im-aspekte-film-emotional-ein-bisschen-zugespitzt-30471826.html

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  3. InitiativGruppe schreibt:

    Ich finde die Reaktion der PI-Redaktion anerkennenswert.
    Wir sind uns schon einig, was PI und seine Bösartigkeit und seine katastrophale Wirkung betrifft. Gerade deshalb haben mit die nachdenklichen Sätze und die Bereitschaft, über die eigene Mitverantwortung nachzudenken, überrascht. Angenehm überrascht.

    Der Normalfall ist das ganz und gar nicht. Das Internet brodelt nur so vor Selbstrechtfertigungen, Ausreden, Jetzt-erst-recht-Beiträgen, Ablenkungen, Leugnungen, perversen Interpretationen. Mal eine Stimme der Vernunft aus dieser Ecke zu hören — das freut mich.

    Nein, genova, es ist nicht so, dass ich jetzt erwarte, dass PI sich ändert. Die machen weiter wie bisher, und wer weiß, vielleicht entschuldigen sie sich noch für den „kleinmütigen“ Artikel, den ich so ungewöhnlich großmütig gefunden habe.

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  5. genova68 schreibt:

    „haben mit die nachdenklichen Sätze und die Bereitschaft, über die eigene Mitverantwortung nachzudenken, überrascht.“

    Für PI-Verhältnisse sicher überraschend. Aber das sind doch nur Floskeln. Es folgt weder eine sachliche Analyse noch die Antwort auf die Frage, was es denn mit der Eigenverantwortung auf sich hat. Ich glaube eher, denen wurde es angesichts der Dimension des Attentats zu heiß. Außerdem fungieren die ja als halb-offizieller Blog der Partei „Die Freiheit“. Da sind ein paar pseudo-nachdenkliche Sätze nicht schlecht, so kurz vor der Wahl.

    Der Spiegel dazu:

    „Das deutsche Polit-Blog Politically Incorrect, vom Verfassungsschutz als nicht rechtsradikal eingestuft, weil es pro-amerikanisch und pro-israelisch sei, berichtete über die Anschläge unter der Schlagzeile „Fall Anders B. eine konservative Katastrophe“. Das Massaker sei eine verheerende Katastrophe, die über Norwegen hereingebrochen sei. Den Angehörigen der Opfer gelte „unser Mitgefühl“. Klingt nach Unglück, Naturkatastrophe, Unfall – für so etwas kann gemeinhin keiner was, und im konkreten Fall sowieso nur der Täter selbst.“

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,776275,00.html

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  7. hanneswurst schreibt:

    Ich bin mir noch nicht sicher, ob der Amokterror des Anders Breivik überhaupt politisch gedeutet werden kann. Ich vermute eher, dass es sich um die Tat eines sehr kranken Menschen handelt, der auch eine andere Zielscheibe hätte wählen können als Jungsozialisten. Das ist natürlich eine ziemlich beliebige Aussage, die RAF hätte sich auch andere Autoritäten zum Bekämpfen suchen können, die Nazis hätten sich in den Hass auf andere Völker versteigen können usw. Allen gemeinsam ist – um Helge Schneider zu zitieren – dass sie „nicht mehr auf ihre innere Stimme gehört haben“.

    (Es gibt jedoch eine fernliegende Möglichkeit, den von Breivik verübten Massemord doch als politisch zielgerichtet zu interpretieren. Der Mörder hat sich selber überdeutlich als Anhänger einer bestimmten Szene geoutet, die eben in diesem Blog schon richtig als „PI-nah“ beschrieben wurde, eine seltsame Melange aus christlichem Konservatismus, Fremdenfeindlichkeit, autoritärer Doktrin, Antideutschtum (sic) und Tea-Party. Wäre der Massenmord in Wahrheit ein Angriff auf diese Szene – also ein Versuch den Konservatismus zu diskreditieren – dann wäre die politische Handlung nicht zu leugnen. Ebenfalls möglich wären ökonomische Gründe: der Massenmord wurde von der Waffenlobby veranlasst um den Wunsch nach privatem Waffenbesitz zu fördern – als Schutz gegen eben solche Attentäter. Beide Theorien sind jedoch abwegig und entspringen nur dem Wunsch, etwas Unfassbares zu rationalisieren.)

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  8. Firestorm schreibt:

    Den inflationären Gebrauch des Wortes Nazi finde ich erschreckend. Heutzutage wird offenbar jeder zum Nazi, der nicht weit genug links steht.

    Zugegeben, einige Beiträge bei PI und manche der Kommentare sind unterste Schublade. Mit Nazis oder Rassismus hat das aber nichts zu tun. Ich denke, Kritik am Islam ist grundsätzlich legitim. Und will hier ernstlich jemand behaupten, es gäbe da nichts zu kritisieren? Menschenrechte, die Stellung der Frau, Homophobie, Antisemitismus – da gibt es genügend Dinge, über die man offen reden muss.

    Das nun dieses schreckliche Ereignis in Norwegen vielen Linken im „Kampf gegen Rechts“ (man könnte auch sagen: gegen das konservative Bürgertum) wie gerufen kommt, erstaunt mich nicht. Ich finde es jedoch beschämend!

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  9. markhelms99 schreibt:

    Breivik hat offenbar Henryk Broder als Vordenker gesehen, wie mehrere Textstellen in seinem Manifest zeigen: http://bit.ly/q0UswG

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  10. Pingback: Terror und „CUI BONO“ einmal anders « Aron Sperber

  11. genova68 schreibt:

    markhelm,
    ja, Broder wird in dem „Manifest“ erwähnt. Bei wem sollte der auch sonst „Vordenker“ sein? Ihm selbst ist das egal, wie er im Tagesspiegel betont hat.

    Es ist die Saat, die aufgeht. Sicher anders, als von vielen erhofft, aber Broder, PI, Ulfkotte, Sarrazin, diese ganzen rassistischen Hampelmänner geben seit Jahren den Ton vor. Wenn Deutschland sich abschafft, wird man doch noch was dagegen unternehmen dürfen… Man findet bei PI massenhaft Kommentare von Leuten, die mehr oder weniger deutlich schreiben, dass sie Ähnliches machen würden. Waffen besorgen, losballern. Die Konsequenz des Attentats als individuelle Reaktion auf die seit Jahren in Blogs, Bücher und Medien überhaupt laufende Hetze ist nachvollziehbar, wie im Artikel geschrieben. Der Attentäter hat aus der inneren Logik dieser „Islamkritiker“ heraus nicht falsch gehandelt.

    Es geht, um das nochmal klar zu sagen, weder bei Broder noch bei PI noch bei Ulfkotte um Islamkritik. Das wäre ein seriöses Anliegen und erforderte viel Lektüre, Geschichtskenntnisse und das Bemühen um Vorurteilslosigkeit. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die sich seriös mit dem Thema auseinandersetzen, aber für die interessiert sich niemand, zu langweilig. Es geht bei den genannten um Hassproduktion. Feindbilder suchen und ausmalen. Ob Franzosen, Juden, Kommunisten, Schwule, das ist völlig egal. Die Motive variieren leicht, beim einen ist mehr Egozentrik im Spiel, der andere muss irgendwelche Texte an die Medien verkaufen, um Geld zu haben, die dritten sind kleinbürgerliche Opfer neoliberaler Politik und treten nach unten, andere entwickeln aus reinem Eigeninteresse lieber Hass gegenüber Ausländern, bevor sie ihre Frau verprügeln, mehr oder weniger alle sind autoritäre Persönlichkeiten, in ihrer Sozialisation langfristig deformiert. Eigentlich sind das die dringend Integrationsbedürftigen.

    Diese neuen Rechtsradikalen inhaltlich ernst zu nehmen, ist sinnlos, das zeigt schon der Kommentar von firestorm da oben. Der wird dann einfach regressiv und plappert was von „man wird doch noch kritisieren dürfen“.

    Hannes,
    ob der Typ „krank“ war oder nicht, halte ich für unerheblich. Der war in der Lage, 1.500 Seiten zum Thema zu schreiben, hatte einen guten Job, war sozialkompatibel, bereitete das Attentat seit neun Jahren vor und machte sich so seine Gedanken. Gerade dieser Fall ermöglicht doch, sehr genau hinzugucken: Wo hat er sich informiert, was hat er gelesen, wie war sein Werdegang. Nix mit krank. Man kann natürlich sagen, dass jeder, der so eine Tat begeht, krank ist. Aber was hilft das? Ich finde den Zugang via gesellschaftlichen Erklärungsversuchen hilfreicher. Gerade in diesem Fall.

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  12. genova68 schreibt:

    Gerade gelesen, ein Kommentar im Tagesspiegel (eines Lesers), der es auf den Punkt bringt:

    „Broder vertritt nicht nur einfach islamkritische Ansichten. Er ist einer der schlimmsten, gesellschaftlich geduldeten Hetzer unserer Zeit. Ein arroganter, altersstarrsinniger, unerträglicher Mann. Was anderes fällt mir zu seinen Texten nicht ein und natürlich ist er nicht unmittelbar verantwortlich, aber er bereitet den geistigen Boden, auf dem solche Taten gedeihen. Gott sei Dank relativ selten, aber wenn man sich beispielsweise die Kommentare bei Welt Online durchliest, liest man da exakt dieselben Gewaltfantasien, die auch dieser Mörder hatte. Es gibt also auch in Deutschland genug tickende Zeitbomben, die sich permanent auf Leute wie Broder berufen. Und dass sie sich auf ihn berufen, liegt mit Sicherheit nicht an seiner differenzierten Sichtweise, sondern daran, dass er eben: hetzt.“

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  13. Firestorm schreibt:

    Es geht, um das nochmal klar zu sagen, weder bei Broder noch bei PI noch bei Ulfkotte um Islamkritik. Das wäre ein seriöses Anliegen und erforderte viel Lektüre, Geschichtskenntnisse und das Bemühen um Vorurteilslosigkeit. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die sich seriös mit dem Thema auseinandersetzen, aber für die interessiert sich niemand, zu langweilig.

