„…lag außerhalb des Marx´schen Denkens“

Vorab: Dieser Artikel ist der aktuellste Teil einer Diskussion, die hier begann und sich hier, hier, hier und hier fortsetzte (Wiederholungen in der Folge möge man mir verzeihen, aber es soll ja verständlich bleiben).

Es geht darum, ob in der Geschichte ein Weg von Marx zu Stalin führte und wenn ja, ob das im linken Spektrum schon genügend reflektiert worden ist. Ich vertrete dabei den Standpunkt, dass ein Weg von Marx zu Stalin führte (unter anderem hier ausgeführt).

Diesen Standpunkt habe ich vor Monaten beiläufig formuliert und war überrascht darüber, dass ihn hier im Umfeld niemand teilte. Wobei, und da sind wir schon mitten in der Diskussion, das auf den zweiten Blick nicht stimmt:

I.

Momorulez und Che (und wohl auch Netbitch) sehen das eigentlich so wie ich: Ein von Marx ausgehender Weg führte zu Stalin. Sie bestreiten einen Zusammenhang zwischen Marx und Stalin nicht, sie tun sich nur schwer damit, das offen zuzugeben. (So rät Che dringend davon ab, ein Buch zu dem Thema zu schreiben.) Doch sie haben mir auf meine Bitte hin, Bücher zum Thema „Von Marx zu Stalin“ zu nennen, bereitwillig gleich eine ganze Latte genannt, beispielsweise drei Bände von Trotzki (1929-1940), Bücher von Luxemburg, von Gramsci, von Korsch, studentische Hausarbeiten zum Thema, Lehrpläne und sogar die Filmklamotte „Sonnenallee“. Außerdem soll ich mir philosophische Diskussionen in Frankreich und den dortigen seinerzeitigen Bestseller „Schwarzbuch des Kommunismus“ zu Gemüte führen. (M. Brie von der Linkspartei hat damals übrigens seinen Parteifreunden vorgeworfen, sich der Diskussion des Schwarzbuchs zu verweigern und sich damit um die eigene Zukunft zu bringen, lese ich gerade bei Wikipedia. Meine Rede.)

Unabhängig von der Qualität der genannten Quellen: Wenn ich all das rezipieren soll, um endlich Bescheid zu wissen, dann muss es doch einen Zusammenhang zwischen Marx und Stalin geben bwz. es muss bei Marx Stellen geben, an denen sich dieser Bruch festmachen lässt. Der Streitpunkt zwischen uns wäre dann also eher der, dass ich mich zum Thema erst dann äußern darf, wenn ich das alles gelesen habe.

Der Dissens zwischen CheNetbitchMomorulez und mir liegt also nur in der Frage, ob es eine Auseinandersetzung in der Breite gegeben hat oder nicht.

Natürlich werden mir die Genannten hier widersprechen, was aber nur ein erneuter Ausdruck ihres in diesem Fall unglaublich dogmatischen Denkens ist. Irgendwo hat Momorulez die Frage nach dem Zusammenhang von Marx und Stalin kurz beschrieben, ich finde die Stelle leider nicht mehr. Das war aber auch nur eine stichwortartige Aufzählung, keine Quellenkritik.

II.

An diesem Dogmatismus liegt es auch, dass mir in der Diskussion permanent Antworten gegeben werden auf nicht gestellte Fragen. Beispiel Netbitch. Auf meine Feststellung, dass ein Weg von Marx zu Stalin führte, antwortet sie:

„E s wurde gezeigt, dass die Marx´sche Theorie von den unterschiedlichsten Leuten, wie Bebel, Kautsky, Luxemburg, Bernstein, Hilferding weiterentwickelt und uminterpretiert wurde, bevor Lenin kam, und Stalin war dann noch einmal ein ganz Eigener. Und dass bei Marx zum Beispiel auch der Freudomarxismus angelegt war, der über Reich dann in die Kritische Theorie mündete. Oder dass Gewerkschaften weltweit einen beachtlichen Teil der historisch wirkungsmächtigen Linken darstellten, und auch die Sozialdemokratie, aber auch Guerrillabewegungen und Dritte-Welt-Solidaritätsprojekte. Es wurde gesagt, dass diese diffuse und disperse Linke außerhalb des UDDSSR&CoKG-Lagers mindestens eine zweistellige Millionenzahl Menschen umfasste.“

Ja, habe ich all das jemals bestritten? Ist das denn so schwer zu begreifen? Ich ergänze lediglich, dass die „zweistellige Millionenzahl“ nicht einmal im Ansatz so wirkungsmächtig war, wie die einstellige Milliardenzahl, die Stalin hinterherrannte bzw. hinterherrennen musste. Und dass Marx von den genannten weiterentwickelt wurde: Bestimmt, aber wurde deshalb Marx nicht mehr gelesen? Ich halte Marx für einen nach wie vor sehr wichtigen Denker, und genau deshalb sollte man in kritisch prüfen.

Das ist eh so ein Merkmal dieser Diskussion: Es geht ständig um Themen, die mit dem hier zur Debatte stehenden Thema nichts zu tun haben. So fordert Momorulez von mir eine Textstelle bei Marx, die die Genehmigungsprozedur der DDR für Musikbands belegt und denkt, dass ich da nichts finde. Ergo: Marx ist aus dem Schneider. Dabei schreibt Momorulez im selben Beitrag, aus wie vielen Komponenten sich die Entwicklung zusammensetzte, die zum Holocaust führte. Sicher. Und aus wie vielen Entwicklungen setzte sich der Stalinismus zusammen?

III.

Bei Nörgler liegt der Fall anders als bei den Genannten. Er betrachtet sich als Salonmarxist, hält alleine die Frage nach dem Zusammenhang von Marx und Stalin für säkulare Blasphemie und wird voraussichtlich jeden Zusammenhang kategorisch ablehnen, weil er die in Frage kommenden Stellen bei Marx (die er sicher kennt) schlicht so interpretiert, dass sie keinen Anschluss an Lenin/Stalin zulassen. Er argumentiert also mit einer ideologischen Brille auf der Nase, da wird es schwierig.

Nörgler verhält sich hier wie ein Hobbymodelleisenbahner, der eine besonders schöne Bahn in seinem Keller aufgebaut hat und – bis auf ein oder zwei – all die Bahnen anderer Hobbymodelleisenbahner hässlich findet und sie nicht weiter beachtet. Das ist sein gutes Recht, aber politische Ideen funktionieren nun einmal nicht auf dieser Ebene. Politische Ideen, gerade linke, beziehen sich immer auf die Totalität, auf das Ganze und auf ihre Realisierung im Ganzen. Insofern muss ich eben die vielen hässlichen Modelleisenbahnen in fremden Hobbykellern zur Kenntnis nehmen und mich fragen, warum sie so hässlich sind. Nörglers Weigerung, schlicht die historische Realität anzuerkennen, führt ihn also direkt aufs Abstellgleis seines eigenen Hobbykellers. Das ist schade.

Dazu kommt ein bei ihm ausgeprägter Hang zum intellektuellen Schwanzvergleich, der auch nur dazu führt, dass einer halt den längsten hat. Punkt. Das ist ein elitäres Verhalten im negativen Sinn. Wer den Marx nicht von A bis Z gelesen hat, möge schweigen und dies nachholen. Ein l´Art-pour-l´art-Theoretiker, der sich selbst genügt.

IV.

Diese Denke zeigt sich auch in der Linkendefinition mancher Linker (leider auch in der von Momorulez und Che, wenn ich das richtig einschätze): Links ist nur das, was mir gefällt. So kommt es zu der abstrusen Umkehrung, dass „die Linke“ laut Nörgler macht- und einflusslos ist und meine Aufforderung, sich um die Marx-Stalin-Frage zu kümmern, der Linken eben nur „aggressiv“ ihre Macht- und Einflusslosigkeit vorwerfe, was man doch nicht machen könne. Verrückte Welt: Die Aufforderung an die Linke, eine Diskussion zu einem bestimmten internen Thema zu führen, wird damit abgetan, dass die Linke doch viel zu einflusslos sei, um diese interne Diskussion zu führen. Eine bizarre Konstruktion, die nur darauf abzielt, auf keinen Fall Strukturen freizulegen, die einem nicht genehm wären.

Dennoch gehe ich auf seine Kritik ein, soweit das möglich ist. Zuerst zitiert er Marx, der demnach gesagt hat, dass er kein Marxist ist. Aha. Soll das von einer kritischen Marx-Lektüre in meinem Sinn abhalten? Soll das bedeuten, dass man die Schriften von Marx dahingehend nicht mehr untersuchen soll? Oder soll das bedeuten, dass er einen Missbrauch seiner Schriften schon sah und sich davon distanzierte? (Dass Marx sich von Stalin distanziert hätte, geschenkt.) Das ist eine interessante Form der Erkenntnisvermeidung, eine kritische Marx-Lektüre abzulehnen mit der Begründung, dass sich Marx vom eventuellen Missbrauch seiner Texte schon distanziert habe.

Zu der Bemerkung „Sozialismus in einem Land“: Mag sein, dass Marx bei diesem Programm gestöhnt hätte, nur wieso soll es bei Marx in Bezug auf Freiheit, Demokratie, Individuum, Menschenrechte für Stalin keinerlei Anknüpfungspunkte gegeben haben? Nur weil Stalin sagte, Sozialismus kann sich isoliert in einem Land entwickeln und Marx das nur als gemeinschaftlichen Prozess aller Proletarier sah? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? (Davon abgesehen, dass Marx selbst 1882 – im Vorwort zur zweiten russischen Ausgabe des Manifests – schon bereit war, seine teleologische Geschichtsidee über den Haufen zu schmeißen, wenn es zuerst in Russland eine Revolution geben würde.)

Der Rest des Nörglerschen Beitrags beschäftigt sich mit Schwanzlutschen, Shoa und Scheiße, worauf ich jetzt nicht eingehe.

V.

