Berührungsverbot

Haut, Heim, Auto: Wie hängt das zusammen? Antworten zu dieser zuerst einmal sehr uninteressanten Frage finden sich in dem sehr interessanten  Blogeintrag Buchauszug „Berührungsverbot“ des Journalisten Florian Felix Weyh.

Mir fällt dazu ein verwandtes Thema ein.

In Berlin und in Paris gibt es große Kreisverkehre, beispielsweise den Großen Stern im Tiergarten und den Kreisverkehr um den Arc de Triomphe. Am Großen Stern stehen schätzungsweise fünfzig bis hundert Ampelmasten (kein Scherz), in Paris steht keiner, obwohl dort viel mehr Autos umherfahren.

Der Verkehr sieht dann so aus (oben Berlin, unten Paris):

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Extrem geordnet und überreguliert in Deutschland, mit tausenden auf den Teer aufgemalten Vorschriften, laisser faire in Frankreich.

Würde man in Berlin die Ampeln  wegnehmen, echauffierte sich die Lokalpresse sicher sofort (Chaotische Zustände! Unhaltbar!). In Paris läuft das einfach so.

Es muss halt alles geregelt sein hier. Und so regeln selbst in einem Kreisverkehr Ampeln den Verkehr, obwohl ein Kreisverkehr Ampeln eigentlich ersetzen soll. Aber wo käme der Deutsche hin, würde er einfach so in einen Kreisverkehr einfahren, ohne dass ihm jemand sagt, ob er das darf.

Das ist nur ein simples Beispiel. Aber kein Zufall.

„Jede Plastikschramme eine Kriegserklärung“, steht in dem Blogeintrag Buchauszug von Florian Felix Weyh noch. Und dass in Frankreich eine Stoßstange kein Ersatzteil ist, weil man sie einfach nicht austauscht. Alles undenkbar hier.

Passend dazu die Szene in „Pulp Ficton“, als sich die beiden Killer kurz vor dem Mord darüber empören, dass irgendwer das Auto eines Bekannten beschädigt habe: „Was gibt’s feigeres, als sich am Auto eines Mannes zu rächen? Ich meine, der Wagen eines anderen Mannes hat Tabu zu sein.“ „Sowas macht man nicht.“

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10 Antworten zu Berührungsverbot

  1. Jean Stubenzweig schreibt:

    Eine hübsche Assoziation. Und so wahr. Denn es geht hervorragend am großen Stern von Paris. Manchmal gibt’s eben ein Beulchen. Aber das liegt auch am völlig anderen Verhältnis Frankreichs zum Automobil. Man sitzt auch beim Essen lieber ampellos zusammen.

    Eine kleine Korrektur muß ich anbringen: Das ist kein Blogbeitrag von Florian Felix Weyh, sondern ein Auszug aus seinem Buch Die ferne Haut, der im Laubacher Feuilleton veröffentlicht worden war. Eine Seite hat Weyh allerdings auch: http://www.weyhsheiten.de/

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  2. genova68 schreibt:

    Danke für das Lob und den Hinweis. Ich habe den Beitrag entsprechend geändert.

    Die Franzosen sitzen beim Essen ampellos zusammen? Meinst du, die Tische stehen relativ eng beieinander?

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  3. Jean Stubenzweig schreibt:

    Richtig, manchmal wird’s eng. Wenn so viele dazukommen. Aber zumindest verzichtet man, entgegen der landläufigen deutschen Meinung und Haltung, auf geregelten Verkehr.

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  4. Reifen schreibt:

    Hallo,

    bin hier zufällig gelandet.

    Sehr gut geführter Blog, Angenehm zu lesen, man merkt das hier jemand mit viel
    Energie am werk ist. Möchte mich meinem Vorschreiber anschließen.Ist immer wieder erfreulich zu lesen das auch andere die gleiche Meinung haben.

    Weiter so.

    Gruß

    Michael Reifen

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  5. genova68 schreibt:

    Danke. Dein Reifen-Laden hat ja quasi auch inhaltlich mit dem Blogeintrag zu tun. :-)

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  6. Peter schreibt:

    Hehe, Sie wirken auf mich wie der typische Klischee-Deutsche!
    Nörgel, nörgel, motz.
    Wer will denn freiwillig in dem Chaos auf Bild 2 fahren? Oh, aber das ist ja so romantisch unreguliert, so ursprünglich wild. Und dann holt man sich noch ein paar Dallen, so quasi als Trophäe oder wie eine Narbe, die man später stolz rumzeigen kann. Ich war dabei^^
    Deutsche Romantik?

    Nichts für ungut, aber war grad ehrlich überrascht auf so eine Haltung im Internet zu stoßen. Das sind wahrscheinlich die Generationen-Unterschiede?!^^ (wenn ich 68 mal als Ihr Alter oder Geburtsjahr deuten darf)

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  7. genova68 schreibt:

    Zwischen 68 als Alter und 1968 als Geburtsjahr ist aber ein gewisser Unterschied. Kleiner Tipp: Die richtige Lösung ist dabei.

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  8. nimrouz schreibt:

    Juchhu! Ein Festschmaus für die interkulturelle Kommunikation! Das Stereo ist tot, es lebe der (oder das?) Typ! Selten hat irgend etwas mehr eine Diskussion belebt. Und es leben die 68er. Sie sind schließlich, was sie sind. Übertroffen nur von der 69ern. Brigitte Bardot. Jane Birkin. Serge Gainsbourg. Die hatten bestimmt überall ihren Spaß und haben die Reifen quietschen lassen – an beiden Kreiseln. Ob zu dritt, entzieht sich meiner Kenntnis.

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  9. Jörg Kremer schreibt:

    Ich habe gehört, das der große französische Kreisverkehr sogar eine eigene Verkehrsregel hat. Bei einem Unfall trägt jeder automatisch 50% der Schuld. Eine weitere französische Vereinfachung, die ich extrem sympathisch finde.

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  10. genova68 schreibt:

    Das wäre in der Tat eine praktische Regel.

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