    Sehr interessant. Wer soll das denn sein, diese „ganze Reihe von Leuten“? Ich habe Islamkritik bisher nur in diversen Blogs (es gibt bessere als P.I.) und ganz, ganz selten in einem offiziellen Zeitungskommentar wahrgenommen. In den Massenmedien wird höchstens mal auf eine unmenschliche Steinigung hingewiesen. Aber inhaltliche Islamkritik? Wo? Dabei gäbe es genug zu kritisieren: Frauen-Unterdrückung- und Entrechtung, grasierende Homophobie, starker Antisemitismus, Todesdrohung beim „Abfall vom Glauben“ etc.

    Also, ich bin gespannt. Wer nimmt hierzu sachlich Stellung?
    Ich höre immer nur: Alles Vorurteile, Islam ist Frieden, böse Rechtspopulisten, bla bla…

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  14. Firestorm schreibt:

    Oh, noch eine Anmerkung: Ich kann damit leben, als „rechtsradikal“ betitelt zu werden, auch wenn das nicht zutreffend ist. Richtig blöd wird’s jedoch, wenn statt ernster Antworten auf ernste Fragen nur Polemik kommt. Also, wie wär’s? Ich stelle mich gerne eine sachlichen, freundlichen Diskussion.

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  15. InitiativGruppe schreibt:

    Firestorm,
    ich bin katholisch – und es gibt am Katholizismus EINIGES zu kritisieren, und zwar grundsätzlich und radikal, nicht war. Dazu gehören nicht nur die Folgen der Verbindung von Macht/Autorität und sexueller Verkümmerung oder Perversion aufgrund des Zölibats, dazu gehört die Nichtanerkennung der Frau im gesamten priesterlichen Bereich, dazu gehört das Nein zu jeglicher Empfängnisverhütung, dazu gehört die Stellung des Papstes selbst, dazu gehört die zum Teil grotesk reaktionäre Theologie …

    Alles das kann man kritisieren, und ich nenne das Katholizismus-Kritik. Und unterscheide es von hämischer und schlicht destruktiv gemeinter Hetze.

    Eine gelassene, sachlich orientierte, das Kritisierte respektierende Kritik ist gegenüber dem Islam derzeit schwierig zu machen, weil es zuviel Hetze gibt. Da kommt es eher darauf an, die Hetze abzuwehren.

    Das ist wie beim Antisemitismus. Der war und ist ja auch keine „Judenkritik“, sondern Verhetzung.

    Bei Ihnen, Firestorm, besteht vor allem ein Interesse an der Hetze. Ich glaube nicht, dass in Ihnen ein Quentchen Respekt für den Islam gegeben ist. Wieso soll man dann mit Ihnen über den Islam debattieren? Es gibt dafür keine Grundlage.

    Das zeigt schon, dass es Ihnen bei der Liste von Themen nicht darum geht, die sich wandelnden Vorstellungen vom Islam, wie sie sich mit der Modernisierung der islamischen Welt ergeben, zu berücksichtigen, sondern nur die salafistische oder traditionalistische Vorstellungswelt. Mein Vorschlag wäre: Lesen Sie mal zum Beispiel Benjamin Idriz‘ „Grüß Gott, Herr Imam!“, und dann diskutieren wir über den Islam, wie er sich in diesem Buch ausdrückt.

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  16. genova68 schreibt:

    Nazistorm liest jetzt also dieses Buch und wird sich bis dahin hier im Blog nicht mehr äußern. Und Leute, die mit Proxy hierherkommen, schalte ich nicht mehr frei.

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  17. hanneswurst schreibt:

    @“Firestorm“ (oder ist es wieder der verrückte Redford?): Wer eine „inhaltliche Islamkritik“ hinlegt, ist doch schon in die Deppenfalle der Broder/Sarrazin-Bande getappt. Natürlich ist es vollkommen in Ordnung, DEN Antisemitismus, DIE Unterdrückung von Frauen, DIE Schwulenfeindlichkeit usw. zu kritisieren, aber was hat das mit dem Islam – der zweitgrößten Weltreligion – zu tun? Sind die christlichen Fundamentalisten etwa nicht schwulenfeindlich, haben Frauen in den Wirtschaftseliten etwa einen guten Stand, und als Deutscher weiß man ja, wo der Antisemitismus seine Heimstadt hat (und der – hoffentlich hauptsächlich historische – deutsche Antisemitismus ist für mich wesentlich schlechter nachvollziehbar als der arabische Unmut in Bezug auf Israel). Wenn man die Gründe für diese real existierenden Probleme in der Bibel und im Koran (wo man alles hereininterpretieren kann) sucht, um dann herauszudestillieren, dass „der Christ“ oder „der Moslem“ ein schlechter Mensch ist, dann ist man nicht nur schön doof sondern Teil des Problems, das da heißt: Menschen nicht für Ihre Taten, sondern schon aufgrund ihrer Ethnie, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Religionszugehörigkeit usw. zu verurteilen.

    @Genova: Nach wie vor finde ich, dass Du Dich durch den Diskussionsausschluss von unerwünschten Subjekten (wenn sie nicht gerade illegale Kommentare von sich geben) auf das vermutlich niedrige geistige Niveau eben dieser Diskutanten begibst. Man könnte auch sagen: dann müssen die armen Kerle ja in ein Camp von Jungintellektuellen eindringen und möglichst viele niederstrecken, wenn ihnen sonst keiner zuhört.

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  18. Granado schreibt:

    @Hanneswurst
    Es ist Unsinn, von Amoklauf zu reden, wenn etwas jahrelang vorbereitet wird! Das rechte Lager will sich jetzt ständig exkulpieren mit Verweis auf einen wahnsinnigen etc. Einzelgänger.

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  19. genova68 schreibt:

    Hannes,
    ja, keine Ahnung, wie man mit solchen Leuten umgehen soll. Aber widersprichst du dir nicht, wenn du einerseits schreibst, dass man mit der Firestormschen Forderung „in die Deppenfalle der Broder/Sarrazin-Bande tappt“ und gleichzeitig das Reintappen forderst?

    Das, was du gerade im ersten Absatz geschrieben hast, sollte für einen Firestorm ja genügen, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Das wird der aber nicht tun, weil es am Feindbild knabbern würde. Der wird auch keine seriösen Bücher zum Thema lesen, weil es ihm das Feindbild zerdeppern würde. Und ich weiß wirklich nicht, warum ausgerechnet unter diesem Artikel das Böse im Islam diskutiert werden sollte.

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  20. hanneswurst schreibt:

    @Granado: Ich kann die Tat nicht rational nennen und halte sie deswegen für einen Amoklauf – nicht zu verwechseln mit einer Affekttat. Deswegen spreche ich dieser Tat auch politisches Handeln ab. Mag wie eine Verteidigung des rechten Lagers klingen – die mir fern liegt – aber ich halte es für unseriös, eine wie auch immer veranlagte politische Gesinnung an solchen krankhaften Auswüchsen zu messen. Es scheint mir nicht Teil des Programms von Idioten wie Sarrazin, Broder, Baron usw. zu sein, Menschen zu massakrieren. Man soll meiner Meinung nach auch weiterhin fordern dürfen, dass die Rechte von Asylbewerbern beschnitten werden und ALG II Empfänger zu Strafarbeiten verdonnert werden können. Das sind nicht meine Ansichten, aber es sind Ansichten, mit denen ich in einer Demokratie klar kommen muss, und denen ich im Diskurs auch dann begegnen muss, wenn sie mich ankotzen. Es ist natürlich etwas anderes, wenn jemand in diesem Diskurs zum Beispiel Kollektivstrafen für Muslime fordert. Das wäre ein Rückfall in die Barbarei, den ich nicht hinnehmen muss. Der Versuch, dem rechtskonservativen Rand das Wort zu verbieten, zum Beispiel durch Zensur, Denunziation oder Brandmarkung, ist meiner Meinung nach schädlich.

    Auch wenn ich Menschen wie Sarrazin der Breivik niemals wirklich verstehen werde, kann ich es doch versuchen. Zum Beispiel die Angst vor dem Fremden, die Angst vor Identitätsverlust und Verlust von Wohlstand usw. Dieses Verständnis wird helfen, die nicht wohlbegründeten Forderungen dieser armen Kreaturen zu widerlegen und wird viel eher helfen, solche schmerzhaften Ereignisse wie in Oslo zu verhindern, als aufgeregtes Krakeele, Ohrenzuhalten und Fingerpointing. Die einzige sinnvolle Alternative zu einer diskursiven Begegnung ist der Kampf, der unvermeidlich ist, wenn eine Seite die mehrheitlich gewünschten zivilisierten Regeln bricht.

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  21. hanneswurst schreibt:

    @Genova: Mit Deppenfalle meine ich, über den Islam zu diskutieren, statt über die Missstände, die manchmal mit dem Islam verwechselt werden. Wenn dann jemand insistiert und darauf beharrt, dass der Islam und die Auswüchse im Schatten des Islam ein und das gleiche sind, dann kann man natürlich irgendwann nicht mehr diskutieren, da gebe ich Dir Recht. Dem würde ich dann aber mit Ignorieren statt Zensieren begegnen – solange die Kommentare nicht strafrechtlich ignorant sind (z.B. Spam, Beleidigung).

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  22. genova68 schreibt:

    Hannes,
    deinem zweiten Absatz des Postings von 13.25 stimme ich völlig zu. Wir sind da sicher beide eher neu- als alttestamentarisch orientiert.

    Mit dem Fingerpointing sehe ich mich natürlich auch angesprochen, aber ich würde da schon unterscheiden, ob ich auf einen Protagonisten wie Broder pointe und ein Blog wie PI als Ganzes strukturell kritisiere oder ob ich meinen kleinbürgerlichen Nachbarn anmache. Angst vor Identitätsverlust und Angst vor Wohlstandsverlust ist ja nicht lächerlich zu machen, sondern real. Um die Ursachen dessen geht es in diesem Blog ja oft genug.

    Interessant wäre ein Vergleich der Stimmungen und Diskussionsstrukturen in den 1970er Jahren, als „die Linke“ für die RAF verantwortlich gemacht wurde. In diese Falle darf man jetzt auf der anderen Seite nicht tappen. Ich sehe die von mir kritisierten Gruppen und Personen allerdings nicht als konservativ und auch nicht als bürgerlich, sondern als xenophob und, sagen wir: niederträchtig. Ein Hoch auf jeden ernsthaften Konservativen.