Kurz zu HannesWurst, der den Nörglerschen Beitrag toll findet und ihn auf Kindergartenniveau herunterbricht: Wenn jemand gerne Schach gespielt hätte und deshalb massenweise real Bauern abschlachten ließ, müsste ich mich dann für meine Schachleidenschaft rechtfertigen? Nein, aber ein paar tausend Seiten Marx mit Postulaten, die auf den revolutionären Umsturz der Welt mit Milliarden Menschen abzielen, haben vielleicht doch ein wenig mehr Substanz, als ein Schachspiel. Genauso gut könnte ich fragen, ob ich noch Zwiebeln schneiden darf, wo es doch schon Menschen gab, die mit einem Messer jemanden umgebracht haben. Nichts gegen absurdes Theater, aber das führt uns hier doch nicht weiter.

VI.

Versuchen wir einen kurzen Einstieg in die Klärung der Frage, was genau von Marx zu Stalin geführt hat. Lustigerweise hilft Che uns (versehentlich) bei der Klärung der Frage, wenn er Marx´Urteil über die Pariser Commune 1871 vorstellt:

Karl Marx: “Die Pariser Kommune, das war die Diktatur des Proletariats.”

Dazu che: „Und die Pariser Kommune war radikal basisdemokratisch. Die Vorstellung der Diktatur des Proletariats als eine reale Diktatur mit einem Diktator an der Spitze lag außerhalb des Marx´schen Denkens. Er verstand unter Diktatur des Proletariats die Durchsetzung einer neuen Klassenherrschaft mit Zwangsmitteln wie Enteignung, aber auf Grundlage eines demokratischen Konsenses, und die kapitalistische Gesellschaft, egal ob demokratisch oder monarchistisch verfasst war ihm die Diktatur des Kapitals. Die Diktatur des Proletariats als echte Diktatur zu denken, diese Idee hatte erst Lenin, der noch von Luxemburg heftig dafür kritisiert wurde. Dutschke vertrat später den Standpunkt, Diktatur des Proletariats sei als soziokulturelle Vorherrschaft zu verstehen, und so interpretiere ich auch Gramsci und Poulantzas.“

Vielleicht finden wir hier eine Antwort auf meine Frage. Die Pariser Commune war in der Tat basisdemokratisch. Komisch also, wenn Marx trotzdem von einer „Diktatur“ spricht. Der Begriff hatte vor 140 Jahren sicher eine ähnliche Bedeutung, „Demokratie“ war ebenfalls geläufig. Warum trennte Marx das nicht? Inwieweit lag das „außerhalb des Marx´schen Denkens“? Einer, der sonst ziemlich viel und ziemlich differenziert gedacht hat, spricht also von Diktatur, wenn er genau das Gegenteil meint? Und er spricht von der „Diktatur des Kapitals“ als dem zu Zerstörenden und dann von der „Diktatur des Proletariats“ als dem zu Installierenden? Instrumentalisieren lässt sich so eine Begriffsschluderei jedenfalls leicht. „Außerhalb des Marx´schen Denkens“ könnte auch bedeuten, dass ihm das wurscht war, dass er das Problem gar nicht sah. Wenn einem der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie wurscht ist, muss man sich nicht wundern, wenn man instrumentalisiert werden kann.

VII.

Auch Momorulez hat sich schon Mühe gegeben. In einem alten Artikel hier im Blog erklärte er mir, dass die Marx´schen Ideen bei Lenin gekippt sind, weil der „Kleingruppen vorpreschen lassen“ wollte, um den „neuen Menschen“ zu entwickeln. Lenin entwickelte sozusagen den Diktaturbegriff von Marx weiter und sprach nun schon von „diktatorischen Vollmachten“, die die „Leiter des Arbeitsprozesses“ innehaben sollten und von der „widerspruchslosen Unterordnung unter den einheitlichen Willen“ dieser Leiter.

Der erste verwechselt Demokratie und Diktatur, der nächste entwickelt das weiter, und Stalin schließlich konnte den Parteiapparat offenbar mühelos nutzen, um ein gigantisches System der Zwangsarbeit und Gewalt zu etablieren, mit Schauprozessen und Führerkult. Demokratie wäre so ein Stichwort, das man bei Marx kritisch untersuchen könnte, Menschenrechte ebenfalls, die ständige Reden von den Proletariern und die seltene Erwähnung von individuellen Bedürfnissen und sicher auch die teleologische Herangehensweise an Geschichte, die ja schon in den Vorworten zum Kommunistischen Manifest zum Ausdruck kommt, wenn Marx dort von der „unvermeidlich bevorstehenden Auflösung des modernen bürgerlichen Eigentums“ spricht (das sich bekanntlich bis heute hartnäckig weigert, sich aufzulösen). Und Freiheit: Wie vereinbart Marx das denn mit Diktatur? Das lag wohl auch außerhalb seines Denkens. Bezeichnend dann die Linkspartei-AG „Cuba Sí“, der der Freiheitsbegriff auch unbekannt ist. So pflanzt sich dieses Denken fort.

VIII.

Ein anderer Fall ist der polnische Philosoph Leszek Kolakowski, der in „Die Hauptströmungen des Marxismus“ folgendes geschrieben hat:

„Wenn das Proletariat definitionsgemäß sein Streben durch den proletarischen Staat zum Ausdruck bringt, sind alle, die sich der erreichten Einheit nicht anpassen können, Überbleibsel der bourgeoisen Gesellschaft und verdienen nichts anderes als ihre Zerstörung.“

Damit macht er auf eine mögliche Marxinterpretation aufmerksam, die man, was das Wording angeht, bei Marx schnell findet. Dass etwas nichts anderes als seine Zerstörung verdient, ist Folge eines Denkens mit einem absoluten Wahrheitsanspruch. Bewegt man sich nur in dieser immanenten Logik (die übrigens völlig undialektisch ist), ist der Gedanke ok. Aber es ist offensichtlich, dass er für Gewaltphantasien leicht missbraucht werden kann.

Doch auch hier zeigt sich ein komisches Rezeptionsbild. Che nimmt den Text nicht weiter ernst mit dem Hinweis, dass Kolakowski „verschiedene Schaffensphasen“ hatte und sich „jeder das Passende heraussuchen“ könne. Er merkt nicht, dass er damit nur seine eigene Herangehensweise an den Text beschreibt: Che ignoriert bei Kolakowski einfach das, was ihm nicht passt. Warum sich mit dem Marxschen Text auseinandersetzen, wenn man dessen Kritiker als „sehr frömmelnd“ und „sehr dogmatisch“ beschreiben kann, tja, das passt in das Bild, sich nur ja nicht mit Kritik auseinandersetzten zu müssen. Ich weiß zwar nicht, was an dem obigen Zitat frömmelnd oder dogmatisch ist, aber da Kolakowski Pole war und selbst mal irgendwie Stalinist, wird schon was dran sein. Kein Wunder, dass man bei dieser eindimensionalen Rezeptionsweise sich selbst der Erkenntnis beraubt.

IX.

Das ist nur ein klitzekleiner Ausschnitt aus dem, was man zu dem Thema sagen könnte. Die Crux ist nun, dass ich diese Diskussion gar nicht führen wollte und kann und auch nur begrenzt Interesse habe, die nächsten Jahre mit einschlägiger Lektüre zu verbringen. Ich sage nur, dass solche eine Diskussion innerhalb des linken Spektrums in den vergangenen 20 Jahren nicht geführt wurde, zumindest nicht in der Linkspartei, nicht breitenwirksam, nicht in Zeitungen (weder im ND, noch in der jw, in dem eigentlich sehr interessanten Magazin „Sozialismus, erweitert könnte ja die FR in Frage kommen und mehr), nirgendwo.

Und ganz aktuell zur Linkspartei: Ich habe vor ein paar Tagen in einer Printspiegelausgabe geblättert und einen Artikel über den Parteiprogrammentwurf der Linken gelesen. Verglichen wurde der Entwurf von Brie mit dem von Wagenknecht. Laut Spiegel sind die Brieschen Vorschläge zur Beschäftigung mit der realsozialistischen Vergangenheit alle rausgestrichen worden. Es ging um die Feststellung, dass es in der Geschichte des Realsozialismus zu unendlichem Leid gekommen ist, Ausbeutung, Unterdrückung etc. Selbst das ist offenbar einflussreichen Kreisen bei der Linken zuviel. (Falls jemand diese Spiegel-Ausgabe zur Hand hat, kann er ja den exakten Wortlaut nachschauen.)

Wenn nun nicht einmal die Linkspartei als Rechtsnachfolgerin der SED die Pflicht hat, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, wer dann? Und die Linkspartei ist nun einmal ein bedeutender Teil der deutschen Linken, und zwar der mit Abstand einflussreichste Teil.

X.

Und da sind wir beim nächsten Punkt. Die vielen linken Gruppierungen,

Es ist eben eine Tatsache, dass die vielen linken Gruppen und Grüppchen wenig realen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Sie mögen interessante Ansätze haben, sie mögen mit Stalin nie etwas zu tun gehabt haben, doch sie sind gesamtgesellschaftlich eine Randnotiz. Auch der marxistische Einfluss in Gewerkschaften und Betriebsräten ist doch im Arsch, verglichen mit den Siebzigern. Die „realsozialistische Linke“ hat rund 70 Jahre lang das Geschehen in der Welt maßgeblich mitbestimmt, jeden Tag, für Milliarden Individuen. Das Ergebnis sind 100 Millionen Tote in der Sowjetunion, in China, im gesamten Ostblock. Nach Stalins Tod (und das müsste genauso intensiv diskutiert werden), setzte zwar eine leichte Milderung ein, aber in allen sich sozialistisch nennenden Staaten wurden den Menschen grundsätzliche Menschenrechte verwehrt, und zwar bis zum bitten Ende 1989. Also reichte selbst die Zeit von 1953 bis 1989 nicht, um sich selbstständig aus der Pfütze zu ziehen. Stalinismus war also weltweit praktizierbar, ohne größere Widerstände und mit der theoretischen Legitimation des Marxismus, wenn auch instrumentalisiert. Es zählt eben auch, was hinten rauskommt.

Man kann es sich nun einfach machen und sagen, das war alles nicht links, das hatte nichts mit Marx zu tun. Inhaltlich mag das zum allergrößten Teil richtig sein, aber im real life funktioniert dieser Ansatz nicht, weil sich der Realsozialismus auf Marx bezog und gegen diese Deutungsmacht auf breiter Front eben niemand ankam. Da mag Adorno viel Richtiges geschrieben haben und die französischen Poststrukturalisten auch. Gegen die realsozialistische Linke kamen andere Marx-Interpreten faktisch in keinster Weise an, in den siebzig Jahren änderte sich nichts Wesentliches. Die ökonomischen Widersprüche führten 1989 zum Zusammenbruch, nicht Adorno. Keine einzige Gesellschaft hat es bisher geschafft, Marx adäquat anzuwenden, dafür haben es unzählige geschafft, im Namen von Marx unglaubliche Katastrophen anzurichten.

