Verliebt, verlobt, verheiratet

Der frühromantische Dichter Novalis hat 1794 bei einer Reise Sophie von Kühn (Bild) kurz kennengelernt. Seinem Bruder schrieb er daraufhin, diese „Viertelstunde“ habe gereicht, sein „Leben zu bestimmen“ und kündigte die Heirat an. Sophie war damals zwölf Jahre alt. Die beiden verlobten sich ein halbes Jahr später, an Sophies 13. Geburtstag. Novalis war 22.

Ins Tagebuch notierte er in den kommenden Monaten über seine Verlobte, sie sei „frühreif“ und habe dennoch einen „Hang zum kindischen Spiel“. Störend fand Novalis ihr „Tabaksrauchen“ sowie ihre „Dreistigkeit gegen den Vater“. Außerdem mache sie „sich nicht viel aus Poesie“, was blöd sein kann, wenn man demnächst einen Dichter heiraten soll.

Was das Fräulein von Kühn von Novalis hielt, ist mir nicht bekannt.

Bemerkenswert und für mich neu: Offenbar konnte sich in Deutschland noch kurz vor dem 19. Jahrhundert ein erwachsener Mann mit einem Kind verloben. Vielleicht aber auch nur, wenn das Kind schon rauchte.

Lustig ist der Antwortbrief des Bruders an Novalis. Er riet von der Heirat ab, aber nicht etwa wegen des Alters des Mädchens:

„Wie kannst Du in einer Viertelstunde ein Mädchen durchschauen?… Wenn Du mir ,ein Vierteljahr` geschrieben hättest, so hätte ich noch Deine Talente in der Kenntnis des weiblichen Herzens bewundert, aber eine Viertelstunde, denke nur selbst an, eine Viertelstunde, das klingt gar zu wunderbar…“

Times they are changin`. Sophie wurde übrigens krank und starb mit 15, deshalb wurde es nichts mit der Heirat.

Wer es genauer wissen will: Hier findet man in einer Uni-Arbeit Details.

(Gefunden in einem Reclam-Büchlein von Herbert Uerlings über Novalis, erschienen1998.)

portraet_sophie_von_kuehn

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Eine Antwort zu Verliebt, verlobt, verheiratet

  1. nimrouz schreibt:

    So eine Ansichtskarte habe ich meinen Eltern vor vielen Jahren auch geschrieben (allerdings war ich da schon ein paar Tage älter als 12). „Liebe Eltern, ich habe den Mann meines Lebens kennengelernt und ich werde in x wohnen.“ Ich habe nicht näher definiert, in welcher Zeit ich festgestellt hatte, dass es sich um jenen handelte. Es war ganz bestimmt irgendwas zwischen 13 Tagen und drei Sekunden. Heute tippe ich auf letzteres, vielleicht sogar noch weniger. Irgendwann wird mir die neuere Hirnforschung Recht geben. Was die Dauer und die Herkunft der Entscheidung angeht. Ihre Tragfähigkeit wird die Hirnforschung nicht beurteilen können. Aber das trau ich mir inzwischen auch selbst zu.

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