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  23. gegenmeinung schreibt:

    Mit Meinungsfreiheit habt ihr es wohl nicht so? Am besten einfach den Straftatbestand der „Islamophobie“ einführen. Und wer dagegen verstößt, wird wie im Iran mit dem Tode bestraft…

    Ein rechtsextremistisches Attentat ändert jedenfalls nichts an der Tatsache, dass die meisten Terroranschläge durch islamische Extremisten verübt werden. PI hat sich zudem immer für sachliche Islamkritik und gegen Gewalt ausgesprochen. Und selbst wenn dies nicht so gewesen wäre, würde dennoch allein der Attentäter die Verantwortung für sein Handeln tragen. Denn: Schuld hat der, der schießt!

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  24. genova68 schreibt:

    Ein sehr guter Artikel zum Thema von Jens Berger auf den nachdenkseiten:

    Der Brandstifter und die Biedermänner

    Auszug, auch als Antwort auf gegenmeinung:

    „Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz, müsste gegen Hassprediger jeglicher Couleur gelten, gerade auch wenn sie als Biedermänner daher kommen. Rassismus und Hass gegen Minderheiten zu schüren liegt außerhalb der gesellschaftlich tolerierbaren Meinungspluralität. Das hat nichts mit Denktabus oder Political Correctness zu tun, sondern ist Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. „

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  25. hanneswurst schreibt:

    Der Spiegel hat auch eine Einordnung versucht:
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,776466,00.html

    Yassin Musharbash nennt die Tat im Endeffekt Terror, ich bleibe bei Amoklauf – aus eben den Gründen, die der Spiegel-Kommentator richtig aufführt: die Tat ist zu pathologisch, um den politischen Willen, und nicht die Geisteskrankheit, als eigentliche Ursache zu sehen. Vielleicht handelt es sich um Wunschdenken meinerseits, ich sehe den Täter lieber im Kontext von Winnenden, weil ich eine solche Tat lieber als etwas interpretiere, was „normalerweise“ gar nicht vorkommt, was auch nicht das Ergebnis „normaler“ politischer Überlegung sein kann. Allerdings muss ich in Abschwächung meiner eigenen Argumentation zugeben, dass ich aus diesem Grund auch Völkermorde in Übersprunghandlungen und geistiger Umnachtung verursacht sehe, während Historiker darauf hinweisen, dass Genozide mehr oder weniger „normale“ menschliche Handlungen sind, die sich seit eh und je mit einiger Regelmäßigkeit wiederholen.

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  26. genova68 schreibt:

    Die Tat ist pathologisch, tja. Ich weiß gar nicht,was ich mit einer solchen Aussage anfangen soll. Als eher politischer Mensch ordne ich sowas grundsätzlich anders ein, weil ich sonst analytisch nicht weiterkomme. Man kann auch die Nazis als pathologisch hinstellen, aber wo führt das hin? Dann handelten sie im gesellschaftlich luftleeren Raum, ohne Geschichte, und das ist nun mal falsch. Ich würde mit einem Begriff wie geisteskrank oder pathologisch gar nicht arbeiten, denn krank sind wir alle, mehr oder weniger, oder mehr oder weniger gesund, solche Aussagen führen zu nichts außer zu einer Vorstellung von Normativität, die es nicht gibt.

    Außerdem hat der die Tat neun Jahre vorbereitet, praktisch wie auch in Sachen theoretischer Absicherung. Da scheint mir Amoklauf der falsche Begriff. Und nochmal: Wenn ich davon ausgehe, dass die Moslems als Flutwelle kommen und wir hinweggespült werden (also das, was auch Broder schreibt), dann muss ich in der Lage sein, als EINE Konsequenz Gewalt in Betracht zu ziehen. Das ist ähnlich wie Islamisten, für die meisten Menschen eben Gottes Wort verletzen, und das muss bestraft werden.

    Das Pathologische an jemandem wie Breivik ist vielleicht, dass er über sowas nicht nur nachdenkt oder am Stammtisch fachsimpelt, sondern es konsequent ausführt, also das Durchhalten. Vielleicht wäre es sinnvoll, solche Leute frühzeitig dem regelmäßigen Graskonsum zuzuführen. Die hätten dann keinen Bock mehr auf Manifeste und Terror.

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  27. hanneswurst schreibt:

    Ist mir peinlich wieder einen frischen Artikel aus dem Spiegel – diesem postmodernen Boulevardblättchen – zu zitieren, aber alles andere wäre redundant:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,776396,00.html

    Die Psychologen sehen natürlich den psychischen Krankheitsaspekt, die Hirnforscher sehen irgend eine Drüse in der Verantwortung, die Linksintellektuellen die Sarrazin-Bande, aber keiner weiß was Genaues. Ich kann die politische Deutung verstehen, sehe die eigentliche Ursache für die Morde jedoch wie ausgeführt woanders. Ein willkürliches Beispiel zur Verdeutlichung meines Standpunkts: ein Mann erwürgt seine Ehefrau. Bei einer Hausdurchsuchung werden die gesammelten Werke von Jörg Kachelmann gefunden. Ist der Wetterdienst schuld? Nein, das war jetzt Stuss. Nochmal: bei einer Hausdurchsuchung wird einschlägige Frauenhasserliteratur (Schopenhauer etc.) gefunden und es wird festgestellt, dass er sich im Internet mit anderen Frauenhassern darüber ausgetauscht hat, wie man das Pantoffelheldenimage los wird. Entsprang seine Tat also einem Exkurs über Emanzipation, oder ist er einfach ein Gewaltverbrecher, der – ob man es krank nennt oder nicht – eine gewisse Hemmung überwunden hat, die eben die Schwelle zwischen Zivilisation und Barbarei ausmacht? Ich meine, Letzteres ist der Fall, und die vereinigten Alice-Schwarzer Gegner trifft keine Schuld. Vielleicht hätte der Frauenhass des Ehemanns sich nicht so grausam entladen, wenn er keine Mitstreiter im Netz oder sonst wo gefunden hätte. Dann hätte er vielleicht einen Kollegen erschlagen oder wäre unauffällig geblieben, man weiß es nicht, die Ursachen sind kompliziert, biographisch und genetisch veranlagt, bla bla bla. Meine Quintessenz daraus ist: der Mörder von Oslo ist ein schlimmes, aber auch bedauernswertes Geschöpf, dass sich – wenn es keinen Islam und keinen „Kulturmarxismus“ gäbe – sicherlich andere Opfer gesucht hätte. Für mich unterscheiden ihn nur die noch schlimmeren Folgen seiner Tat von anderen Mördern wie zum Beispiel dem Attentäter von John Lennon.

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  28. Firestorm schreibt:

    Ich finde es, gelinde gesagt, sehr irritierend, dass ich hier als bürgerlicher Konservativer mit Begriffen wie „Nazistorm“ verunglimpft und mir die Teilnahme an der weiteren Diskussion verwehrt werden soll.

    Warum ist in Deutschland keine sachliche Diskussion zwischen den politischen „Lagern“ mehr möglich? Sachliche Kritik muss doch erlaubt sein – am Islam genauso wie an der katholischen Kirche oder diversen Sekten.

    Und überhaupt: Ist es als seriös zu bezeichnen, jemandem, den man gar nicht kennt, sofort ein „Interesse an Hetze“ zu unterstellen? Woher nehmen Sie, Autor InitiativGruppe, das Recht dazu? Fänden Sie es gut, wenn ich Sie aufgrund einer legitimen, israelkritischen Äußerung sofort als Antisemiten abstempeln würde? Wollen Sie auf diese Weise jegliche Kritik an Religionen verminen und de facto unmöglich machen?

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  29. buster schreibt:

    Man kann eben politische und psychischbedingte Gewalttäter nicht gleichsetzen. Was bei den Tätern, die eine politische Motivation angeben, psychisch nicht stimmt, ist ja seit der kritischen Psychologie bekannt: Verschwörungstheorien, Paranoia , Autoritätshörigkeit, Ich-Schwäche, sexuelle Unterdrückung etc., letztlich eine sozial motivierte Befreiungsideologie.

    Das tritt aber alles nur unterdrückt auf, sie agieren mit erstaunlicher Planung und Stringenz.
    Der Ursprung ist in mangelndem Antifaschismus zu sehen. Der wäre auch geeignet, gegen andere geschlossene Überzeugungssysteme vorzugehen: Islamismus, Konservativer Extremismus, Esoschwachsinn, Linksextrimistischem Sektierertum.
    „Die offene Gesellschaft behält sich die Intoleranz gegenüber geschlossenen Weltbildern vor.“ (K. Popper)

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  30. genova68 schreibt:

    Eine sozial motivierte Befreiungsideologie, klingt interessant. Befreiung des Subjekts wovon? Von den von dir genannten Stichworten? Man ist autoritätshörig und will genau diese überwinden? Das mit dem mangelnden Antifaschismus, naja. Trifft auf Österreich sicher zu, da ist ja offenbar Rechtsradikalismus Teil der Volkskultur mittlerweile.

    „Warum ist in Deutschland keine sachliche Diskussion zwischen den politischen „Lagern“ mehr möglich?“

    Schreibt ein erklärter Fan von PI und diesem tangsir. Für Nicht-Informierte:

    Matthias Matussek trennt sich von Volksverhetzern – zumindest in seiner Blogroll

    Ich weiß nicht, Firestorm, ob du wirklich so dämlich bist oder nur so tust.

    Es ist das Tea-Party-Phänomen: Relevante Begriffe werden dauerhaft umgekehrt, sodass eine sinnvolle Diskussion kaum mehr möglich ist. „Sachlich“ ist dann also das, was auf PI abläuft. Hier hilft wohl nur die psychologische Perspektive.

    Hannes,
    gibt es „ganz einfache Gewaltverbrecher“? Vielleicht mit sexueller Konnotation, aber auch da wäre ich mir nicht sicher. Die Frage der „Krankheit“ von Breivik führt m.E. in die falsche Richtung, wie schon gesagt. Das einzig Interessante sind die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Breivik zuschlug,denn die sind bestimmbar, änderbar. Oder du argumentierst, dass junge Männer aus biologischer Perspektive am ehesten zum zuschlagen neigen, wg. Testosteron etc.