XI.

Nörgler meint nun, mein Geschichtsbild sei so „steil idealistisch“, dass sich selbst Hegel geweigert hätte, das zu diskutieren. Marx könne schon deshalb mit Stalin nichts zu tun haben, weil Stalin „und andere Aberrationen des Arbeitermarxismus … alle die Marxsche Theorie gar nicht kannten“. So einfach geht das. Die realsozialistisch Verantwortlichen haben bis 1989 intensiv Marx gelesen, seine Werke editiert, studiert, es gab unzählige Institute dafür. Sie mögen vieles instrumentalisiert und bewusst falsch verstanden haben, aber dass 99 Prozent der Marxrezipienten einfach überhaupt nicht rezipiert haben und ihre Terrorherrschaften somit auch nichts mit Marx zu tun haben, erinnert ein wenig an die Verlautbarungen zum antifaschistischen Schutzwall. Man muss sich in dieser inneren Logik nur intensiv einrichten, dann passt das schon. Es besteht keinerlei Bereitschaft, Marx auf „undichte“ Stellen hin zu untersuchen. Alleine die Frage, warum Marx von Lenin und Stalin so leicht entsorgt werden konnte, müsste jeder nachgehen, der an geschichtlichen Zusammenhängen interessiert ist.  (Mir ist in diesem Zusammenhang auch nicht klar, wie man angesichts dieser eklatant fehlenden Bereitschaft zur Selbstreflexivität noch mit Adorno argumentieren kann, wie das hier ja gerne gemacht wird.)

Geschichtstheoretisch meint Che folgendes:

„Politische Entwicklungen aus der Auslegung von Schriften abzuleiten ist Theologie, aber nicht Historie. So funktioniert auch keine politische Ideengeschichte. Die rückkoppelt vielmehr Theoriemodelle und Ideologien mit empirisch beobachteten politischen Prozessen und verfolgt dann, was in der Praxis dabei herauskommt.“

Mal abgesehen davon, dass der zweite Satz so viel heißt wie, dass die Ideengeschichte Theoriemodelle  mit der Praxis rückkoppelt und dann verfolgt, was in der Praxis dabei herauskommt, halte ich diesen Ansatz nicht für falsch, aber nicht für den einzig möglichen. Wenn sich zig Terrorregime weltweit und über einen Zeitraum von rund siebzig Jahren hinweg auf Marx berufen, dann könnte man als Historiker doch durchaus auf die Idee kommen, einmal bei Marx nachzuschlagen, oder? Das ist keine Theologie, das ist schlicht naheliegend. Weigert ihr euch auch, „Mein Kampf“ zu lesen? Wäre das auch Theologie? Was ist eigentlich gegen Quellenstudium einzuwenden?

XII.

Ihr benehmt euch auf eine Art, die ihr in anderen Zusammenhängen scharf kritisieren würdet  – völlig zurecht. Eine Aufarbeitung von 1933 bis 45 als genügend zu betrachten, weil doch schon Tucholsky vor 33 Erhellendes gesagt hat und überhaupt haben schon Adorno und Horkheimer 1944 wichtige Strukturen des NS beschrieben – warum sich also noch um irgendwas kümmern?

Vielleicht hat euer Verhalten auch damit zu tun, dass es natürlich ganz praktisch ist, wenn man solchen totalen Wahrsagungen folgt, so eine Art Gottersatz, wer weiß. Und Gott pinkelt man ja auch nicht ans Bein. Wobei der Gläubige bei Naturkatastrophen und anderem Unbill noch von göttlichen Prüfungen sprechen kann, bei euch müssen dann die anderen Schuld sein.

XIII.

Grundsätzlich und zum x-ten mal wiederholt: Wenn Stalin sich Marx realpolitisch langfristig und dominant einverleiben konnte, bedeutet das nicht, dass Marx in irgendeiner Weise „wertlos“ geworden wäre. Es bedeutet aber sehr wohl die Notwendigkeit einer Untersuchung der Marxschen Texte auf eine mögliche Anschlussfähigkeit in Richtung stalinistischer Terror. Das mag in den mir empfohlenen Büchern teilweise geschehen sein, doch ich halte es für notwendig, eine solche Diskussion in der Breite zu führen, vorrangig natürlich in der Linkspartei (siehe meine obige Bemerkung zu Brie), und zwar, weil zum einen eine linke Bewegung am besten eine massenkompatible und massenanschlussfähige sein sollte mit emanzipierten Subjekten, und zum zweiten, weil man nur dann weiterhin auf Marx aufbauen kann, wenn man diese Leerstelle klärt. Die Bücher in Ehren, aber das ist zu wenig, zumal die von mir gebrachten  Beispiele sich auf Stalinismus heute beziehen (und Christoph Jünke hier ebenfalls zu interessanten Beobachtungen kommt).

Marx sollte von seinen Verteidigern kritisiert werden, nicht vom vom Rote-Socken-Hintze.

Also, geht in euch, kehrt auf den Pfad der Tugend zurück, gebt mir recht, dann drücke ich ein Auge zu. Ich bin ja nicht nachtragend.

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51 Antworten zu „…lag außerhalb des Marx´schen Denkens“

  1. momorulez schreibt:

    „Natürlich werden mir die Genannten hier widersprechen, was aber nur ein erneuter Ausdruck ihres in diesem Fall unglaublich dogmatischen Denkens ist. “

    Das ist die Logik der Inquisition: Wer mir nicht zustimmt, ist dogmatisch. Volldoof.

    Du wiederholst auch gebetsmühlenartig eine Prämisse, die Du nicht belegst.

    Du schaffst es ja schon wieder, außer der Phrase von der „Diktatur des Proletariats“ kein einziges Mal auf Marx‘ Texte Bezug zu nehmen – wozu Du Andere aber aufforderst.

    Was Du eben so machen musst, weil Du selbst so wenig zu dem Thema beizutragen hast als nicht weiter belegte Vermutungen, die Du grundsätzlich dem entnimmst, was Dritte über Vierte sagen. Das ist schlicht Thema verfehlt.

    Du bist auch nicht in der Lage, klar zu machen, was es denn nun angeblich war, was Lenin aus Marx machte. Da greifst Du auch nicht etwa auf die reale Praxis er Bolschiwiki zurück, sondern auf ein Zitat von mir. Wenn so die „massenhafte Aufklärung“ aussieht, wird sie scheitern.

    Mal abgesehen davon, dass ich „Mein Kampf“ tatsächlich gelesen habe, obwohl das verboten ist. Das trägt das Erhellung der Funktionsweise des Nationalsozialismus so wahnsinnig viel nicht bei, weil das ja damals auch kaum wer gelesen hat und es nur bündelte, was an Antisemitismus sowieso schon gesellschaftlich präsent war.

    Zudem Hitler im Gegensatz zu Marx historischer Akteur war, noch nicht mal den Unterschied scheinst Du zu verstehen.

    Und der Gulag war nicht die Shoah war, sondern die Fortsetzung dessen, was schon unter dem Zaren auf Sachalin passierte. Das ist eher vergleichbar mit Praxen von Pinochet zum Beispiel: Die Ausschaltung politischer Gegner. Das hat mehr mit Hoover zu tun als mit Marx.

    Ansonsten hast Du Dir ja viel Mühe gegeben, viel zu schreiben; was mich auch weiterhin fuchsig macht, ist dieses Nichtzurkenntnisnehmen dessen, was Andere schreiben.

    Beispiel:

    „Und aus wie vielen Entwicklungen setzte sich der Stalinismus zusammen?“

    Habe ich im selben Kommentar geschrieben, auf den Du da Bezug nimmst. Nimm doch Argumente wenigstens mal zur Kenntnis. Ich verstehe nicht, wieso Du das überliest.

    Es ist u.a. genau diese staatsanwaltliche Haltung, die Du einnimmst, die in den Stalinismus führte, ich wiederhole mich. Dieses: „Bekenne!“ Genau das führte in die Schauprozesse.

    Aber den Realsozialismus nimmst Du ja auch nicht zur Kenntnis. So was wie die Einstufungskomission erklärst Du für irrelevant angesichts der Schriften von Marx. Hätte Mielke nicht besser machen können.

    So verhöhnst Du auch noch jene, die der Machtmaschinerie in Staaten wie der DDR unterworfen waren, indem Du deren Funktionsweise weg zu schreiben versuchst.

    Für die nicht Kaderschulungen, in denen der historisch-dialektische Materialismus gelehrt wurde, der entscheidende Zwangsmechanismus waren, sondern die Stasi.

    Ein bekannter Professor wurde z.B. exmatrikuliert Ende der 60er in der DDR, weil er einen Vortrag zum Thema „Marx und Beat“ hielt – kurz: weil der ihn gelesen hatte.

    Du nimmst auch Marx nicht zur Kenntnis, auch da bist Du ganz bei Stalin – ebenso wenig „unsere“ Kritiken an Marx.

    Du hast schlicht ein Verständnisproblem, weil Du Ankläger sein möchtest, würde ich mal sagen. Eines, das auch angesichts der Fülle der Worte nicht weicht.

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  2. genova68 schreibt:

    Momorulez, ich nehme alles zur Kenntnis, was mit dem Thema zu tun hat. Wenn du nun mit Pinochet kommst, dann nehme ich solche Ablenkungsmanöver nicht zur Kenntnis, in der Tat. Wieso auch?

    Außerdem frage ich mich, wie das geht: Du hast hier geantwortet ca. zehn Minuten, nachdem ich den Artikel eingestellt habe, für dessen Lektüre man schon zehn Minuten einplanen sollte. Da kann nichts Vernünftiges rauskommen. Das entschuldige ich aber gerne. Probiers einfach nochmal.

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  3. hanneswurst schreibt:

    Liebe Informationsproletarier und – proleten, das ist wohl eine neue Masche: sich nicht mehr an der Diskussion beteiligen und statt dessen zum „Gegenschlag“ in Form eines öden, hypertrophierten Pamphletes auszuholen. Horst Mahler hätte es ähnlich gemacht, allerdings mit deutlich mehr Pointe.

    „Was aber machbar ist, wäre im 21. Jahrhundert die Suche nach zeitgemäßen Lösungen neuer Problemlagen ohne ein Mitschleifen der Schablonen der Verdächtigungskultur.“ Ein Bisky-Zitat, dass zum Thema passt, oder? Wer sich also mit sozialem Denken auf höherem Niveau beschäftigen möchte, kann den ganzen Text hier abrufen (und dann noch einmal darüber nachdenken, wie viel Bloggen mit intellektueller Elite zu hat): http://www.die-linke.de/index.php?id=181&tx_ttnews%5Btt_news%5D=11591&tx_ttnews%5BbackPid%5D=154&no_cache=1

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  4. che2001 schreibt:

    @“Doch sie haben mir auf meine Bitte hin, Bücher zum Thema “Von Marx zu Stalin” zu nennen, bereitwillig gleich eine ganze Latte genannt, beispielsweise drei Bände von Trotzki (1929-1940), Bücher von Luxemburg, von Gramsci, von Korsch, studentische Hausarbeiten zum Thema, Lehrpläne“ — Das ist jetzt eine glatte Lüge bzw. dreiste Verdrehung. Du hattest nicht nur gesagt, dass Du einen Weg von Marx zu Stalin vermutest, sondern auch behauptet, der Stalinismus sri politisch nie, und schon gar nicht von der Linken aufgearbeitet worden, und diese Literaturlisten warwen genau das: Belege für die (nicht nur.l aber auch) linke Stalin-Aufarbeitung über Jahrzehnte hinweg. Und dass es einen Weg von Marx zu Stalin gegeben hätte haben wir alle massiv bestritten, Nörgler sogar den Beweis geführt, wieso es einen solchen Weg gar nicht geben könnte.

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  5. momorulez schreibt:

    Für so einen Text brauche ich keine 3 Minuten, sorry, da steht ja nicht viel drin, nur weil er lang ist.

    Pinochet ist deshalb relevant, weil Stalin da schlicht in allen Herrschaftssystemen übliche Methoden angewandt und drastisch auf die Spitze getrieben hat: Das Ausschalten politischer Gegner. Stark abgeschwächt gab es das auch in der BRD der 70er, das Berufsverbot. Das ist allgemeine Herrschaftstechnik.

    Das gab es lange vor Marx und lange vor Stalin, der da konkret den Zarismus fortgeschrieben hat – Sachalin war schon unter dem ein Lager auch für politische Gefangene und ist es dann auch unter Stalin geblieben.

    Es ist schlechterdings unsinnig, das nun auf Marx zurück führen zu wollen.

    Was mich ja wahnsinnig macht, das ist, dass Du sogar zu blöd bist, wenigstens da anzugreifen, wo es weh tut: Nämlich bei Fragen des Wirtschaftssystems.

    Würdest Du wenigstens behaupten, dass z.B. die blutige Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und die „Industrialisierung von oben“ sich doch eindeutig aus den Forderungen des „Kommunistischen Manifestes“ ableiten ließen, was ich nicht glaube, dass das so ist, das ist aber die klassisch-liberale Kritik, also eine Umgestaltung des Wirtschaftssystems mit Zwangsmitteln sei Kern des Manifestes, dann würde das ja diskussionsfähig.

    Dann könnstest Du noch wie die B.L.O.G.s behaupten, dass eine von der Linkspartei geforderte „Demokratisierung der Wirtschaft“ 1.) ineffizient sei und 2.) direkt in den Totalitarismus führen würde, weil eben Demokratie bei uns auf die staatliche Form hinaus liefe und somit eine Entmündigung des Bürgers durch den Staat der Effekt sei. Und müsstest dann aber noch ausführen, inwiefern das im Kommunistischen Manifest angelegt ist.

    Nein: Noch nicht mal diese Basisc kommen hier, sondern ein Abarbeiten an anderen Bloggern. Das ist jämmerlich.

    Und dann noch „Denuziation und Folter“. Was für ein Humbug. Der „Hexenhammer“ liegt historisch vor Marx, und denunziert wurde, seitdem es Gruppen gab.

    So ein Schwachsinn, echt.

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  6. che2001 schreibt:

    @“Momorulez und Che (und wohl auch Netbitch) sehen das eigentlich so wie ich: Ein von Marx ausgehender Weg führte zu Stalin. Sie bestreiten einen Zusammenhang zwischen Marx und Stalin nicht, sie tun sich nur schwer damit, das offen zuzugeben. (So rät Che dringend davon ab, ein Buch zu dem Thema zu schreiben.)“ …. Das ist wieder so eine absurde Verdrehung: wir sagen die ganze Zeit, dass es einen solchen Weg gar nicht geben könne. Un bei dem Buch, das auf keinen Fall geschrieben werden sollte, inklusiver der ganzen thematisch ähnlichen Büchern müsste Dir eigentlich klar sein, dass das Parodie auf Deine eigenen Positionen ist. Wem das nicht klar ist, wird wohl auch noch die Briefe an die Leser in der Titanic für bierernst halten. Ansonsten kann ich mich nur an „so ein Schwachsinn, echt“ anschließen.

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  7. che2001 schreibt:

    @“Es bedeutet aber sehr wohl die Notwendigkeit einer Untersuchung der Marxschen Texte auf eine mögliche Anschlussfähigkeit in Richtung stalinistischer Terror.“ —- Das ist so sinnvoll wie Freud´sche Texte auf ihre Anschlussfähigkeit in Richtung Zwangsspsychiatrisierung unter Breschnew zu lesen oder Texte von Plotin zur Rechtfertigung der Menschenhatzen im Kolosseum zu verwenden. Die Texte eines Philosophen, Analytikers und Gesellschaftstheoreikers und die Taten eines Diktators, der sich auf Ersteren beruft, nachweislich diesen aber gar nicht verstanden hat, das sind Kategorien, die auch nur oberflächlich zueinander Berührung haben. Geschichte aus Theorietexten ableiten zu wollen, das ist in der Tat das Gedankengut der Scholastik und der Inquisition, Theologie des hohen und späten Mittelalters.

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  8. momorulez schreibt:

    Und schön wäre ja, wenn Genova wenigstens das mal machen würde.

    Er bezieht sich aber stattdessen auf von ihm fremden Kommentatoren in mein Blog gestellte Zitate von Leuten, die er bis daton noch nicht mal kannte, und auf Leute wie memorulez zur Beweisführung, dass:

    „Stalin sich Marx realpolitisch langfristig und dominant einverleiben konnte“

    Das ist doch grotesk. Ich finde nicht, dass der weltgeschichtlichen Dimension dieses Themas gerecht wird.

    Die Absurdität besteht ja auch darin, nun ständig Andere zu irgendwas aufzufordern, was man ja vielleicht selbst mal tun sollte, anstatt permanent die eigene Ahnungslosigkeit als Beleg für unaufgeklärte Massen anzuführen.

    Das ist zwar praktisch, sich dumm und faul in die eigene Küche zu setzen und der Alten zuzurufen „Putz mal!“, aber sachangemessen kann ich das nicht finden.

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  9. genova68 schreibt:

    Hm, das war wohl des Guten zuviel. Dass man gleich durchdrehen muss ob der Forderung, Marx in einer Hinsicht kritisch zu lesen. Etwas mehr Besonnenheit hätte ich euch schon zugetraut.

    Che, was die dreiste Lüge angeht: Schau dir die Links an, da steht alles.

    Die Reaktionen sind interessant. Wäre der Spruch von den getroffenen Hunden nicht abgedroschen, würde ich ihn jetzt zitieren.

    Momo, weil ich gerade noch deinen letzten Kommentar sehe: Auf das Zitat von Kolakowski, das von von User www ins Netz gestellt wurde, soll ich mich also nicht beziehen, weil ich erstens www nicht kannte und zweitens Kolakoswki nicht.

    Dann frage ich mal ganz brav, ab wann ich das Zitat verwenden darf? Wie lange muss ich User www kennen und wie lange Kolakoswki? Einen Monat, ein Jahr? Wie viele Bücher von Kolakowski muss ich gelesen haben, um ihn deiner Meinung nach zitieren zu dürfen?

    Überlegst du dir hin und wieder auch, was du in deiner Erregtheit zusammentippst?

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  10. che2001 schreibt:

    Und nochein, zwei drauf: @“Beispiel Netbitch. Auf meine Feststellung, dass ein Weg von Marx zu Stalin führte, antwortet sie:

    „E s wurde gezeigt, dass die Marx´sche Theorie von den unterschiedlichsten Leuten, wie Bebel, Kautsky, Luxemburg, Bernstein, Hilferding weiterentwickelt und uminterpretiert wurde, bevor Lenin kam, und Stalin war dann noch einmal ein ganz Eigener. Und dass bei Marx zum Beispiel auch der Freudomarxismus angelegt war, der über Reich dann in die Kritische Theorie mündete. Oder dass Gewerkschaften weltweit einen beachtlichen Teil der historisch wirkungsmächtigen Linken darstellten, und auch die Sozialdemokratie, aber auch Guerrillabewegungen und Dritte-Welt-Solidaritätsprojekte. Es wurde gesagt, dass diese diffuse und disperse Linke außerhalb des UDDSSR&CoKG-Lagers mindestens eine zweistellige Millionenzahl Menschen umfasste.“

    Ja, habe ich all das jemals bestritten? Ist das denn so schwer zu begreifen? Ich ergänze lediglich, dass die „zweistellige Millionenzahl“ nicht einmal im Ansatz so wirkungsmächtig war, wie die einstellige Milliardenzahl, die Stalin hinterherrannte bzw. hinterherrennen musste. Und dass Marx von den genannten weiterentwickelt wurde: Bestimmt, aber wurde deshalb Marx nicht mehr gelesen? Ich halte Marx für einen nach wie vor sehr wichtigen Denker, und genau deshalb sollte man in kritisch prüfen.“ —- Da scheinst Du, genova, noch nichtmal semantisch in der Lage zu sein, was sie eigentlich geschrieben hat. All die genannten MarxinterpetatorInnen haben den Marxismus ja weiterentwickelt, ihm neue Lesarten verliehen, und die Argumantationen eines Lenin und Stalin (ja, auch der hat Theorietexte geschrieben, aber bereits teilweise zur Rechtfertigung bereits ausgeübter Praxis) knüpften dann daran mit einigen deutlichen Bruchstellen an, aber die haben doch nicht exegetisch aus Marxtexten ihre eigenen (mördeerischen) Schlussfolgerungen abgeleitet. Sondern aus politischer Praxis, die sich mit marxistischen Theoriemustern legitimierte (nicht ableitete, die Formungsbedingungen der Praxis waren Erster Weltkrieg und Russischer Bürgerkrieg), die schon mit Marx selbs nichts mehr zu tun hatten. Die „einigen 10 Millionen“ hat Netbitch wohl deswegen angeführt, weil Du bis dahin nichtleninistische Linke immerzu als „zwei, drei Leute im JUZI“ o.ä. bezeichnet hattest. Insofern kann Dir nur auf „Ja, habe ich all das jemals bestritten?“ das entgegengehalten werden, was Du selber geschrieben hast.