    Deiner These, dass Breiviks sich sicher andere Opfer gesucht hätte, würde ich widersprechen. Gut möglich, dass er zu Verschwörungstheorien neigte, zur Paranoia, aber auch die muss gefüttert werden. Und das füttern geht heutzutage ganz einfach via Internet. Genau das hat der auf seinen 1.500 Seiten ja gemacht. Blätter das mal durch, der hat schlicht Unmengen an Material aufgesaugt, Broder-Interviews etc., alles, was ihm vor die Nase kam, was sein Feindbild bestätigte.

    Um das mal ganz krass zu sagen: Du kannst ziemlich viele Menschen zu Breiviks machen, wenn du es darauf anlegst. Jeder Genozid, jeder Krieg, KZs beweisen das, das schreibst du ja selbst. Es sind gesellschaftiche Umstände, und die müssen in den Blick genommen werden. Und auf rechter Seite geht nichts ohne Führer. Bei PI hat man geistig ejakuliert, als Dr. Sarrazin auftauchte. Endlich einer von oben, der so spricht wie sie und dem sie bedingungslos folgen können.

    Es geht um die geistigen Brandstifter, und alle, die jetzt die These des verwirrten Einzelgängers vertreten, betreiben bewusst oder unbewusst das Geschäft des Täters. Man sollte sich vielmehr klarmachen, wie sehr rechtsradikale Ansichten Teil der mittigen Gesellschaft hier und anderswo geworden sind. Das schreibe ich hier im Blog seit Jahr und Tag, deshalb meine Artikel zu den rechtsradikalen Bestrebungen von Matussek, Broder etc.

    Schöner Kommentar dazu in der Süddeutschen:

    „Anders Behring Breiviks „Manifest“ mag krude sein, es ist aber nicht kruder und aggressiver als das, was auf islamfeindlichen Internetseiten diskutiert wird. Vom virtuellen Kampf im weltweiten Netz zum echten Terror – das ist das beunruhigend Moderne, das sich im Massaker von Oslo offenbart. Deshalb muss man den Hasspredigern dort, im Internet, entgegentreten.“

    http://www.sueddeutsche.de/politik/anschlaege-in-norwegen-wie-virtueller-hass-zu-blutigen-taten-wird-1.1124530

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  31. hanneswurst schreibt:

    @Genova: Ich schätze, die Uneinigkeit über politische Relevanz und Ursachen dieser Morde hat viel mit dem anthropologischen Einstellungen der Diskutanten zu tun. Ich messe zum Beispiel dem „freien Willen“ wenig Bedeutung zu, für den besten Beitrag zur Ursachenforschung in Bezug auf den Holocaust halte ich den Film „Das weiße Band“. Die Biographie des Täters wird sicherlich komplett ausgeweidet werden. Ich vermute, dass entweder herauskommt, dass spätestens in der Pubertät eine (noch nicht politisch gerichtete) Soziopathie diagnostiziert wurde, und/oder dass ein äußerst problematisches Vater/Sohn Verhältnis vorlag, vielleicht eine demütigende Geringschätzung des eigenen Sohnes. Andererseits ist es natürlich richtig, dass ein Psychopath auch eine Projektionsfläche benötigt, und ein autoritäres, elitäres Weltbild mit klaren Feindbildern bietet sich da an. Klar wäre es besser, wenn verachtendes Broder/Sarrazin Gedankengut gar nicht erst auf den Markt kommen würde. Das ist in einer Demokratie jedoch nicht möglich, es wird immer Hampelmänner geben – auch aus gutem Hause – die den größten Mist verzapfen und es wird immer Medien geben, die sich darauf stürzen (wenn sie es nicht täten, wenn zum Beispiel der Lettre das Interview mit Sarrazin nicht gedruckt hätte, müsste man ihnen mangelnde Aufklärungsbereitschaft unterstellen, auch wenn man den Sarrazins am liebsten kein Forum für ihre Ausfälle bieten möchte).

    Methodisch könnte es sich anbieten, das Massaker von Oslo mit Sarrazin und Konsorten zu identifizieren. „Ein Punkte gegen Rechts.“ Gewaltbereitschaft ist jedoch auch im linken Lager vorhanden; wie viele Aufrufe zur Revolution habe ich allein in diesem Blog schon gelesen. Wenn ein Killer erfolgreich alle DAX-Vorstände ermorden würde, oder alle jungen Liberalen, dann würde das genau so auf die Linke Szene projeziert. Das wäre jedoch nur dann stringent, wenn es tatsächlich Teil des linken Programms wäre, solche Morde in Kauf zu nehmen. Das ist nicht der Fall und es ist auch nicht der Fall dass Broder, Sarazzin oder sonst wer zu solchen Taten wie in Oslo aufgerufen hätte. Deswegen ist es nicht zielführend, die Verbindung zwischen Gräueltat und legaler politischer Meinungsäußerung herzustellen.

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  32. Nihilist schreibt:

    Wer trägt letztendlich die Verantwortung? Denn niemand wird als „Killer“ geboren.

    Nach Moliere – sehr frei – tragen wir alle die Verantwortung. Wie sagte/schrieb Moliere – wir sind nicht nur Verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

    Wer also Fremdenfeindlichkeit duldet, wer sie sogar verbal anheizt, wie Broder, Sarazzin oder andere, IST Mittäter! Toleranz ist falsch. Entweder man akzeptiert etwas, oder man distanziert sich.

    Das, hanneswurst, in Ihr Stammbuch geschrieben.

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  33. hanneswurst schreibt:

    Mittäter sind dann aber auch diejenigen, denen dazu nichts einfällt außer den Zeigefinger zu heben und ihrer Empörung durch ein paar Floskeln Ausdruck zu verleihen. Schreiben Sie sich das bitte in Ihr Fahrtenbuch.

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  34. Nihilist schreibt:

    ICH habe als mein Motto IMMER

    ich bin nicht nur Verantwortlich für das, was ich tue, sondern auch für das, was ich nicht tue.

    Und Sie haben die plappernden Täter – alias geistige Brandstifter – in Schutz genommen. Ich nehme die NICHT in Schutz, sondern für mich tragen die eine Mitverantwortung. So wie die Anstifter zu Selbstmordanschlägen ebenfalls Mittäter sind.

    Toleranz, dazu hat für mich bereits einmal ein großer Deutscher, Johann Wolfgang von Goethe, gesagt, sei nur als eine vorübergehende, bis zum endgültigen Anerkennen geeignete Haltung. Denn Tolerieren heißt, etwas nur zu dulden, ohne es zu akzeptieren.

    Aber es gibt nun einmal Dinge, die man NIE dulden darf, und erst recht nicht akzeptieren.

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  35. hanneswurst schreibt:

    Sie sprechen sich ganz allgemein gegen Toleranz aus (sonst kommen Sie doch immer mit der Ringparabel an, oder irre ich mich?), denunzieren fröhlich herum (als wenn ich je ein gutes Haar an Sarrazin lassen würde) und üben reichlich unreflektiert eine Kollektivbeschuldigung aus (warum sollten wir Broder und Konsorten nicht auch noch die Förderung der Pädophilie vorwerfen?) – das kann nur eines bedeuten… Sie sind gar nicht der Nihilist, sie sind in Wirklichkeit DER VERRÜCKTE REDFORD!

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  36. genova68 schreibt:

    Hannes,
    „Klar wäre es besser, wenn verachtendes Broder/Sarrazin Gedankengut gar nicht erst auf den Markt kommen würde. Das ist in einer Demokratie jedoch nicht möglich, es wird immer Hampelmänner geben – auch aus gutem Hause – die den größten Mist verzapfen und es wird immer Medien geben, die sich darauf stürzen“

    Stimmt, es hat aber auch niemand das Verbot Sarrazinscher oder Broderscher Publikationen gefordert. Und via Internet kann ja eh jeder schreiben, was er will. Dennoch und gerade deswegen ist das Geschreibsel kritisierbar und im jetzigen Falle sind die Fragen nach den Ursachen der Tat mehr als angebracht. Breivik hat wahrscheinlich irgendwelche Auffälligkeiten, das kann man ja diagnostizieren. Und die Frage versuchen zu beantworten, warum sich der Vater so verhalten hat etc. blabla. Diese persönlichen Hintergründe kenne ich aber nicht, ich kenne jedoch ein wenig das, worüber ich hier schon öfter geschrieben habe: die Stimmung in diversen Blogs, die Verbindungen via Sarrazin, Broder und anderen zum Mainstream, siehe den SZ-Kommentar; die extremen technokratischen Verkürzungen irgendwelcher Statistiken, die „Türken“ und „Moslems“ als grundböse darstellen. Die intensive, immer wiederholte behauptete Dichotomie zwischen in „die“ und „wir“, aus dem es kein Entrinnen gibt außer die Gegenwehr, das ist das Bild, das Breivik durch intensive Lektüre gewonnen und im Manifest publiziert hat. Und das alles ist eben nicht auf seinem Mist gewachsen, sondern auf dem Mist der genannten und anderen. Und das gilt es zu kritisieren. Dass Sarrazin einen solchen Erfolg hatte, liegt ja nicht daran, dass das Buch so interessant wäre, sondern daran, dass es Vorabdrucke in Massenblättern gab, dass ihm überall Gelegenheit geboten wurde zur Darstellung, dass der Verkauf extrem gehypt wurde. Dass da auch ein Bedürfnis befriedigt wurde, das vorher da war, stimmt. Doch eine vernünftig Analyse ergibt, dass soziologische, politische, ökonomische Faktoren ausschlaggebend sind und nicht der Türke oder der Araber. Die Frage, warum rassistische Ressentiments derzeit auf fruchtbaren Boden fallen, offenbar vor allem in Europa, hängt m.E. viel mit dem zusammen, was man neoliberale Politik nennt. Die gälte es, in diesem Zusammenhang zu analysieren, aber darauf hat der größte Teil der herrschenden politischen Klasse keinen Bock, weil er mit drin hängt.