    @“Diktatur des Proletariats“: Der Begriff der Diktatur hat im Lauf der Zeit in der Tat einen Bedeutungswandel erfahren. Zu Marxens Zeiten dachte man diesen überwiegend noch in den Traditionen der Römischen Republik. Da war das ein Alleinherrscher, der in einer besonderen Staatskrise für ein halbes Jahr eingesetzt wurde, um kurzfristig Notstandsmaßnahmen durchzusetzen, und so dachte sich auch Marx die Diktatur des Proletariats: Eine kurzfristige Zwangsmaßnahme, um den Staat auf sozialistischen Kurs zu bringen. Die Revolution insgesamt wurde als eine demokratische gedacht. Erst die Diktatoren des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts, Diaz in Mexiko, sein Opponent und Nachfolger Villa, Mussolini, Stalin und Hitler und all ihre Nachfolger prägten den Begriff Diktatur im heutigen Sinn. Man kann Marx nicht rückblickend durch die Brille des 20. und 21. Jahrhunderts lesen.

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  11. hanneswurst schreibt:

    Der LINKSLINK funktioniert nicht, weil WordPress Zeichen aus der URL killt, hier ein funktionierender Link: http://tinyurl.com/ydvrtjv

    Was Bisky da schreibt ist meiner Meinung nach eine mögliche Antwort auf die hier ursprünglich gestellte Frage, warum sich die LINKE einer wie auch immer gearteten Verantwortung angeblich nicht stellt.

    @Genova: Nenn mir eine politische Ideologie, die Deiner Meinung nach nicht gescheitert ist oder alternativ einen Politiker, dessen Politik Du für katastrophenresistent hältst.

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  12. momorulez schreibt:

    Genova, ich überlege mir sehr gut, was ich hinschreibe.

    Und Du erregst mich ganz definitiv nicht. Mach Dir mal keine Hoffnung.

    Dieses Gequassel macht mich allerdings tatsächlich aggressiv.

    Ansonsten wäre es schön, wenn Du wenigstens ein Mal was zur Sache schreiben könntest.

    Wenn Du schon irgendwelche Wege konstruieren willst – ich bau Dir auch ratfatz einen von Jesus zu Hitler oder von Romy Schneider zu Angela Merkel oder von Kalle Wirsch zur Nemo, dem Clownsfisch -, dann ist es überhaupt nicht relevant, was Du glaubst, was ich Dir verordnen können wolle oder was ich Deinen Annahmen zufolge glauben würde, wen Du zitieren dürftest oder auch nicht. Marx und Stalin zitieren würde im konkreten Fall allerdings Sinn machen. Und ein paar Geschichtskenntnisse.

    Ich bin raus und lösche erst mal die Trackbacks.

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  13. hanneswurst schreibt:

    Oh Gott, er wird die Trackbacks löschen! Das Blog sinkt!

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  14. genova68 schreibt:

    „aber die haben doch nicht exegetisch aus Marxtexten ihre eigenen (mördeerischen) Schlussfolgerungen abgeleitet.“

    Che, das habe ich auch nicht behauptet. Die Frage wäre doch vielmehr, inwieweit Marx überhaupt einen Widerstand bietet gegen die Auslegung Stalins. Und das müsste er dringend, wenn er von Weltrevolution faselt.

    „mit marxistischen Theoriemustern legitimierte“. Aha, da kommen wir der Sache schon näher. Na, gibt euch das nicht zu denken? Nicht mal ein bisschen?

    „überwiegend in den Traditionen der römischen Republik“. Hast du dir das jetzt schnell zusammengebastelt, damit du mir ja nicht recht geben musst? Ist es nicht doch vielleicht ein wenig missverständlich, wenn dieser Begriff nicht weiter geklärt wird? Und wäre es schlimm, das zuzugeben?

    Und wo wurde „die Revolution insgesamt“ als eine demokratische gesehen?

    Bei der Lektüre von Marx fällt mir schon auf, dass er das Individuum eher beiseite lässt. Wenn er vom Proletarier spricht, dann doch nur als Typus, als Verteter seiner Klasse. Wer die Weltrevolution als unabänderlich fordert, muss sich auch mal an die Karre fahren lassen. Es geht ja um Leerstellen. Und dass ich das alleine nicht leisten kann, habe ich ja oft genug betont.

    Momo,
    Aggressivität ist eine Form der Erregung, insofern liege ich da schon richtig.

    Was du ansonsten fordert, ist alles passiert. Lies halt, ich kann dir da nicht helfen. Vielleicht haben die drei Minuten doch nicht gereicht. Viel Erfolg beim Trackbacklöschen.

    Hannes,
    wenn Bisky sagt, die Atmosphäre sei vergiftet, dann hat er Recht. Siehe diese Auseinandersetzung. Wir sollten bei ihm in die Lehre gehen.

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  15. che2001 schreibt:

    @“Hm, das war wohl des Guten zuviel. Dass man gleich durchdrehen muss ob der Forderung, Marx in einer Hinsicht kritisch zu lesen. Etwas mehr Besonnenheit hätte ich euch schon zugetraut.

    Che, was die dreiste Lüge angeht: Schau dir die Links an, da steht alles.

    Die Reaktionen sind interessant. Wäre der Spruch von den getroffenen Hunden nicht abgedroschen, würde ich ihn jetzt zitieren.“

    Blah, blah, blah, blah. Das ist ja wirklich Springer-Stil. Da hatten die Diskussionen mit den Bloggies ja weitaus mehr Niveau, die wenigstens globalpolitisch argumentierten, also nicht meinten, Historie aus Textzitaten herleiten zu müssen, sondern mit Wahrscheinlichkeiten und Erfahrungswerten argumentierten. Da war auch vieles aus zumindest meiner Sicht falsch oder zu kurz gedacht, aber Geschichte als Tat und Erfahrung ist doch zumindest nochmal eine andere Sache als Geschichte als Interpretation nie gelesener angeblicher Textstellen mit einem Ursache-Wirkungsverhältnis-Text-Geschichte. Deus ex machina.

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  16. Nörgler schreibt:

    Ich war ein paar Tage weg. Erst mal nur dies: Genova, Du sagst, ich hätte eine ideologische Brille auf der Nase. Nun denn. Wenn Du jedoch über mich schreibst „Er betrachtet sich als Salonmarxist“, wo ich schon gefühlte 8 zilliardenmal mein Selbstverständnis als „Salonmarxologe“ ins Internet gepinselt habe – was ist dann mit Deiner Brille? Verlegt? Kaputt? Beschlagen?
    Und wenn Du schon schlampig liest, hätte Dir die Unmöglichkeit von „Salonmarxist“ auffallen müssen, wenn ich Marx zitiere, der sagt, dass er kein Marxist sei.

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  17. genova68 schreibt:

    Du hast nichts verpasst, Nörgler. Wo warst du denn? In Georgien, Nachforschungen anstellen?

    Ich hatte meine Brille verlegt. Jetzt habe ich sie aber wiedergefunden. Bitte: Salonmarxologe, wenn dir soviel daran liegt.

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  18. netbitch schreibt:

    @“mit marxistischen Theoriemustern legitimierte”. Aha, da kommen wir der Sache schon näher. Na, gibt euch das nicht zu denken? Nicht mal ein bisschen?

    Was sollte das uns zu denken geben? Dass der Marxismus und die Lehre von Marx selber zwei verschiedene Paar Schuhe sind wurde hier schon öfter erwähnt. Schon zu Lebzeiten des Philosophen, erst recht nach seinem Tod bildeten sich rasch zwei unterschiedliche marxistisch inspirierte Richtungen. Einmal der von Marx selber verspottete Arbeiterbewegungsmarxismus, der die komplexen volkswirtschaftlichen und philosophischen Überlegungen des Kalle zu einem klappernden Mechanismus dialektischer Zwangsläufigkeiten vereinfachte und Marxsche Erkenntnisse sich je nach Situation zu tagespolitischen Zwecken zurechtbog. Und dann zum Anderen etwas später der Kathedersozialismus, eine rein abstrakte volkswirtschaftliche Lehre, die sich von Marx her kommend eher wieder seinem Vorgänger Ricardo annäherte und aus Marx´Diktum „Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert. Es kömmt aber darauf an, sie zu verändern.“ das genaue Gegenteil machte. Lenin brachte beides dann zusammen, erschuf sein Modell der autoritär aufgebauten, wie ein Geheimbund organisierten „Partei neuen Typs“ und plante das nachrevolutionäre russische Staatswesen erklärtermaßen nach dem Vorbild der Deutschen Reichspost – während Marx vom allmählichen Absterben des Staates gesprochen hatte und hier den Anarchisten näher war als Lenin. Stalin, vor dem Lenin noch auf dem Totenbett gewarnt hatte, machte dann daraus ein nationales Projekt – Sozialismus in einem Land – etwas, das Marx selber verworfen hatte.

    Gäbe frau für das alles also Marx die Schuld oder nähme an, Stalin ließe sich aus einer „Leerstelle“ in Marx´ Schriften ableiten, dann ließe sich dieses Modell auch auf andere politische Systeme und andere Philosophien übertragen. Diktaturen, die sich demokratisch legitimieren, aber trotzdem Diktaturen sind wie der Iran, Zimbabwe oder Tunesien oder Halbdemokratien mit Folter und Hyperkorruption wie Mexiko oder die Türkei müssten Anlass zum Nachdenken geben, weil sie sich demokratisch legitimieren. Da muss dann ja an der Demokratie etwas faul sein, und wir sollten anfangen, in der UN-Erklärung der Menschenrechte nachzulesen, wo da die Leerstelle ist und uns zu überlegen, wie es so schnell von Kant zu Atatürk, von Rousseau zu Ahmadinedschad, von Aristoteles zu Mugabe und von George Washington zu Alfredo Stroessner kommen konnte. Übrigens müssten wir auch „zerschlagt England“ fordern, denn der Staat legitimiert sich überhaupt nicht demokratisch, sondern über ein Königtum von Gottes Gnaden. Dass es sich um eine Demokratie handelt, stört da nur geringfügig.

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  19. Nihilist schreibt:

    Ich habe mich bisher nicht zu der Auseinandersetzung zu Wort gemeldet, weil es aus meiner Sicht ein Sturm im Wasserglas ist.

    Marx hat einen Fehler begangen. Nur einen. er hat seine Ideen veröffentlicht.

    Wenn er Recht hatte, wäre es besser gewesen zu Schweigen. Denn dann wäre die Entwicklung ja automatisch dorthing gegangen.

    So, durch die Veröffentlichung, hat er anderen Menschen die Möglichkeit geschaffen, seine Ideen zu Missbrauchen, um das Ergebnis einer wirklich gerechten Gesellschaft zu verhindern. So nutzen eben Diktatoren die Theorie um ihre Macht zu sichern.

    Das ist meine Meinung und mehr werde ich dazu nicht schreiben.

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  20. Nörgler schreibt:

    Der Kommentar von Netbitch ist ein echtes Sahnestückchen – Kompliment!

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  21. genova68 schreibt:

    Netbitch,

    ich finde schon, dass man überall nach Gründen suchen kann, das muss man nicht ins Lächerliche ziehen. Natürlich kann ich beispielsweise fragen, warum der Hinweis im GG, dass Eigentum verpflichtet, nur noch beachtet wird, wenn es darum geht, für Autobahnneubauten privaten Boden zu enteignen, der Artikel ansonsten aber ignoriert wird.

    Und natürlich wäre es interessant zu untersuchen, warum der Demokratiebegriff überall auf der Welt so hochgehalten wird und jeder Konzern mittlerweile von Dialogangebot faselt, wo er genau das nicht will. Und wo eine Bruchstelle ist, warum Demokratie weltweit immer in einer Art Herrschaft des Kapitals umfunktioniert wird. Komisch, dass ihr da so wenig erkenntnisinteressiert seid.

    Mal ganz zugespitzt: Man könnte Gandhi wohl nicht zum Zeugen eines Gewaltregimes machen, weil Gewaltfreiheit bei ihm ein zentrales Postulat war.

    Marx ließ sich verbiegen. Du setzt leider auch alles daran, deinen Gott keinen Belastungen auszuetzen. Wenn etwas schief lief, dann waren es die bösen Nachfolger. Gründe interessieren dich nicht.

    Und ob sich Marx als Marxist fühlte oder nicht: Vielleicht war es ihm selbst irgendwann unangenehm, was er da alles zusammengeschrieben hat. Vielleicht hat er selbst geahnt, wie sehr sich das missbrauchen lässt.

    Aber das werdet ihr nie rausfinden, weil euer Heiligtum dann einen Kratzer bekommen könnte.

    Euer ganzes Bestreben hier ist drauf gerichtet, meine sehr braven Beispiele einer kritischen Marx-Lektüre zu widerlegen. Was ihr interessanterweise nicht schafft, aber das wäre ja auch egal, denn ich habe die Untersuchungsrichtung nur angeregt, ich führe diese Untersuchung nicht, das ist nun auch zum wiederholten Mal gesagt.

    Letztlich zeigst du nur, was Lenin und Stalin bei Marx falsch verstanden haben – darüber kann man sicher vieles schreiben. Wo Marx das Falschverstehen vielleicht sehr einfach machte: das wäre zu klären, aber genau das wollt ihr ums Verrecken nicht ansprechen. Das würde jedenfalls mehr Mut erfordern, als mir Mängel meiner bescheidenen Marx-Rezeption anzulasten.

    Immerhin, Netbitch, bist du in der Lage, sachlich zu argumentieren (wenn auch erneut an der Sache vorbei). Das hast du deinen männlichen Kollegen (vom quartalsbeleidigten Momorulez über den Besitzer sämtlicher Bibliotheken zwischen Guernica und Sibirien, Che, bis hin zur bizzaren und deshalb interessanten Kunstfigur Nörgler) voraus.

    An der Sache vorbei schon deshalb, weil du der Versuchung nicht widerstehen kannst, mein Anliegen ins Lächerliche zu ziehen: Ich habe natürlich nirdendwo geschrieben, man könne „für alles Marx die Schuld geben“ oder Stalin ließe sich KOMPLETT aus einer Leerstelle bei Marx ableiten. Das weißt du auch. Aber wenn du mir nicht diesen totalen Ansatz unterstellen könntest, müsstest du ja mal hart an der Sache argumentieren.

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  22. genova68 schreibt:

    Che, noch mal zur glatten Lüge.

    Unser Dialog lautete folgendermaßen:
    —————
    genova68 // 25. Februar 2010 um 21:22

    Kann mir jemand von euch Helden ein gutes Buch oder ein gute Artikel im Web) zum Thema empfehlen? Von Marx zu Stalin? Oder etwas weniger provokativ, wo sind bei Marx die Leerstellen, wenn es welche gibt?

    che2001 // 25. Februar 2010 um 22:31 (bearbeiten)

    Kann ich, muss ich aber erst nachschlagen. Demnächst in diesem oder auch einem anderen Theater.
    ———————–
    Später hast du noch mehr Literatur angegeben, und zwar „zum Thema Stalinismus und DDR-Unrecht“.

    „Kann ich“ bedeutet, dass du in deiner Erkenntnisfähigkeit schon weiter warst, als du es jetzt zugeben willst.

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  23. che2001 schreibt:

    Ich habe aber all diese Literatur angeführt, um zu demonstrieren, dass eine Aufarbeitung des Stalinismus stattgefunden hat, was Du bestritten hattest, und dass Marx und der Marxismus-Leninismus wenig miteinander zu tun hatten, nicht, um eine „Leerstelle“ aufzuzeigen, die es meiner Auffassung nach nicht gibt. @Kritische Marxlektüre: Ich habe Marx sehr kritisch gelesen, zeitweise mit der Brille Bakunins, bin selbst ja eher Anarchist, aber für die Art „Kritik“, die Du Dir vorstellst, gibt es einfach keine Fundierung. 1982 erschien in der „Welt“ mal ein Artikel „Karl Marx ist 100 Jahre tot“, in dem Marx für alles stalinistische Unrecht verantwortlich gemacht wurde. Da hieß es dann, er sei von seinem Charakter her herrisch, streitsüchtig und polemisch gewesen und habe den französischen Anarchisten Pierre Joseph Proudhon als „Phrasen dreschenden Kleinbürger“ bezeichnet. „Später hießen solche Widersacher dann Trotzki und wurden mit dem Eispickel erschlagen“. Abgesehen davon, dass ich mal sehr gespannt wäre, wie die Welt denn Proudhons „Das Eigentum, das ist der Diebstahl. Eigentum ist Diebstahl, Eigentum ist Freiheit, Eigentum ist unmöglich.“ kommentiert hätte, wurde hier umstandslos aus einem polemischen Stil der Diskussion bei Marx die Mordpraxis Stalins abgeleitet. So geht es mir mit Dir: Eine Argumentationsbasis, so platt und dumpf, dass man auf ihr selber gar nicht diskutieren kann, und das alles aus einer weltanschaulichen Perspektive, die ich gefühlt so am rechten Rand der CDU einordnen würde. Und dazu bei Dir das Fehlen jeglicher Bereitschaft, es überhaupt nur zu versuchen, die Argumentationsstränge Deiner Mitdiskutanten nachzuvollziehen oder auf geäußerte Kritiken einzugehen.

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  24. che2001 schreibt:

    Im Gegenteil, der Nachweis, dass es eine Aufarbeitung des Stalinismus gegeben hat anhand einer Literaturliste genau dazu wird von Dir als Beleg gewertet, dass es einen Link von Marx zu Stalin gäbe. So verdreht man seinen Mitdiskutanten das Wort im Mund, macht sich selber unfehlbar und begibt sich außerhalb jeder stringent logischen Argumentation. So hat die Inquisition agiert, und das hat dann allerdings mit Stalin wieder sehr viel mehr gemein als etwa Marx. Das ist Paralogik, und da macht es auch keinen Sinn mehr zu diskutieren. Ich bin draußen.

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  25. che2001 schreibt:

    @“Der Kommentar von Netbitch ist ein echtes Sahnestückchen“ – Die ist ja auch eine echte Sahneschnitte.

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  26. genova68 schreibt:

    Che, danke für dieses Lehrstück: Deine Antwort auf meine Frage war „Kann ich“. Jetzt schreibst du, dass deine Antwort eigentlich hätte lauten müssen „Kann ich nicht“.

    Ist ja nicht schlimm, sich zu irren oder von mir aus, sich ungenau auszudrücken, aber daraus nun den Vorwurf zu machen, ich hätte „glatt gelogen“ oder „dreist getäuscht“, ist ein starkes Stück. So wie ich dich einschätze, wirst du mir aber nun eher die bekannten Vorwürfe machen, wahlweise ich sei Stalinist oder vom rechten CDU-Rand oder Paralogiker, als einfach mal eine offensichtliche grobe Ungenauigkeit zuzugeben.

    Und wenn du schreibst , dass „Marx und der Marxismus-Leninismus“ wenig miteinander zu tun hatten“, dann hatten sie ja etwas miteinander zu tun. Mehr habe ich nie behauptet.

    Und dass man bei einem Gesamtwerk Marx´von schätzungsweise zigtausend Seiten kategorisch behauptet, es gebe für meine Lesart keine Fundierung, ist auch nur mit einem ordentlichen Selbstbewusstsein möglich. Dass es da Leerstellen gibt, zeigte mir schon die flotte Lektüre des Manifests.