    Ein Punkt, der dabei eine Rolle spielen könnte, wäre die angstbestimmte Prognoseritis unserer Zeit. Wir kümmern uns um das Klima im Jahr 2050, um die Renten im Jahr 2060 und um die demografische Zusammensetzung im Jahr 2070, allesamt mit dem Ergebnis, dass alles ganz schlimm wird. Volkstümlich heißt das dann „den Gürtel enger schnallen“. Es entstehen Ängste, die Kanäle zum Ablaufen suchen, und die sind prima instrumentalisierbar. Es ist keine aufgeklärte, emanzipatorische Haltung, die das Subjekt stärkt, sondern eine, die es Pseudo-Naturgewalten ausliefert. Es ist der neoliberale Ansatz, der, in sich raffiniert, eine Natürlichkeit annimmt, die im Markt sich ausdrückt, und wer da verliert, hat Pech gehabt. Und Markt ist alles. Nicht ohne Grund argumentiert Ulfkotte gerne damit, dass wir uns Integration finanziell nicht leisten könnnen. Also müssen „die“ weg. Es ist eine Soße, die die Chicago Boys angerichtet haben und die Reagan und andere auszuteilen begannen. Die Finanzkrise und ihre fast unmögliche Erklärung ist da auch so ein Ding: Wir sind ausgeliefert, das ist der Tenor, es ist ein Angstschüren, und der Stammtisch sucht zwanghaft und vorherbestimmbar nach Sündenböcken. Die sucht man naturgemäß in diesem Lager nicht oben, sondern unten und im Fremden, aus Prinzip.

    Die Gewaltbereitschaft im linken Lager ist hier nicht das Thema, und wenn du schon Vergleiche anstellst, dann bitte nicht den mit den Dax-Vorständen, sondern meinetwegen mit einem Linken, der 80 Jungunionler erschießt und das begründet in einem Manifest, in dem er darstellt, dass Linke jahrelang propagierten, dass wir solche „Befreiungsschläge“ brauchen. Dass die Linke historisch von Gräueln nicht frei ist, ist nun nicht neu und die Diskussionen mit momorulez und Konsorten über Stalin und Co. handelten ja davon und man kann mir nun nicht vorwerfen, dass ich da Missstände zugekleistert hätte. Diesen Vorwurf richte dann bitte an deren Adresse. Aber ich glaube, das ist gerade nicht das Thema. Abgesehen davon, dass der rechte Ansatz ein genuin inhumaner ist, der zwingend davon ausgeht, dass es unüberbrückbare Gegensätze von „Rassen“ gibt, die deshalb getrennt bleiben müssen, im Gegensatz zum linken, der ohne Aufklärung, Menschenrechte, Demokratie für theoretisch alle substanzlos bleibt.

    Und was die „Aufrufe zur Revolution in diesem Blog“, die offenbar von mir gekommen sein sollen, nun mit Breivik zu tun haben, müsstest du schon etwas sorgfältiger erklären.

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  37. Bayer schreibt:

    Abgesehen davon, dass der rechte Ansatz ein genuin inhumaner ist, der zwingend davon ausgeht, dass es unüberbrückbare Gegensätze von „Rassen“ gibt, die deshalb getrennt bleiben müssen […]

    Ersetze das Wort „Rasse“ mit „Kulturen“ und Du bist auf dem richtigen Weg. Eine räumliche Trennung von kulturell sehr unterschiedlich geprägten Gruppen ist dabei keineswegs inhuman, sie schützt letztendlich die Interessen der einzelnen Gruppen. Ein kultureller Schmelztiegel führt final in eine Balkanisierung mit den bekannten Folgen.

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  38. genova68 schreibt:

    So wurde in Europa spätestens seit der Gründung der Nationalstaaten argumentiert, unter anderem mit den Ergebnissen WK I und WK II. Und Kulturen sind wesentlich dynamisch.

    Deinen abgrenzenden Kulturbegriff würde ich höchstens dahingehend mittragen, dass eine Punkband einen gut isolierten Proberaum braucht, damit die Oma obendrüber ungestört ihre Volksmusiksendung hören kann.

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  39. genova68 schreibt:

    Das hier ist auch kein Zufall, wenn wir schon beim Thema „Auswirkungen neoliberaler Politik“ sind:

    „Klinikaufenthalte: Zahl der Depressionen steigt dramatisch“
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,776666,00.html

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  40. hanneswurst schreibt:

    @genova: Einen Revolutionsaufrufe habe ich nicht parat (aber wer wird sich denn wegen einem Aufruf zur Revolution rechtfertigen wollen), einen gewissen Hang zum Brandstiftertum könnte man zum Beispiel in untenstehendes Zitat hereinlegen (zum Beispiel nach der faktischen Ermordung von Sabine Christiansen), auch wenn Du „nur“ eine Inszenierung besprichst. Ich möchte aber noch einmal betonen, dass ich fast jede Kritik an der Sarrazin Bande unterstütze, und lediglich nicht finde, dass Oslo ein Kollateralschaden dieser Denke ist. Das kann man ja wohl kaum als eine Verteidigung von Broder & Co bezeichnen.

    2005 inszenierte Volker Loesch die Weber in Dresden, und zwar wesentlich aggressiver. Er ersetzte die Weber durch Hartz-IV-Empfänger und rief zur Tötung von Sabine Christiansen auf. Die Reaktionen im Publikum und in der Öffentlichkeit waren ähnlich wie 1894. Ich will nun nicht behaupten, dass die Inszenierung eines Klassikers notwendig aktualisiert daherkommen muss, aber ich würde in diesem Fall schon das Pferd von vorne aufzäumen: Einem Stück wie die Weber wird der entscheidende Stachel genommen, wenn die herrschende Klasse es beklatschen kann. Und wie soll man mit einem naturalistischen Stück heute umgehen? Es ausstattungtechnisch „entnaturalisieren“, aber ausgerechnet die historische Sprache, den Dialekt, beibehalten?

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  41. genova68 schreibt:

    Nein, du verteidigst natürlich nicht Broder etc., aber du gibst lediglich eine individuelle Antwort auf die Tat: die Psychopathie des Täters. Und das finde ich in Anbetracht der Indizien zu wenig. Gibt es denn deiner Meinung nach keine gesellchaftlichen Ursachen für die Tat?

    Bei der Webergeschichte geht es um Kunst und um den Versuch des Dramaturgen, ein Stück zeitgenössisch auf die Bühne zu bringen. Ob Loesch da zu weit ging, kann man diskutieren. Ich schätze mal, mir wäre die Verantwortung als Dramaturg zu groß.

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  42. Nihilist schreibt:

    Die Ringparabel bedeutet, dass man andere Glaubensrichtungen akzeptiert, nicht nur duldet.

    Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob ich etwas erdulde, weil ich es nicht ändern kann, oder ob ich etwas anerkenne. Denn wer etwas nur erduldet, weil er es nicht ändern kann, wird versuchen eine Situation zu erreichen, in der er das „geduldete“ beseitigen kann. Und dann werden Kriege geführt oder Terror ausgeübt.

    Dieser Täter in Norwegen hat es so lange „erduldet“, bis er in der Situation war, seine Tat gegen das was er nicht akzeptiert ausführen konnte. Bush hat es ebenso gehalten. Erinnern Sie sich noch an die Terrortaten in Nordirland. Sollen die Menschen das akzeptieren oder dulden? Nein, ist meine Antwort. Und die Anstifter, die sich selber nicht die Finger schmutzig machen sondern nur andere aufhetzen, die sind nun einmal mitverantwortlich. Ebenso sind die „Schreibtischtäter“ Sarrazin und andere mehr in der Verantwortung.

    Leider wurde meine Anzeige wegen Volksverhetzung (hab ich im Laufe der Zeit schon gegen mehrere Personen eingereicht) zurückgewiesen. Zu Unrecht.

    Als „das Merkel“ davon faselter, Toleranz sei eine ein Teil der sogenannten neuen Leitkultur der CDU, hatte ich Brief, der unbeantwortet blieb, geschrieben, dann einen Leserbrief daraus gemach:

    Als ich diese Meldung las, überraschte mich sehr, dass Frau Merkel jetzt eine Kultur der Toleranz als Teil der so genannten neuen Leitkultur der CDU bezeichnet. Für mich hat bereits einmal ein großer Deutscher, Johann Wolfgang von Goethe, gesagt, die Toleranz sei nur als eine vorübergehende, bis zum endgültigen Anerkennen geeignete Haltung. Denn Tolerieren heißt, etwas nur zu dulden, ohne es zu akzeptieren.

    Dies ist aber nichts als die Verweigerung der Anerkennung des Anderen. Mir kommt das ganze Gerede eher als „Selbstmit-Leid-kultur“ der abgewählten, von Finanzskandalen gebeutelten CDU vor. Vielleicht soll das zukünftige Tolerieren in der neuen Leitkultur dafür sorgen, die Skandale der CDU zu tolerieren. Das wäre der falsche Weg, Frau Merkel. Wenn Sie denn schon eine neue Leitkultur wollen, dann leben Sie doch eine als Vorbild, indem Sie eben nicht alles in der eigenen Partei mit Dulden ertragen und nur den politischen Gegner kritisieren, sondern endlich tatsächlich eine Erneuerung wagen. Denn alle Abgeordneten des Bundestages sollen gemeinsam die Interessen des Deutschen Volkes vertreten, so steht es im Grundgesetz. Von Parteiinteressen steht dort nichts. Wenn Sie also auch das Miteinander als zweiten Punkt in Ihrer Aufzählung nennen, dann können Sie ja sofort damit anfangen. Das entspräche dann auch den Verfassungswerten, die Sie als den dritten Punkt auf führen. In der Verfassung steht nichts von Fraktionszwang, wie er von den Parteien eingesetzt wird. Zuletzt ist Weltoffenheit, Ihr vierter Begriff, ebenfalls ohne Anerkennung anderer Lebens- oder Kulturarten nichts als eine leere Worthülse. Toleranz ist also, wie Sie sehen, die falsche Voraussetzung für eine Kultur, die für andere als Leitbild dienen soll.

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  43. Nihilist schreibt:

    Die Welt, diese „rechtsorientierte Zeitung“, muss das natürlich abwiegeln.

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  44. Nihilist schreibt:

    Noch eine Anmerkung:

    „Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“

    nicht nur Ovid warnte – Platon erkannte ebenfalls den Weg der Demokratie in die Tyrannis.

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  45. Bayer schreibt:

    Dieses Verbrechen wird meiner Meinung nach von links instrumentalisiert, um unbequeme Personen wie Broder oder Sarrazin zu diskreditieren. Nachdem das bislang nicht so gut geklappt hat, versucht man es nun eben auf diese Weise.

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  46. Nihilist schreibt:

    Die beiden sind nicht unbequem, die sind rassistisch. Wer das nicht erkennt, der ist entweder auf dem rechten Auge blind oder selber ein Rassist.

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  47. genova68 schreibt:

    Der Psychiater aus dem Welt-Artikel ist nicht der fitteste auf seinem Gebiet, würde ich sagen. Wobei er ansatzweise weiß, wovon er redet:

    „So wie es Moslems betrifft, könnte es auch Homosexuelle, Juden, Schwarze oder andere Menschen betreffen. “

    So ist es. Das Feindbild ist austauschbar, weil es inhaltlich überhaupt nicht gefüllt wird. Es wurde die vergangenen Jahre aber in Westeuropa vor allem gegen Moslems gehetzt und nicht gegen die anderen Gruppen. Nebenbei stellt sich hier die Frage, wie hoch der Anteil an Psychoten ist bei den sogenannten Islamkritikern.

    Und dieser Satz

    „In Norwegen haben wir es mit einem Menschen zu tun, bei dem es unnachvollziehbar bleibt, woher sein Hass genährt wurde.“

    ist schon ärgerlich ignorant. Breivik schreibt auf 1.500 Seiten ausführlichst, wovon sein Hass genährt wurde und der Psychiater ignoriert es. Bei dem möchte ich nicht in Behandlung sein. Bezeichnend aber, dass so ein Quatsch in Springers Welt abgedruckt wird.

    Die Verantwortung Sarrazins und Co. kommt in einem anderen Blogartikel gut raus:

    „Die SPD muss sich schämen, einen Vordenker wie Sarrazin in ihren Reihen zu haben, uund man sollte den deutschen Sozis in Berlin ins Gesicht spucken dafür, dass sie nicht den Mut hatten, diese Figur davonzujagen. Die Vorstellung, dass es tatsächlich so etwas wie eine geplante Übernahme des Westens gibt, wurde von all jenen dauerventiliert, die sich im Wettkampf um Aufmerksamkeit stets überbieten mussten, und nach Sarrazin haben sich diese Theorien fast schon in den normalen Politikbetrieb hinein verselbstständigt. Darunter muss man als Islamkritiker gar nichtg mehr anfangen.“

    http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1859777/

    Es ist das Tea-Party-Syndrom: Objektiv absurde Positionen beziehen und sie so lange wiederholen, bis sie massenhaft angeommen sind bzw. „darunter man nicht mehr anfangen muss“.

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  48. alte Tante schreibt:

    Der Psychiater, der sich in der Welt zu Wort meldet, hat zuvor ein Essay in eben dieser Welt veröffentlicht, in dem er Handlungen, Weltanschaung, Politik als auf innigste verwoben schildert, nämlich „beim Islam“, ganz im Gegensatz zum Westen, wo Weltanschauung/Religion und Politik seit der Renaissance säuberlich getrennt seien:

    http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article13317626/Ideologie-der-Macht.html
    02.05.2011, Josef Ludin: Ideologie der Macht
    Zitat: „Der Islam als Weltanschauung gehört nicht zu Europa. Denn er will Religion, Gesellschaft und Politik nicht getrennt betrachten. Die Freiheit, Kern der europäischen Aufklärung, ist ihm fremd“
    (Der Autor wurde 1951 in Afghanistan geboren und kam 1960 nach Deutschland. Als Nervenarzt und Psychoanalytiker arbeitet er derzeit in Zürich, als Lehranalytiker ist er in Paris und Berlin tätig.)

    Da ist es natürlich konsequent, wenn er davon ausgeht, das die Taten des Westlers Breivik nur zufällig mit seinen politischen Ansichten zu tun haben können (bzw. beliebig angelesen wurden), da er nun einmal ein Europäer ist – leider ein Psychotiker und Psychopath, aber eben ein europäischer Psychotiker und Psychopath.

    Ob diese Schnellanalyse weiterführt, ob sie sachlich zutreffend ist (meiner Ansicht beides nicht), das steht auf einem anderen Blatt und wäre eine eigene Diskussion wert.

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  49. genova68 schreibt:

    Gehört denn dann nach Lubins Meinung das Christentum als Weltanschauung zu Europa? Oder gehört das Christentum nur deshalb zu Europa, weil es auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt wurde? Die Unterscheidung zwischen Christentum und Islam ist derzeit in Mode, aber m.E. meist weltanschaulich (!) motiviert. Es geht darum, einen Gegensatz aufzubauen, die Theorie des Zusammenpralls der Kulturen zu füttern. Feindbildproduktion, die Russen sind ja nicht mehr die Bösen.

    Ärgerlich dabei ist, dass Religionskritik, die nötig wäre, nicht betrieben wird. „Islamkritik“ ist ja die größte Mogelpackung derzeit. Eine solche gibt es kaum, ich würde sie gerne lesen, finde aber immer nur kulturellen Rassismus.

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  50. alte Tante schreibt:

    „Gehört denn dann nach Lubins Meinung das Christentum als Weltanschauung zu Europa? Oder gehört das Christentum nur deshalb zu Europa, weil es auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt wurde?“

    Alles in allem wohl eher letzteres. Zitat Ludin: „Sowohl das Judentum wie auch das Christentum kennen diese Einheitsidee [Einheit von „Religion, Kultur, Gesellschaft und Politik“] unter dem Banner des Glaubens. Alle Religionen möchten zivilisationsstiftend wirken, nur hat sich Europa in einem mühevollen Kampf von der Vorstellung einer Allmacht der Religion verabschiedet.“

    Andererseits aber scheint er andeuten zu wollen, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen Judentum und Christentum einerseits und Islam andererseits gäbe. Zitat Ludin: „Der Islam ist eine Ideologie der Macht. In seiner Entstehungsphase war er nicht getragen von einer Tradition der Ohnmacht wie das Judentum („Wir waren Sklaven in Ägypten“) und das Christentum, die sich gegen Verfolgung und Unterdrückung zur Wehr setzen mussten. Der Islam dagegen trat von Anfang an als der Herr der Welt auf.“

    Das ist historisch zwar ebenso missgeschickt wie die „Islam kennt keine Aufklärung“-Schiene, aber er ist ja Psychiater, kein Historiker (oder allenfalls ein Hobbyhistoriker). Wenn es erlaubt ist, einen Psychiater zu hobbyanalysieren, dann würde ich ihn als jemanden betrachten, der verzweifelt seine Integration dadurch zu beweisen sucht, dass er sich den autochthonen Islamkritikern (mit und ohne Anführungszeichen) anschließt.

    Islamkritik ohne Anführungszeichen findet sich bei einigen Orientalisten (da würden mir z.B. Hartmut Bobzin, Kai Hafez, Stefan Wild einfallen). Hin und wieder werden sie publiziert auf http://de.qantara.de/
    Oder auf Fikun wa-fann. Weiß nicht, ob es dazu eine Webseite gibt.

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  51. alte Tante schreibt:

    Hoppla, ich ergänze: Stefan Weidner. Wobei der die Probleme mit einer seriösen Kritik schon vor fast einem Jahr sehr schön nachgezeichnet hat:
    „Wenn aber schon das Wort Israelkritik zu pauschal ist, weil die Mehrzahl dieser Kritiker doch nicht die Existenz Israels an sich, sondern bestimmte Aspekte der israelischen Politik meinen, etwa die Siedlungspolitik oder die rechtliche Diskriminierung der israelischen Araber, so ist es die Rede von der Islamkritik erst recht. Sie trifft alles und nichts, wie es etwa eine muslimische Abendlandkritik täte.
    Eine Islamkritik aber, die nicht pauschal wäre, verlöre sogleich ihren Gegenstand – den eingebildeten Islam an und für sich – und damit ihre Fähigkeit, ein sich aus vielen Quellen und fast allen politischen Lagern speisendes, diffuses Unbehagen zielgerichtet zu bündeln.“
    http://de.qantara.de/wcsite.php?wc_c=2904

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  52. alte Tante schreibt:

    Ach ja, und woran ich gern erinnere: Kritik kommt von krinein – unterscheiden. Eine tüchtige (und taugliche) Kritik beherrscht also die Kunst, feine Unterschiede zu machen.
    Da schließe ich mich Nils Minkmar an, der in der FAZ schreibt: „Das bedeutet nicht, den nächsten Anschlag passiv abzuwarten, es ruft dazu auf, die Debatten nicht kosmisch werden zu lassen. Die Fragen von Immigration und vom Kampf der Kulturen konkret zu halten, faktenbasiert und im Dialog mit den anderen. Rasse, Religion und Kultur nicht als Synonyme zu verwenden, sondern zu differenzieren, über einzelne Schritte und sachliche Fragen zu reden und keine Panik zu machen.“
    http://www.faz.net/artikel/C30351/anders-breivik-wahn-und-sinn-30476396.html

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  53. genova68 schreibt:

    Danke für die Beiträge! Wichtig wäre m.E., die Begriffsschludrigkeit zu thematisieren. So wenig wie das, was Broder, PI, Ulfkotte und andere machen, als Islamkritik zu verstehen ist, genausowenig war Breivik ein irrer Einzeltäter oder ähnliches. Das sind ja die Diktionen, auf die sich die Springer-Presse offenbar festgelegt hat. Welchen Zweck soll das haben außer dem, Hintergründe, Motive, Entwicklungslinien zu verschleiern? Gerade angesichts der 1.500 Seiten, die der geschrieben hat, macht es mich ratlos, immer noch vom „Irren“ oder „Perversen“ zu reden. Es wird hier bewusst auf die Möglichkeit der Erklärung verzichtet. Wohl, um das eigene Milieu nicht in Misskredit zu bringen.

    Es ist nervig, auch weil eine kritische Auseinandersetzung mit einer monotheistischen Religion nötig ist und es wohl auch etwas hätte, die spirituellen Elemente dieser Religionen freizulegen und in den Blickpunkt zu rücken, was mit einem Zurückdrängen des machtpolitischen Anspruchs dieser Religionen verbunden wäre.

    Weidner analysiert die Problematik des rassistisch motivierten Islambashings in dem qantara-Artikel ganz gut. Seiner Einschätzung, was die weitere Entwicklung angeht, kann ich aber nicht ganz folgen:

    „Solange sich die politisch impotente Anti-Islambewegung bis tief in den medialen Mainstream hinein ausleben kann, dürfen sich ihre Anhänger genügend repräsentiert und ernst genommen fühlen. Je schriller und argumentationsresistenter der Protest dabei zu Wort kommen darf, desto weniger andere Gestalt wird er annehmen müssen. “

    Das halte ich für analytisch ziemlich daneben. Vielleicht sieht er das jetzt nach Breivik anders.