    Zigtausend Seiten, aber keine Leerstelle. Und du wunderst dich, warum ich euch Dogmatismus vorwerfe?

    Umstandslos habe ich nichts abgeleitet. Auch das weiß jeder, der lesen kann und will.

    In Sachen Netbitch kommen wir wohl schneller zu einer Lösung: Ihr glaubt, dass eine Sahneschnitte nur Sahnestückchen produziert. Wenn sich das Testosteron abgebaut hat, werdet ihr einsehen, dass dem nicht so ist.

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  27. che2001 schreibt:

    Allein schon dieser paternalistische Rechthabertonfall, dieses „Ihr werdetveinsehen“, „Ihr solltet in Euch gehen“, dieses völlige Ignorieren, eigene Fehler nachgewiesen bekommen zu haben bei gleichzeitigem Verlangen, andere sollten ihre Fehler zugeben. Ciao, Monsignore, und noch viel Spaß mit den Daumenschrauben, ich bin weg.

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  28. www schreibt:

    Alos ich begrüße ausdrücklich die Verwendung des von mir aufgebrachten Kolakowski-Zitates, und finde es bezeichnend, dass die hiesigen Marxologen dieses monumentale, dre dicke Bände umfassende Werk (Hauptströmungen des Marxismus) nicht kennen, obwohl es in praktisch jeder Bibliothek vorhanden ist.

    „Kołakowski entwickelte eine stark von den Frühschriften von Karl Marx beeinflusste Philosophie, die man oft mit dem Begriff „Humanistischer Marxismus“ bezeichnet, gilt gleichzeitig aber als Kritiker des Marxismus. Als er 1970 von Jürgen Habermas in Frankfurt als Nachfolger Theodor Adornos vorgeschlagen wurde, lehnte die Fachschaft des Philosophischen Seminars diesen Plan wegen „mangelnder marxistischer Linientreue“ ab. Sein Hauptwerk Die Hauptströmungen des Marxismus gibt eine umfassende Darstellung der verschiedenen Strömungen des Marxismus sowie seiner sozial- und geistesgeschichtlichen Vorläufer und Wegbereiter. Es stellt zugleich eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie dar. Kołakowski bezeichnet darin den Marxismus als „die größte Fantasie unseres Jahrhunderts“. Das Werk schließt mit dem Urteil:

    Die Selbstvergötterung des Menschen, welcher der Marxismus philosophischen Ausdruck verlieh, endet wie alle individuellen und kollektiven Versuche der Selbstvergötterung. Sie erweist sich als der farcenhafte Aspekt der menschlichen Unzulänglichkeit.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Leszek_Ko%C5%82akowski#Werke_.28Auswahl.29

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  29. genova68 schreibt:

    Che,

    Ironie zu erkennen ist deine Sache nicht. Hätte mich aber auch gewundert.

    Mir können keine Fehler nachgewiesen werden, weil ich nur darauf hingewiesen habe, auf Leerstellen bei Marx zu achten. Ansonsten habe ich keine Behauptungen aufgestellt, höchtsten Vermutungen.

    Daumenschrauben? Hast du dir von mir anlegen lassen? Lustig.

    Auf Wiedersehen.

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  30. genova68 schreibt:

    www,
    dein Kommentar ist in den Spam-Ordner gerutscht. Jetzt ist er aber da.

    Leider kommt er zu spät. Die Fachleute haben sich erregt und verabschiedet.

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  31. netbitch schreibt:

    Das Kolokawski-Problem wurde ja von den Experten längst beantwortet. Geschichte vollzieht sich nicht so, dass politisches Handeln aus Buchstellen abgeleitet wird. Nörgler, Momorulez und Che haben wiederholt darauf hingewiesen. Und mit Ironie hast Du es ja nu ganz und gar nicht, nachdem Du die vielen ironischen Anspielungen auf Deine kruden Ideen auf unseren unterschiedlichen Blogs alle zunächst nicht begriffen hattest, sondern anahmst, wir hätten tatsächlich ein Problem mit Stalin und/oderMarx. Und Deine Reaktion auf meinen letzten Kommentar war ja auch demenentsprechend: „Da muss man nicht alles ins Lächerliche ziehen.“ ier bestimmt nur einer, was Ironie ist, und das ist der Hausherr des Blogs, gelle?

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  32. genova68 schreibt:

    Netbitch,

    nicht jede Antwort der Experten bedeutet, dass eine Frage beantwortet ist.

    „Geschichte vollzieht sich nicht so, dass politisches Handeln aus Buchstellen abgeleitet wird.“

    Das ist so ein typischer, sinnloser Expertensatz. Geschichte vollzieht sich mal so, mal so, da spielt alles mögliche mit hinein. Selbst Buchstellen tragen ihren Teil bei. Es wäre ja absurd zu behaupten, die Schriften von Marx hätten keinen Einfluss gehabt.

    Experten klugscheißern manchmal ganz schön vor sich hin und sind kraft der ihnen verliehenen Bibliotheken gerne eine Spur zu arrogant.

    Bist du auch Expertin? Oder schreibst du das nur irgendwo ab? Wobei es du als Sahneschnittchen bei den Herren Experten ja eh leichter hast als ich, wie man hier feststellen kann.

    Mit der Ironie ist das tatsächlich so eine Sache. Die ironischen Anspielungen auf euren Blogs: einen Teil habe ich wohl nicht gelesen und einen weiteren Teil würde ich nicht als Ironie bezeichnen, sondern als Sarkasmus.

    Meine Ironie hier ist immer die des Drüberstehenden, des Messias, der eurem Heiland Marx Konkurrenz macht. Aber wie gesagt, Ironie ist schwierig, gerade im Internet.

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  33. andi1789 schreibt:

    Mir geht es ab und an so, dass ich auf einige ausgesprochene Marx-Kenner treffe, die einem beinahe das Rederecht absprechen wollen, weil man keine x-tausend Seiten MEW gelesen hat. Da mag manches richtige drinstehen, aber es ist unter den jetzigen Bedingungen sehr schwer, außerhalb des linksintellektuellen Spektrums jemandem mit Marx zu kommen. Wenn man für gesellschaftliche Veränderung ist, kann man folglich öffentlichkeitswirksam kaum mit Marxismus auf dem Banner losmarschieren. So lese ich jedenfalls diesen Blogeintrag.

    Dass Marx im „realexistierenden Sozialismus“ verehrt und damit instrumentalisiert wurde, läßt sich nicht bestreiten. Aber welcher Nutzen wäre aus einer Marxtextexegese im Hinblick auf den ehemaligen Ostblock auf der Suche nach „Leerstellen“ zu ziehen, aus linker Perspektive? Das erschließt sich mir nicht, höchstens für die Rechte/Konservativen wäre dies doch interessant. (Die NPD geht ja auch nicht hin und sagt, dass man sich zunächst einmal ausgiebig mit der Analyse nationalkonservativer Texte aus der Zeit zwischen den Weltkriegen auseinandersetzte oder?)

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  34. netbitch schreibt:

    Darum geht es hier aber gerade nicht. Die Ausgangsthese von Genova war es nicht nur, dass es irgend eine „Leerstelle“ in den Werken von Marx geben müsse, aus der der Stalinismus abgeleitet werden könnte, sondern auch, dass der Stalinismus nie öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet worden sei. Dann kamen wir, also Momorulez, Nörgler, Che, Katzenblogger, Workingclasshero und ich und führten ellenlange Literaturlisten an, aus denen hervorging, dass es sehr wohl eine öffentliche Aufarbeitung des Stalinismus gibt, und zwar seit Jahrzehnten, was von Genova abwechselnd als unwichtig, margina und bedeutungslos abgetan wurde oder mit Vorwürfen verbunden, wir hätten da unbewältigte eigene Probleme und wollten ja nicht vor der eigenen Haustür kehren, obwohl wir alle keine MarxistInnen sind. Irgendwann platzte Che dann der Kragen und er meinte zu Genova, er solle die genannte Literatur doch erst einmal lesen, ehe er urteile, ob es eine Aufarbeitung des Stalinismus gegeben habe oder nicht. Finde ich sehr berechtigt, den Hinweis. Abgesehen davon wurde wiederholtestens auch darauf hingewiesen, dass Realgeschichte nicht aus theoretischen Positionen ergibt, die in Büchern zu finden seien, sondern der Stalinismus zunächst aus der Herrschaftspraxis des Stalinismus, der Eskalation des russischen Bürgerkriegs, den Interventionen des Auslands und den internen Machtkämpfen der Bolschewiki erklärt werden müsse, aber nicht aus dem Studium der Werke von Marx. Das ist so, als ob jemand den Holocaust aus den Werken von Darwin erklären wollte, immerhin liegt die ideengeschichtliche Fundierung der NS“Euthanasie“ und „Rassenpolitik“ in sozialdarwinistischer Eugenik begründet. Die Realhistorie hat hier hingegen etwas mit der NS-Doktrin vom „Lebensraum im Osten“ als Ersatz für die verlorengegangenen Kolonien zu tun, plus Rassenhygiene plus Antisemitismus und einer daraus sich ergebenden Bevökerungsökonomie, die auf Vernichtung nicht nur von Juden, Sinti und Roma und Anstaltsinsassen abzielt, sondern von kompletten Bevölkerungen Osteuropas, die als „überflüssige Esser“ und „Ballastexistenzen“ der deutschen Neubesiedelung im Wege waren. Das ist halt der Unterschied zwischen idealistischer Ideologiekritik anhand von Textexegese und empirischer Sozialgeschichte.

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  35. willy56 schreibt:

    Hm, meines Wissens haben sich Hitler und die Nazis nie auf Darwin oder den Darwinismus berufen; sie haben auch nie den Anspruch erhoben, den Verlauf der Geschichte mit wissenschaftlichen Mitteln vorherzusagen wie Marx oder überhaupt eine wissenschaftliche Begründung für ihr Handeln und Wollen zu geben beansprucht.

    All dies hat Marx sehr wohl getan, und es ist eben die Frage, ob sich nicht eben daraus der Leninismus/Stalinismus ergebn hat?

    Die Partei hat bekanntlich immer recht.