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  54. alte Tante schreibt:

    Stimmt, das klingt nach Pfeiffen im dunklen Keller: „Wird schon nix passieren solange sich das alles ganz harmlos austoben kann.“ Stellte sich nur leider raus, dass in einem finsteren Winkel Sprengstoff gelagert war, der die Erschütterungen durch die Austoberei auf Dauer nicht gut vertrug.

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  55. Bayer schreibt:

    Sagen wir’s so: Es ist definitiv Druck auf dem gesellschaftlichen Kessel. Aber statt den Druck durch gute Politik zu verringern, wird er weiter erhöht. Das es dann irgendwann knallt, ist doch klar.

    Jetzt vor einem „deutschen Breivik“ zu warnen, halte ich trotzdem für Blödsinn. Ein verwirrter Einzeltäter könnte sich sogar auf „1984“ berufen, um eine Legitimation für seinen Feldzug zu finden. Und nur weil einer wie Breivik von Islamisierung spricht, heißt dies ja nicht, dass es keine geben kann.

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  56. genova68 schreibt:

    Interessant, was Breivik im Manifest über die konkrete geplante Tat geschrieben hat:

    „Ich bin ziemlich sicher, dass ich zu Gott beten werde, während ich durch meine Stadt renne und dabei um mich schieße, derweil 100 bewaffnete Systemschützer mich verfolgen. Ihre Absicht ist es, mich aufzuhalten und/oder zu töten. Ich weiß, es gibt eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass ich während der Operation sterbe, da ich mich nicht ergeben werde, solange ich nicht meine drei Primärziele erreicht UND den Bonusauftrag erfüllt habe.“

    http://taz.de/Breiviks-Manifest/!75434/

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  57. alte Tante schreibt:

    @Bayer
    Drei Fragenkomplexe zum Verständnis:
    1. Würden Sie auch bei Muhammad Atta und Co deren antiwestliche Ideologie für irrelevant erklären? Und falls nein, was macht dann den Unterschied aus? Kokain statt Speed und Anabolika?
    2. „Just because you are paranoid doesn’t mean they are not out to get you.“ Ja, das ist ein lustiger Spruch. Aber eben auch noch kein Beweis, dass „sie wirklich hinter Dir her sind“. Also wie nun, was meinen Sie? Ist es so, oder ist es nicht so?
    3. „Und nur weil solche wie die Mörder Rathenaus von Verjudung sprachen, heißt dies ja nicht, dass es keine geben konnte.“ Würden Sie diese Variante ebenfalls für schlüssig halten? Falls nein, was macht dann den Unterschied aus? Dass die Anzahl der Muslime weltweit damals wie heute eine ganze Ecke größer ist als die Anzahl der Juden?
    4. „Unterdessen warnte Alexander Eisvogel, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, am Wochenende, der Massenmord von Norwegen könnte »als Blaupause für Nachahmer dienen«.“ (Quelle: diverse Zeitungen) Versteht der Mann sein Fach nicht? Oder versteht er nur diese spezielle Strömung nicht?

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  58. alte Tante schreibt:

    @genova68
    Ich habe gelesen, hier auf diesem Blog (2. Mai 2011):
    »Der Psychopath ist eine sehr interessante Persönlichkeit. Er hat alle kognitiven Fähigkeiten zur Empathie. Er erkennt die Gefühle seiner Opfer und das hilft ihm dabei, sie zu seinen Opfern zu machen. Er kann das besser als andere, weil er nur die kognitive Fähigkeit zur Empathie hat, nicht aber die emotionale. Seine Opfer sind ihm gleichgültig.« (Frans de Waal im Tagesspiegel)

    Nur ein Psychopath ist ein guter Soldat

    Ich möchte jetzt nicht noch einmal das Fass mit den Soldaten in einer akuten (Nah-)Kampfsituation aufmachen, sondern rein empirisch die Sache mit Psychopathen, die Unbewaffnete jagen, sozusagen im „Jagdmodus“ auf andere Menschen, anreißen. Wobei ich nicht die leiseste Ahnung habe, ob Psychopathen so geboren werden oder sich erst später so entwickeln. Ich versuche nur zusammenzusammeln, welche Faktoren zu einer „Psychopathisierung“ beitragen können.

    Faktor 1 und 2 sind sicherlich die von Dir aus Breiviks Manifest zitierten Faktoren: a) Vorstellung der Bevollmächtigung durch eine höhere Macht, b) zunächst Phantasieren und dann Herbeiführen (per self-fulfilling prophesy) einer Verfolgungssituation.

    Zu a) eine Kurzgeschichte: Ein junger evangelisch-lutherischer Pfarrer, damals „Pfarrvikar“ genannt, hatte sich freiwillig an die Front gemeldet und war Hauptmann der Wehrmacht. Er berichtete nach 1945 von seiner Tätigkeit im Herbst 1941: „Dann ziehe ich mit dem ersten ‚Jäger‘ los und entdecke in meinem Fernglas in einem schmalen Durchblick in etwa 400 m Entfernung einen russischen Soldaten, der dort offenbar den Verkehr regelt. Ich sage zu meinem Mann: ‚So, den schießt du ab!‘ Darauf er: ‚Nö, dös ko i net; der kämpft ja net. Bloß a so abknall´n, dös geht do net.‘ Und ich: ‚Wann du´s net kannst, tue ich es. Gib mir dei Jagdgewehr her!‘ Und ich schieße – und treffe – und mein Hannes sagt: ‚Jetzt, wo du mir dös vorgemacht hast, jetz ko i´s a.‘ Und ich gebe ihm das Gewehr wieder und lass ihn weiter ‚jagen‘ und gehe hinein in meinen Unterstand und lege mich auf meinen Platz, dass mich niemand beobachten kann, weil mir so übel ist und ich weinen muss: Nicht darüber, dass ich einen Russen angeschossen, vielleicht sogar getötet habe; aber – ich habe einem Menschen sein Gewissen zerstört, und das ist furchtbar. Und dennoch – wäre ich wieder in derselben Lage, so machte ich es trotz allem wieder genauso.“ (Björn Mensing: Pfarrer und Nationalsozialismus: Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern. Göttingen 1998, S.207)

    Zu dem Gesamtkomplex, was eigentlich mit Breivik konkret und mit einem wie Breivik allgemein los sein könnte, die Diskussion passt eigentlich besser zu einem anderen Blogeintrag, nämlich zu

    Breivik, der Medienprofi


    Übrigens vielen Dank für den Hinweis dort auf den Artikel Tagesspiegel.

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  59. genova68 schreibt:

    Tante,
    danke, dass du hier im Blog so aufmerksam herumstöberst :-) Ob Breivik ein Psychopath war und was das überhaupt genau ist und so weiter und so fort: Dazu kann ich nichts sagen. Ich finde es aber auch nicht so wichtig für die Analyse des Passierten, vielleicht für die Urteilsfindung und die Begründung der Strafe.

    Generell ist es so, dass in jeder offenen Gesellschaft extreme Taten passieren können. Wenn heute, hypothetisch jemand mit einem Auto voller Sprengstoff in eine Menschenmenge in Berlin fährt und zündet und das mit dem Kampf gegen Ungläubige begründet, dann interessiert mich auch weniger, ob der Typ Psychopath war, sondern dann interessiert mich sein Umfeld. Bei Breivik war es ähnlich: Die Begründung seiner Tat ist explizit das, was PI, Broder und andere vorgedacht haben. Ohne dieses Vordenken hätte es diese Tat definitiv nicht gegeben, darum geht es. Ich zitiere mal einen Kommentar aus dem Blog von MondoPrinte:

    „In höchster Not und äußerster Gefahr die Lage immer nur zu beschreiben ohne zu handeln, ja selbst nicht einmal ein mögliches Handeln wenigstens zu formulieren, ist eine zum Irrsinn gesteigerte Inkonsequenz.
    Breivik war davon schlichtweg genervt, und so beschreibt er es auch selbst: Er war es leid, immer nur die Situationsanalysen zum x-ten mal vorgelabert zu kriegen, aber nichts geschieht.
    Breivik hat – nachvollziebar, rational und fern jeden Wahnsinns – die als schmerzlich empfundene Wunde der Praxislücke geheilt.“

    Atmosphäre erzeugen

    Das finde ich plausibel, es zeigt präzise die Stimmung in Blogs wie PI und anderswo auf: „Es muss etwas passieren. Geredet wurde genug“ Und es zeigt, wie sehr die öffentliche Diskussion schon wieder von den Verharmlosern bestimmt wird: „Einzeltäter, Irrer, Psychopath“ etc. Das sind alles Kategorien, die die Gründe der Tat verschleiern.

    Und das ist ja auch das, was deine Geschichte beschreibt, Tante. Der Mann wird zum Töten verleitet, völlig egal ob er Psychopath war oder erst wurde oder sonstwas. Diese Frage nach Psychosonstwas liegt m.E. im Trend unserer restaurativen Zeit: Die Suche nach gesellschaftlichen Ursachen wird ausgeblendet, man fragt lieber nach Genen oder nach dem Bösen im Menschen schlechthin. Dagegen ist dann kein Kraut gewachsen, die einzig logische Forderung bei solch biologistischem Denken ist die Forderung nach der Todesstrafe.

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  60. Bayer schreibt:

    Das Problem mit Blogs wie PI ist ja nicht, dass die dortige Kritik allesamt falsch oder unbegründet wäre. Das Problem ist vielmehr der tendenziell hetzerische Stil einiger Beiträge, der einen Irren wie Breivik tatsächlich radikalisieren könnte. Jetzt indirekt zu sagen, Breivik hätte PI bzw. ein norwegisches Pendant gelesen und hätte genau deshalb zugeschlagen, halte ich trotzdem für falsch. Da wird weitaus mehr dahinter stecken.

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  61. alte Tante schreibt:

    @ Bayer
    Das Problem mit pi ist, dass selbst in den seltenen Fällen, in denen Kritik begründet ist, diese dennoch Schlagseite hat, weil sie entweder einseitig geübt wird oder den Kontext ausklammert, oder oder. Kurz: Die Raffinierteren bei pi beherrschen die Kunst, mit der Wahrheit zu lügen, die weniger Raffinierten lügen ganz dreist und direkt.

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  62. alte Tante schreibt:

    @genova68
    Umfeld: Ja, unbedingt. Ohne ein solches Umfeld kein solcher Täter. Das hat mondoprinte (den ich sehr schätze) sehr gut nachgezeichnet. Allerdings schreiten die allermeisten in einem solchen Umfeld nicht zu Taten. Was kommt da hinzu? Ist es allein Aktivismus und Ungeduld?
    Ich sehe Breivik in der Hauptsache nicht als verleitet, sondern als einen, der verleiten möchte. Das kann man ihm wohl glauben, auch wenn viele seiner Mitteilungen schlicht gesponnen oder gelogen sind. In der Geschichte, die ich wiedergegeben habe, würde er der Vikar sein wollen und nicht der „Hannes“.
    Und wer ist der Vikar? Woher kann er eigentlich so gut schießen? Der Originalvikar war wie so viele seines Standes in seiner Generation in jungen Jahren bei einem Freikorps. Die Psyche der Freikorpskämpfer ist von Klaus Theweleit analysiert worden („Männerphantasien“ aufbauend auf seiner Diss „Freikorpsliteratur; Vom deutschen Nachkrieg 1918−1923“) und da gibt es viele Parallelen. Wenn es in dem Tagesspiegelartikel heißt: „Selten hinterlässt ein Täter ein so ausführliches, selbst verfasstes Psychogramm“, dann stimmt das nur unter Vorbehalt: Nicht wenige der Freikorpskämpfer waren von gleicher Geschwätzigkeit, was ihre Biographie, ihre Motive, ihre Beweggründe, ihr Selbstbild, ihre Feindbilder etc. anging.
    Ihr ideologischer Hintergrund, die Strömungen der „konservativen Revolution“ (falls der Begriff unbekannt ist, der Wikipedia-Artikel ist gar nicht so übel, da hat sich wer Mühe gegeben) hatte frappierende Ähnlichkeit mit dem, was in den Medien zur Zeit so hilflos „Rechtspopulismus“ genannt wird.

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  63. genova68 schreibt:

    Die meisten schreiten nicht zu Taten, ja. Solch eine Tat bedingt ja auch, dass man sein Leben aufgibt. Tod oder Gefängnis.Da halten sich die meisten doch eher zurück. Aber es geht ja nicht nur um solche Taten, es geht ja mehr um Atmosphären, um Stimmungen, die sich dann ganz real im Alltag ausdrücken.

    Wenn jemand wie Geert Wilders den Koran mit „Mein Kampf“ gleichsetzt, ist die Analogie zum NS direkt gegeben. Dann ist der Schritt zu alljährlich von der Staatsführung gefeierten Hitler-Attentätern wie Stauffenberg kein großer. Wieso sollte man nicht selbst morden, wenn man Wilders und andere schlicht beim Wort nimmt? Es ist doch für eine gute Sache. Breivik sagte ja auch, dass er sich sicher sei, dass man ihn in 30 oder 50 Jahren als Held feiern werde.

    Auf die Konservative Revolution berufen sich ja heute auch Organe wie die Junge Freiheit. Interessant ist die Erwähnung Thomas Manns in dem Wikipedia-Artikel dazu als Anhänger der Kons. Rev. in seinen frühen „Betrachtungen eines Unpolitischen“. Komische Zeiten, damals.

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  64. Bayer schreibt:

    Der Wilders provoziert gerne und sein Vergleich Koran/Mein Kampf soll vor allem polarisieren, denke ich. Ehrlichkeitshalber sollte man jedoch sagen, dass es meiner Meinung nach tatsächlich inhaltliche Überschneidungen (hier „wir“, dort die „Unwerten“) gibt. Also man kann, wenn man es denn will, schon gewisse Parallelen finden. Trotzdem ist der Vergleich in dieser Form sicher unangemessen.

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  65. InitiativGruppe schreibt:

    Bayer,
    wie wär’s und Sie beanworten mal die Fragen, die Ihnen vor zwei Tagen „alte Tante“ gestellt hat? Sie erinnern sich doch?
    Die Fragen sind richtig gut!
    Da wird man neugierig auf die Antwort.

    „In höchster Not und äußerster Gefahr die Lage immer nur zu beschreiben ohne zu handeln, ja selbst nicht einmal ein mögliches Handeln wenigstens zu formulieren, ist eine zum Irrsinn gesteigerte Inkonsequenz.
    Breivik war davon schlichtweg genervt, und so beschreibt er es auch selbst: Er war es leid, immer nur die Situationsanalysen zum x-ten mal vorgelabert zu kriegen, aber nichts geschieht.
    Breivik hat – nachvollziebar, rational und fern jeden Wahnsinns – die als schmerzlich empfundene Wunde der Praxislücke geheilt.“

    Das gehört zum besten, was ich bisher gelesen habe über das Thema. Ich lese es immer wieder, so mitgerissen bin ich von der Formulierung (Autor: „Nörgler“, bei mondo printe).

    Das heißt aber auch: Die Phase steht uns noch bevor, in der ein Teil der jetzigen Hetzsschreiber es satt kriegt, immer bloß zu schreiben, und zur Tat schreitet. Es genügt ja schon, wenn 1 Promill es tut, und man hat Dutzende von Breiviks oder Möchtegern-Breiviks.

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  66. alte Tante schreibt:

    Kurzer Hinweis:
    Bei Sebastian Edathy gibt es eine Vorschau auf einen morgen erscheinenden Stern-Artikel über pi:

    Klicke, um auf 105.pdf zuzugreifen

    Ich bin gerade dabei, den Artikel zu lesen. Interessant.

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  67. genova68 schreibt:

    Alte Tante,
    danke für den Link zu Edathy bzw. zum stern. Krass, dass die sich jetzt so ausführlich mit PI beschäftigen. Den Artikel finde ich in Ordnung, im Rahmen des stern auf alle Fälle.

    IG,
    ja, der Kommentar von nörgler trifft es, weil es eine Umkehrung des bisheringen Diskurses in der Mitte ist. Es wird hier diesem völlig ahistorischen und Gesellschaft ausblendendem „Breivik war ein Einzeltäter“-Diskurs die richtige Antwort gegeben.

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  68. Bayer schreibt:

    Der Stern-Artikel ist ja nun ziemlich tendenziös. Allein die Aufmachung erinnert an alte Propagandablättchen: Hunderte Gesichter als Ausdruck der „offenen Gesellschaft“, auf der nächsten Seite nur drei Gesichter, die als „Feinde“ dieser Gesellschaft benannt werden. Das ist doch wirklich sehr billig.

    Es geht gar nicht um die Frage nach der Offenheit unserer Gesellschaft (die durchaus sehr offen ist), sondern um Probleme mit bestimmten Einwanderergruppen innerhalb dieser Gesellschaft. Da diese Probleme von unseren „Eliten“ und Medien größtenteils aber bewusst ausgeblendet werden (PC), gibt es nun Seiten wie PI, die diese mediale Lücke füllen. Ich betrachte PI daher nicht als Ursache, sondern als ein Symptom. Indem man PI nun dämonisiert, wird das Problem nicht gelöst. Im Gegenteil, ich vermute, dass es eher eine gute Werbung für diese Seite ist.

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  69. Bayer schreibt:

    So, habe den Artikel mal ganz aufmerksam lesen. Mir fiel dabei auf, dass man auf die Vorwürfe und Kritik seitens PI bzw. der Autoren gar nicht eingeht und stattdessen bloß verbal austeilt. Na ja, ein ziemlich schwacher Artikel.

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  70. Pingback: Noch mehr zu Breivik, Islamfeindschaft und Israelsolidarität « MondoPrinte

  71. InitiativGruppe schreibt:

    Der Artikel im Stern geht ja nun nicht über das Pro und Contra in Sachen Islam – das finden Sie auf meinem Blog, Bayer.
    Der Artikel geht über PI.
    Was PI macht, hat mit Argumentation und Kritik wenig zu tun. PI hetzt. Wie einst der Stürmer. Dafür gab es damals auch ein Publikum. Und Leute, die meinten, die von den Juden dominierten Zeitungen würden natürlich die Gefahr der Verjudung Deutschlands ausblenden. Denen hat der Stürmer die Augen geöffnet …

    Kritik: Hat PI jemals irgenwie Positives und Negatives in Sachen Islam und Migration abgewogen? (krinein = unterscheiden)

    Die Fragen von alte tante haben Sie immer noch nicht zu beantworten versucht.

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  72. Pingback: Nachdenken über Breivik (3): Ist er einfach nur verrückt? « BlogIG – Migrationsblog der InitiativGruppe

  73. Bayer schreibt:

    Dieser Stern-Artikel macht in gewissem Maße das, was die Autoren PI vorwerfen. Alles sehr tendenziös, von ausgewogener Berichterstattung keine Spur.

    PI mit dem Stürmer zu vergleichen, halte ich für sehr übertrieben. Ich stimme Ihnen allerdings zu, dass die dortigen Texte z.T. hetzerisch daher kommen. Deshalb empfehle ich die Seite auch nicht weiter, lese sie aber dennoch hin und wieder, um informiert zu sein. Und inhaltlich betrachtet – also vom Stil mal abgesehen – ist ja nicht alles falsch, was dort steht. Eher im Gegenteil.

    Ihren Blog habe ich mir bereits neulich angeschaut. Dort findet man fast ausschließlich Pro-Argumente zu Einwanderung und eine devote Haltung gegenüber dem Islam. Erinnert mich an PI mal andersherum, nur etwas seriöser aufgemacht. Und das Sie das Verbrechen in Norwegen ebenso politisch ausschlachten, wie es hier bei Exportabel unter dem Vorwand einer Analyse geschieht, macht es nicht besser.

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  74. alte Tante schreibt:

    @Bayer
    In einem Punkte gebe ich Ihnen in Bezug auf den Stern-Artikel recht. In welchem? Das verrate ich Ihnen erst, wenn Sie meine Fragen beantwortet haben.

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  75. hanneswurst schreibt:

    @alte Tante: guter Zug!

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  76. Pingback: Islamkritik ist Frieden™ » Thomas' Blog

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