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  36. che2001 schreibt:

    @“Hm, meines Wissens haben sich Hitler und die Nazis nie auf Darwin oder den Darwinismus berufen“ —- Aber holla haben sie das! Die NS-Rassenideologie wurde als Anwendung der Naturwissenschaft bezeichnet, der führende Rassenhygieniker Eugen Fischer bezeichnete bei seiner Antrittsrede als Präsident der Humboldt-Universität die NS-Machtübernahme, die gerade erfolgt war, als biologisch notwendige „Erb- und Rassenpflege des Staates“ und forderte, die Juden „auszumerzen, obwohl sie nicht insgesamt minderwertig seien, wie etwa Neger“, und sein enger Kollege, der im NS führende Biologe Fritz Lenz nannte sich selbst den „eigentlichen Begründer der NS-Weltanschauung“.

    So, jetzt wurde ich hier doch noch mal rückfällig. Müssen die Historiker-Gene sein;-)

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  37. willy56 schreibt:

    Und was hat das mit Darwin zu tun?

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  38. che2001 schreibt:

    Wo kommt den die „Rassenhygiene“ her? Sie war der Versuch einer Anwendung gesteuerter genetischer Zuchtwahl auf ganze Bevölkerungen und ist somit eine spezielle Form des Sozialdarwinismus. Man könnte also, ähnlich der Abfolge Marx-Bebel-Kautsky-Lenin-Stalin auch eine Abfolge Darwin-Haeckel-Schallmeyer-Ploetz-Lenz herstellen und eine Entwicklung von Darwin zur Shoa behaupten. Bloß dass beides keinerlei Erklärungswert für irgendetwas hat, da es realgeschichtliche Entwicklungsprozesse ausblendet.

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  39. genova68 schreibt:

    „Darum geht es hier aber gerade nicht. Die Ausgangsthese von Genova war es nicht nur, dass es irgend eine “Leerstelle” in den Werken von Marx geben müsse, aus der der Stalinismus abgeleitet werden könnte, sondern auch, dass der Stalinismus nie öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet worden sei.“

    Diesem Netbitch-Zitat stimme ich komplett zu. Wenn man gesellschaftliche Veränderungen will, spricht nichts dagegen, mit Marx auf dem Banner rumlaufen, ganz im Gegenteil. Und genau deshalb vorher kritisch hingucken.

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  40. willy56 schreibt:

    Seltsam, ich habe bei Darwin nie was von Rassenhygiene oder genetischer Zuchtwahl gelesen, wie Darwins Theorie überhaupt nur zubeschreiben versucht, was in der Natur wirklich geschieht, ohne irgendeinen normativen Anspruch zu erheben. Anders als Marx, der eben wircklich von der „Diktatur des Proletariats“ gesprochen hat, ohne diesen Begriff näher zu erklären.

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  41. Nörgler schreibt:

    Schon mal was von „survival of the fittest“ und „natural selection“ gehört?
    Davon mach(t)en Sozialdarwinismus und Rassenhygiene dann ihren speziellen Ge- und Mißbrauch, so wie Che es schrieb.

    Selbstverständlich hat Marx diesen Begriff erklärt. Es ist „die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“ (Komm. Manifest)
    Marx gebraucht „Diktatur des Proletariats“ in seinen gesamten (!) Schriften sieben (!) mal, davon in „Kapital“, „Grundrissen“ und „Theorien über den Mehrwert“ null (!) mal.
    Du darfst also gerne allein schon aus diesem Grund aufhören, Dir ins Hemd zu machen.
    Noch wichtiger aber ist dies: Bitte endlich mal beachten, welche Bedeutung der Begriff der „Diktatur“ zu Marx‘ Zeiten hatte, nämlich nicht Willkür-, Gewalt- und Terrorherrschaft. Vielmehr war „Diktatur“ der Begriff, den rechtslastige, demokratiefeindliche Kreise gebrauchten, wenn sie gegen das hetzten, was wir heute „Demokratie“ nennen.

    Dazu paßt sehr gut „die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl“, was im heutigen Verständnis und Sprachgebrauch eben Demokratie heißt.
    Das heißt: Marx macht nichts anderes, als den Demokratiehassern zu sagen: Ja, das was Ihr eine „Diktatur“ nennt, das ist es, was wir wollen!

    Is nu endlich gut?

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  42. che2001 schreibt:

    Hierzu, ich tippe mir ja echt die Fingerkuppen schartig, nochmal die Herleitung, nachzulesen in der Wikipedia:

    “ Der Begriff „Diktatur“ kam erstmals in Zusammenhang mit der Römischen Republik (500-27 v. Chr.) auf, in der die Möglichkeit bestand, dass Konsul und Senat zeitlich begrenzt einen Diktator ernannten, dem alle Ämter unterstanden. …. Als im Juni 1848 in Paris der Bürgerkrieg ausbrach, übertrug die Nationalversammlung Louis-Eugène Cavaignac die Befugnisse für eine Militärdiktatur….
    „Die Freiheit führt das Volk“ (1830); Die bürgerlichen Revolutionen und demokratische Bestrebungen wurden von Gegnern oftmals mit dem Begriff der „Diktatur“ verbunden.

    Während der Französischen Revolution 1789-99 wurde die konstitutionelle und legislative Versammlung, der Nationalkonvent, von Gegnern ebenso als Diktatur bezeichnet wie es das Britische Parlament Jahrhunderte lang wurde oder die Pariser Kommune von 1871. Im 19. Jahrhundert war in reaktionären Kreisen der Begriff der Diktatur für nach heutigem Verständnis eher demokratischen Regierungsformen durchaus üblich. Das Wort Diktatur hatte noch nicht seine heutige Bedeutung, und kann nicht mit Begriffen wie Despotismus, Tyrannis, Absolutismus oder Autokratie gleichgesetzt werden, es war ebenso noch kein Gegenbegriff zur Demokratie. Ideengeschlichtlich lässt sich eine negative Nutzung des Begriffs der Demokratie als Tyrannei der Vielen bis zu den Staatstheorien Platons oder Aristoteles zurückführen, wobei hervorzuheben ist dass diese den Begriff Demokratie anders nutzten als heute gebräuchlich ist. Die bürgerlichen Revolutionen der 1848er Jahre waren in reaktionären Kreisen eine „Tyrannei der Demokratie“ oder „Tyrannei der Massen“.[3] So stellte der spanische Diplomat, Politiker und Staatsphilosoph Juan Donoso Cortés (1809-53), der heute als politischer Vordenker moderner Diktaturen gilt, noch um diese Zeit bezüglich des englischen Parlaments fest: „Wer, meine Herren, hat je eine monströsere Diktatur gesehen?“[4

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  43. genova68 schreibt:

    Che, ich bedanke mich jetzt mal ganz ernsthaft für deine Mühe, die du dir mit diesem Thema gemacht hast, hier und anderswo.

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  44. che2001 schreibt:

    Das nehme ich wohlwollend zur Kenntnis, dankeschön!

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  45. Nörgler schreibt:

    Jetzt warten wir nur noch auf das „Sorry, ich habe geirrt“ von willy.

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  46. Willy56 schreibt:

    Das könnte dir so passen.

    „Schon mal was von “survival of the fittest” und “natural selection” gehört?
    Davon mach(t)en Sozialdarwinismus und Rassenhygiene dann ihren speziellen Ge- und Mißbrauch, so wie Che es schrieb.“

    Vielleicht solltest du statt Marx mal Darwin lesen, dann würdest du auch darauf kommen, warum er von „Survival of the fittest“ und nicht „Survival of the strongest“ schreibt, „fit“ bedeutet nämlich nicht stärker sondern soviel wie „passend“, sprich: angepasst. Wenn immer dir Stärksten überleben würden, hätten wohl die Dinosaurier das Rennen gemacht, und nicht die Säugetiere.

    Ganz abgesehn davon folgt daraus, dass in der Wirklichkeit etwas vor sich geht (natürliche Auslese, Überleben des besser angepassten) kein Imperativ, das in seinen Willen aufzunehmen und es für moralisch geboten zu erklären. Schon deshalb ist die Berufung der sog. „Sozialdarwinisten“ auf Darwin verfehlt, und zwar rein logisch, nicht auf grund unklarer Formulierungen wie bei Marx. Schließlich hat er ja bewusst den Begriff „Diktatur“ gewählt, er hätte ja auch von proletarischer Demokratie o.ä. sprechen können.

    Dass man im 19. Jahrundert unter Diktatur eigentlich Demokratie verstand ist wohl wenig plausibel, schließlich gab es die Begriffe schon bei den Griechen im 5. Jahrhundert v.Chr. mit sov ziemlich der gleichen Bedeutung wie heute.

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  47. che2001 schreibt:

    Nein, gab es nicht, das hieß damals Tyrannis.

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  48. che2001 schreibt:

    Ansonsten zitiere ich mal Darwin selber:

    „So neigen also die leichtsinnigsten, heruntergekommenen und lasterhaften Glieder der Menschheit dazu, sich schneller zu vermehren als die gewissenhaften, pflichbewussten Menschen.
    Oder, wie Greg den Fall darstellt, der sorglose, schmutzige, genügsame Irländer vermehrt sich wie ein Kaninchen; der mäßige, vorsichtige, sich selbst achtende Schotte in seiner ernsten Sittlichkeit, seinem durchgeistigten Glauben, seiner scharfsinnigen, selbstbewußten Intelligenz verbringt seine besten Jahre in Kampf und Ehelosigkeit, heiratet spät und hinterläßt wenig Kinder. Gesetzt den Fall, ein Land sei ursprünglich von Tausend Sachsen und Tausend Kelten bewohnt, so würden nach einem Dutzend Menschenaltern fünf Sechstel der Bevölkerung Kelten sein, aber fünf Sechstel alles Besitztums, aller Macht und Intelligenz würde sich in den Händen des einen Sechstels Sachsen befinden. Im ewigen Kampf ums dasein würde die untergeordnete, weniger begünstigte Rasse gesiegt haben, und zwar nicht kraft ihrer guten Eigenschaften, sondern kraft ihrer Fehler.“
    – Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, Stuttgart 1966, S. 178

    Und dieses Modell wurde dann auch auf das Verhältnis weiß-schwarz, Juden-„Arier“ usw. übertragen.

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  49. Pingback: DDR: „Sehr demokratisch und sehr antifaschistisch“ « Exportabel

  50. Nörgler schreibt:

    Das Darwin-Zitat von Che verwirrt unseren Willy so, dass ihm dazu nichts mehr einfällt.

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